Immanuel Kant

Kritik der praktischen Vernunft

1788

 

 

 

[Inhaltsbersicht]

 

Vorrede

 

Einleitung. Von der Idee einer Kritik der praktischen Vernunft.

 

Erster Teil. Elementarlehre der reinen praktischen Vernunft.

 

Erstes Buch. Die Analytik der reinen praktischen Vernunft.

Erstes Hauptstck. Von den Grundstzen der reinen praktischen Vernunft.

I. Von der Deduktion der Grundstze der reinen praktischen Vernunft.

II. Von der Befugnis der reinen Vernunft, im praktischen Gebrauche, zu einer Erweiterung, die ihr im spekulativen fr sich nicht mglich ist.

Zweites Hauptstck.

Von dem Begriffe eines Gegenstandes der reinen praktischen Vernunft.

Von der Typik der reinen praktischen Urteilskraft.

Drittes Hauptstck.

Von den Triebfedern der reinen praktischen Vernunft.

Kritische Beleuchtung der Analytik der reinen praktischen Vernunft.

 

Zweites Buch. Dialektik der reinen praktischen Vernunft.

Erstes Hauptstck. Von einer Dialektik der reinen praktischen Vernunft berhaupt.

Zweites Hauptstck. Von der Dialektik der reinen Vernunft in Bestimmung des Begriffs vom hchsten Gut.

I. Die Antinomie der praktischen Vernunft.

II. Kritische Aufhebung der Antinomie der praktischen Vernunft.

III. Von dem Primat der reinen praktischen Vernunft in ihrer Verbindung mit der spekulativen.

IV. Die Unsterblichkeit der Seele, als ein Postulat der reinen praktischen Vernunft.

V. Das Dasein Gottes, als ein Postulat der reinen praktischen Vernunft.

VI. ber die Postulate der reinen praktischen Vernunft berhaupt.

VII. Wie eine Erweiterung der reinen Vernunft, in praktischer Absicht, ohne damit ihr Erkenntnis, als spekulativ, zugleich zu erweitern, zu denken mglich sei ?

VIII. Vom Frwahrhalten aus einem Bedrfnisse der reinen Vernunft.

IX. Von der der praktischen Bestimmung des Menschen weislich angemessenen Proportion seiner Erkenntnisvermgen.

 

Zweiter Teil. Methodenlehre der reinen praktischen Vernunft

 

Beschlu

 

 

 

Vorrede

Warum diese Kritik nicht eine Kritik der reinen praktischen, sondern schlechthin der praktischen Vernunft berhaupt betitelt wird, obgleich der Parallelismus derselben mit der spekulativen das erstere zu erfordern scheint, darber gibt diese Abhandlung hinreichenden Aufschlu. Sie soll blo dartun, da es reine praktische Vernunft gebe, und kritisiert in dieser Absicht ihr ganzes praktisches Vermgen. Wenn es ihr hiermit gelingt, so bedarf sie das reine Vermgen selbst nicht zu kritisieren, um zu sehen, ob sich die Vernunft mit einem solchen, als einer bloen Anmaung, nicht bersteige (wie es wohl mit der spekulativen geschieht). Denn wenn sie, als reine Vernunft, wirklich praktisch ist, so beweiset sie ihre und ihrer Begriffe Realitt durch die Tat, und alles Vernnfteln wider die Mglichkeit, es zu sein, ist vergeblich.

Mit diesem Vermgen steht auch die transzendentale Freiheit nunmehr fest, und zwar in derjenigen absoluten Bedeutung genommen, worin die spekulative Vernunft beim Gebrauche des Begriffs der Kausalitt sie bedurfte, um sich wider die Antinomie zu retten, darin sie unvermeidlich gert, wenn sie in der Reihe der Kausalverbindung sich das Unbedingte denken will, welchen Begriff sie aber nur problematisch, als nicht unmglich zu denken, aufstellen konnte, ohne ihm seine objektive Realitt zu sichern, sondern allein, um nicht durch vergebliche Unmglichkeit dessen, was sie doch wenigstens als denkbar gelten lassen mu, in ihrem Wesen angefochten und in einen Abgrund des Skeptizismus gestrzt zu werden.

Der Begriff der Freiheit, so fern dessen Realitt durch ein apodiktisches Gesetz der praktischen Vernunft bewiesen ist, macht nun den Schlustein von dem ganzen Gebude eines Systems der reinen, selbst der spekulativen, Vernunft aus, und alle anderen Begriffe (die von Gott und Unsterblichkeit), welche, als bloe Ideen, in dieser ohne Haltung bleiben, schlieen sich nun an ihn an, und bekommen mit ihm und durch ihn Bestand und objektive Realitt, d.i. die Mglichkeit derselben wird dadurch bewiesen, da Freiheit wirklich ist ; denn diese Idee offenbaret sich durchs moralische Gesetz.

Freiheit ist aber auch die einzige unter allen Ideen der spekulativen Vernunft, wovon wir die Mglichkeit a priori wissen, ohne sie doch einzusehen, weil sie die Bedingung* des moralischen Gesetzes ist, welches wir wissen. Die Ideen von Gott und Unsterblichkeit sind aber nicht Bedingungen des moralischen Gesetzes, sondern nur Bedingungen des notwendigen Objekts eines durch dieses Gesetz bestimmten Willens, d.i. des blo praktischen Gebrauchs unserer reinen Vernunft ; also knnen wir von jenen Ideen auch, ich will nicht blo sagen, nicht die Wirklichkeit, sondern auch nicht einmal die Mglichkeit zu erkennen und einzusehen behaupten. Gleichwohl aber sind sie die Bedingungen der Anwendung des moralisch bestimmten Willens auf sein ihm a priori gegebenes Objekt (das hchste Gut). Folglich kann und mu ihre Mglichkeit in dieser praktischen Beziehung angenommen werden, ohne sie doch theoretisch zu erkennen und einzusehen. Fr die letztere Forderung ist in praktischer Absicht genug, da sie keine innere Unmglichkeit (Widerspruch) enthalten. Hier ist nun ein, in Vergleichung mit der spekulativen Vernunft, blo subjektiver Grund des Frwahrhaltens, der doch einer eben so reinen, aber praktischen Vernunft objektiv gltig ist, dadurch den Ideen von Gott und Unsterblichkeit vermittelst des Begriffs der Freiheit objektive Realitt und Befugnis, ja subjektive Notwendigkeit (Bedrfnis der reinen Vernunft) sie anzunehmen verschafft wird, ohne da dadurch doch die Vernunft im theoretischen Erkenntnisse erweitert, sondern nur die Mglichkeit, die vorher nur Problem war, hier Assertion wird, gegeben, und so der praktische Gebrauch der Vernunft mit den Elementen des theoretischen verknpft wird. Und dieses Bedrfnis ist nicht etwa ein hypothetisches, einer beliebigen Absicht der Spekulation, da man etwas annehmen msse, wenn man zur Vollendung des Vernunftgebrauchs in der Spekulation hinaufsteigen will, sondern ein gesetzliches, etwas anzunehmen, ohne welches nicht geschehen kann, was man sich zur Absicht seines Tuns und Lassens unnachlalich setzen soll.

Es wre allerdings befriedigender fr unsere spekulative Vernunft, ohne diesen Umschweif jene Aufgaben fr sich aufzulsen, und sie als Einsicht zum praktischen Gebrauche aufzubewahren ; allein es ist einmal mit unserem Vermgen der Spekulation nicht so gut bestellt. Diejenigen, welche sich solcher hohen Erkenntnisse rhmen, sollten damit nicht zurckhalten, sondern sie ffentlich zur Prfung und Hochschtzung darstellen. Sie wollen beweisen ; wohlan ! so mgen sie denn beweisen, und die Kritik legt ihnen, als Siegern, ihre ganze Rstung zu Fen. Quid statis ? Nolint. Atqui licet esse beatis. Da sie also in der Tat nicht wollen, vermutlich weil sie nicht knnen, so mssen wir jene doch nur wiederum zur Hand nehmen, um die Begriffe von Gott, Freiheit und Unsterblichkeit, fr welche die Spekulation nicht hinreichende Gewhrleistung ihrer Mglichkeit findet, in moralischem Gebrauche der Vernunft zu suchen und auf demselben zu grnden.

Hier erklrt sich auch allererst das Rtsel der Kritik, wie man dem bersinnlichen Gebrauche der Kategorien in der Spekulation objektive Realitt absprechen, und ihnen doch, in Ansehung der Objekte der reinen praktischen Vernunft, diese Realitt zugestehen knne ; denn vorher mu dieses notwendig inkonsequent aussehen, so lange man einen solchen praktischen Gebrauch nur dem Namen nach kennt. Wird man aber jetzt durch eine vollstndige Zergliederung der letzteren inne, da gedachte Realitt hier gar auf keine theoretische Bestimmung der Kategorien und Erweiterung des Erkenntnisses zum bersinnlichen hinausgehe, sondern nur hierdurch gemeinet sei, da ihnen in dieser Beziehung berall ein Objekt zukomme ; weil sie entweder in der notwendigen Willensbestimmung a priori enthalten, oder mit dem Gegenstande derselben unzertrennlich verbunden sind, so verschwindet jene Inkonsequenz ; weil man einen andern Gebrauch von jenen Begriffen macht, als spekulative Vernunft bedarf. Dagegen erffnet sich nun eine vorher kaum zu erwartende und sehr befriedigende Besttigung der konsequenten Denkungsart der spekulativen Kritik darin, da, da diese die Gegenstnde der Erfahrung, als solche, und darunter selbst unser eigenes Subjekt, nur fr Erscheinungen gelten zu lassen, ihnen aber gleichwohl Dinge an sich selbst zum Grunde zu legen, also nicht alles bersinnliche fr Erdichtung und dessen Begriff fr leer an Inhalt zu halten, einschrfte : praktische Vernunft jetzt fr sich selbst, und ohne mit der spekulativen Verabredung getroffen zu haben, einem bersinnlichen Gegenstande der Kategorie der Kausalitt, nmlich der Freiheit, Realitt verschafft, (obgleich, als praktischem Begriffe, auch nur zum praktischen Gebrauche,) also dasjenige, was dort blo gedacht werden konnte, durch ein Faktum besttigt. Hierbei erhlt nun zugleich die befremdliche, obzwar unstreitige, Behauptung der spekulativen Kritik, da sogar das denkende Subjekt ihm selbst, in der inneren Anschauung, blo Erscheinung sei, in der Kritik der praktischen Vernunft auch ihre volle Besttigung, so gut, da man auf sie kommen mu, wenn die erstere diesen Satz auch gar nicht bewiesen htte**.

Hierdurch verstehe ich auch, warum die erheblichsten Einwrfe wider die Kritik, die mir bisher noch vorgekommen sind, sich gerade um diese zwei Angel drehen : nmlich einerseits im theoretischen Erkenntnis geleugnete und im praktischen behauptete objektive Realitt der auf Noumenen angewandten Kategorien, andererseits die paradoxe Forderung, sich als Subjekt der Freiheit zum Noumen, zu gleich aber auch in Absicht auf die Natur zum Phnomen in seinem eigenen empirischen Bewutsein zu machen. Denn, so lange man sich noch keine bestimmten Begriffe von Sittlichkeit und Freiheit machte, konnte man nicht erraten, was man einerseits der vorgeblichen Erscheinung als Noumen zum Grunde legen wolle, und andererseits, ob es berall auch mglich sei, sich noch von ihm einen Begriff zu machen, wenn man vorher alle Begriffe des reinen Verstandes im theoretischen Gebrauche schon ausschlieungsweise den bloen Erscheinungen gewidmet htte. Nur eine ausfhrliche Kritik der praktischen Vernunft kann alle diese Mideutung heben, und die konsequente Denkungsart, welche eben ihren grten Vorzug ausmacht, in ein helles Licht setzen.

So viel zur Rechtfertigung, warum in diesem Werke die Begriffe und Grundstze der reinen spekulativen Vernunft, welche doch ihre besondere Kritik schon erlitten haben, hier hin und wieder nochmals der Prfung unterworfen werden, welches dem systematischen Gange einer zu errichtenden Wissenschaft sonst nicht wohl geziemet (da abgeurteilte Sachen billig nur angefhrt und nicht wiederum in Anregung gebracht werden mssen), doch hier erlaubt, ja ntig war ; weil die Vernunft mit jenen Begriffen im bergange zu einem ganz anderen Gebrauche betrachtet wird, als den sie dort von ihnen machte. Ein solcher bergang macht aber eine Vergleichung des lteren mit dem neuern Gebrauche notwendig, um das neue Gleis von dem vorigen wohl zu unterscheiden und zugleich den Zusammenhang derselben bemerken zu lassen. Man wird also Betrachtungen dieser Art, unter andern diejenige, welche nochmals auf den Begriff der Freiheit, aber im praktischen Gebrauche der reinen Vernunft, gerichtet worden, nicht wie Einschiebsel betrachten, die etwa nur dazu dienen sollen, um Lcken des kritischen Systems der spekulativen Vernunft auszufllen (denn dieses ist in seiner Absicht vollstndig), und, wie es bei einem bereilten Baue herzugehen pflegt, hintennach noch Sttzen und Strebepfeiler anzubringen, sondern als wahre Glieder, die den Zusammenhang des Systems bemerklich machen, um Begriffe, die dort nur problematisch vorgestellt werden konnten, jetzt in ihrer realen Darstellung einsehen zu lassen. Diese Erinnerung geht vornehmlich den Begriff der Freiheit an, von dem man mit Befremdung bemerken mu, da noch so viele ihn ganz wohl einzusehen und die Mglichkeit derselben erklren zu knnen sich rhmen, indem sie ihn blo in psychologischer Beziehung betrachten, indessen da, wenn sie ihn vorher in transzendentaler genau erwogen htten, sie so wohl seine Unentbehrlichkeit, als problematischen Begriffs, in vollstndigem Gebrauche der spekulativen Vernunft, als auch die vllige Unbegreiflichkeit desselben htten erkennen, und, wenn sie nachher mit ihm zum praktischen Gebrauche gingen, gerade auf die nmliche Bestimmung des letzteren in Ansehung seiner Grundstze von selbst htten kommen mssen, zu welcher sie sich sonst so ungern verstehen wollen. Der Begriff der Freiheit ist der Stein des Anstoes fr alle Empiristen, aber auch der Schlssel zu den erhabensten praktischen Grundstzen fr kritische Moralisten, die dadurch einsehen, da sie notwendig rational verfahren mssen. Um deswillen ersuche ich den Leser, das, was zum Schlusse der Analytik ber diesen Begriff gesagt wird, nicht mit flchtigem Auge zu bersehen.

Ob ein solches System, als hier von der reinen praktischen Vernunft aus der Kritik der letzteren entwickelt wird, viel oder wenig Mhe gemacht habe, um vornehmlich den rechten Gesichtspunkt, aus dem das Ganze derselben richtig vorgezeichnet werden kann, nicht zu verfehlen, mu ich den Kennern einer dergleichen Arbeit zu beurteilen berlassen. Es setzt zwar die Grundlegung zur Metaphysik der Sitten voraus, aber nur in so fern, als diese mit dem Prinzip der Pflicht vorlufige Bekanntschaft macht und eine bestimmte Formel derselben angibt und rechtfertigt*** ; sonst besteht es durch sich selbst. Da die Einteilung aller praktischen Wissenschaften zur Vollstndigkeit nicht mit beigefgt worden, wie es die Kritik der spekulativen Vernunft leistete, dazu ist auch gltiger Grund in der Beschaffenheit dieses praktischen Vernunftvermgens anzutreffen. Denn die besondere Bestimmung der Pflichten, als Menschenpflichten, um sie einzuteilen, ist nur mglich, wenn vorher das Subjekt dieser Bestimmung (der Mensch), nach der Beschaffenheit, mit der er wirklich ist, obzwar nur so viel als in Beziehung auf Pflicht berhaupt ntig ist, erkannt worden ; diese aber gehrt nicht in eine Kritik der praktischen Vernunft berhaupt, die nur die Prinzipien ihrer Mglichkeit, ihres Umfanges und Grenzen vollstndig ohne besondere Beziehung auf die menschliche Natur angeben soll. Die Einteilung gehrt also hier zum System der Wissenschaft, nicht zum System der Kritik.

Ich habe einem gewissen wahrheitliebenden und scharfen, dabei also doch immer achtungswrdigen Recensenten jener Grundlegung zur Metaphysik der Sitten auf seinen Einwurf, da der Begriff des Guten dort nicht (wie es seiner Meinung nach nthig gewesen wre) vor dem moralischen Princip festgesetzt worden****, in dem zweiten Hauptstcke der Analytik, wie ich hoffe, Genge gethan ; eben so auch auf manche andere Einwrfe Rcksicht genommen, die mir von Mnnern zu Hnden gekommen sind, die den Willen blicken lassen, da die Wahrheit auszumitteln ihnen am Herzen liegt (denn die, so nur ihr altes System vor Augen haben, und bei denen schon vorher beschlossen ist, was gebilligt oder mibilligt werden soll, verlangen doch keine Errterung, die ihrer Privatabsicht im Wege sein knnte) ; und so werde ich es auch fernerhin halten.

Wenn es um die Bestimmung eines besonderen Vermgens der menschlichen Seele nach seinen Quellen, Inhalte und Grenzen zu thun ist, so kann man zwar nach der Natur des menschlichen Erkenntnisses nicht anders als von den Theilen derselben, ihrer genauen und (so viel als nach der jetzigen Lage unserer schon erworbenen Elemente derselben mglich ist) vollstndigen Darstellung anfangen. Aber es ist noch eine zweite Aufmerksamkeit, die mehr philosophisch und architektonisch ist : nmlich die Idee des Ganzen richtig zu fassen und aus derselben alle jene Theile in ihrer wechselseitigen Beziehung auf einander vermittelst der Ableitung derselben von dem Begriffe jenes Ganzen in einem reinen Vernunftvermgen ins Auge zu fassen. Diese Prfung und Gewhrleistung ist nur durch die innigste Bekanntschaft mit dem System mglich, und die, welche in Ansehung der ersteren Nachforschung verdrossen gewesen, also diese Bekanntschaft zu erwerben nicht der Mhe werth geachtet haben, gelangen nicht zur zweiten Stufe, nmlich der bersicht, welche eine synthetische Wiederkehr zu demjenigen ist, was vorher analytisch gegeben worden, und es ist kein Wunder, wenn sie allerwrts Inconsequenzen finden, obgleich die Lcken, die diese vermuthen lassen, nicht im System selbst, sondern blos in ihrem eigenen unzusammenhngenden Gedankengange anzutreffen sind.

Ich besorge in Ansehung dieser Abhandlung nichts von dem Vorwurfe, eine neue Sprache einfhren zu wollen, weil die Erkenntniart sich hier von selbst der Popularitt nhert. Dieser Vorwurf konnte auch niemanden in Ansehung der ersteren Kritik beifallen, der sie nicht blos durchgeblttert, sondern durchgedacht hatte. Neue Worte zu knsteln, wo die Sprache schon so an Ausdrcken fr gegebene Begriffe keinen Mangel hat, ist eine kindische Bemhung, sich unter der Menge, wenn nicht durch neue und wahre Gedanken, doch durch einen neuen Lappen auf dem alten Kleide auszuzeichnen. Wenn daher die Leser jener Schrift populrere Ausdrcke wissen, die doch dem Gedanken eben so angemessen sind, als mir jene zu sein scheinen, oder etwa die Nichtigkeit dieser Gedanken selbst, mithin zugleich jedes Ausdrucks, der ihn bezeichnet, darzuthun sich getrauen : so wrden sie mich durch das erstere sehr verbinden, denn ich will nur verstanden sein, in Ansehung des zweiten aber sich ein Verdienst um die Philosophie erwerben. So lange aber jene Gedanken noch stehen, zweifele ich sehr, da ihnen angemessene und doch gangbarere Ausdrcke dazu aufgefunden werden drften.*****

Auf diese Weise wren denn nunmehr die Principien a priori zweier Vermgen des Gemths, des Erkenntni- und Begehrungsvermgens, ausgemittelt und nach den Bedingungen, dem Umfange und Grenzen ihres Gebrauchs bestimmt, hiedurch aber zu einer systematischen, theoretischen sowohl als praktischen Philosophie als Wissenschaft sicherer Grund gelegt.

Was Schlimmeres knnte aber diesen Bemhungen wohl nicht begegnen, als wenn jemand die unerwartete Entdeckung machte, da es berall gar kein Erkenntni a priori gebe, noch geben knne. Allein es hat hiemit keine Noth. Es wre eben so viel, als ob jemand durch Vernunft beweisen wollte, da es keine Vernunft gebe. Denn wir sagen nur, da wir etwas durch Vernunft erkennen, wenn wir uns bewut sind, da wir es auch htten wissen knnen, wenn es uns auch nicht so in der Erfahrung vorgekommen wre ; mithin ist Vernunfterkenntni und Erkenntni a priori einerlei. Aus einem Erfahrungssatze Nothwendigkeit (ex pumice aquam) auspressen wollen, mit dieser auch wahre Allgemeinheit (ohne welche kein Vernunftschlu, mithin auch nicht der Schlu aus der Analogie, welche eine wenigstens prsumirte Allgemeinheit und objective Nothwendigkeit ist und diese also doch immer voraussetzt) einem Urtheile verschaffen wollen, ist gerader Widerspruch. Subjective Nothwendigkeit, d.i. Gewohnheit, statt der objectiven, die nur in Urtheilen a priori stattfindet, unterschieben, heit der Vernunft das Vermgen absprechen, ber den Gegenstand zu urtheilen, d.i. ihn, und was ihm zukomme, zu erkennen, und z.B. von dem, was fters und immer auf einen gewissen vorhergehenden Zustand folgte, nicht sagen, da man aus diesem auf jenes schlieen knne (denn das wrde objective Nothwendigkeit und Begriff von einer Verbindung a priori bedeuten), sondern nur hnliche Flle (mit den Thieren auf hnliche Art) erwarten drfe, d.i. den Begriff der Ursache im Grunde als falsch und bloen Gedankenbetrug verwerfen. Diesem Mangel der objectiven und daraus folgenden allgemeinen Gltigkeit dadurch abhelfen wollen, da man doch keinen Grund she, andern vernnftigen Wesen eine andere Vorstellungsart beizulegen, wenn das einen gltigen Schlu abgbe, so wrde uns unsere Unwissenheit mehr Dienste zu Erweiterung unserer Erkenntni leisten, als alles Nachdenken. Denn blos deswegen, weil wir andere vernnftige Wesen auer dem Menschen nicht kennen, wrden wir ein Recht haben, sie als so beschaffen anzunehmen, wie wir uns erkennen, d.i. wir wrden sie wirklich kennen. Ich erwhne hier nicht einmal, da nicht die Allgemeinheit des Frwahrhaltens die objective Gltigkeit eines Urtheils (d.i. die Gltigkeit desselben als Erkenntnisses) beweise, sondern, wenn jene auch zuflliger Weise zutrfe, dieses doch noch nicht einen Beweis der bereinstimmung mit dem Object abgeben knne ; vielmehr die objective Gltigkeit allein den Grund einer nothwendigen allgemeinen Einstimmung ausmache.

Hume wrde sich bei diesem System des allgemeinen Empirisms in Grundstzen auch sehr wohl befinden ; denn er verlangte, wie bekannt, nichts mehr, als da statt aller objectiven Bedeutung der Nothwendigkeit im Begriffe der Ursache eine blos subjective, nmlich Gewohnheit, angenommen werde, um der Vernunft alles Urtheil ber Gott, Freiheit und Unsterblichkeit abzusprechen ; und er verstand sich gewi sehr gut darauf, um, wenn man ihm nur die Principien zugestand, Schlsse mit aller logischen Bndigkeit daraus zu folgern. Aber so allgemein hat selbst Hume den Empirism nicht gemacht, um auch die Mathematik darin einzuschlieen. Er hielt ihre Stze fr analytisch, und wenn das seine Richtigkeit htte, wrden sie in der That auch apodiktisch sein, gleichwohl aber daraus kein Schlu auf ein Vermgen der Vernunft, auch in der Philosophie apodiktische Urtheile, nmlich solche, die synthetisch wren (wie der Satz der Causalitt), zu fllen, gezogen werden knnen. Nhme man aber den Empirism der Principien allgemein an, so wre auch Mathematik damit eingeflochten.

Wenn nun diese mit der Vernunft, die blos empirische Grundstze zult, in Widerstreit gerth, wie dieses in der Antinomie, da Mathematik die unendliche Theilbarkeit des Raumes unwidersprechlich beweiset, der Empirism aber sie nicht verstatten kann, unvermeidlich ist : so ist die grte mgliche Evidenz der Demonstration mit den vorgeblichen Schlssen aus Erfahrungsprincipien in offenbarem Widerspruch, und nun mu man wie der Blinde des Cheselden fragen : was betrgt mich, das Gesicht oder Gefhl ? (Denn der Empirism grndet sich auf einer gefhlten, der Rationalism aber auf einer eingesehenen Nothwendigkeit.) Und so offenbart sich der allgemeine Empirism als den chten Scepticism, den man dem Hume flschlich in so unbeschrnkter Bedeutung beilegte******, da er wenigstens einen sicheren Probirstein der Erfahrung an der Mathematik brig lie, statt da jener schlechterdings keinen Probirstein derselben (der immer nur in Principien a priori angetroffen werden kann) verstattet, obzwar diese doch nicht aus bloen Gefhlen, sondern auch aus Urtheilen besteht.

Doch da es in diesem philosophischen und kritischen Zeitalter schwerlich mit jenem Empirism Ernst sein kann, und er vermuthlich nur zur bung der Urtheilskraft, und um durch den Contrast die Nothwendigkeit rationaler Principien a priori in ein helleres Licht zu setzen, aufgestellt wird : so kann man es denen doch Dank wissen, die sich mit dieser sonst eben nicht belehrenden Arbeit bemhen wollen.

 

* Damit man hier nicht Inkonsequenzen anzutreffen whne, wenn ich jetzt die Freiheit die Bedingung des moralischen Gesetzes nenne und in der Abhandlung nachher behaupte, da das moralische Gesetz die Bedingung sei, unter der wir uns allererst der Freiheit bewut werden knnen, so will ich nur erinnern, da die Freiheit allerdings die ratio essendi des moralischen Gesetzes, das moralische Gesetz aber die ratio cognoscendi der Freiheit sei. Denn, wre nicht das moralische Gesetz in unserer Vernunft eher deutlich gedacht, so wrden wir uns niemals berechtigt halten, so etwas, als Freiheit ist, (ob diese gleich sich nicht widerspricht) anzunehmen. Wre aber keine Freiheit, so wrde das moralische Gesetz in uns gar nicht anzutreffen sein.

 

** Die Vereinigung der Kausalitt, als Freiheit, mit ihr, als Naturmechanismus, davon die erste durchs Sittengesetz, die zweite durchs Naturgesetz, und zwar in einem und demselben Subjekte, dem Menschen, fest steht, ist unmglich, ohne diesen in Beziehung auf das erstere als Wesen an sich selbst, auf das zweite aber als Erscheinung, jenes im reinen, dieses im empirischen Bewutsein, vorzustellen. Ohne dieses ist der Widerspruch der Vernunft mit sich selbst unvermeidlich.

 

*** Ein Rezensent, der etwas zum Tadel dieser Schrift sagen wollte, hat es besser getroffen, als er wohl selbst gemeint haben mag, indem er sagt ; da darin kein neues Prinzip der Moralitt, sondern nur eine neue Formel aufgestellet worden. Wer wollte aber auch einen neuen Grundsatz aller Sittlichkeit einfhren, und diese gleichsam zuerst erfinden ? gleich als ob vor ihm die Welt, in dem was Pflicht sei, unwissend, oder in durchgngigem Irrtume gewesen wre. Wer aber wei, was dem Mathematiker eine Formel bedeutet, die das, was zu tun sei, um eine Aufgabe zu befolgen, ganz genau bestimmt und nicht verfehlen lt, wird eine Formel, welche dieses in Ansehung aller Pflicht berhaupt tut, nicht fr etwas Unbedeutendes und Entbehrliches halten.

 

**** Man knnte mir noch den Einwurf machen, warum ich nicht auch den Begriff des Begehrungsvermgens, oder des Gefhls der Lust vorher erklrt habe ; obgleich dieser Vorwurf unbillig sein wrde, weil man diese Erklrung, als in der Psychologie gegeben, billig sollte voraussetzen knnen. Es knnte aber freilich die Definition daselbst so eingerichtet sein, da das Gefhl der Lust der Bestimmung des Begehrungsvermgens zum Grunde gelegt wrde (wie es auch wirklich gemeinhin so zu geschehen pflegt), dadurch aber das oberste Princip der praktischen Philosophie nothwendig empirisch ausfallen mte, welches doch allererst auszumachen ist und in dieser Kritik gnzlich widerlegt wird. Daher will ich diese Erklrung hier so geben, wie sie sein mu, um diesen streitigen Punkt wie billig im Anfange unentschieden zu lassen. Leben ist das Vermgen eines Wesens, nach Gesetzen des Begehrungsvermgens zu handeln. Das Begehrungsvermgen ist das Vermgen desselben, durch seine Vorstellungen Ursache von der Wirklichkeit der Gegenstnde dieser Vorstellungen zu sein. Lust ist die Vorstellung der bereinstimmung des Gegenstandes oder der Handlung mit den subjectiven Bedingungen des Lebens, d.i. mit dem Vermgen der Causalitt einer Vorstellung in Ansehung der Wirklichkeit ihres Objects (oder der Bestimmung der Krfte des Subjects zur Handlung es hervorzubringen). Mehr brauche ich nicht zum Behuf der Kritik von Begriffen, die aus der Psychologie entlehnt werden, das brige leistet die Kritik selbst. Man wird leicht gewahr, da die Frage, ob die Lust dem Begehrungsvermgen jederzeit zum Grunde gelegt werden msse, oder ob sie auch unter gewissen Bedingungen nur auf die Bestimmung desselben folge, durch diese Erklrung unentschieden bleibt ; denn sie ist aus lauter Merkmalen des reinen Verstandes, d.i. Kategorien, zusammengesetzt, die nichts Empirisches enthalten. Eine solche Behutsamkeit ist in der ganzen Philosophie sehr empfehlungswrdig und wird dennoch oft verabsumt, nmlich seinen Urtheilen vor der vollstndigen Zergliederung des Begriffs, die oft nur sehr spt erreicht wird, durch gewagte Definition nicht vorzugreifen. Man wird auch durch den ganzen Lauf der Kritik (der theoretischen sowohl als praktischen Vernunft) bemerken, da sich in demselben mannigfaltige Veranlassung vorfinde, manche Mngel im alten dogmatischen Gange der Philosophie zu ergnzen und Fehler abzundern, die nicht eher bemerkt werden, als wenn man von Begriffen einen Gebrauch der Vernunft macht, der aufs Ganze derselben geht.

 

***** Mehr (als jene Unverstndlichkeit) besorge ich hier hin und wieder Mideutung in Ansehung einiger Ausdrcke, die ich mit grter Sorgfalt aussuchte, um den Begriff nicht verfehlen zu lassen, darauf sie weisen. So hat in der Tafel der Kategorien der praktischen Vernunft in dem Titel der Modalitt das Erlaubte und Unerlaubte (praktisch-objectiv Mgliche und Unmgliche) mit der nchstfolgenden Kategorie der Pflicht und des Pflichtwidrigen im gemeinen Sprachgebrauche beinahe einerlei Sinn ; hier aber soll das erstere dasjenige bedeuten, was mit einer blos mglichen praktischen Vorschrift in Einstimmung oder Widerstreit ist (wie etwa die Auflsung aller Probleme der Geometrie und Mechanik), das zweite, was in solcher Beziehung auf ein in der Vernunft berhaupt wirklich liegendes Gesetz steht ; und dieser Unterschied der Bedeutung ist auch dem gemeinen Sprachgebrauche nicht ganz fremd, wenn gleich etwas ungewhnlich. So ist es z.B. einem Redner als solchem unerlaubt, neue Worte oder Wortfgungen zu schmieden ; dem Dichter ist es in gewissem Mae erlaubt ; in keinem von beiden wird hier an Pflicht gedacht. Denn wer sich um den Ruf eines Redners bringen will, dem kann es niemand wehren. Es ist hier nur um den Unterschied der Imperativen unter problematischem, assertorischem und apodiktischem Bestimmungsgrunde zu thun. Eben so habe ich in derjenigen Note, wo ich die moralischen Ideen praktischer Vollkommenheit in verschiedenen philosophischen Schulen gegen einander stellte, die Idee der Weisheit von der der Heiligkeit unterschieden, ob ich sie gleich selbst im Grunde und objectiv fr einerlei erklrt habe. Allein ich verstehe an diesem Orte darunter nur diejenige Weisheit, die sich der Mensch (der Stoiker) anmat, also subjectiv als Eigenschaft dem Menschen angedichtet. (Vielleicht knnte der Ausdruck Tugend, womit der Stoiker auch groen Staat trieb, besser das Charakteristische seiner Schule bezeichnen.) Aber der Ausdruck eines Postulats der reinen praktischen Vernunft konnte noch am meisten Mideutung veranlassen, wenn man damit die Bedeutung vermengte, welche die Postulate der reinen Mathematik haben, und welche apodiktische Gewiheit bei sich fhren. Aber diese postuliren die Mglichkeit einer Handlung, deren Gegenstand man a priori theoretisch mit vlliger Gewiheit als mglich voraus erkannt hat. Jenes aber postulirt die Mglichkeit eines Gegenstandes (Gottes und der Unsterblichkeit der Seele) selbst aus apodiktischen praktischen Gesetzen, also nur zum Behuf einer praktischen Vernunft ; da denn diese Gewiheit der postulirten Mglichkeit gar nicht theoretisch, mithin auch nicht apodiktisch, d.i. in Ansehung des Objects erkannte Nothwendigkeit, sondern in Ansehung des Subjects zu Befolgung ihrer objectiven, aber praktischen Gesetze nothwendige Annehmung, mithin blo nothwendige Hypothesis ist. Ich wute fr diese subjective, aber doch wahre und unbedingte Vernunftnothwendigkeit keinen besseren Ausdruck auszufinden.

 

****** Namen, welche einen Sectenanhang bezeichnen, haben zu aller Zeit viel Rechtsverdrehung bei sich gefhrt ; ungefhr so, als wenn jemand sagte : N. ist ein Idealist. Denn ob er gleich durchaus nicht allein einrumt, sondern darauf dringt, da unseren Vorstellungen uerer Dinge wirkliche Gegenstnde uerer Dinge correspondiren, so will er doch, da die Form der Anschauung derselben nicht ihnen, sondern nur dem menschlichen Gemthe anhnge.

 

 

 

Einleitung

Von der Idee einer Kritik der praktischen Vernunft

 

Der theoretische Gebrauch der Vernunft beschftigte sich mit Gegenstnden des bloen Erkenntnisvermgens, und eine Kritik derselben, in Absicht auf diesen Gebrauch, betraf eigentlich nur das reine Erkenntnisvermgen, weil dieses Verdacht erregte, der sich auch hernach besttigte, da es sich leichtlich ber seine Grenzen, unter unerreichbare Gegenstnde, oder gar einander widerstreitende Begriffe, verlre. Mit dem praktischen Gebrauche der Vernunft verhlt es sich schon anders. In diesem beschftigt sich die Vernunft mit Bestimmungsgrnden des Willens, welcher ein Vermgen ist, den Vorstellungen entsprechende Gegenstnde entweder hervorzubringen, oder doch sich selbst zur Bewirkung derselben (das physische Vermgen mag nun hinreichend sein, oder nicht) d.i. seine Kausalitt zu bestimmen. Denn da kann wenigstens die Vernunft zur Willensbestimmung zulangen, und hat so fern immer objektive Realitt, als es nur auf das Wollen ankommt. Hier ist also die erste Frage : ob reine Vernunft zur Bestimmung des Willens fr sich allein zulange, oder ob sie nur als empirisch-bedingte ein Bestimmungsgrund derselben sein knne. Nun tritt hier ein durch die Kritik der reinen Vernunft gerechtfertigter, obzwar keiner empirischen Darstellung fhiger Begriff der Kausalitt, nmlich der der Freiheit, ein, und wenn wir anjetzt Grnde ausfindig machen knnen, zu beweisen, da diese Eigenschaft dem menschlichen Willen (und so auch dem Willen aller vernnftigen Wesen) in der Tat zukomme, so wird dadurch nicht allein dargetan, da reine Vernunft praktisch sein knne, sondern da sie allein, und nicht die empirisch-beschrnkte, unbedingterweise praktisch sei. Folglich werden wir nicht eine Kritik der reinen praktischen, sondern nur der praktischen Vernunft berhaupt, zu bearbeiten haben. Denn reine Vernunft, wenn allererst dargetan worden, da es eine solche gebe, bedarf keiner Kritik. Sie ist es, welche selbst die Richtschnur zur Kritik alles ihres Gebrauchs enthlt. Die Kritik der praktischen Vernunft berhaupt hat also die Obliegenheit, die empirisch bedingte Vernunft von der Anmaung abzuhalten, ausschlieungsweise den Bestimmungsgrund des Willens allein abgeben zu wollen. Der Gebrauch der reinen Vernunft, wenn, da es eine solche gebe, ausgemacht ist, ist allein immanent ; der empirisch-bedingte, der sich die Alleinherrschaft anmat, ist dagegen transzendent, und uert sich in Zumutungen und Geboten, die ganz ber ihr Gebiet hinausgehen, welches gerade das umgekehrte Verhltnis von dem ist, was von der reinen Vernunft im spekulativen Gebrauche gesagt werden konnte.

Indessen, da es immer noch reine Vernunft ist, deren Erkenntnis hier dem praktischen Gebrauche zum Grunde liegt, so wird doch die Einteilung einer Kritik der praktischen Vernunft, dem allgemeinen Abrisse nach, der der spekulativen gem angeordnet werden mssen. Wir werden also eine Elementarlehre und Methodenlehre derselben, in jener, als dem ersten Teile, eine Analytik, als Regel der Wahrheit, und eine Dialektik, als Darstellung und Auflsung des Scheins in Urteilen der praktischen Vernunft haben mssen. Allein die Ordnung in der Unterabteilung der Analytik wird wiederum das Umgewandte von der in der Kritik der reinen spekulativen Vernunft sein. Denn in der gegenwrtigen werden wir von Grundstzen anfangend zu Begriffen und von diesen allererst, wo mglich, zu den Sinnen gehen ; da wir hingegen bei der spekulativen Vernunft von den Sinnen anfingen, und bei den Grundstzen endigen muten. Hiervon liegt der Grund nun wiederum darin : da wir es jetzt mit einem Willen zu tun haben, und die Vernunft nicht im Verhltnis auf Gegenstnde, sondern auf diesen Willen und dessen Kausalitt zu erwgen haben, da denn die Grundstze der empirisch unbedingten Kausalitt den Anfang machen mssen, nach welchem der Versuch gemacht werden kann, unsere Begriffe von dem Bestimmungsgrunde eines solchen Willens, ihrer Anwendung auf Gegenstnde, zuletzt auf das Subjekt und dessen Sinnlichkeit, allererst festzusetzen. Das Gesetz der Kausalitt aus Freiheit, d.i. irgend ein reiner praktischer Grundsatz, macht hier unvermeidlich den Anfang, und bestimmt die Gegenstnde, worauf er allein bezogen werden kann.

 

 

 

Erster Teil

Elementarlehre der reinen praktischen Vernunft

 

 

 

Erstes Buch

Die Analytik der reinen praktischen Vernunft

 

 

Erstes Hauptstck

Von den Grundstzen der reinen praktischen Vernunft

 

1

Erklrung

Praktische Grundstze sind Stze, welche eine allgemeine Bestimmung des Willens enthalten, die mehrere praktische Regeln unter sich hat. Sie sind subjektiv, oder Maximen, wenn die Bedingung nur als fr den Willen des Subjekts gltig von ihm angesehen wird ; objektiv aber, oder praktische Gesetze, wenn jene als objektiv d.i. fr den Willen jedes vernnftigen Wesens gltig erkannt wird.

 

Anmerkung

Wenn man annimmt, da reine Vernunft einen praktisch d.i. zur Willensbestimmung hinreichenden Grund in sich enthalten knne, so gibt es praktische Gesetze ; wo aber nicht, so werden alle praktischen Grundstze bloe Maximen sein. In einem pathologisch-affizierten Willen eines vernnftigen Wesens kann ein Widerstreit der Maximen, wider die von ihm selbst erkannten praktischen Gesetze, angetroffen werden. Z.B. es kann sich jemand zur Maxime machen, keine Beleidigung ungerchet zu erdulden, und doch zugleich einsehen, da dieses kein praktisches Gesetz, sondern nur seine Maxime sei, dagegen, als Regel fr den Willen eines jeden vernnftigen Wesens, in einer und derselben Maxime, mit sich selbst nicht zusammen stimmen knne. In der Naturerkenntnis sind die Prinzipien dessen, was geschieht, (z.B. das Prinzip der Gleichheit der Wirkung und Gegenwirkung in der Mitteilung der Bewegung) zugleich Gesetze der Natur ; denn der Gebrauch der Vernunft ist dort theoretisch und durch die Beschaffenheit des Objekts bestimmt. In der praktischen Erkenntnis, d.i. derjenigen, welche es blo mit Bestimmungsgrnden des Willens zu tun hat, sind Grundstze, die man sich macht, darum noch nicht Gesetze, darunter man unvermeidlich stehe, weil die Vernunft im Praktischen es mit dem Subjekte zu tun hat, nmlich dem Begehrungsvermgen, nach dessen besonderer Beschaffenheit sich die Regel vielfltig richten kann. Die praktische Regel ist jederzeit ein Produkt der Vernunft, weil sie Handlung, als Mittel zur Wirkung, als Absicht, vorschreibt. Diese Regel ist aber fr ein Wesen bei dem Vernunft nicht ganz allein Bestimmungsgrund des Willens ist, ein Imperativ, d.i. eine Regel, die durch ein Sollen, welches die objektive Ntigung der Handlung ausdrckt, bezeichnet wird, und bedeutet, da, wenn die Vernunft den Willen gnzlich bestimmte, die Handlung unausbleiblich nach dieser Regel geschehen wrde. Die Imperativen gelten also objektiv, und sind von Maximen, als subjektiven Grundstzen, gnzlich unterschieden. Jene bestimmen aber entweder die Bedingungen der Kausalitt des vernnftigen Wesens, als wirkender Ursache, blo in Ansehung der Wirkung und Zulnglichkeit zu derselben, oder sie bestimmen nur den Willen, er mag zur Wirkung hinreichend sein oder nicht. Die ersteren wrden hypothetische Imperativen sein, und bloe Vorschriften der Geschicklichkeit enthalten ; die zweiten wrden dagegen kategorisch und allein praktische Gesetze sein. Maximen sind also zwar Grundstze, aber nicht Imperativen. Die Imperativen selber aber, wenn sie bedingt sind, d.i. nicht den Willen schlechthin als Willen, sondern nur in Ansehung einer begehrten Wirkung bestimmen, d.i. hypothetische Imperativen sind, sind zwar praktische Vorschriften, aber keine Gesetze. Die letztern mssen den Willen als Willen, noch ehe ich frage, ob ich gar das zu einer begehrten Wirkung erforderliche Vermgen habe, oder was mir, um diese hervorzubringen, zu tun sei, hinreichend bestimmen, mithin kategorisch sein, sonst sind es keine Gesetze ; weil ihnen die Notwendigkeit fehlt, welche, wenn sie praktisch sein soll, von pathologischen, mithin dem Willen zufllig anklebenden Bedingungen, unabhngig sein mu. Saget jemandem, z.B. da er in der Jugend arbeiten und sparen msse, um im Alter nicht zu darben : so ist dieses eine richtige und zugleich wichtige praktische Vorschrift des Willens. Man sieht aber leicht, da der Wille hier auf etwas Anderes verwiesen werde, wovon man voraussetzt, da er es begehre, und dieses Begehren mu man ihm, dem Tter selbst, berlassen, ob er noch andere Hilfsquellen, auer seinem selbst erworbenen Vermgen, vorhersehe, oder ob er gar nicht hoffe alt zu werden, oder sich denkt im Falle der Not dereinst schlecht behelfen zu knnen. Die Vernunft, aus der allein alle Regel, die Notwendigkeit enthalten soll, entspringen kann, legt in diese ihre Vorschrift zwar auch Notwendigkeit, (denn ohne das wre sie kein Imperativ,) aber diese ist nur subjektiv bedingt, und man kann sie nicht in allen Subjekten in gleichem Grade voraussetzen. Zu ihrer Gesetzgebung aber wird erfordert, da sie blo sich selbst vorauszusetzen bedrfe, weil die Regel nur alsdann objektiv und allgemein gltig ist, wenn sie ohne zufllige, subjektive Bedingungen gilt, die ein vernnftig Wesen von dem anderen unterscheiden. Nun sagt jemandem : er solle niemals lgenhaft versprechen, so ist dies eine Regel, die blo seinen Willen betrifft ; die Absichten, die der Mensch haben mag, mgen durch denselben erreicht werden knnen, oder nicht ; das bloe Wollen ist das, was durch jene Regel vllig a priori bestimmt werden soll. Findet sich nun, da diese Regel praktisch richtig sei, so ist sie ein Gesetz, weil sie ein kategorischer Imperativ ist. Also beziehen sich praktische Gesetze allein auf den Willen, unangesehen dessen, was durch die Kausalitt desselben ausgerichtet wird, und man kann von der letztern (als zur Sinnenwelt gehrig) abstrahieren, um sie rein zu haben.

 

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Lehrsatz I

Alle praktischen Prinzipien, die ein Objekt (Materie) des Begehrungsvermgens, als Bestimmungsgrund des Willens, voraussetzen, sind insgesamt empirisch und knnen keine praktischen Gesetze abgeben.

Ich verstehe unter der Materie des Begehrungsvermgens einen Gegenstand, dessen Wirklichkeit begehret wird. Wenn die Begierde nach diesem Gegenstande nun vor der praktischen Regel vorhergeht, und die Bedingung ist, sie sich zum Prinzip zu machen, so sage ich (erstlich) : dieses Prinzip ist alsdann jederzeit empirisch. Denn der Bestimmungsgrund der Willkr ist alsdann die Vorstellung eines Objekts, und dasjenige Verhltnis derselben zum Subjekt, wodurch das Begehrungsvermgen zur Wirklichmachung desselben bestimmt wird. Ein solches Verhltnis aber zum Subjekt heit die Lust an der Wirklichkeit eines Gegenstandes. Also mte diese als Bedingung der Mglichkeit der Bestimmung der Willkr vorausgesetzt werden. Es kann aber von keiner Vorstellung irgend eines Gegenstandes, welche sie auch sei, a priori erkannt werden, ob sie mit Lust oder Unlust verbunden, oder indifferent sein werde. Also mu in solchem Falle der Bestimmungsgrund der Willkr jederzeit empirisch sein, mithin auch das praktische materiale Prinzip, welches ihn als Bedingung voraussetzte.

Da nun (zweitens) ein Prinzip, das sich nur auf die subjektive Bedingung der Empfnglichkeit einer Lust oder Unlust, (die jederzeit nur empirisch erkannt, und nicht fr alle vernnftigen Wesen in gleicher Art gltig sein kann,) grndet, zwar wohl fr das Subjekt, das sie besitzt, zu ihrer Maxime, aber auch fr diese selbst (weil es ihm an objektiver Notwendigkeit, die a priori erkannt werden mu, mangelt) nicht zum Gesetze dienen kann, so kann ein solches Prinzip niemals ein praktisches Gesetz abgeben.

 

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Lehrsatz II

Alle materialen praktischen Prinzipien sind, als solche, insgesamt von einer und derselben Art, und gehren unter das allgemeine Prinzip der Selbstliebe, oder eigenen Glckseligkeit.

Die Lust aus der Vorstellung der Existenz einer Sache, so fern sie ein Bestimmungsgrund des Begehrens dieser Sache sein soll, grndet sich auf der Empfnglichkeit des Subjekts, weil sie von dem Dasein eines Gegenstandes abhngt ; mithin gehrt sie dem Sinne (Gefhl) und nicht dem Verstande an, der eine Beziehung der Vorstellung auf ein Objekt, nach Begriffen, aber nicht auf das Subjekt, nach Gefhlen, ausdrckt. Sie ist also nur so fern praktisch, als die Empfindung der Annehmlichkeit, die das Subjekt von der Wirklichkeit des Gegenstandes erwartet, das Begehrungsvermgen bestimmt. Nun ist aber das Bewutsein eines vernnftigen Wesens von der Annehmlichkeit des Lebens, die ununterbrochen sein ganzes Dasein begleitet, die Glckseligkeit, und das Prinzip, diese sich zum hchsten Bestimmungsgrunde der Willkr zu machen, das Prinzip der Selbstliebe. Also sind alle materialen Prinzipien, die den Bestimmungsgrund der Willkr in der, aus irgend eines Gegenstandes Wirklichkeit zu empfindenden, Lust oder Unlust setzen, so fern gnzlich von einerlei Art, da sie insgesamt zum Prinzip der Selbstliebe, oder eigenen Glckseligkeit gehren.

 

Folgerung

Alle materialen praktischen Regeln setzen den Bestimmungsgrund des Willens im unteren Begehrungsvermgen, und, gbe es gar keine blo formalen Gesetze desselben, die den Willen hinreichend bestimmten, so wrde auch kein oberes Begehrungsvermgen eingerumt werden knnen.

 

Anmerkung I

Man mu sich wundern, wie sonst scharfsinnige Mnner einen Unterschied zwischen dem unteren und oberen Begehrungsvermgen darin zu finden glauben knnen, ob die Vorstellungen, die mit dem Gefhl der Lust verbunden sind, in den Sinnen, oder dem Verstande ihren Ursprung haben. Denn es kommt, wenn man nach den Bestimmungsgrnden des Begehrens fragt und sie in einer von irgend etwas erwarteten Annehmlichkeit setzt, gar nicht darauf an, wo die Vorstellung dieses vergngenden Gegenstandes herkomme, sondern nur wie sehr sie vergngt. Wenn eine Vorstellung, sie mag immerhin im Verstande ihren Sitz und Ursprung haben, die Willkr nur dadurch bestimmen kann, da sie ein Gefhl einer Lust im Subjekte voraussetzet, so ist, da sie ein Bestimmungsgrund der Willkr sei, gnzlich von der Beschaffenheit des inneren Sinnes abhngig, da dieser nmlich dadurch mit Annehmlichkeit affiziert werden kann. Die Vorstellungen der Gegenstnde mgen noch so ungleichartig, sie mgen Verstandes-, selbst Vernunftvorstellungen im Gegensatze der Vorstellungen der Sinne sein, so ist doch das Gefhl der Lust, wodurch jene doch eigentlich nur den Bestimmungsgrund des Willens ausmachen, (die Annehmlichkeit, das Vergngen, das man davon erwartet, welches die Ttigkeit zur Hervorbringung des Objekts antreibt,) nicht allein so fern von einerlei Art, da es jederzeit blo empirisch erkannt werden kann, sondern auch so fern, als er eine und dieselbe Lebenskraft, die sich im Begehrungsvermgen uert, affiziert, und in dieser Beziehung von jedem anderen Bestimmungsgrunde in nichts, als dem Grade, verschieden sein kann. Wie wrde man sonst zwischen zwei der Vorstellungsart nach gnzlich verschiedenen Bestimmungsgrnden eine Vergleichung der Gre nach anstellen knnen, um den, der am meisten das Begehrungsvermgen affiziert, vorzuziehen ? Eben derselbe Mensch kann ein ihm lehrreiches Buch, das ihm nur einmal zu Hnden kommt, ungelesen zurckgeben, um die Jagd nicht zu versumen, in der Mitte einer schnen Rede weggehen, um zur Mahlzeit nicht zu spt zu kommen, eine Unterhaltung durch vernnftige Gesprche, die er sonst sehr schtzt, verlassen, um sich an den Spieltisch zu setzen, so gar einen Armen, dem wohlzutun ihm sonst Freude ist, abweisen, weil er jetzt eben nicht mehr Geld in der Tasche hat, als er braucht, um den Eintritt in die Komdie zu bezahlen. Beruht die Willensbestimmung auf dem Gefhle der Annehmlichkeit oder Unannehmlichkeit, die er aus irgend einer Ursache erwartet, so ist es ihm gnzlich einerlei, durch welche Vorstellungsart er affiziert werde. Nur wie stark, wie lange, wie leicht erworben und oft wiederholt, diese Annehmlichkeit sei, daran liegt es ihm, um sich zur Wahl zu entschlieen. So wie demjenigen, der Gold zur Ausgabe braucht, gnzlich einerlei ist, ob die Materie desselben, das Gold, aus dem Gebirge gegraben, oder aus dem Sande gewaschen ist, wenn es nur allenthalben fr denselben Wert angenommen wird, so fragt kein Mensch, wenn es ihm blo an der Annehmlichkeit des Lebens gelegen ist, ob Verstandes- oder Sinnesvorstellungen, sondern nur wie viel und groes Vergngen sie ihm auf die lngste Zeit verschaffen. Nur diejenigen, welche der reinen Vernunft das Vermgen, ohne Voraussetzung irgend eines Gefhls den Willen zu bestimmen, gerne abstreiten mchten, knnen sich so weit von ihrer eigenen Erklrung verirren, das, was sie selbst vorher auf ein und eben dasselbe Prinzip gebracht haben, dennoch hernach fr ganz ungleichartig zu erklren. So findet sich z.B. da man auch an bloer Kraftanwendung, an dem Bewutsein seiner Seelenstrke in berwindung der Hindernisse, die sich unserem Vorsatze entgegensetzen, an der Kultur der Geistestalente, usw., Vergngen finden knne, und wir nennen das mit Recht feinere Freuden und Ergtzungen, weil sie mehr, wie andere, in unserer Gewalt sind, sich nicht abnutzen, das Gefhl zu noch mehrerem Genu derselben vielmehr strken, und, indem sie ergtzen, zugleich kultivieren. Allein sie darum fr eine andere Art, den Willen zu bestimmen, als blo durch den Sinn, auszugeben, da sie doch einmal, zur Mglichkeit jener Vergngen, ein darauf in uns angelegtes Gefhl, als erste Bedingung dieses Wohlgefallens, voraussetzen, ist gerade so, als wenn Unwissende, die gerne in der Metaphysik pfuschern mchten, sich die Materie so fein, so berfein, da sie selbst darber schwindlig werden mchten, denken, und dann glauben, auf diese Art sich ein geistiges und doch ausgedehntes Wesen erdacht zu haben. Wenn wir es, mit dem Epikur, bei der Tugend aufs bloe Vergngen aussetzen, das sie verspricht, um den Willen zu bestimmen : so knnen wir ihn hernach nicht tadeln, da er dieses mit denen der grbsten Sinne fr ganz gleichartig hlt ; denn man hat gar nicht Grund ihm aufzubrden, da er die Vorstellungen, wodurch dieses Gefhl in uns erregt wrde, blo den krperlichen Sinnen beigemessen htte. Er hat von vielen derselben den Quell, so viel man erraten kann, eben sowohl in dem Gebrauch des hheren Erkenntnisvermgens gesucht ; aber das hinderte ihn nicht und konnte ihn auch nicht hindern, nach genanntem Prinzip das Vergngen selbst, das uns jene allenfalls intellektuellen Vorstellungen gewhren, und wodurch sie allein Bestimmungsgrnde des Willens sein knnen, gnzlich fr gleichartig zu halten. Konsequent zu sein, ist die grte Obliegenheit eines Philosophen, und wird doch am seltensten angetroffen. Die alten griechischen Schulen geben uns davon mehr Beispiele, als wir in unserem synkretistischen Zeitalter antreffen, wo ein gewisses Koalitionssystem widersprechender Grundstze voll Unredlichkeit und Seichtigkeit erknstelt wird, weil es sich einem Publikum besser empfiehlt, das zufrieden ist, von allem Etwas, und im Ganzen nichts zu wissen, und dabei in allen Stteln gerecht zu sein. Das Prinzip der eigenen Glckseligkeit, so viel Verstand und Vernunft bei ihm auch gebraucht werden mag, wrde doch fr den Willen keine anderen Bestimmungsgrnde, als die dem unteren Begehrungsvermgen angemessen sind, in sich fassen, und es gibt also entweder gar kein oberes Begehrungsvermgen, oder reine Vernunft mu fr sich allein praktisch sein, d.i. ohne Voraussetzung irgend eines Gefhls, mithin ohne Vorstellungen des Angenehmen oder Unangenehmen, als der Materie des Begehrungsvermgens, die jederzeit eine empirische Bedingung der Prinzipien ist, durch die bloe Form der praktischen Regel den Willen bestimmen knnen. Alsdann allein ist Vernunft nur, so fern sie fr sich selbst den Willen bestimmt, (nicht im Dienste der Neigungen ist,) ein wahres oberes Begehrungsvermgen, dem das pathologisch bestimmbare untergeordnet ist, und wirklich, ja spezifisch von diesem unterschieden, so da sogar die mindeste Beimischung von den Antrieben der letzteren ihrer Strke und Vorzuge Abbruch tut, so wie das mindeste Empirische, als Bedingung in einer mathematischen Demonstration, ihre Wrde und Nachdruck herabsetzt und vernichtet. Die Vernunft bestimmt in einem praktischen Gesetze unmittelbar den Willen, nicht vermittelst eines dazwischen kommenden Gefhls der Lust und Unlust, selbst nicht an diesem Gesetze, und nur, da sie als reine Vernunft praktisch sein kann, macht es ihr mglich, gesetzgebend zu sein.

 

Anmerkung II

Glcklich zu sein, ist notwendig das Verlangen jedes vernnftigen aber endlichen Wesens, und also ein unvermeidlicher Bestimmungsgrund seines Begehrungsvermgens. Denn die Zufriedenheit mit seinem ganzen Dasein ist nicht etwa ein ursprnglicher Besitz, und eine Seligkeit, welche ein Bewutsein seiner unabhngigen Selbstgenugsamkeit voraussetzen wrde, sondern ein durch seine endliche Natur selbst ihm aufgedrungenes Problem, weil es bedrftig ist, und dieses Bedrfnis betrifft die Materie seines Begehrungsvermgens, d.i. etwas, was sich auf ein subjektiv zum Grunde liegendes Gefhl der Lust oder Unlust bezieht, dadurch das, was es zur Zufriedenheit mit seinem Zustande bedarf, bestimmt wird. Aber eben darum, weil dieser materiale Bestimmungsgrund von dem Subjekte blo empirisch erkannt werden kann, ist es unmglich diese Aufgabe als ein Gesetz zu betrachten, weil dieses als objektiv in allen Fllen und fr alle vernnftigen Wesen eben denselben Bestimmungsgrund des Willens enthalten mte. Denn obgleich der Begriff der Glckseligkeit der praktischen Beziehung der Objekte aufs Begehrungsvermgen allerwrts zum Grunde liegt, so ist er doch nur der allgemeine Titel der subjektiven Bestimmungsgrnde, und bestimmt nichts spezifisch, darum es doch in dieser praktischen Aufgabe allein zu tun ist, und ohne welche Bestimmung sie gar nicht aufgelset werden kann. Worin nmlich jeder seine Glckseligkeit zu setzen habe, kommt auf jedes sein besonderes Gefhl der Lust und Unlust an, und selbst in einem und demselben Subjekt auf die Verschiedenheit des Bedrfnisses, nach den Abnderungen dieses Gefhls, und ein subjektiv notwendiges Gesetz (als Naturgesetz) ist also objektiv ein gar sehr zuflliges praktisches Prinzip, das in verschiedenen Subjekten sehr verschieden sein kann und mu, mithin niemals ein Gesetz abgeben kann, weil es, bei der Begierde nach Glckseligkeit, nicht auf die Form der Gesetzmigkeit, sondern lediglich auf die Materie ankommt, nmlich ob und wie viel Vergngen ich in der Befolgung des Gesetzes zu erwarten habe. Prinzipien der Selbstliebe knnen zwar allgemeine Regeln der Geschicklichkeit (Mittel zu Absichten auszufinden) enthalten, alsdann sind es aber blo theoretische Prinzipien*, (z.B. wie derjenige, der gerne Brot essen mchte, sich eine Mhle auszudenken habe). Aber praktische Vorschriften, die sich auf sie grnden, knnen niemals allgemein sein, denn der Bestimmungsgrund des Begehrungsvermgens ist auf das Gefhl der Lust und Unlust, das niemals als allgemein auf dieselben Gegenstnde gerichtet, angenommen werden kann, gegrndet.

Aber gesetzt, endliche vernnftige Wesen dchten auch in Ansehung dessen, was sie fr Objekte ihrer Gefhle des Vergngens oder Schmerzens anzunehmen htten, imgleichen sogar in Ansehung der Mittel, deren sie sich bedienen mssen, um die erstern zu erreichen, die andern abzuhalten, durchgehends einerlei, so wrde das Prinzip der Selbstliebe dennoch von ihnen durchaus fr kein praktisches Gesetz ausgegeben werden knnen ; denn diese Einhelligkeit wre selbst doch nur zufllig. Der Bestimmungsgrund wre immer doch nur subjektiv gltig und blo empirisch, und htte diejenige Notwendigkeit nicht, die in einem jeden Gesetze gedacht wird, nmlich die objektive aus Grnden a priori ; man mte denn diese Notwendigkeit gar nicht fr praktisch, sondern fr blo physisch ausgeben, nmlich da die Handlung durch unsere Neigung uns eben so unausbleiblich abgentigt wrde, als das Ghnen, wenn wir andere ghnen sehen. Man wrde eher behaupten knnen, da es gar keine praktischen Gesetze gebe, sondern nur Anratungen zum Behuf unserer Begierden, als da blo subjektive Prinzipien zum Range praktischer Gesetze erhoben wrden, die durchaus objektive und nicht blo subjektive Notwendigkeit haben, und durch Vernunft a priori, nicht durch Erfahrung (so empirisch allgemein diese auch sein mag) erkannt sein mssen. Selbst die Regeln einstimmiger Erscheinungen werden nur Naturgesetze (z.B. die mechanischen) genannt, wenn man sie entweder wirklich a priori erkennt, oder doch (wie bei den chemischen) annimmt, sie wrden a priori aus objektiven Grnden erkannt werden, wenn unsere Einsicht tiefer ginge. Allein bei blo subjektiven praktischen Prinzipien wird das ausdrcklich zur Bedingung gemacht, da ihnen nicht objektive, sondern subjektive Bedingungen der Willkr zum Grunde liegen mssen ; mithin, da sie jederzeit nur als bloe Maximen, niemals aber als praktische Gesetze, vorstellig gemacht werden drfen. Diese letztere Anmerkung scheint beim ersten Anblicke bloe Wortklauberei zu sein ; allein sie ist die Wortbestimmung des allerwichtigsten Unterschiedes, der nur in praktischen Untersuchungen in Betrachtung kommen mag.

 

* Stze, welche in der Mathematik oder Naturlehre praktisch genannt werden, sollten eigentlich technisch heien. Denn um die Willensbestimmung ist es diesen Lehren gar nicht zu tun ; sie zeigen nur das Mannigfaltige der mglichen Handlung an, welches eine gewisse Wirkung hervorzubringen hinreichend ist, und sind also eben so theoretisch, als alle Stze, welche die Verknpfung der Ursache mit einer Wirkung aussagen. Wem nun die letztere beliebt, der mu sich auch gefallen lassen, die erstere zu sein.

 

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Lehrsatz III

Wenn ein vernnftiges Wesen sich seine Maximen als praktische allgemeine Gesetze denken soll, so kann es sich dieselben nur als solche Prinzipien denken, die nicht der Materie, sondern blo der Form nach, den Bestimmungsgrund des Willens enthalten.

Die Materie eines praktischen Prinzips ist der Gegenstand des Willens. Dieser ist entweder der Bestimmungsgrund des letzteren, oder nicht. Ist er der Bestimmungsgrund desselben, so wrde die Regel des Willens einer empirischen Bedingung (dem Verhltnisse der bestimmenden Vorstellung zum Gefhle der Lust und Unlust) unterworfen, folglich kein praktisches Gesetz sein. Nun bleibt von einem Gesetze, wenn man alle Materie, d.i. jeden Gegenstand des Willens (als Bestimmungsgrund) davon absondert, nichts brig, als die bloe Form einer allgemeinen Gesetzgebung. Also kann ein vernnftiges Wesen sich seine subjektiv-praktischen Prinzipien, d.i. Maximen, entweder gar nicht zugleich als allgemeine Gesetze denken, oder es mu annehmen, da die bloe Form derselben, nach der jene sich zur allgemeinen Gesetzgebung schicken, sie fr sich allein zum praktischen Gesetze mache.

 

Anmerkung

Welche Form in der Maxime sich zur allgemeinen Gesetzgebung schicke, welche nicht, das kann der gemeinste Verstand ohne Unterweisung unterscheiden. Ich habe z.B. es mir zur Maxime gemacht, mein Vermgen durch alle sicheren Mittel zu vergrern. Jetzt ist ein Depositum in meinen Hnden, dessen Eigentmer verstorben ist und keine Handschrift darber zurckgelassen hat. Natrlicherweise ist dies der Fall meiner Maxime. Jetzt will ich nur wissen, ob jene Maxime auch als allgemeines praktisches Gesetz gelten knne. Ich wende jene also auf gegenwrtigen Fall an, und frage, ob sie wohl die Form eines Gesetzes annehmen, mithin ich wohl durch meine Maxime zugleich ein solches Gesetz geben knnte : da jedermann ein Depositum ableugnen drfe, dessen Niederlegung ihm niemand beweisen kann. Ich werde sofort gewahr, da ein solches Prinzip, als Gesetz, sich selbst vernichten wrde, weil es machen wrde, da es gar kein Depositum gbe. Ein praktisches Gesetz, was ich dafr erkenne, mu sich zur allgemeinen Gesetzgebung qualifizieren ; dies ist ein identischer Satz und also fr sich klar. Sage ich nun, mein Wille steht unter einem praktischen Gesetze, so kann ich nicht meine Neigung (z.B. im gegenwrtigen Falle meine Habsucht) als den zu einem allgemeinen praktischen Gesetze schicklichen Bestimmungsgrund desselben anfhren ; denn diese, weit gefehlt, da sie zu einer allgemeinen Gesetzgebung tauglich sein sollte, so mu sie vielmehr in der Form eines allgemeinen Gesetzes sich selbst aufreiben.

Es ist daher wunderlich, wie, da die Begierde zur Glckseligkeit, mithin auch die Maxime, dadurch sich jeder diese letztere zum Bestimmungsgrunde seines Willens setzt, allgemein ist, es verstndigen Mnnern habe in den Sinn kommen knnen, es darum fr ein allgemein praktisches Gesetz auszugeben. Denn da sonst ein allgemeines Naturgesetz alles einstimmig macht, so wrde hier, wenn man der Maxime die Allgemeinheit eines Gesetzes geben wollte, grade das uerste Widerspiel der Einstimmung, der rgste Widerstreit und die gnzliche Vernichtung der Maxime selbst und ihrer Absicht erfolgen. Denn der Wille Aller hat alsdann nicht ein und dasselbe Objekt, sondern ein jeder hat das seinige (sein eigenes Wohlbefinden), welches sich zwar zuflligerweise, auch mit anderer ihren Absichten, die sie gleichfalls auf sich selbst richten, vertragen kann, aber lange nicht zum Gesetze hinreichend ist, weil die Ausnahmen, die man gelegentlich zu machen befugt ist, endlos sind, und gar nicht bestimmt in eine allgemeine Regel befat werden knnen. Es kommt auf diese Art eine Harmonie heraus, die derjenigen hnlich ist, welche ein gewisses Spottgedicht auf die Seeleneintracht zweier sich zu Grunde richtenden Eheleute schildert : O wundervolle Harmonie, was er will, will auch sie etc. oder was von der Anheischigmachung Knig Franz des Ersten gegen Kaiser Karl den Fnften erzhlt wird : was mein Bruder Karl haben will, (Mailand) das will ich auch haben. Empirische Bestimmungsgrnde taugen zu keiner allgemeinen ueren Gesetzgebung, aber auch eben so wenig zur innern ; denn jeder legt sein Subjekt, ein anderer aber ein anderes Subjekt der Neigung zum Grunde, und in jedem Subjekt selber ist bald die, bald eine andere im Vorzuge des Einflusses. Ein Gesetz ausfindig zu machen, das sie insgesamt unter dieser Bedingung, nmlich mit allerseitiger Einstimmung, regierte, ist schlechterdings unmglich.

 

5

Aufgabe I

Vorausgesetzt, da die bloe gesetzgebende Form der Maximen allein der zureichende Bestimmungsgrund eines Willens sei : die Beschaffenheit desjenigen Willens zu finden, der dadurch allein bestimmbar ist.

Da die bloe Form des Gesetzes lediglich von der Vernunft vorgestellt werden kann, und mithin kein Gegenstand der Sinne ist, folglich auch nicht unter die Erscheinungen gehrt ; so ist die Vorstellung derselben als Bestimmungsgrund des Willens von allen Bestimmungsgrnden der Begebenheiten in der Natur nach dem Gesetze der Kausalitt unterschieden, weil bei diesen die bestimmenden Grnde selbst Erscheinungen sein mssen. Wenn aber auch kein anderer Bestimmungsgrund des Willens fr diesen zum Gesetz dienen kann, als blo jene allgemeine gesetzgebende Form ; so mu ein solcher Wille als gnzlich unabhngig von dem Naturgesetz der Erscheinungen, nmlich dem Gesetze der Kausalitt, beziehungsweise auf einander, gedacht werden. Eine solche Unabhngigkeit aber heit Freiheit im strengsten d.i. transzendentalen Verstande. Also ist ein Wille, dem die bloe gesetzgebende Form der Maxime allein zum Gesetze dienen kann, ein freier Wille.

 

6

Aufgabe II

Vorausgesetzt, da ein Wille frei sei, das Gesetz zu finden, welches ihn allein notwendig zu bestimmen tauglich ist.

Da die Materie des praktischen Gesetzes, d.i. ein Objekt der Maxime, niemals anders als empirisch gegeben werden kann, der freie Wille aber, als von empirischen (d.i. zur Sinnenwelt gehrigen) Bedingungen unabhngig, dennoch bestimmbar sein mu ; so mu ein freier Wille, unabhngig von der Materie des Gesetzes, dennoch einen Bestimmungsgrund in dem Gesetze antreffen. Es ist aber, auer der Materie des Gesetzes, nichts weiter in demselben, als die gesetzgebende Form enthalten. Also ist die gesetzgebende Form, so fern sie in der Maxime enthalten ist, das einzige, was einen Bestimmungsgrund des Willens ausmachen kann.

 

Anmerkung

Freiheit und unbedingtes praktisches Gesetz weisen also wechselweise auf einander zurck. Ich frage hier nun nicht : ob sie auch in der Tat verschieden seien, und nicht vielmehr ein unbedingtes Gesetz blo das Selbstbewutsein einer reinen praktischen Vernunft, diese aber ganz einerlei mit dem positiven Begriffe der Freiheit sei ; sondern wovon unsere Erkenntnis des Unbedingt-Praktischen anhebe, ob von der Freiheit, oder dem praktischen Gesetze. Von der Freiheit kann es nicht anheben ; denn deren knnen wir uns weder unmittelbar bewut werden, weil ihr erster Begriff negativ ist, noch darauf aus der Erfahrung schlieen, denn Erfahrung gibt uns nur das Gesetz der Erscheinungen, mithin den Mechanismus der Natur, das gerade Widerspiel der Freiheit, zu erkennen. Also ist es das moralische Gesetz, dessen wir uns unmittelbar bewut werden (so bald wir uns Maximen des Willens entwerfen), welches sich uns zuerst darbietet, und, indem die Vernunft jenes als einen durch keine sinnlichen Bedingungen zu berwiegenden, ja davon gnzlich unabhngigen Bestimmungsgrund darstellt, gerade auf den Begriff der Freiheit fhrt. Wie ist aber auch das Bewutsein jenes moralischen Gesetzes mglich ? Wir knnen uns reiner praktischer Gesetze bewut werden, eben so, wie wir uns reiner theoretischer Grundstze bewut sind, indem wir auf die Notwendigkeit, womit sie uns die Vernunft vorschreibt, und auf Absonderung aller empirischen Bedingungen, dazu uns jene hinweiset, Acht haben. Der Begriff eines reinen Willens entspringt aus den ersteren, wie das Bewutsein eines reinen Verstandes aus dem letzteren. Da dieses die wahre Unterordnung unserer Begriffe sei, und Sittlichkeit uns zuerst den Begriff der Freiheit entdecke, mithin praktische Vernunft zuerst der spekulativen das unauflslichste Problem mit diesem Begriffe aufstelle, um sie durch denselben in die grte Verlegenheit zu setzen, erhellet schon daraus : da, da aus dem Begriffe der Freiheit in den Erscheinungen nichts erklrt werden kann, sondern hier immer Naturmechanismus den Leitfaden ausmachen mu, berdem auch die Antinomie der reinen Vernunft, wenn sie zum Unbedingten in der Reihe der Ursachen aufsteigen will, sich, bei einem so sehr wie bei dem andern, in Unbegreiflichkeiten verwickelt, indessen da doch der letztere (Mechanismus) wenigstens Brauchbarkeit in Erklrung der Erscheinungen hat, man niemals zu dem Wagstcke gekommen sein wrde, Freiheit in die Wissenschaft einzufhren, wre nicht das Sittengesetz und mit ihm praktische Vernunft dazu gekommen und htte uns diesen Begriff nicht aufgedrungen. Aber auch die Erfahrung besttigt diese Ordnung der Begriffe in uns. Setzet, da jemand von seiner wollstigen Neigung vorgibt, sie sei, wenn ihm der beliebte Gegenstand und die Gelegenheit dazu vorkmen, fr ihn ganz unwiderstehlich, ob, wenn ein Galgen vor dem Hause, da er diese Gelegenheit trifft, aufgerichtet wre, um ihn sogleich nach genossener Wollust daran zu knpfen, er alsdann nicht seine Neigung bezwingen wrde. Man darf nicht lange raten, was er antworten wrde. Fragt ihn aber, ob, wenn sein Frst ihm, unter Androhung derselben unverzgerten Todesstrafe, zumutete, ein falsches Zeugnis wider einen ehrlichen Mann, den er gerne unter scheinbaren Vorwnden verderben mchte, abzulegen, ob er da, so gro auch seine Liebe zum Leben sein mag, sie wohl zu berwinden fr mglich halte. Ob er es tun wrde, oder nicht, wird er vielleicht sich nicht getrauen zu versichern ; da es ihm aber mglich sei, mu er ohne Bedenken einrumen. Er urteilet also, da er etwas kann, darum weil er sich bewut ist, da er es soll, und erkennt in sich die Freiheit, die ihm sonst ohne das moralische Gesetz unbekannt geblieben wre.

 

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Grundgesetz der reinen praktischen Vernunft

Handle so, da die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten knne.

 

Anmerkung

Die reine Geometrie hat Postulate als praktische Stze, die aber nichts weiter enthalten, als die Voraussetzung, da man etwas tun knne, wenn etwa gefordert wrde, man solle es tun, und diese sind die einzigen Stze derselben, die ein Dasein betreffen. Es sind also praktische Regeln unter einer problematischen Bedingung des Willens. Hier aber sagt die Regel : man solle schlechthin auf gewisse Weise verfahren. Die praktische Regel ist also unbedingt, mithin, als kategorisch praktischer Satz, a priori vorgestellt, wodurch der Wille schlechterdings und unmittelbar (durch die praktische Regel selbst, die also hier Gesetz ist,) objektiv bestimmt wird. Denn reine, an sich praktische Vernunft ist hier unmittelbar gesetzgebend. Der Wille wird als unabhngig von empirischen Bedingungen, mithin als reiner Wille, durch die bloe Form des Gesetzes als bestimmt gedacht, und dieser Bestimmungsgrund als die oberste Bedingung aller Maximen angesehen. Die Sache ist befremdlich genug, und hat ihres gleichen in der ganzen brigen praktischen Erkenntnis nicht. Denn der Gedanke a priori von einer mglichen allgemeinen Gesetzgebung, der also blo problematisch ist, wird, ohne von der Erfahrung oder irgend einem ueren Willen etwas zu entlehnen, als Gesetz unbedingt geboten. Es ist aber auch nicht eine Vorschrift, nach welcher eine Handlung geschehen soll, dadurch eine begehrte Wirkung mglich ist, (denn da wre die Regel immer physisch bedingt,) sondern eine Regel, die blo den Willen, in Ansehung der Form seiner Maximen, a priori bestimmt, und da ist ein Gesetz, welches blo zum Behuf der subjektiven Form der Grundstze dient, als Bestimmungsgrund durch die objektive Form eines Gesetzes berhaupt, wenigstens zu denken, nicht unmglich. Man kann das Bewutsein dieses Grundgesetzes ein Faktum der Vernunft nennen, weil man es nicht aus vorhergehenden Datis der Vernunft, z.B. dem Bewutsein der Freiheit (denn dieses ist uns nicht vorher gegeben), herausvernnfteln kann, sondern weil es sich fr sich selbst uns aufdringt als synthetischer Satz a priori, der auf keiner, weder reinen noch empirischen Anschauung gegrndet ist, ob er gleich analytisch sein wrde, wenn man die Freiheit des Willens voraussetzte, wozu aber, als positivem Begriffe, eine intellektuelle Anschauung erfordert werden wrde, die man hier gar nicht annehmen darf. Doch mu man, um dieses Gesetz ohne Mideutung als gegeben anzusehen, wohl bemerken : da es kein empirisches, sondern das einzige Faktum der reinen Vernunft sei, die sich dadurch als ursprnglich gesetzgebend (sic volo, sic jubeo) ankndigt.

 

Folgerung

Reine Vernunft ist fr sich allein praktisch, und gibt (dem Menschen) ein allgemeines Gesetz, welches wir das Sittengesetz nennen.

 

Anmerkung

Das vorher genannte Faktum ist unleugbar. Man darf nur das Urteil zergliedern, welches die Menschen ber die Gesetzmigkeit ihrer Handlungen fllen : so wird man jederzeit finden, da, was auch die Neigung dazwischen sprechen mag, ihre Vernunft dennoch, unbestechlich und durch sich selbst gezwungen, die Maxime des Willens bei einer Handlung jederzeit an den reinen Willen halte, d.i. an sich selbst, indem sie sich als a priori praktisch betrachtet. Dieses Prinzip der Sittlichkeit nun, eben um der Allgemeinheit der Gesetzgebung willen, die es zum formalen obersten Bestimmungsgrunde des Willens, unangesehen aller subjektiven Verschiedenheiten desselben, macht, erklrt die Vernunft zugleich zu einem Gesetze fr alle vernnftigen Wesen, so fern sie berhaupt einen Willen d.i. ein Vermgen haben, ihre Kausalitt durch die Vorstellung von Regeln zu bestimmen, mithin so fern sie der Handlungen nach Grundstzen, folglich auch nach praktischen Prinzipien a priori (denn diese haben allein diejenige Notwendigkeit, welche die Vernunft zum Grundsatze fordert), fhig sind. Es schrnkt sich also nicht blo auf Menschen ein, sondern geht auf alle endlichen Wesen, die Vernunft und Willen haben, ja schliet sogar das unendliche Wesen, als oberste Intelligenz, mit ein. Im ersteren Falle aber hat das Gesetz die Form eines Imperativs, weil man an jenem zwar, als vernnftigem Wesen, einen reinen, aber, als mit Bedrfnissen und sinnlichen Bewegursachen affiziertem Wesen, keinen heiligen Willen, d.i. einen solchen, der keiner dem moralischen Gesetze widerstreitenden Maximen fhig wre, voraussetzen kann. Das moralische Gesetz ist daher bei jenen ein Imperativ, der kategorisch gebietet, weil das Gesetz unbedingt ist ; das Verhltnis eines solchen Willens zu diesem Gesetze ist Abhngigkeit, unter dem Namen der Verbindlichkeit, welche eine Ntigung, obzwar durch bloe Vernunft und deren objektives Gesetz, zu einer Handlung bedeutet, die darum Pflicht heit, weil eine pathologisch affizierte (obgleich dadurch nicht bestimmte, mithin auch immer freie) Willkr, einen Wunsch bei sich fhrt, der aus subjektiven Ursachen entspringt, daher auch dem reinen objektiven Bestimmungsgrunde oft entgegen sein kann, und also eines Widerstandes der praktischen Vernunft, der ein innerer, aber intellektueller, Zwang genannt werden kann, als moralischer Ntigung bedarf. In der allergenugsamsten Intelligenz wird die Willkr, als keiner Maxime fhig, die nicht zugleich objektiv Gesetz sein konnte, mit Recht vorgestellt, und der Begriff der Heiligkeit, der ihr um deswillen zukommt, setzt sie zwar nicht ber alle praktischen, aber doch ber alle praktisch-einschrnkenden Gesetze, mithin Verbindlichkeit und Pflicht weg. Diese Heiligkeit des Willens ist gleichwohl eine praktische Idee, welche notwendig zum Urbilde dienen mu, welchem sich ins Unendliche zu nhern das einzige ist, was allen endlichen vernnftigen Wesen zusteht, und welche das reine Sittengesetz, das darum selbst heilig heit, ihnen bestndig und richtig vor Augen hlt, von welchem ins Unendliche gehenden Progressus seiner Maximen und Unwandelbarkeit derselben zum bestndigen Fortschreiten sicher zu sein, d.i. Tugend, das Hchste ist, was endliche praktische Vernunft bewirken kann, die selbst wiederum wenigstens als natrlich erworbenes Vermgen nie vollendet sein kann, weil die Sicherheit in solchem Falle niemals apodiktische Gewiheit wird, und als berredung sehr gefhrlich ist.

 

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Lehrsatz IV

Die Autonomie des Willens ist das alleinige Prinzip aller moralischen Gesetze und der ihnen gemen Pflichten : Alle Heteronomie der Willkr grndet dagegen nicht allein gar keine Verbindlichkeit, sondern ist vielmehr dem Prinzip derselben und der Sittlichkeit des Willens entgegen. In der Unabhngigkeit nmlich von aller Materie des Gesetzes (nmlich einem begehrten Objekte) und zugleich doch Bestimmung der Willkr durch die bloe allgemeine gesetzgebende Form, deren eine Maxime fhig sein mu, besteht das alleinige Prinzip der Sittlichkeit. Jene Unabhngigkeit aber ist Freiheit im negativen, diese eigene Gesetzgebung aber der reinen, und als solche, praktischen Vernunft, ist Freiheit im positiven Verstande. Also drckt das moralische Gesetz nichts anders aus, als die Autonomie der reinen praktischen Vernunft, d.i. der Freiheit, und diese ist selbst die formale Bedingung aller Maximen, unter der sie allein mit dem obersten praktischen Gesetze zusammenstimmen knnen. Wenn daher die Materie des Wollens, welche nichts anders, als das Objekt einer Begierde sein kann, die mit dem Gesetz verbunden wird, in das praktische Gesetz als Bedingung der Mglichkeit desselben hineinkommt, so wird daraus Heteronomie der Willkr, nmlich Abhngigkeit vom Naturgesetze, irgend einem Antriebe oder Neigung zu folgen, und der Wille gibt sich nicht selbst das Gesetz, sondern nur die Vorschrift zur vernnftigen Befolgung pathologischer Gesetze ; die Maxime aber, die auf solche Weise niemals die allgemein-gesetzgebende Form in sich enthalten kann, stiftet auf diese Weise nicht allein keine Verbindlichkeit, sondern ist selbst dem Prinzip einer reinen praktischen Vernunft, hiermit also auch der sittlichen Gesinnung entgegen, wenn gleich die Handlung, die daraus entspringt, gesetzmig sein sollte.

 

Anmerkung I

Zum praktischen Gesetze mu also niemals eine praktische Vorschrift gezhlt werden, die eine materiale (mithin empirische) Bedingung bei sich fhrt. Denn das Gesetz des reinen Willens, der frei ist, setzt diesen in eine ganz andere Sphre, als die empirische, und die Notwendigkeit, die es ausdrckt, da sie keine Naturnotwendigkeit sein soll, kann also blo in formalen Bedingungen der Mglichkeit eines Gesetzes berhaupt bestehen. Alle Materie praktischer Regeln beruht immer auf subjektiven Bedingungen, die ihr keine Allgemeinheit fr vernnftige Wesen, als lediglich die bedingte (im Falle ich dieses oder jenes begehre, was ich alsdann tun msse, um es wirklich zu machen,) verschaffen, und sie drehen sich insgesamt um das Prinzip der eigenen Glckseligkeit. Nun ist freilich unleugbar, da alles Wollen auch einen Gegenstand, mithin eine Materie haben msse ; aber diese ist darum nicht eben der Bestimmungsgrund und Bedingung der Maxime ; denn, ist sie es, so lt diese sich nicht in allgemein gesetzgebender Form darstellen, weil die Erwartung der Existenz des Gegenstandes alsdann die bestimmende Ursache der Willkr sein wrde, und die Abhngigkeit des Begehrungsvermgens von der Existenz irgend einer Sache dem Wollen zum Grunde gelegt werden mte, welche immer nur in empirischen Bedingungen gesucht werden, und daher niemals den Grund zu einer notwendigen und allgemeinen Regel abgeben kann. So wird fremder Wesen Glckseligkeit das Objekt des Willens eines vernnftigen Wesens sein knnen. Wre sie aber der Bestimmungsgrund der Maxime, so mte man voraussetzen, da wir in dem Wohlsein anderer nicht allein ein natrliches Vergngen, sondern auch ein Bedrfnis finden, so wie die sympathetische Sinnesart bei Menschen es mit sich bringt. Aber dieses Bedrfnis kann ich nicht bei jedem vernnftigen Wesen (bei Gott gar nicht) voraussetzen. Also kann zwar die Materie der Maxime bleiben, sie mu aber nicht die Bedingung derselben sein, denn sonst wrde diese nicht zum Gesetze taugen. Also die bloe Form eines Gesetzes, welches die Materie einschrnkt, mu zugleich ein Grund sein, diese Materie zum Willen hinzuzufgen, aber sie nicht vorauszusetzen. Die Materie sei z.B. meine eigene Glckseligkeit. Diese, wenn ich sie jedem beilege (wie ich es denn in der Tat bei endlichen Wesen tun darf) kann nur alsdann ein objektives praktisches Gesetz werden, wenn ich anderer ihre in dieselbe mit einschliee. Also entspringt das Gesetz, anderer Glckseligkeit zu befrdern, nicht von der Voraussetzung, da dieses ein Objekt fr jedes seine Willkr sei, sondern blo daraus, da die Form der Allgemeinheit, deren die Vernunft als Bedingung bedarf, einer Maxime der Selbstliebe die objektive Gltigkeit eines Gesetzes zu geben, der Bestimmungsgrund des Willens wird, und also war das Objekt (anderer Glckseligkeit) nicht der Bestimmungsgrund des reinen Willens, sondern die bloe gesetzliche Form war es allein, dadurch ich meine auf Neigung gegrndete Maxime einschrnkte, um ihr die Allgemeinheit eines Gesetzes zu verschaffen, und sie so der reinen praktischen Vernunft angemessen zu machen, aus welcher Einschrnkung, und nicht dem Zusatz einer ueren Triebfeder, alsdann der Begriff der Verbindlichkeit, die Maxime meiner Selbstliebe auch auf die Glckseligkeit anderer zu erweitern, allein entspringen konnte.

 

Anmerkung II

Das gerade Widerspiel des Prinzips der Sittlichkeit ist : wenn das der eigenen Glckseligkeit zum Bestimmungsgrunde des Willens gemacht wird, wozu, wie ich oben gezeigt habe, alles berhaupt gezhlt werden mu, was den Bestimmungsgrund, der zum Gesetze dienen soll, irgend worin anders, als in der gesetzgebenden Form der Maxime setzt. Dieser Widerstreit ist aber nicht blo logisch, wie der zwischen empirisch-bedingten Regeln, die man doch zu notwendigen Erkenntnisprinzipien erheben wollte, sondern praktisch, und wrde, wre nicht die Stimme der Vernunft in Beziehung auf den Willen so deutlich, so unberschreibar, selbst fr den gemeinsten Menschen so vernehmlich, die Sittlichkeit gnzlich zu Grunde richten ; so aber kann sie sich nur noch in den kopfverwirrenden Spekulationen der Schulen erhalten, die dreist genug sind, sich gegen jene himmlische Stimme taub zu machen, um eine Theorie, die kein Kopfbrechen kostet, aufrecht zu erhalten.

Wenn ein dir sonst beliebter Umgangsfreund sich bei dir wegen eines falschen abgelegten Zeugnisses dadurch zu rechtfertigen vermeinete, da er zuerst die, seinem Vorgeben nach, heilige Pflicht der eigenen Glckseligkeit vorschtzte, alsdann die Vorteile herzhlte, die er sich alle dadurch erworben, die Klugheit namhaft machte, die er beobachtet, um wider alle Entdeckung sicher zu sein, selbst wider die von Seiten deiner selbst, dem er das Geheimnis darum allein offenbaret, damit er es zu aller Zeit ableugnen knne ; dann aber im ganzen Ernst vorgbe, er habe eine wahre Menschenpflicht ausgebt : so wrdest du ihm entweder gerade ins Gesicht lachen, oder mit Abscheu davon zurckbeben, ob du gleich, wenn jemand blo auf eigene Vorteile seine Grundstze gesteuert hat, wider diese Maregeln nicht das mindeste einzuwenden httest. Oder setzet, es empfehle euch jemand einen Mann zum Haushalter, dem ihr alle eure Angelegenheiten blindlings anvertrauen knnet, und, um euch Zutrauen einzuflen, rhmete er ihn als einen klugen Menschen, der sich auf seinen eigenen Vorteil meisterhaft verstehe, auch als einen rastlos wirksamen, der keine Gelegenheit dazu ungenutzt vorbeigehen liee, endlich, damit auch ja nicht Besorgnisse wegen eines pbelhaften Eigennutzes desselben im Wege stnden, rhmete er, wie er recht fein zu leben verstnde, nicht im Geldsammeln oder brutaler ppigkeit, sondern in der Erweiterung seiner Kenntnisse, einem wohlgewhlten belehrenden Umgange, selbst im Wohltun der Drftigen, sein Vergngen suchte, brigens aber wegen der Mittel (die doch ihren Wert oder Unwert nur vom Zwecke entlehnen) nicht bedenklich wre, und fremdes Geld und Gut ihm hierzu, so bald er nur wisse, da er es unentdeckt und ungehindert tun knne, so gut wie sein eigenes wre : so wrdet ihr entweder glauben, der Empfehlende habe euch zum besten, oder er habe den Verstand verloren. - So deutlich und scharf sind die Grenzen der Sittlichkeit und der Selbstliebe abgeschnitten, da selbst das gemeinste Auge den Unterschied, ob etwas zu der einen oder der andern gehre, gar nicht verfehlen kann. Folgende wenige Bemerkungen knnen zwar bei einer so offenbaren Wahrheit berflssig scheinen, allein sie dienen doch wenigstens dazu, dem Urteile der gemeinen Menschenvernunft etwas mehr Deutlichkeit zu verschaffen.

Das Prinzip der Glckseligkeit kann zwar Maximen, aber niemals solche abgeben, die zu Gesetzen des Willens tauglich wren, selbst wenn man sich die allgemeine Glckseligkeit zum Objekte machte. Denn, weil dieser ihre Erkenntnis auf lauter Erfahrungsdatis beruht, weil jedes Urteil darber gar sehr von jedes seiner Meinung, die noch dazu selbst sehr vernderlich ist, abhngt, so kann es wohl generelle, aber niemals universelle Regeln, d.i. solche, die im Durchschnitte am ftesten zutreffen, nicht aber solche, die jederzeit und notwendig gltig sein mssen, geben, mithin knnen keine praktischen Gesetze darauf gegrndet werden. Eben darum, weil hier ein Objekt der Willkr der Regel derselben zum Grunde gelegt und also vor dieser vorhergehen mu, so kann diese nicht worauf anders, als auf das, was man empfiehlt, und also auf Erfahrung bezogen und darauf gegrndet werden, und da mu die Verschiedenheit des Urteils endlos sein. Dieses Prinzip schreibt also nicht allen vernnftigen Wesen eben dieselben praktischen Regeln vor, ob sie zwar unter einem gemeinsamen Titel, nmlich dem der Glckseligkeit, stehen. Das moralische Gesetz wird aber nur darum als objektiv notwendig gedacht, weil es fr jedermann gelten soll, der Vernunft und Willen hat.

Die Maxime der Selbstliebe (Klugheit) rt blo an ; das Gesetz der Sittlichkeit gebietet. Es ist aber doch ein groer Unterschied zwischen dem, wozu man uns anrtig ist, und dem, wozu wir verbindlich sind.

Was nach dem Prinzip der Autonomie der Willkr zu tun sei, ist fr den gemeinsten Verstand ganz leicht und ohne Bedenken einzusehen ; was unter Voraussetzung der Heteronomie derselben zu tun sei, schwer, und erfordert Weltkenntnis ; d.i. was Pflicht sei, bietet sich jedermann von selbst dar ; was aber wahren dauerhaften Vorteil bringe, ist allemal, wenn dieser auf das ganze Dasein erstreckt werden soll, in undurchdringliches Dunkel eingehllt, und erfordert viel Klugheit, um die praktische, darauf gestimmte Regel durch geschickte Ausnahmen auch nur auf ertrgliche Art den Zwecken des Lebens anzupassen. Gleichwohl gebietet das sittliche Gesetz jedermann, und zwar die pnktlichste, Befolgung. Es mu also zu der Beurteilung dessen, was nach ihm zu tun sei, nicht so schwer sein, da nicht der gemeinste und ungebteste Verstand selbst ohne Weltklugheit damit umzugehen wte.

Dem kategorischen Gebote der Sittlichkeit Genge zu leisten, ist in jedes Gewalt zu aller Zeit ; der empirisch-bedingten Vorschrift der Glckseligkeit nur selten, und bei weitem nicht, auch nur in Ansehung einer einzigen Absicht, fr jedermann mglich. Die Ursache ist, weil es bei dem ersteren nur auf die Maxime ankommt, die echt und rein sein mu, bei der letzteren aber auch auf die Krfte und das physische Vermgen, einen begehrten Gegenstand wirklich zu machen. Ein Gebot, da jedermann sich glcklich zu machen suchen sollte, wre tricht ; denn man gebietet niemals jemandem das, was er schon unausbleiblich von selbst will. Man mte ihm blo die Maregeln gebieten, oder vielmehr darreichen, weil er nicht alles das kann, was er will. Sittlichkeit aber gebieten, unter dem Namen der Pflicht, ist ganz vernnftig ; denn deren Vorschrift will erstlich eben nicht jedermann gerne gehorchen, wenn sie mit Neigungen im Widerstreite ist, und was die Maregeln betrifft, wie er dieses Gesetz befolgen knne, so drfen diese hier nicht gelehrt werden ; denn, was er in dieser Beziehung will, das kann er auch.

Der im Spiel verloren hat, kann sich wohl ber sich selbst und seine Unklugheit rgern, aber wenn er sich bewut ist, im Spiel betrogen (obzwar dadurch gewonnen) zu haben, so mu er sich selbst verachten, so bald er sich mit dem sittlichen Gesetze vergleicht. Dieses mu also doch wohl etwas anderes, als das Prinzip der eigenen Glckseligkeit sein. Denn zu sich selber sagen zu mssen : ich bin ein Nichtswrdiger, ob ich gleich meinen Beutel gefllt habe, mu doch ein anderes Richtma des Urteils haben, als sich selbst Beifall zu geben, und zu sagen : ich bin ein kluger Mensch, denn ich habe meine Kasse bereichert.

Endlich ist noch etwas in der Idee unserer praktischen Vernunft, welches die bertretung eines sittlichen Gesetzes begleitet, nmlich ihre Strafwrdigkeit. Nun lt sich mit dem Begriffe einer Strafe, als einer solchen, doch gar nicht das Teilhaftigwerden der Glckseligkeit verbinden. Denn obgleich der, so da straft, wohl zugleich die gtige Absicht haben kann, diese Strafe auch auf diesen Zweck zu richten, so mu sie doch zuvor als Strafe, d.i. als bloes bel fr sich selbst gerechtfertigt sein, so da der Gestrafte, wenn es dabei bliebe, und er auch auf keine sich hinter dieser Hrte verbergende Gunst hinausshe, selbst gestehen mu, es sei ihm Recht geschehen, und sein Los sei seinem Verhalten vollkommen angemessen. In jeder Strafe, als solcher, mu zuerst Gerechtigkeit sein, und diese macht das Wesentliche dieses Begriffs aus. Mit ihr kann zwar auch Gtigkeit verbunden werden, aber auf diese hat der Strafwrdige, nach seiner Auffhrung, nicht die mindeste Ursache sich Rechnung zu machen. Also ist Strafe ein physisches bel, welches, wenn es auch nicht als natrliche Folge mit dem Moralisch-Bsen verbunden wre, doch als Folge nach Prinzipien einer sittlichen Gesetzgebung verbunden werden mte. Wenn nun alles Verbrechen, auch ohne auf die physischen Folgen in Ansehung des Tters zu sehen, fr sich strafbar ist, d.i. Glckseligkeit (wenigstens zum Teil) verwirkt, so wre es offenbar ungereimt zu sagen : das Verbrechen habe darin eben bestanden, da er sich eine Strafe zugezogen hat, indem er seiner eigenen Glckseligkeit Abbruch tat (welches nach dem Prinzip der Selbstliebe der eigentliche Begriff alles Verbrechens sein mte). Die Strafe wrde auf diese Art der Grund sein, etwas ein Verbrechen zu nennen, und die Gerechtigkeit mte vielmehr darin bestehen, alle Bestrafung zu unterlassen und selbst die natrliche zu verhindern ; denn alsdann wre in der Handlung nichts Bses mehr, weil die bel, die sonst darauf folgeten, und um deren willen die Handlung allein bse hie, nunmehr abgehalten wren. Vollends aber alles Strafen und Belohnen nur als das Maschinenwerk in der Hand einer hheren Macht anzusehen, welches vernnftige Wesen dadurch zu ihrer Endabsicht (der Glckseligkeit) in Ttigkeit zu setzen allein dienen sollte, ist gar zu sichtbar ein alle Freiheit aufhebender Mechanismus ihres Willens, als da es ntig wre uns hierbei aufzuhalten.

Feiner noch, obgleich eben so unwahr, ist das Vorgeben derer, die einen gewissen moralischen besondern Sinn annehmen, der, und nicht die Vernunft, das moralische Gesetz bestimmte, nach welchem das Bewutsein der Tugend unmittelbar mit Zufriedenheit und Vergngen, das des Lasters aber mit Seelenunruhe und Schmerz verbunden wre, und so alles doch auf Verlangen nach eigener Glckseligkeit aussetzen. Ohne das hierher zu ziehen, was oben gesagt worden, will ich nur die Tuschung bemerken, die hierbei vorgeht. Um den Lasterhaften als durch das Bewutsein seiner Vergehungen mit Gemtsunruhe geplagt vorzustellen, mssen sie ihn, der vornehmsten Grundlage seines Charakters nach, schon zum voraus als, wenigstens in einigem Grade, moralisch gut, so wie den, welchen das Bewutsein pflichtmiger Handlungen ergtzt, vorher schon als tugendhaft vorstellen. Also mute doch der Begriff der Moralitt und Pflicht vor aller Rcksicht auf diese Zufriedenheit vorhergehen und kann von dieser gar nicht abgeleitet werden. Nun mu man doch die Wichtigkeit dessen, was wir Pflicht nennen, das Ansehen des moralischen Gesetzes und den unmittelbaren Wert, den die Befolgung desselben der Person in ihren eigenen Augen gibt, vorher schtzen, um jene Zufriedenheit in dem Bewutsein seiner Angemessenheit zu derselben, und den bitteren Verweis, wenn man sich dessen bertretung vorwerfen kann, zu fhlen. Man kann also diese Zufriedenheit oder Seelenunruhe nicht vor der Erkenntnis der Verbindlichkeit fhlen und sie zum Grunde der letzteren machen. Man mu wenigstens auf dem halben Wege schon ein ehrlicher Mann sein, um sich von jenen Empfindungen auch nur eine Vorstellung machen zu knnen. Da brigens, so wie, vermge der Freiheit, der menschliche Wille durchs moralische Gesetz unmittelbar bestimmbar ist, auch die ftere Ausbung, diesem Bestimmungsgrunde gem, subjektiv zuletzt ein Gefhl der Zufriedenheit mit sich selbst wirken knne, bin ich gar nicht in Abrede ; vielmehr gehrt es selbst zur Pflicht, dieses, welches eigentlich allein das moralische Gefhl genannt zu werden verdient, zu grnden und zu kultivieren ; aber der Begriff der Pflicht kann davon nicht abgeleitet werden, sonst mten wir uns ein Gefhl eines Gesetzes als eines solchen denken, und das zum Gegenstande der Empfindung machen, was nur durch Vernunft gedacht werden kann ; welches, wenn es nicht ein platter Widerspruch werden soll, allen Begriff der Pflicht ganz aufheben, und an deren Statt blo ein mechanisches Spiel feinerer, mit den grberen bisweilen in Zwist geratender, Neigungen setzen wrde.

Wenn wir nun unseren formalen obersten Grundsatz der reinen praktischen Vernunft (als einer Autonomie des Willens) mit allen bisherigen materialen Prinzipien der Sittlichkeit vergleichen, so knnen wir in einer Tafel alle brigen, als solche, dadurch wirklich zugleich alle mglichen anderen Flle, auer einem einzigen formalen, erschpft sind, vorstellig machen, und so durch den Augenschein beweisen, da es vergeblich sei, sich nach einem andern Prinzip, als dem jetzt vorgetragenen, umzusehen. Alle mglichen Bestimmungsgrnde des Willens sind nmlich entweder blo subjektiv und also empirisch, oder auch objektiv und rational ; beide aber entweder uere oder innere.

 

Praktische materiale Bestimmungsgrnde im Prinzip der Sittlichkeit sind

 

Subjektive

uere

Der Erziehung (nach Montaigne)

Der brgerlichen Verfassung (nach Mandeville)

innere

Des physischen Gefhls (nach Epikur)

Des moralischen Gefhls (nach Hutcheson)

 

Objektive

innere

Der Vollkommenheit (nach Wolff und den Stoikern)

uere

Des Willens Gottes (nach Crusius und andern theologischen Moralisten)

 

Die auf der linken Seite stehenden sind insgesamt empirisch und taugen offenbar gar nicht zum allgemeinen Prinzip der Sittlichkeit. Aber die auf der rechten Seite grnden sich auf der Vernunft, (denn Vollkommenheit, als Beschaffenheit der Dinge, und die hchste Vollkommenheit in Substanz vorgestellt, d.i. Gott, sind beide nur durch Vernunftbegriffe zu denken.) Allein der erstere Begriff, nmlich der Vollkommenheit, kann entweder in theoretischer Bedeutung genommen werden, und da bedeutet er nichts, als Vollstndigkeit eines jeden Dinges in seiner Art (transzendentale), oder eines Dinges blo als Dinges berhaupt (metaphysische), und davon kann hier nicht die Rede sein. Der Begriff der Vollkommenheit in praktischer Bedeutung aber ist die Tauglichkeit, oder Zulnglichkeit eines Dinges zu allerlei Zwecken. Diese Vollkommenheit, als Beschaffenheit des Menschen, folglich innerliche, ist nichts anders, als Talent, und, was dieses strkt oder ergnzt, Geschicklichkeit. Die hchste Vollkommenheit in Substanz, d.i. Gott, folglich uerliche, (in praktischer Absicht betrachtet,) ist die Zulnglichkeit dieses Wesens zu allen Zwecken berhaupt. Wenn nun also uns Zwecke vorher gegeben werden mssen, in Beziehung auf welche der Begriff der Vollkommenheit (einer inneren, an uns selbst, oder einer ueren, an Gott,) allein Bestimmungsgrund des Willens werden kann, ein Zweck aber, als Objekt, welches vor der Willensbestimmung durch eine praktische Regel vorhergehen und den Grund der Mglichkeit einer solchen enthalten mu, mithin die Materie des Willens, als Bestimmungsgrund desselben genommen, jederzeit empirisch ist, mithin zum Epikurischen Prinzip der Glckseligkeitslehre, niemals aber zum reinen Vernunftprinzip der Sittenlehre und der Pflicht dienen kann, (wie denn Talente und ihre Befrderung nur, weil sie zu Vorteilen des Lebens beitragen, oder der Wille Gottes, wenn Einstimmung mit ihm, ohne vorhergehendes von dessen Idee unabhngiges praktisches Prinzip, zum Objekte des Willens genommen worden, nur durch die Glckseligkeit, die wir davon erwarten, Bewegursache desselben werden knnen,) so folgt erstlich, da alle hier aufgestellten Prinzipien material sind, zweitens, da sie alle mglichen materialen Prinzipien befassen, und daraus endlich der Schlu : da, weil materiale Prinzipien zum obersten Sittengesetz ganz untauglich sind, (wie bewiesen worden,) das formale praktische Prinzip der reinen Vernunft, nach welchem die bloe Form einer durch unsere Maximen mglichen allgemeinen Gesetzgebung den obersten und unmittelbaren Bestimmungsgrund des Willens ausmachen mu, das einzige mgliche sei, welches zu kategorischen Imperativen, d.i. praktischen Gesetzen (welche Handlungen zur Pflicht machen), und berhaupt zum Prinzip der Sittlichkeit, sowohl in der Beurteilung, als auch der Anwendung auf den menschlichen Willen, in Bestimmung desselben, tauglich ist.

 

I

Von der Deduktion der Grundstze der reinen praktischen Vernunft

Diese Analytik tut dar, da reine Vernunft praktisch sein, d.i. fr sich, unabhngig von allem Empirischen, den Willen bestimmen knne und dieses zwar durch ein Faktum, worin sich reine Vernunft bei uns in der Tat praktisch beweiset, nmlich die Autonomie in dem Grundsatze der Sittlichkeit, wodurch sie den Willen zur Tat bestimmt. Sie zeigt zugleich, da dieses Faktum mit dem Bewutsein der Freiheit des Willens unzertrennlich verbunden, ja mit ihm einerlei sei, wodurch der Wille eines vernnftigen Wesens, das, als zur Sinnenwelt gehrig, sich, gleich anderen wirksamen Ursachen, notwendig den Gesetzen der Kausalitt unterworfen erkennt, im Praktischen, doch zugleich sich auf einer andern Seite, nmlich als Wesen an sich selbst, seines in einer intelligibelen Ordnung der Dinge bestimmbaren Daseins bewut ist, zwar nicht einer besondern Anschauung seiner selbst, sondern gewissen dynamischen Gesetzen gem, die die Kausalitt desselben in der Sinnenwelt bestimmen knnen ; denn, da Freiheit, wenn sie uns beigelegt wird, uns in eine intelligibele Ordnung der Dinge versetze, ist anderwrts hinreichend bewiesen worden.

Wenn wir nun damit den analytischen Teil der Kritik der reinen spekulativen Vernunft vergleichen, so zeigt sich ein merkwrdiger Kontrast beider gegen einander. Nicht Grundstze, sondern reine sinnliche Anschauung (Raum und Zeit) war daselbst das erste Datum, welches Erkenntnis a priori und zwar nur fr Gegenstnde der Sinne mglich machte. Synthetische Grundstze aus bloen Begriffen ohne Anschauung waren unmglich, vielmehr konnten diese nur in Beziehung auf jene, welche sinnlich war, mithin auch nur auf Gegenstnde mglicher Erfahrung stattfinden, weil die Begriffe des Verstandes, mit dieser Anschauung verbunden, allein dasjenige Erkenntnis mglich machen, welches wir Erfahrung nennen. ber die Erfahrungsgegenstnde hinaus, also von Dingen als Noumenen, wurde der spekulativen Vernunft alles Positive einer Erkenntnis mit vlligem Rechte abgesprochen. Doch leistete diese so viel, da sie den Begriff der Noumenen, d.i. die Mglichkeit, ja Notwendigkeit dergleichen zu denken, in Sicherheit setzte, und z.B. die Freiheit, negativ betrachtet, anzunehmen, als ganz vertrglich mit jenen Grundstzen und Einschrnkungen der reinen theoretischen Vernunft, wider alle Einwrfe rettete, ohne doch von solchen Gegenstnden irgend etwas Bestimmtes und Erweiterndes zu erkennen zu geben, indem sie vielmehr alle Aussicht dahin gnzlich abschnitt.

Dagegen gibt das moralische Gesetz, wenn gleich keine Aussicht, dennoch ein schlechterdings aus allen Datis der Sinnenwelt und dem ganzen Umfange unseres theoretischen Vernunftgebrauchs unerklrliches Faktum an die Hand, das auf eine reine Verstandeswelt Anzeige gibt, ja diese so gar positiv bestimmt und uns etwas von ihr, nmlich ein Gesetz, erkennen lt.

Dieses Gesetz soll der Sinnenwelt, als einer sinnlichen Natur, (was die vernnftigen Wesen betrifft,) die Form einer Verstandeswelt d.i. einer bersinnlichen Natur verschaffen, ohne doch jener ihrem Mechanismus Abbruch zu tun. Nun ist Natur im allgemeinsten Verstande die Existenz der Dinge unter Gesetzen. Die sinnliche Natur vernnftiger Wesen berhaupt ist die Existenz derselben unter empirisch bedingten Gesetzen, mithin fr die Vernunft Heteronomie. Die bersinnliche Natur eben derselben Wesen ist dagegen ihre Existenz nach Gesetzen, die von aller empirischen Bedingung unabhngig sind, mithin zur Autonomie der reinen Vernunft gehren. Und, da die Gesetze, nach welchen das Dasein der Dinge vom Erkenntnis abhngt, praktisch sind ; so ist die bersinnliche Natur, so weit wir uns einen Begriff von ihr machen knnen, nichts anders, als eine Natur unter der Autonomie der reinen praktischen Vernunft. Das Gesetz dieser Autonomie aber ist das moralische Gesetz ; welches also das Grundgesetz einer bersinnlichen Natur und einer reinen Verstandeswelt ist, deren Gegenbild in der Sinnenwelt, aber doch zugleich ohne Abbruch der Gesetze derselben, existieren soll. Man knnte jene die urbildliche (natura archetypa), die wir blo in der Vernunft erkennen ; diese aber, weil sie die mgliche Wirkung der Idee der ersteren, als Bestimmungsgrundes des Willens, enthlt, die nachgebildete (natura ectypa) nennen. Denn in der Tat versetzt uns das moralische Gesetz, der Idee nach, in eine Natur, in welcher reine Vernunft, wenn sie mit dem ihr angemessenen physischen Vermgen begleitet wre, das hchste Gut hervorbringen wrde, und bestimmt unseren Willen die Form der Sinnenwelt, als einem Ganzen vernnftiger Wesen, zu erteilen.

Da diese Idee wirklich unseren Willensbestimmungen gleichsam als Vorzeichnung zum Muster liege, besttigt die gemeinste Aufmerksamkeit auf sich selbst.

Wenn die Maxime, nach der ich ein Zeugnis abzulegen gesonnen bin, durch die praktische Vernunft geprft wird, so sehe ich immer danach, wie sie sein wrde, wenn sie als allgemeines Naturgesetz glte. Es ist offenbar, in dieser Art wrde es jedermann zur Wahrhaftigkeit ntigen. Denn es kann nicht mit der Allgemeinheit eines Naturgesetzes bestehen, Aussagen fr beweisend und dennoch als vorsetzlich unwahr gelten zu lassen. Eben so wird die Maxime, die ich in Ansehung der freien Disposition ber mein Leben nehme, sofort bestimmt, wenn ich mich frage, wie sie sein mte, damit sich eine Natur nach einem Gesetze derselben erhalte. Offenbar wrde niemand in einer solchen Natur sein Leben willkrlich endigen knnen, denn eine solche Verfassung wrde keine bleibende Naturordnung sein, und so in allen brigen Fllen. Nun ist aber in der wirklichen Natur, so wie sie ein Gegenstand der Erfahrung ist, der freie Wille nicht von selbst zu solchen Maximen bestimmt, die fr sich selbst eine Natur nach allgemeinen Gesetzen grnden knnten, oder auch in eine solche, die nach ihnen angeordnet wre, von selbst passeten ; vielmehr sind es Privatneigungen, die zwar ein Naturganzes nach pathologischen (physischen) Gesetzen, aber nicht eine Natur, die allein durch unsern Willen nach reinen praktischen Gesetzen mglich wre, ausmachen. Gleichwohl sind wir uns durch die Vernunft eines Gesetzes bewut, welchem, als ob durch unseren Willen zugleich eine Naturordnung entspringen mte, alle unsere Maximen unterworfen sind. Also mu dieses die Idee einer nicht empirisch-gegebenen und dennoch durch Freiheit mglichen, mithin bersinnlichen Natur sein, der wir, wenigstens in praktischer Beziehung, objektive Realitt geben, weil wir sie als Objekt unseres Willens, als reiner vernnftiger Wesen ansehen.

Der Unterschied also zwischen den Gesetzen einer Natur, welcher der Wille unterworfen ist, und einer Natur, die einem Willen (in Ansehung dessen, was Beziehung desselben auf seine freien Handlungen hat) unterworfen ist, beruht darauf, da bei jener die Objekte Ursachen der Vorstellungen sein mssen, die den Willen bestimmen, bei dieser aber der Wille Ursache von den Objekten sein soll, so da die Kausalitt desselben ihren Bestimmungsgrund lediglich in reinem Vernunftvermgen liegen hat, welches deshalb auch eine reine praktische Vernunft genannt werden kann.

Die zwei Aufgaben also : wie reine Vernunft einerseits a priori Objekte erkennen, und wie sie andererseits unmittelbar ein Bestimmungsgrund des Willens d.i. der Kausalitt des vernnftigen Wesens in Ansehung der Wirklichkeit der Objekte (blo durch den Gedanken der Allgemeingltigkeit ihrer eigenen Maximen als Gesetzes) sein knne, sind sehr verschieden.

Die erste, als zur Kritik der reinen spekulativen Vernunft gehrig, erfordert, da zuvor erklrt werde, wie Anschauungen, ohne welche uns berall kein Objekt gegeben und also auch keines synthetisch erkannt werden kann, a priori mglich sind, und ihre Auflsung fllt dahin aus, da sie insgesamt nur sinnlich sind, daher auch kein spekulatives Erkenntnis mglich werden lassen, das weiter ginge, als mgliche Erfahrung reicht, und da daher alle Grundstze jener reinen spekulativen Vernunft nichts weiter ausrichten, als Erfahrung, entweder von gegebenen Gegenstnden, oder denen, die ins Unendliche gegeben werden mgen, niemals aber vollstndig gegeben sind, mglich zu machen.

Die zweite, als zur Kritik der praktischen Vernunft gehrig, fordert keine Erklrung, wie die Objekte des Begehrungsvermgens mglich sind, denn das bleibt, als Aufgabe der theoretischen Naturkenntnis, der Kritik der spekulativen Vernunft berlassen, sondern nur, wie Vernunft die Maxime des Willens bestimmen knne, ob es nur vermittelst empirischer Vorstellungen, als Bestimmungsgrnde, geschehe, oder ob auch reine Vernunft praktisch und ein Gesetz einer mglichen, gar nicht empirisch erkennbaren, Naturordnung sein wrde. Die Mglichkeit einer solchen bersinnlichen Natur, deren Begriff zugleich der Grund der Wirklichkeit derselben durch unseren freien Willen sein knne, bedarf keiner Anschauung a priori (einer intelligibelen Welt), die in diesem Falle, als bersinnlich, fr uns auch unmglich sein mte. Denn es kommt nur auf den Bestimmungsgrund des Wollens in den Maximen desselben an, ob jener empirisch, oder ein Begriff der reinen Vernunft (von der Gesetzmigkeit derselben berhaupt) sei, und wie er letzteres sein knne. Ob die Kausalitt des Willens zur Wirklichkeit der Objekte zulange, oder nicht, bleibt den theoretischen Prinzipien der Vernunft zu beurteilen berlassen, als Untersuchung der Mglichkeit der Objekte des Wollens, deren Anschauung also in der praktischen Aufgabe gar kein Moment derselben ausmacht. Nur auf die Willensbestimmung und den Bestimmungsgrund der Maxime desselben, als eines freien Willens, kommt es hier an, nicht auf den Erfolg. Denn, wenn der Wille nur fr die reine Vernunft gesetzmig ist, so mag es mit dem Vermgen desselben in der Ausfhrung stehen, wie es wolle, es mag nach diesen Maximen der Gesetzgebung einer mglichen Natur eine solche wirklich daraus entspringen, oder nicht, darum bekmmert sich die Kritik, die da untersucht, ob und wie reine Vernunft praktisch, d.i. unmittelbar willenbestimmend, sein knne, gar nicht.

In diesem Geschfte kann sie also ohne Tadel und mu sie von reinen praktischen Gesetzen und deren Wirklichkeit anfangen. Statt der Anschauung aber legt sie denselben den Begriff ihres Daseins in der intelligibelen Welt, nmlich der Freiheit, zum Grunde. Denn dieser bedeutet nichts anders, und jene Gesetze sind nur in Beziehung auf Freiheit des Willens mglich, unter Voraussetzung derselben aber notwendig, oder, umgekehrt, diese ist notwendig, weil jene Gesetze, als praktische Postulate, notwendig sind. Wie nun dieses Bewutsein der moralischen Gesetze, oder, welches einerlei ist, das der Freiheit, mglich sei, lt sich nicht weiter erklren, nur die Zulssigkeit derselben in der theoretischen Kritik gar wohl verteidigen.

Die Exposition des obersten Grundsatzes der praktischen Vernunft ist nun geschehen, d.i. erstlich, was er enthalte, da er gnzlich a priori und unabhngig von empirischen Principien fr sich bestehe, und dann, worin er sich von allen anderen praktischen Grundstzen unterscheide, gezeigt worden.

Mit der Deduction, d.i. der Rechtfertigung seiner objectiven und allgemeinen Gltigkeit und der Einsicht der Mglichkeit eines solchen synthetischen Satzes a priori, darf man nicht so gut fortzukommen hoffen, als es mit den Grundstzen des reinen theoretischen Verstandes anging. Denn diese bezogen sich auf Gegenstnde mglicher Erfahrung, nmlich auf Erscheinungen, und man konnte beweisen, da nur dadurch, da diese Erscheinungen nach Magabe jener Gesetze unter die Kategorien gebracht werden, diese Erscheinungen als Gegenstnde der Erfahrung erkannt werden knnen, folglich alle mgliche Erfahrung diesen Gesetzen angemessen sein msse. Einen solchen Gang kann ich aber mit der Deduction des moralischen Gesetzes nicht nehmen. Denn es betrifft nicht das Erkenntni von der Beschaffenheit der Gegenstnde, die der Vernunft irgend wodurch anderwrts gegeben werden mgen, sondern ein Erkenntni, so fern es der Grund von der Existenz der Gegenstnde selbst werden kann und die Vernunft durch dieselbe Causalitt in einem vernnftigen Wesen hat, d.i. reine Vernunft, die als ein unmittelbar den Willen bestimmendes Vermgen angesehen werden kann.

Nun ist aber alle menschliche Einsicht zu Ende, so bald wir zu Grundkrften oder Grundvermgen gelangt sind ; denn deren Mglichkeit kann durch nichts begriffen, darf aber auch eben so wenig beliebig erdichtet und angenommen werden. Daher kann uns im theoretischen Gebrauche der Vernunft nur Erfahrung dazu berechtigen, sie anzunehmen. Dieses Surrogat, statt einer Deduction aus Erkenntniquellen a priori empirische Beweise anzufhren, ist uns hier aber in Ansehung des reinen praktischen Vernunftvermgens auch benommen. Denn was den Beweisgrund seiner Wirklichkeit von der Erfahrung herzuholen bedarf, mu den Grnden seiner Mglichkeit nach von Erfahrungsprincipien abhngig sein, fr dergleichen aber reine und doch praktische Vernunft schon ihres Begriffs wegen unmglich gehalten werden kann. Auch ist das moralische Gesetz gleichsam als ein Factum der reinen Vernunft, dessen wir uns a priori bewut sind und welches apodiktisch gewi ist, gegeben, gesetzt da man auch in der Erfahrung kein Beispiel, da es genau befolgt wre, auftreiben knnte. Also kann die objective Realitt des moralischen Gesetzes durch keine Deduction, durch alle Anstrengung der theoretischen, speculativen oder empirisch untersttzten Vernunft, bewiesen und also, wenn man auch auf die apodiktische Gewiheit Verzicht thun wollte, durch Erfahrung besttigt und so a posteriori bewiesen werden, und steht dennoch fr sich selbst fest.

Etwas anderes aber und ganz Widersinnisches tritt an die Stelle dieser vergeblich gesuchten Deduction des moralischen Princips, nmlich da es umgekehrt selbst zum Princip der Deduction eines unerforschlichen Vermgens dient, welches keine Erfahrung beweisen, die speculative Vernunft aber (um unter ihren kosmologischen Ideen das Unbedingte seiner Causalitt nach zu finden, damit sie sich selbst nicht widerspreche) wenigstens als mglich annehmen mute, nmlich das der Freiheit, von der das moralische Gesetz, welches selbst keiner rechtfertigenden Grnde bedarf, nicht blos die Mglichkeit, sondern die Wirklichkeit an Wesen beweiset, die dies Gesetz als fr sie verbindend erkennen. Das moralische Gesetz ist in der That ein Gesetz der Causalitt durch Freiheit und also der Mglichkeit einer bersinnlichen Natur, so wie das metaphysische Gesetz der Begebenheiten in der Sinnenwelt ein Gesetz der Causalitt der sinnlichen Natur war, und jenes bestimmt also das, was speculative Philosophie unbestimmt lassen mute, nmlich das Gesetz fr eine Causalitt, deren Begriff in der letzteren nur negativ war, und verschafft diesem also zuerst objective Realitt.

Diese Art von Creditiv des moralischen Gesetzes, da es selbst als ein Princip der Deduction der Freiheit als einer Causalitt der reinen Vernunft aufgestellt wird, ist, da die theoretische Vernunft wenigstens die Mglichkeit einer Freiheit anzunehmen genthigt war, zu Ergnzung eines Bedrfnisses derselben statt aller Rechtfertigung a priori vllig hinreichend. Denn das moralische Gesetz beweiset seine Realitt dadurch auch fr die Kritik der speculativen Vernunft genugthuend, da es einer blos negativ gedachten Causalitt, deren Mglichkeit jener unbegreiflich und dennoch sie anzunehmen nthig war, positive Bestimmung, nmlich den Begriff einer den Willen unmittelbar (durch die Bedingung einer allgemeinen gesetzlichen Form seiner Maximen) bestimmenden Vernunft, hinzufgt und so der Vernunft, die mit ihren Ideen, wenn sie speculativ verfahren wollte, immer berschwenglich wurde, zum erstenmale objective, obgleich nur praktische Realitt zu geben vermag und ihren transscendenten Gebrauch in einen immanenten (im Felde der Erfahrung durch Ideen selbst wirkende Ursachen zu sein) verwandelt.

Die Bestimmung der Causalitt der Wesen in der Sinnenwelt als einer solchen konnte niemals unbedingt sein, und dennoch mu es zu aller Reihe der Bedingungen nothwendig etwas Unbedingtes, mithin auch eine sich gnzlich von selbst bestimmende Causalitt geben. Daher war die Idee der Freiheit als eines Vermgens absoluter Spontaneitt nicht ein Bedrfni, sondern, was deren Mglichkeit betrifft, ein analytischer Grundsatz der reinen speculativen Vernunft. Allein da es schlechterdings unmglich ist, ihr gem ein Beispiel in irgend einer Erfahrung zu geben, weil unter den Ursachen der Dinge als Erscheinungen keine Bestimmung der Causalitt, die schlechterdings unbedingt wre, angetroffen werden kann, so konnten wir nur den Gedanken von einer freihandelnden Ursache, wenn wir diesen auf ein Wesen in der Sinnenwelt, so fern es andererseits auch als Noumenon betrachtet wird, anwenden, vertheidigen, indem wir zeigten, da es sich nicht widerspreche, alle seine Handlungen als physisch bedingt, so fern sie Erscheinungen sind, und doch zugleich die Causalitt derselben, so fern das handelnde Wesen ein Verstandeswesen ist, als physisch unbedingt anzusehen und so den Begriff der Freiheit zum regulativen Princip der Vernunft zu machen, wodurch ich zwar den Gegenstand, dem dergleichen Causalitt beigelegt wird, gar nicht erkenne, was er sei, aber doch das Hinderni wegnehme, in dem ich einerseits in der Erklrung der Weltbegebenheiten, mithin auch der Handlungen vernnftiger Wesen, dem Mechanismus der Naturnothwendigkeit, vom Bedingten zur Bedingung ins Unendliche zurckzugehen, Gerechtigkeit widerfahren lasse, andererseits aber der speculativen Vernunft den fr sie leeren Platz offen erhalte, nmlich das Intelligibele, um das Unbedingte dahin zu versetzen.

Ich konnte aber diesen Gedanken nicht realisiren, d.i. ihn nicht in Erkenntni eines so handelnden Wesens auch nur blos seiner Mglichkeit nach verwandeln. Diesen leeren Platz fllt nun reine praktische Vernunft durch ein bestimmtes Gesetz der Causalitt in einer intelligibelen Welt (durch Freiheit), nmlich das moralische Gesetz, aus. Hiedurch wchst nun zwar der speculativen Vernunft in Ansehung ihrer Einsicht nichts zu, aber doch in Ansehung der Sicherung ihres problematischen Begriffs der Freiheit, welchem hier objective und, obgleich nur praktische, dennoch unbezweifelte Realitt verschafft wird. Selbst den Begriff der Causalitt, dessen Anwendung, mithin auch Bedeutung eigentlich nur in Beziehung auf Erscheinungen, um sie zu Erfahrungen zu verknpfen, stattfindet (wie die Kritik der reinen Vernunft beweiset), erweitert sie nicht so, da sie seinen Gebrauch ber gedachte Grenzen ausdehne. Denn wenn sie darauf ausginge, so mte sie zeigen wollen, wie das logische Verhltni des Grundes und der Folge bei einer anderen Art von Anschauung, als die sinnliche ist, synthetisch gebraucht werden knne, d.i. wie causa noumenon mglich sei ; welches sie gar nicht leisten kann, worauf sie aber auch als praktische Vernunft gar nicht Rcksicht nimmt, indem sie nur den Bestimmungsgrund der Causalitt des Menschen als Sinnenwesens (welche gegeben ist) in der reinen Vernunft (die darum praktisch heit) setzt und also den Begriff der Ursache selbst, von dessen Anwendung auf Objecte zum Behuf theoretischer Erkenntnisse sie hier gnzlich abstrahiren kann (weil dieser Begriff immer im Verstande, auch unabhngig von aller Anschauung, a priori angetroffen wird), nicht um Gegenstnde zu erkennen, sondern die Causalitt in Ansehung derselben berhaupt zu bestimmen, also in keiner andern als praktischen Absicht braucht und daher den Bestimmungsgrund des Willens in die intelligibele Ordnung der Dinge verlegen kann, indem sie zugleich gerne gesteht, das, was der Begriff der Ursache zur Erkenntni dieser Dinge fr eine Bestimmung haben mge, gar nicht zu verstehen. Die Causalitt in Ansehung der Handlungen des Willens in der Sinnenwelt mu sie allerdings auf bestimmte Weise erkennen, denn sonst knnte praktische Vernunft wirklich keine That hervorbringen. Aber den Begriff, den sie von ihrer eigenen Causalitt als Noumenon macht, braucht sie nicht theoretisch zum Behuf der Erkenntni ihrer bersinnlichen Existenz zu bestimmen und also ihm so fern Bedeutung geben zu knnen. Denn Bedeutung bekommt er ohnedem, obgleich nur zum praktischen Gebrauche, nmlich durchs moralische Gesetz. Auch theoretisch betrachtet bleibt er immer ein reiner, a priori gegebener Verstandesbegriff, der auf Gegenstnde angewandt werden kann, sie mgen sinnlich oder nicht sinnlich gegeben werden ; wiewohl er im letzteren Falle keine bestimmte theoretische Bedeutung und Anwendung hat, sondern blos ein formaler, aber doch wesentlicher Gedanke des Verstandes von einem Objecte berhaupt ist. Die Bedeutung, die ihm die Vernunft durchs moralische Gesetz verschafft, ist lediglich praktisch, da nmlich die Idee des Gesetzes einer Causalitt (des Willens) selbst Causalitt hat, oder ihr Bestimmungsgrund ist.

 

II

Von der Befugnis der reinen Vernunft, im praktischen Gebrauche, zu einer Erweiterung, die ihr im spekulativen fr sich nicht mglich ist

An dem moralischen Prinzip haben wir ein Gesetz der Kausalitt aufgestellt, welches den Bestimmungsgrund der letzteren ber alle Bedingungen der Sinnenwelt wegsetzt, und den Willen, wie er als zu einer intelligibelen Welt gehrig bestimmbar sei, mithin das Subjekt dieses Willens (den Menschen) nicht blo als zu einer reinen Verstandeswelt gehrig, obgleich in dieser Beziehung als uns unbekannt (wie es nach der Kritik der reinen spekulativen Vernunft geschehen konnte) gedacht, sondern ihn auch in Ansehung seiner Kausalitt, vermittelst eines Gesetzes, welches zu gar keinem Naturgesetze der Sinnenwelt gezhlt werden kann, bestimmt, also unser Erkenntnis ber die Grenzen des letzteren erweitert, welche Anmaung doch die Kritik der reinen Vernunft in aller Spekulation fr nichtig erklrte. Wie ist nun hier praktischer Gebrauch der reinen Vernunft mit dem theoretischen eben derselben, in Ansehung der Grenzbestimmung ihres Vermgens zu vereinigen ?

David Hume, von dem man sagen kann, da er alle Anfechtung der Rechte einer reinen Vernunft, welche eine gnzliche Untersuchung derselben notwendig machten, eigentlich anfing, schlo so. Der Begriff der Ursache ist ein Begriff, der die Notwendigkeit der Verknpfung der Existenz des Verschiedenen, und zwar, so fern es verschieden ist, enthlt, so : da, wenn A gesetzt wird, ich erkenne, da etwas davon ganz Verschiedenes, B, notwendig auch existieren msse. Notwendigkeit kann aber nur einer Verknpfung beigelegt werden, so fern sie a priori erkannt wird ; denn die Erfahrung wrde von einer Verbindung nur zu erkennen geben, da sie sei, aber nicht, da sie so notwendigerweise sei. Nun ist es, sagt er, unmglich, die Verbindung, die zwischen einem Dinge und einem anderen, (oder einer Bestimmung und einer anderen, ganz von ihr verschiedenen,) wenn sie nicht in der Wahrnehmung gegeben werden, a priori und als notwendig zu erkennen. Also ist der Begriff einer Ursache selbst lgenhaft und betrgerisch, und ist, am gelindesten davon zu reden, eine so fern noch zu entschuldigende Tuschung, da die Gewohnheit (eine subjektive Notwendigkeit) gewisse Dinge, oder ihre Bestimmungen, fters neben, oder nach einander ihrer Existenz nach, als sich beigesellet, wahrzunehmen, unvermerkt fr eine objektive Notwendigkeit in den Gegenstnden selbst eine solche Verknpfung zu setzen, genommen, und so der Begriff einer Ursache erschlichen und nicht rechtmig erworben ist, ja auch niemals erworben oder beglaubigt werden kann, weil er eine an sich nichtige, chimrische, vor keiner Vernunft haltbare Verknpfung fordert, der gar kein Objekt jemals korrespondieren kann. So ward nun zuerst in Ansehung alles Erkenntnisses, das die Existenz der Dinge betrifft, (die Mathematik blieb also davon noch ausgenommen,) der Empirismus als die einzige Quelle der Prinzipien eingefhrt, mit ihm aber zugleich der hrteste Skeptizismus selbst in Ansehung der ganzen Naturwissenschaft (als Philosophie). Denn wir knnen, nach solchen Grundstzen, niemals aus gegebenen Bestimmungen der Dinge ihrer Existenz nach auf eine Folge schlieen, (denn dazu wrde der Begriff einer Ursache, der die Notwendigkeit einer solchen Verknpfung enthlt, erfordert werden,) sondern nur nach der Regel der Einbildungskraft, hnliche Flle, wie sonst, erwarten, welche Erwartung aber niemals sicher ist, sie mag auch noch so oft eingetroffen sein. Ja bei keiner Begebenheit knnte man sagen : es msse etwas vor ihr vorhergegangen sein, worauf sie notwendig folgte, d.i. sie msse eine Ursache haben, und also, wenn man auch noch so ftere Flle kennete, wo dergleichen vorherging, so da eine Regel davon abgezogen werden konnte, so knnte man darum es nicht als immer und notwendig sich auf die Art zutragend annehmen, und so msse man dem blinden Zufalle, bei welchem aller Vernunftgebrauch aufhrt, auch sein Recht lassen, welches denn den Skeptizismus, in Ansehung der von Wirkungen zu Ursachen aufsteigenden Schlsse, fest grndet und unwiderleglich macht.

Die Mathematik war so lange noch gut weggekommen, wie Hume dafr hielt, da ihre Stze alle analytisch wren, d.i. von einer Bestimmung zur andern, um der Identitt willen, mithin nach dem Satze des Widerspruchs fortschritten, (welches aber falsch ist, indem sie vielmehr alle synthetisch sind, und, obgleich z.B. die Geometrie es nicht mit der Existenz der Dinge, sondern nur ihrer Bestimmung a priori in einer mglichen Anschauung zu tun hat, dennoch eben so gut, wie durch Kausalbegriffe, von einer Bestimmung A zu einer ganz verschiedenen B, als dennoch mit jener notwendig verknpft, bergeht). Aber endlich mu jene wegen ihrer apodiktischen Gewiheit so hochgepriesene Wissenschaft doch dem Empirismus in Grundstzen, aus demselben Grunde, warum Hume, an der Stelle der objektiven Notwendigkeit in dem Begriffe der Ursache, die Gewohnheit setzte, auch unterliegen, und sich, unangesehen alles ihres Stolzes, gefallen lassen, ihre khnen, a priori Beistimmung gebietenden Ansprche herabzustimmen und den Beifall fr die Allgemeingltigkeit ihrer Stze von der Gunst der Beobachter erwarten, die als Zeugen es doch nicht weigern wrden zu gestehen, da sie das, was der Geometer als Grundstze vortrgt, jederzeit auch so wahrgenommen htten, folglich, ob es gleich eben nicht notwendig wre, doch fernerhin, es so erwarten zu drfen, erlauben wrden. Auf diese Weise fhrt Humes Empirismus in Grundstzen auch unvermeidlich auf den Skeptizismus, selbst in Ansehung der Mathematik, folglich in allem wissenschaftlichen theoretischen Gebrauche der Vernunft (denn dieser gehrt entweder zur Philosophie, oder zur Mathematik). Ob der gemeine Vernunftgebrauch (bei einem so schrecklichen Umsturz, als man den Huptern der Erkenntnis begegnen sieht) besser durchkommen, und nicht vielmehr, noch unwiederbringlicher, in eben diese Zerstrung alles Wissens werde verwickelt werden, mithin ein allgemeiner Skeptizismus nicht aus denselben Grundstzen folgen msse, (der freilich aber nur die Gelehrten treffen wrde,) das will ich jeden selbst beurteilen lassen.

Was nun meine Bearbeitung in der Kritik der reinen Vernunft betrifft, die zwar durch jene Humische Zweifellehre veranlat ward, doch viel weiter ging, und das ganze Feld der reinen theoretischen Vernunft im synthetischen Gebrauche, mithin auch desjenigen, was man Metaphysik berhaupt nennt, befassete : so verfuhr ich, in Ansehung der den Begriff der Kausalitt betreffenden Zweifel des schottischen Philosophen, auf folgende Art. Da Hume, wenn er (wie es doch auch fast berall geschieht,) die Gegenstnde der Erfahrung fr Dinge an sich selbst nahm, den Begriff der Ursache fr trglich und falsches Blendwerk erklrte, daran tat er ganz recht ; denn von Dingen an sich selbst und deren Bestimmungen als solchen kann nicht eingesehen werden, wie darum, weil etwas A gesetzt wird, etwas anderes B auch notwendig gesetzt werden msse, und also konnte er eine solche Erkenntnis a priori von Dingen an sich selbst gar nicht einrumen. Einen empirischen Ursprung dieses Begriffs konnte der scharfsinnige Mann noch weniger verstatten, weil dieser geradezu der Notwendigkeit der Verknpfung widerspricht, welche das Wesentliche des Begriffs der Kausalitt ausmacht ; mithin ward der Begriff in die Acht erklrt, und in seine Stelle trat die Gewohnheit im Beobachten des Laufs der Wahrnehmungen.

Aus meinen Untersuchungen aber ergab es sich, da die Gegenstnde, mit denen wir es in der Erfahrung zu tun haben, keineswegs Dinge an sich selbst, sondern blo Erscheinungen sind, und da, obgleich bei Dingen an sich selbst gar nicht abzusehen ist, ja unmglich ist einzusehen, wie, wenn A gesetzt wird, es widersprechend sein solle, B, welches von A ganz verschieden ist, nicht zu setzen, (die Notwendigkeit der Verknpfung zwischen A als Ursache und B als Wirkung,) es sich doch ganz wohl denken lasse, da sie als Erscheinungen in einer Erfahrung auf gewisse Weise (z.B. in Ansehung der Zeitverhltnisse) notwendig verbunden sein mssen und nicht getrennt werden knnen, ohne derjenigen Verbindung zu widersprechen, vermittelst deren diese Erfahrung mglich ist, in welcher sie Gegenstnde und uns allein erkennbar sind. Und so fand es sich auch in der Tat : so, da ich den Begriff der Ursache nicht allein nach seiner objektiven Realitt in Ansehung der Gegenstnde der Erfahrung beweisen, sondern ihn auch, als Begriff a priori, wegen der Notwendigkeit der Verknpfung, die er bei sich fhrt, deduzieren, d.i. seine Mglichkeit aus reinem Verstande, ohne empirische Quellen, dartun, und so, nach Wegschaffung des Empirismus seines Ursprungs, die unvermeidliche Folge desselben, nmlich den Skeptizismus, zuerst in Ansehung der Naturwissenschaft, dann auch, wegen des ganz vollkommen aus denselben Grnden Folgenden in Ansehung der Mathematik, beider Wissenschaften, die auf Gegenstnde mglicher Erfahrung bezogen werden, und hiermit den totalen Zweifel an allem, was theoretische Vernunft einzusehen behauptet, aus dem Grunde heben konnte.

Aber wie wird es mit der Anwendung dieser Kategorie der Kausalitt (und so auch aller brigen ; denn ohne sie lt sich kein Erkenntnis des Existierenden zu Stande bringen ;) auf Dinge, die nicht Gegenstnde mglicher Erfahrung sind, sondern ber dieser ihre Grenze hinaus liegen ? Denn ich habe die objektive Realitt dieser Begriffe nur in Ansehung der Gegenstnde mglicher Erfahrung deduzieren knnen. Aber eben dieses, da ich sie auch nur in diesem Falle gerettet habe, da ich gewiesen habe, es lassen sich dadurch doch Objekte denken, obgleich nicht a priori bestimmen : dieses ist es, was ihnen einen Platz im reinen Verstande gibt, von dem sie auf Objekte berhaupt (sinnliche, oder nicht sinnliche) bezogen werden. Wenn etwas noch fehlt, so ist es die Bedingung der Anwendung dieser Kategorien, und namentlich der der Kausalitt, auf Gegenstnde, nmlich die Anschauung, welche, wo sie nicht gegeben ist, die Anwendung zum Behuf der theoretischen Erkenntnis des Gegenstandes, als Noumenon unmglich macht, die also, wenn es jemand darauf wagt (wie auch in der Kritik der reinen Vernunft geschehen,) gnzlich verwehrt wird, indessen, da doch immer die objektive Realitt des Begriffs bleibt, auch von Noumenen gebraucht werden kann, aber ohne diesen Begriff theoretisch im mindesten bestimmen und dadurch ein Erkenntnis bewirken zu knnen. Denn, da dieser Begriff auch in Beziehung auf ein Objekt nichts Unmgliches enthalte, war dadurch bewiesen, da ihm sein Sitz im reinen Verstande bei aller Anwendung auf Gegenstnde der Sinne gesichert war, und ob er gleich hernach etwa, auf Dinge an sich selbst (die nicht Gegenstnde der Erfahrung sein knnen) bezogen, keiner Bestimmung, zur Vorstellung eines bestimmten Gegenstandes, zum Behuf einer theoretischen Erkenntnis, fhig ist, so konnte er doch immer noch zu irgend einem anderen (vielleicht dem praktischen) Behuf einer Bestimmung zur Anwendung desselben fhig sein, welches nicht sein wrde, wenn, nach Hume, dieser Begriff der Kausalitt etwas, das berall zu denken unmglich ist, enthielte.

Um nun diese Bedingung der Anwendung des gedachten Begriffs auf Noumenen ausfindig zu machen, drfen wir nur zurcksehen, weswegen wir nicht mit der Anwendung desselben auf Erfahrungsgegenstnde zufrieden sind, sondern ihn auch gern von Dingen an sich selbst brauchen mchten. Denn da zeigt sich bald, da es nicht eine theoretische, sondern praktische Absicht sei, welche uns dieses zur Notwendigkeit macht. Zur Spekulation wrden wir, wenn es uns damit auch gelnge, doch keinen wahren Erwerb in Naturkenntnis und berhaupt in Ansehung der Gegenstnde, die uns irgend gegeben werden mgen, machen, sondern allenfalls einen weiten Schritt vom Sinnlichbedingten (bei welchem zu bleiben und die Kette der Ursachen fleiig durchzuwandern wir so schon genug zu tun haben) zum bersinnlichen tun, um unser Erkenntnis von der Seite der Grnde zu vollenden und zu begrenzen, indessen da immer eine unendliche Kluft zwischen jener Grenze und dem, was wir kennen, unausgefllt brig bliebe, und wir mehr einer eiteln Fragsucht, als einer grndlichen Wibegierde, Gehr gegeben htten.

Auer dem Verhltnisse aber, darin der Verstand zu Gegenstnden (im theoretischen Erkenntnisse) steht, hat er auch eines zum Begehrungsvermgen, das darum der Wille heit, und der reine Wille, so fern der reine Verstand (der in solchem Falle Vernunft heit) durch die bloe Vorstellung eines Gesetzes praktisch ist. Die objektive Realitt eines reinen Willens, oder, welches einerlei ist, einer reinen praktischen Vernunft ist im moralischen Gesetze a priori gleichsam durch ein Faktum gegeben ; denn so kann man eine Willensbestimmung nennen, die unvermeidlich ist, ob sie gleich nicht auf empirischen Prinzipien beruht. Im Begriffe eines Willens aber ist der Begriff der Kausalitt schon enthalten, mithin in dem eines reinen Willens der Begriff einer Kausalitt mit Freiheit, d.i. die nicht nach Naturgesetzen bestimmbar, folglich keiner empirischen Anschauung, als Beweises seiner Realitt, fhig ist, dennoch aber in dem reinen praktischen Gesetze a priori, seine objektive Realitt, doch (wie leicht einzusehen,) nicht zum Behufe des theoretischen, sondern blo praktischen Gebrauchs der Vernunft vollkommen rechtfertigt. Nun ist der Begriff eines Wesens, das freien Willen hat, der Begriff einer causa noumenon, und da sich dieser Begriff nicht selbst widerspreche, davor ist man schon dadurch gesichert, da der Begriff einer Ursache als gnzlich vom reinen Verstande entsprungen, zugleich auch seiner objektiven Realitt in Ansehung der Gegenstnde berhaupt durch die Deduktion gesichert, dabei seinem Ursprunge nach von allen sinnlichen Bedingungen unabhngig, also fr sich auf Phnomene nicht eingeschrnkt, (es sei denn, wo ein theoretischer bestimmter Gebrauch davon gemacht werden wollte,) auf Dinge als reine Verstandeswesen allerdings angewandt werden knne. Weil aber dieser Anwendung keine Anschauung, als die jederzeit nur sinnlich sein kann, untergelegt werden kann, so ist causa noumenon in Ansehung des theoretischen Gebrauchs der Vernunft, obgleich ein mglicher, denkbarer, dennoch leerer Begriff. Nun verlange ich aber auch dadurch nicht die Beschaffenheit eines Wesens, so fern es einen reinen Willen hat, theoretisch zu kennen ; es ist mir genug, es dadurch nur als ein solches zu bezeichnen, mithin nur den Begriff der Kausalitt mit dem der Freiheit (und was davon unzertrennlich ist, mit dem moralischen Gesetze, als Bestimmungsgrunde derselben) zu verbinden ; welche Befugnis mir, vermge des reinen, nicht empirischen Ursprungs des Begriffs der Ursache, allerdings zusteht, indem ich davon keinen anderen Gebrauch, als in Beziehung auf das moralische Gesetz, das seine Realitt bestimmt, d.i. nur einen praktischen Gebrauch zu machen mich befugt halte.

Htte ich, mit Hume, dem Begriffe der Kausalitt die objektive Realitt im theoretischen Gebrauche nicht allein in Ansehung der Sachen an sich selbst (des bersinnlichen), sondern auch in Ansehung der Gegenstnde der Sinne genommen : so wre er aller Bedeutung verlustig und als ein theoretisch unmglicher Begriff fr gnzlich unbrauchbar erklrt worden ; und, da von nichts sich auch kein Gebrauch machen lt, der praktische Gebrauch eines theoretisch-nichtigen Begriffs ganz ungereimt gewesen. Nun aber der Begriff einer empirisch unbedingten Kausalitt theoretisch zwar leer (ohne darauf sich schickende Anschauung), aber immer doch mglich ist und sich auf ein unbestimmt Objekt bezieht, statt dieses aber ihm doch an dem moralischen Gesetze, folglich in praktischer Beziehung, Bedeutung gegeben wird, so habe ich zwar keine Anschauung, die ihm seine objektive theoretische Realitt bestimmte, aber er hat nichts desto weniger wirkliche Anwendung, die sich in concreto in Gesinnungen oder Maximen darstellen lt, d.i. praktische Realitt, die angegeben werden kann ; welches denn zu seiner Berechtigung selbst in Absicht auf Noumenen hinreichend ist.

Aber diese einmal eingeleitete objektive Realitt eines reinen Verstandesbegriffs im Felde des bersinnlichen, gibt nunmehr allen brigen Kategorien, obgleich immer nur, so fern sie mit dem Bestimmungsgrunde des reinen Willens (dem moralischen Gesetze) in notwendiger Verbindung stehen, auch objektive, nur keine andere als blo praktisch-anwendbare Realitt, indessen sie auf theoretische Erkenntnisse dieser Gegenstnde, als Einsicht der Natur derselben durch reine Vernunft, nicht den mindesten Einflu hat, um dieselbe zu erweitern. Wie wir denn auch in der Folge finden werden, da sie immer nur auf Wesen als Intelligenzen, und an diesen auch nur auf das Verhltnis der Vernunft zum Willen, mithin immer nur aufs Praktische Beziehung haben und weiter hinaus sich kein Erkenntnis derselben anmaen ; was aber mit ihnen in Verbindung noch sonst fr Eigenschaften, die zur theoretischen Vorstellungsart solcher bersinnlichen Dinge gehren, herbeigezogen werden mchten, diese insgesamt alsdann gar nicht zum Wissen, sondern nur zur Befugnis (in praktischer Absicht aber gar zur Notwendigkeit) sie anzunehmen und vorauszusetzen gezhlt werden, selbst da, wo man bersinnliche Wesen (als Gott) nach einer Analogie, d.i. dem reinen Vernunftverhltnisse, dessen wir in Ansehung der sinnlichen uns praktisch bedienen, annimmt, und so der reinen theoretischen Vernunft durch die Anwendung aufs bersinnliche, aber nur in praktischer Absicht, zum Schwrmen ins berschwengliche nicht den mindesten Vorschub gibt.

 

 

Zweites Hauptstck

Von dem Begriffe eines Gegenstandes der reinen praktischen Vernunft

 

Unter einem Begriffe der praktischen Vernunft verstehe ich die Vorstellung eines Objekts als einer mglichen Wirkung durch Freiheit. Ein Gegenstand der praktischen Erkenntnis, als einer solchen, zu sein, bedeutet also nur die Beziehung des Willens auf die Handlung, dadurch er, oder sein Gegenteil, wirklichgemacht wrde, und die Beurteilung, ob etwas ein Gegenstand der reinen praktischen Vernunft sei, oder nicht, ist nur die Unterscheidung der Mglichkeit oder Unmglichkeit, diejenige Handlung zu wollen, wodurch, wenn wir das Vermgen dazu htten (worber die Erfahrung urteilen mu), ein gewisses Objekt wirklichwerden wrde. Wenn das Objekt als der Bestimmungsgrund unseres Begehrungsvermgens angenommen wird, so mu die physische Mglichkeit desselben durch freien Gebrauch unserer Krfte vor der Beurteilung, ob es ein Gegenstand der praktischen Vernunft sei oder nicht, vorangehen. Dagegen, wenn das Gesetz a priori als der Bestimmungsgrund der Handlung, mithin diese als durch reine praktische Vernunft bestimmt, betrachtet werden kann, so ist das Urteil, ob etwas ein Gegenstand der reinen praktischen Vernunft sei oder nicht, von der Vergleichung mit unserem physischen Vermgen ganz unabhngig, und die Frage ist nur, ob wir eine Handlung, die auf die Existenz eines Objekts gerichtet ist, wollen drfen, wenn dieses in unserer Gewalt wre, mithin mu die moralische Mglichkeit der Handlung vorangehen ; denn da ist nicht der Gegenstand, sondern das Gesetz des Willens der Bestimmungsgrund derselben.

Die alleinigen Objekte einer praktischen Vernunft sind also die vom Guten und Bsen. Denn durch das erstere versteht man einen notwendigen Gegenstand des Begehrungs-, durch das zweite des Verabscheuungsvermgens, beides aber nach einem Prinzip der Vernunft.

Wenn der Begriff des Guten nicht von einem vorhergehenden praktischen Gesetze abgeleitet werden, sondern diesem vielmehr zum Grunde dienen soll, so kann er nur der Begriff von etwas sein, dessen Existenz Lust verheit und so die Kausalitt des Subjekts zur Hervorbringung desselben, d.i. das Begehrungsvermgen bestimmt. Weil es nun unmglich ist a priori einzusehen, welche Vorstellung mit Lust, welche hingegen mit Unlust werde begleitet sein, so kme es lediglich auf Erfahrung an, es auszumachen, was unmittelbar gut oder bse sei. Die Eigenschaft des Subjekts, worauf in Beziehung diese Erfahrung allein angestellt werden kann, ist das Gefhl der Lust und Unlust, als eine dem inneren Sinne angehrige Rezeptivitt, und so wrde der Begriff von dem, was unmittelbar gut ist, nur auf das gehen, womit die Empfindung des Vergngens unmittelbar verbunden ist, und der von dem Schlechthin-Bsen auf das, was unmittelbar Schmerz erregt, allein bezogen werden mssen. Weil aber das dem Sprachgebrauche schon zuwider ist, der das Angenehme vom Guten, das Unangenehme vom Bsen unterscheidet, und verlangt da Gutes und Bses jederzeit durch Vernunft, mithin durch Begriffe, die sich allgemein mitteilen lassen, und nicht durch bloe Empfindung, welche sich auf einzelne Subjekte und deren Empfnglichkeit einschrnkt, beurteilt werde, gleichwohl aber fr sich selbst mit keiner Vorstellung eines Objekts a priori eine Lust oder Unlust unmittelbar verbunden werden kann, so wrde der Philosoph, der sich gentigt glaubte, ein Gefhl der Lust seiner praktischen Beurteilung zum Grunde zu legen, gut nennen, was ein Mittel zum Angenehmen, und Bses, was Ursache der Unannehmlichkeit und des Schmerzens ist ; denn die Beurteilung des Verhltnisses der Mittel zu Zwecken gehrt allerdings zur Vernunft. Obgleich aber Vernunft allein vermgend ist, die Verknpfung der Mittel mit ihren Absichten einzusehen, (so da man auch den Willen durch das Vermgen der Zwecke definieren knnte, indem sie jederzeit Bestimmungsgrnde des Begehrungsvermgens nach Prinzipien sind,) so wrden doch die praktischen Maximen, die aus dem obigen Begriffe des Guten blo als Mittel folgten, nie etwas Fr-sich-selbst, sondern immer nur Irgend-wozu-Gutes zum Gegenstande des Willens enthalten : das Gute wrde jederzeit blo das Ntzliche sein, und das, wozu es nutzt, mte allemal auerhalb des Willens in der Empfindung liegen. Wenn diese nun, als angenehme Empfindung, vom Begriffe des Guten unterschieden werden mte, so wrde es berall nichts unmittelbar Gutes geben, sondern das Gute nur in den Mitteln zu etwas anderm, nmlich irgend einer Annehmlichkeit, gesucht werden mssen.

Es ist eine alte Formel der Schulen : nihil appetimus, nisi sub ratione boni ; nihil aversamur, nisi sub ratione mali ; und sie hat einen oft richtigen, aber auch der Philosophie oft sehr nachteiligen Gebrauch, weil die Ausdrcke des boni und mali eine Zweideutigkeit enthalten, daran die Einschrnkung der Sprache schuld ist, nach welcher sie eines doppelten Sinnes fhig sind und daher die praktischen Gesetze unvermeidlich auf Schrauben stellen, und die Philosophie, die im Gebrauche derselben gar wohl der Verschiedenheit des Begriffs bei demselben Worte inne werden, aber doch keine besonderen Ausdrcke dafr finden kann, zu subtilen Distinktionen ntigen, ber die man sich nachher nicht einigen kann, indem der Unterschied durch keinen angemessenen Ausdruck unmittelbar bezeichnet werden konnte.*

 

* berdem ist der Ausdruck sub ratione boni auch zweideutig. Denn er kann so viel sagen : wir stellen uns etwas als gut vor, wenn und weil wir es begehren (wollen) ; aber auch : wir begehren etwas darum, weil wir es uns als gut vorstellen, so da entweder die Begierde der Bestimmungsgrund des Begriffs des Objekts als eines Guten, oder der Begriff des Guten der Bestimmungsgrund des Begehrens (des Willens) sei ; da denn das : sub ratione boni, im ersteren Falle bedeuten wrde, wir wollen etwas unter der Idee des Guten, im zweiten, zu Folge dieser Idee, welche vor dem Wollen als Bestimmungsgrund desselben vorhergehen mu.

 

Die deutsche Sprache hat das Glck, die Ausdrcke zu besitzen, welche diese Verschiedenheit nicht bersehen lassen. Fr das, was die Lateiner mit einem einzigen Worte bonum benennen, hat sie zwei sehr verschiedene Begriffe, und auch eben so verschiedene Ausdrcke. Fr bonum das Gute und das Wohl, fr malum das Bse und das bel (oder Weh) : so da es zwei ganz verschiedene Beurteilungen sind, ob wir bei einer Handlung das Gute und Bse derselben, oder unser Wohl und Weh (bel) in Betrachtung ziehen. Hieraus folgt schon, da obiger psychologischer Satz wenigstens noch sehr ungewi sei, wenn er so bersetzt wird : wir begehren nichts, als in Rcksicht auf unser Wohl oder Weh ; dagegen er, wenn man ihn so gibt : wir wollen, nach Anweisung der Vernunft, nichts, als nur so fern wir es fr gut oder bse halten, ungezweifelt gewi und zugleich ganz klar ausgedrckt wird.

Das Wohl oder bel bedeutet immer nur eine Beziehung auf unseren Zustand der Annehmlichkeit oder Unannehmlichkeit, des Vergngens und Schmerzens, und, wenn wir darum ein Objekt begehren, oder verabscheuen, so geschieht es, nur so fern es auf unsere Sinnlichkeit und das Gefhl der Lust und Unlust, das es bewirkt, bezogen wird. Das Gute oder Bse bedeutet aber jederzeit eine Beziehung auf den Willen, so fern dieser durchs Vernunftgesetz bestimmt wird, sich etwas zu seinem Objekte zu machen ; wie er denn durch das Objekt und dessen Vorstellung niemals unmittelbar bestimmt wird, sondern ein Vermgen ist, sich eine Regel der Vernunft zur Bewegursache einer Handlung (dadurch ein Objekt wirklichwerden kann) zu machen. Das Gute oder Bse wird also eigentlich auf Handlungen, nicht auf den Empfindungszustand der Person bezogen, und, sollte etwas schlechthin (und in aller Absicht und ohne weitere Bedingung) gut oder bse sein, oder dafr gehalten werden, so wrde es nur die Handlungsart, die Maxime des Willens und mithin die handelnde Person selbst, als guter oder bser Mensch, nicht aber eine Sache sein, die so genannt werden knnte.

Man mochte also immer den Stoiker auslachen, der in den heftigsten Gichtschmerzen ausrief : Schmerz, du magst mich noch so sehr foltern, ich werde doch nie gestehen, da du etwas Bses (kakn, malum) seist ! er hatte doch recht. Ein bel war es, das fhlte er, und das verriet sein Geschrei ; aber da ihm dadurch ein Bses anhinge, hatte er gar nicht Ursache einzurumen ; denn der Schmerz verringert den Wert seiner Person nicht im mindesten, sondern nur den Wert seines Zustandes. Eine einzige Lge, deren er sich bewut gewesen wre, htte seinen Mut niederschlagen mssen ; aber der Schmerz diente nur zur Veranlassung, ihn zu erheben, wenn er sich bewut war, da er sie durch keine unrechte Handlung verschuldet und sich dadurch strafwrdig gemacht habe.

Was wir gut nennen sollen, mu in jedes vernnftigen Menschen Urteil ein Gegenstand des Begehrungsvermgens sein, und das Bse in den Augen von jedermann ein Gegenstand des Abscheues ; mithin bedarf es, auer dem Sinne, zu dieser Beurteilung noch Vernunft. So ist es mit der Wahrhaftigkeit im Gegensatz mit der Lge, so mit der Gerechtigkeit im Gegensatz der Gewaltttigkeit etc. bewandt. Wir knnen aber etwas ein bel nennen, welches doch jedermann zugleich fr gut, bisweilen mittelbar, bisweilen gar unmittelbar erklren mu. Der eine chirurgische Operation an sich verrichten lt, fhlt sie ohne Zweifel als ein bel ; aber durch Vernunft erklrt er, und jedermann, sie fr gut. Wenn aber jemand, der friedliebende Leute gerne neckt und beunruhigt, endlich einmal anluft und mit einer tchtigen Tracht Schlge abgefertigt wird ; so ist dieses allerdings ein bel, aber jedermann gibt dazu seinen Beifall und hlt es an sich fr gut, wenn auch nichts weiter daraus entsprnge ; ja selbst der, der sie empfngt, mu in seiner Vernunft erkennen, da ihm Recht geschehe, weil er die Proportion zwischen dem Wohlbefinden und Wohlverhalten, welche die Vernunft ihm unvermeidlich vorhlt, hier genau in Ausbung gebracht sieht.

Es kommt allerdings auf unser Wohl und Weh in der Beurteilung unserer praktischen Vernunft gar sehr viel, und, was unsere Natur als sinnlicher Wesen betrifft, alles auf unsere Glckseligkeit an, wenn diese, wie Vernunft es vorzglich fordert, nicht nach der vorbergehenden Empfindung, sondern nach dem Einflusse, den diese Zuflligkeit auf unsere ganze Existenz und die Zufriedenheit mit derselben hat, beurteilt wird ; aber alles berhaupt kommt darauf doch nicht an. Der Mensch ist ein bedrftiges Wesen, so fern er zur Sinnenwelt gehrt und so fern hat seine Vernunft allerdings einen nicht abzulehnenden Auftrag, von Seiten der Sinnlichkeit, sich um das Interesse derselben zu bekmmern und sich praktische Maximen, auch in Absicht auf die Glckseligkeit dieses, und, wo mglich, auch eines zuknftigen Lebens, zu machen. Aber er ist doch nicht so ganz Tier, um gegen alles, was Vernunft fr sich selbst sagt, gleichgltig zu sein, und diese blo zum Werkzeuge der Befriedigung seines Bedrfnisses, als Sinnenwesens, zu gebrauchen. Denn im Werte ber die bloe Tierheit erhebt ihn das gar nicht, da er Vernunft hat, wenn sie ihm nur zum Behuf desjenigen dienen soll, was bei Tieren der Instinkt verrichtet ; sie wre alsdann nur eine besondere Manier, deren sich die Natur bedient htte, um den Menschen zu demselben Zwecke, dazu sie Tiere bestimmt hat, auszursten, ohne ihn zu einem hheren Zwecke zu bestimmen. Er bedarf also freilich, nach dieser einmal mit ihm getroffenen Naturanstalt, Vernunft, um sein Wohl und Weh jederzeit in Betrachtung zu ziehen, aber er hat sie berdem noch zu einem hheren Behuf, nmlich auch das, was an sich gut oder bse ist, und worber reine, sinnlich gar nicht interessierte Vernunft nur allein urteilen kann, nicht allein mit in berlegung zu nehmen, sondern diese Beurteilung von jener gnzlich zu unterscheiden, und sie zur obersten Bedingung des letzteren zu machen.

In dieser Beurteilung des an sich Guten und Bsen, zum Unterschiede von dem, was nur beziehungsweise auf Wohl oder bel so genannt werden kann, kommt es auf folgende Punkte an. Entweder ein Vernunftprinzip wird schon an sich als der Bestimmungsgrund des Willens gedacht, ohne Rcksicht auf mgliche Objekte des Begehrungsvermgens, (also blo durch die gesetzliche Form der Maxime,) alsdann ist jenes Prinzip praktisches Gesetz a priori, und reine Vernunft wird fr sich praktisch zu sein angenommen. Das Gesetz bestimmt alsdann unmittelbar den Willen, die ihm geme Handlung ist an sich selbst gut, ein Wille, dessen Maxime jederzeit diesem Gesetze gem ist, ist schlechterdings, in aller Absicht, gut, und die oberste Bedingung alles Guten : oder es geht ein Bestimmungsgrund des Begehrungsvermgens vor der Maxime des Willens vorher, der ein Objekt der Lust und Unlust voraussetzt, mithin etwas, das vergngt oder schmerzt, und die Maxime der Vernunft, jene zu befrdern, diese zu vermeiden, bestimmt die Handlungen, wie sie beziehungsweise auf unsere Neigung, mithin nur mittelbar (in Rcksicht auf einen anderweitigen Zweck, als Mittel zu demselben) gut sind, und diese Maximen knnen alsdann niemals Gesetze, dennoch aber vernnftige, praktische Vorschriften heien. Der Zweck selbst, das Vergngen, das wir suchen, ist im letzteren Falle nicht ein Gutes, sondern ein Wohl, nicht ein Begriff der Vernunft, sondern ein empirischer Begriff von einem Gegenstande der Empfindung ; allein der Gebrauch des Mittels dazu, d.i. die Handlung (weil dazu vernnftige berlegung erfordert wird) heit dennoch gut, aber nicht schlechthin, sondern nur in Beziehung auf unsere Sinnlichkeit, in Ansehung ihres Gefhls der Lust und Unlust ; der Wille aber, dessen Maxime dadurch affiziert wird, ist nicht ein reiner Wille, der nur auf das geht, wobei reine Vernunft fr sich selbst praktisch sein kann.

Hier ist nun der Ort, das Paradoxon der Methode in einer Kritik der praktischen Vernunft zu erklren : da nmlich der Begriff des Guten und Bsen nicht vor dem moralischen Gesetze (dem er dem Anschein nach sogar zum Grunde gelegt werden mte), sondern nur (wie hier auch geschieht) nach demselben und durch dasselbe bestimmt werden msse. Wenn wir nmlich auch nicht wten, da das Princip der Sittlichkeit ein reines, a priori den Willen bestimmendes Gesetz sei, so mten wir doch, um nicht ganz umsonst (gratis) Grundstze anzunehmen, es anfnglich wenigstens unausgemacht lassen, ob der Wille blos empirische, oder auch reine Bestimmungsgrnde a priori habe ; denn es ist wider alle Grundregeln des philosophischen Verfahrens, das, worber man allererst entscheiden soll, schon zum voraus als entschieden anzunehmen. Gesetzt, wir wollten nun vom Begriffe des Guten anfangen, um davon die Gesetze des Willens abzuleiten, so wrde dieser Begriff von einem Gegenstande (als einem guten) zugleich diesen als den einigen Bestimmungsgrund des Willens angeben. Weil nun dieser Begriff kein praktisches Gesetz a priori zu seiner Richtschnur hatte, so knnte der Probirstein des Guten oder Bsen in nichts anders, als in der bereinstimmung des Gegenstandes mit unserem Gefhle der Lust oder Unlust gesetzt werden, und der Gebrauch der Vernunft knnte nur darin bestehen, theils diese Lust oder Unlust im ganzen Zusammenhange mit allen Empfindungen meines Daseins, theils die Mittel, mir den Gegenstand derselben zu verschaffen, zu bestimmen. Da nun, was dem Gefhle der Lust gem sei, nur durch Erfahrung ausgemacht werden kann, das praktische Gesetz aber der Angabe nach doch darauf als Bedingung gegrndet werden soll, so wrde geradezu die Mglichkeit praktischer Gesetze a priori ausgeschlossen : weil man vorher nthig zu finden meinte, einen Gegenstand fr den Willen auszufinden, davon der Begriff als eines Guten den allgemeinen, obzwar empirischen Bestimmungsgrund des Willens ausmachen msse. Nun aber war doch vorher nthig zu untersuchen, ob es nicht auch einen Bestimmungsgrund des Willens a priori gebe (welcher niemals irgendwo anders, als an einem reinen praktischen Gesetze, und zwar so fern dieses die bloe gesetzliche Form ohne Rcksicht auf einen Gegenstand den Maximen vorschreibt, wre gefunden worden). Weil man aber schon einen Gegenstand nach Begriffen des Guten und Bsen zum Grunde alles praktischen Gesetzes legte, jener aber ohne vorhergehendes Gesetz nur nach empirischen Begriffen gedacht werden konnte, so hatte man sich die Mglichkeit, ein reines praktisches Gesetz auch nur zu denken, schon zum voraus benommen ; da man im Gegentheil, wenn man dem letzteren vorher analytisch nachgeforscht htte, gefunden haben wrde, da nicht der Begriff des Guten als eines Gegenstandes das moralische Gesetz, sondern umgekehrt das moralische Gesetz allererst den Begriff des Guten, so fern es diesen Namen schlechthin verdient, bestimme und mglich mache.

Diese Anmerkung, welche blos die Methode der obersten moralischen Untersuchungen betrifft, ist von Wichtigkeit. Sie erklrt auf einmal den veranlassenden Grund aller Verirrungen der Philosophen in Ansehung des obersten Princips der Moral. Denn sie suchten einen Gegenstand des Willens auf, um ihn zur Materie und dem Grunde eines Gesetzes zu machen (welches alsdann nicht unmittelbar, sondern vermittelst jenes an das Gefhl der Lust oder Unlust gebrachten Gegenstandes der Bestimmungsgrund des Willens sein sollte), anstatt da sie zuerst nach einem Gesetze htten forschen sollen, das a priori und unmittelbar den Willen und diesem gem allererst den Gegenstand bestimmte. Nun mochten sie diesen Gegenstand der Lust, der den obersten Begriff des Guten abgeben sollte, in der Glckseligkeit, in der Vollkommenheit, im moralischen Gefhle, oder im Willen Gottes setzen, so war ihr Grundsatz allemal Heteronomie, sie muten unvermeidlich auf empirische Bedingungen zu einem moralischen Gesetze stoen : weil sie ihren Gegenstand, als unmittelbaren Bestimmungsgrund des Willens, nur nach seinem unmittelbaren Verhalten zum Gefhl, welches allemal empirisch ist, gut oder bse nennen konnten. Nur ein formales Gesetz, d.i. ein solches, welches der Vernunft nichts weiter als die Form ihrer allgemeinen Gesetzgebung zur obersten Bedingung der Maximen vorschreibt, kann a priori ein Bestimmungsgrund der praktischen Vernunft sein. Die Alten verriethen indessen diesen Fehler dadurch unverhohlen, da sie ihre moralische Untersuchung gnzlich auf die Bestimmung des Begriffs vom hchsten Gut, mithin eines Gegenstandes setzten, welchen sie nachher zum Bestimmungsgrunde des Willens im moralischen Gesetze zu machen gedachten : ein Object, welches weit hinterher, wenn das moralische Gesetz allererst fr sich bewhrt und als unmittelbarer Bestimmungsgrund des Willens gerechtfertigt ist, dem nunmehr seiner Form nach a priori bestimmten Willen als Gegenstand vorgestellt werden kann, welches wir in der Dialektik der reinen praktischen Vernunft uns unterfangen wollen. Die Neueren, bei denen die Frage ber das hchste Gut auer Gebrauch gekommen, zum wenigsten nur Nebensache geworden zu sein scheint, verstecken obigen Fehler (wie in vielen andern Fllen) hinter unbestimmten Worten, indessen da man ihn gleichwohl aus ihren Systemen hervorblicken sieht, da er alsdann allenthalben Heteronomie der praktischen Vernunft verrth, daraus nimmermehr ein a priori allgemein gebietendes moralisches Gesetz entspringen kann.

Da nun die Begriffe des Guten und Bsen als Folgen der Willensbestimmung a priori auch ein reines praktisches Princip, mithin eine Causalitt der reinen Vernunft voraussetzen : so beziehen sie sich ursprnglich nicht (etwa als Bestimmungen der synthetischen Einheit des Mannigfaltigen gegebener Anschauungen in einem Bewutsein) auf Objecte, wie die reinen Verstandesbegriffe oder Kategorien der theoretisch gebrauchten Vernunft, sie setzen diese vielmehr als gegeben voraus ; sondern sie sind insgesammt modi einer einzigen Kategorie, nmlich der der Causalitt, so fern der Bestimmungsgrund derselben in der Vernunftvorstellung eines Gesetzes derselben besteht, welches als Gesetz der Freiheit die Vernunft sich selbst giebt und dadurch sich a priori als praktisch beweiset. Da indessen die Handlungen einerseits zwar unter einem Gesetze, das kein Naturgesetz, sondern ein Gesetz der Freiheit ist, folglich zu dem Verhalten intelligibeler Wesen, andererseits aber doch auch als Begebenheiten in der Sinnenwelt zu den Erscheinungen gehren, so werden die Bestimmungen einer praktischen Vernunft nur in Beziehung auf die letztere, folglich zwar den Kategorien des Verstandes gem, aber nicht in der Absicht eines theoretischen Gebrauchs desselben, um das Mannigfaltige der (sinnlichen) Anschauung unter ein Bewutsein a priori zu bringen, sondern nur um das Mannigfaltige der Begehrungen der Einheit des Bewutseins einer im moralischen Gesetze gebietenden praktischen Vernunft oder eines reinen Willens a priori zu unterwerfen, Statt haben knnen.

Diese Kategorien der Freiheit, denn so wollen wir sie statt jener theoretischen Begriffe als Kategorien der Natur benennen, haben einen augenscheinlichen Vorzug vor den letzteren, da, da diese nur Gedankenformen sind, welche nur unbestimmt Objecte berhaupt fr jede uns mgliche Anschauung durch allgemeine Begriffe bezeichnen, diese hingegen, da sie auf die Bestimmung einer freien Willkr gehen (der zwar keine Anschauung vllig correspondirend gegeben werden kann, die aber, welches bei keinen Begriffen des theoretischen Gebrauchs unseres Erkenntnivermgens stattfindet, ein reines praktisches Gesetz a priori zum Grunde liegen hat), als praktische Elementarbegriffe statt der Form der Anschauung (Raum und Zeit), die nicht in der Vernunft selbst liegt, sondern anderwrts, nmlich von der Sinnlichkeit, hergenommen werden mu, die Form eines reinen Willens in ihr, mithin dem Denkungsvermgen selbst, als gegeben zum Grunde liegen haben ; dadurch es denn geschieht, da, da es in allen Vorschriften der reinen praktischen Vernunft nur um die Willensbestimmung, nicht um die Naturbedingungen (des praktischen Vermgens) der Ausfhrung seiner Absicht zu thun ist, die praktischen Begriffe a priori in Beziehung auf das oberste Princip der Freiheit sogleich Erkenntnisse werden und nicht auf Anschauungen warten drfen, um Bedeutung zu bekommen, und zwar aus diesem merkwrdigen Grunde, weil sie die Wirklichkeit dessen, worauf sie sich beziehen, (die Willensgesinnung) selbst hervorbringen, welches gar nicht die Sache theoretischer Begriffe ist. Nur mu man wohl bemerken, da diese Kategorien nur die praktische Vernunft berhaupt angehen und so in ihrer Ordnung von den moralisch noch unbestimmten und sinnlich bedingten zu denen, die, sinnlich unbedingt, blos durchs moralische Gesetz bestimmt sind, fortgehen.

 

Tafel der Kategorien der Freiheit in Ansehung der Begriffe des Guten und Bsen.

 

1. Der Quantitt

Subjectiv, nach Maximen (Willensmeinungen des Individuum)

Objectiv, nach Principien (Vorschriften)

A priori objective sowohl als subjective Principien der Freiheit (Gesetze).

 

2. Der Qualitt

Praktische Regeln des Begehens (praeceptivae)

Praktische Regeln des Unterlassens (prohibitivae)

Praktische Regeln der Ausnahmen (exceptivae).

 

3. Der Relation

Auf die Persnlichkeit

Auf den Zustand der Person

Wechselseitig einer Person auf den Zustand der anderen.

 

4. Modalitt

Das Erlaubte und Unerlaubte

Die Pflicht und das Pflichtwidrige

Vollkommene und unvollkommene Pflicht.

 

Man wird hier bald gewahr, da in dieser Tafel die Freiheit als eine Art von Causalitt, die aber empirischen Bestimmungsgrnden nicht unterworfen ist, in Ansehung der durch sie mglichen Handlungen als Erscheinungen in der Sinnenwelt betrachtet werde, folglich sich auf die Kategorien ihrer Naturmglichkeit beziehe, indessen da doch jede Kategorie so allgemein genommen wird, da der Bestimmungsgrund jener Causalitt auch auer der Sinnenwelt in der Freiheit als Eigenschaft eines intelligibelen Wesens angenommen werden kann, bis die Kategorien der Modalitt den bergang von praktischen Principien berhaupt zu denen der Sittlichkeit, aber nur problematisch einleiten, welche nachher durchs moralische Gesetz allererst dogmatisch dargestellt werden knnen.

Ich fge hier nichts weiter zur Erluterung gegenwrtiger Tafel bei, weil sie fr sich verstndlich genug ist. Dergleichen nach Principien abgefate Eintheilung ist aller Wissenschaft ihrer Grndlichkeit sowohl als Verstndlichkeit halber sehr zutrglich. So wei man z.B. aus obiger Tafel und der ersten Nummer derselben sogleich, wovon man in praktischen Erwgungen anfangen msse : von den Maximen, die jeder auf seine Neigung grndet, den Vorschriften, die fr eine Gattung vernnftiger Wesen, so fern sie in gewissen Neigungen bereinkommen, gelten, und endlich dem Gesetze, welches fr alle unangesehen ihrer Neigungen gilt, u.s.w. Auf diese Weise bersieht man den ganzen Plan von dem, was man zu leisten hat, sogar jede Frage der praktischen Philosophie, die zu beantworten, und zugleich die Ordnung, die zu befolgen ist.

 

 

Von der Typik der reinen praktischen Urteilskraft

 

Die Begriffe des Guten und Bsen bestimmen dem Willen zuerst ein Object. Sie stehen selbst aber unter einer praktischen Regel der Vernunft, welche, wenn sie reine Vernunft ist, den Willen a priori in Ansehung seines Gegenstandes bestimmt. Ob nun eine uns in der Sinnlichkeit mgliche Handlung der Fall sei, der unter der Regel stehe, oder nicht, dazu gehrt praktische Urtheilskraft, wodurch dasjenige, was in der Regel allgemein (in abstracto) gesagt wurde, auf eine Handlung in concreto angewandt wird. Weil aber eine praktische Regel der reinen Vernunft erstlich, als praktisch, die Existenz eines Objects betrifft und zweitens, als praktische Regel der reinen Vernunft, Nothwendigkeit in Ansehung des Daseins der Handlung bei sich fhrt, mithin praktisches Gesetz ist und zwar nicht Naturgesetz durch empirische Bestimmungsgrnde, sondern ein Gesetz der Freiheit, nach welchem der Wille unabhngig von allem Empirischen (blos durch die Vorstellung eines Gesetzes berhaupt und dessen Form) bestimmbar sein soll, alle vorkommende Flle zu mglichen Handlungen aber nur empirisch, d.i. zur Erfahrung und Natur gehrig, sein knnen : so scheint es widersinnisch, in der Sinnenwelt einen Fall antreffen zu wollen, der, da er immer so fern nur unter dem Naturgesetze steht, doch die Anwendung eines Gesetzes der Freiheit auf sich verstatte, und auf welchen die bersinnliche Idee des sittlich Guten, das darin in concreto dargestellt werden soll, angewandt werden knne. Also ist die Urtheilskraft der reinen praktischen Vernunft eben denselben Schwierigkeiten unterworfen, als die der reinen theoretischen, welche letztere gleichwohl, aus denselben zu kommen, ein Mittel zur Hand hatte : nmlich da es in Ansehung des theoretischen Gebrauchs auf Anschauungen ankam, darauf reine Verstandesbegriffe angewandt werden knnten, dergleichen Anschauungen (obzwar nur von Gegenstnden der Sinne) doch a priori, mithin, was die Verknpfung des Mannigfaltigen in denselben betrifft, den reinen Verstandesbegriffen a priori gem (als Schemate) gegeben werden knnen. Hingegen ist das sittlich Gute etwas dem Objecte nach bersinnliches, fr das also in keiner sinnlichen Anschauung etwas Correspondirendes gefunden werden kann, und die Urtheilskraft unter Gesetzen der reinen praktischen Vernunft scheint daher besonderen Schwierigkeiten unterworfen zu sein, die darauf beruhen, da ein Gesetz der Freiheit auf Handlungen als Begebenheiten, die in der Sinnenwelt geschehen und also so fern zur Natur gehren, angewandt werden soll.

Allein hier erffnet sich doch wieder eine gnstige Aussicht fr die reine praktische Urtheilskraft. Es ist bei der Subsumtion einer mir in der Sinnenwelt mglichen Handlung unter einem reinen praktischen Gesetze nicht um die Mglichkeit der Handlung als einer Begebenheit in der Sinnenwelt zu thun ; denn die gehrt fr die Beurtheilung des theoretischen Gebrauchs der Vernunft nach dem Gesetze der Causalitt, eines reinen Verstandesbegriffs, fr den sie ein Schema in der sinnlichen Anschauung hat. Die physische Causalitt, oder die Bedingung, unter der sie stattfindet, gehrt unter die Naturbegriffe, deren Schema transscendentale Einbildungskraft entwirft. Hier aber ist es nicht um das Schema eines Falles nach Gesetzen, sondern um das Schema (wenn dieses Wort hier schicklich ist) eines Gesetzes selbst zu thun, weil die Willensbestimmung (nicht die Handlung in Beziehung auf ihren Erfolg) durchs Gesetz allein, ohne einen anderen Bestimmungsgrund, den Begriff der Causalitt an ganz andere Bedingungen bindet, als diejenige sind, welche die Naturverknpfung ausmachen.

Dem Naturgesetze als Gesetze, welchem die Gegenstnde sinnlicher Anschauung als solche unterworfen sind, mu ein Schema, d.i. ein allgemeines Verfahren der Einbildungskraft (den reinen Verstandesbegriff, den das Gesetz bestimmt, den Sinnen a priori darzustellen), correspondiren. Aber dem Gesetze der Freiheit (als einer gar nicht sinnlich bedingten Causalitt) mithin auch dem Begriffe des unbedingt Guten kann keine Anschauung, mithin kein Schema zum Behuf seiner Anwendung in concreto untergelegt werden. Folglich hat das Sittengesetz kein anderes die Anwendung desselben auf Gegenstnde der Natur vermittelndes Erkenntnivermgen, als den Verstand (nicht die Einbildungskraft), welcher einer Idee der Vernunft nicht ein Schema der Sinnlichkeit, sondern ein Gesetz, aber doch ein solches, das an Gegenstnden der Sinne in concreto dargestellt werden kann, mithin ein Naturgesetz, aber nur seiner Form nach, als Gesetz zum Behuf der Urtheilskraft unterlegen kann, und dieses knnen wir daher den Typus des Sittengesetzes nennen.

Die Regel der Urtheilskraft unter Gesetzen der reinen praktischen Vernunft ist diese : Frage dich selbst, ob die Handlung, die du vorhast, wenn sie nach einem Gesetze der Natur, von der du selbst ein Theil wrest, geschehen sollte, sie du wohl als durch deinen Willen mglich ansehen knntest. Nach dieser Regel beurtheilt in der That jedermann Handlungen, ob sie sittlich gut oder bse sind. So sagt man : Wie, wenn ein jeder, wo er seinen Vortheil zu schaffen glaubt, sich erlaubte, zu betrgen, oder befugt hielte, sich das Leben abzukrzen, so bald ihn ein vlliger berdru desselben befllt, oder anderer Noth mit vlliger Gleichgltigkeit anshe, und du gehrtest mit zu einer solchen Ordnung der Dinge, wrdest du darin wohl mit Einstimmung deines Willens sein ? Nun wei ein jeder wohl : da, wenn er sich ingeheim Betrug erlaubt, darum eben nicht jedermann es auch thue, oder, wenn er unbemerkt lieblos ist, nicht sofort jedermann auch gegen ihn es sein wrde ; daher ist diese Vergleichung der Maxime seiner Handlungen mit einem allgemeinen Naturgesetze auch nicht der Bestimmungsgrund seines Willens. Aber das letztere ist doch ein Typus der Beurtheilung der ersteren nach sittlichen Principien. Wenn die Maxime der Handlung nicht so beschaffen ist, da sie an der Form eines Naturgesetzes berhaupt die Probe hlt, so ist sie sittlich unmglich. So urtheilt selbst der gemeinste Verstand ; denn das Naturgesetz liegt allen seinen gewhnlichsten, selbst den Erfahrungsurtheilen immer zum Grunde. Er hat es also jederzeit bei Hand, nur da er in Fllen, wo die Causalitt aus Freiheit beurtheilt werden soll, jenes Naturgesetz blos zum Typus eines Gesetzes der Freiheit macht, weil er, ohne etwas, was er zum Beispiele im Erfahrungsfalle machen knnte, bei der Hand zu haben, dem Gesetze einer reinen praktischen Vernunft nicht den Gebrauch in der Anwendung verschaffen knnte.

Es ist also auch erlaubt, die Natur der Sinnenwelt als Typus einer intelligibelen Natur zu brauchen, so lange ich nur nicht die Anschauungen, und was davon abhngig ist, auf diese bertrage, sondern blos die Form der Gesetzmigkeit berhaupt (deren Begriff auch im gemeinsten Vernunftgebrauche stattfindet, aber in keiner anderen Absicht, als blos zum reinen praktischen Gebrauche der Vernunft a priori bestimmt erkannt werden kann) darauf beziehe. Denn Gesetze als solche sind so fern einerlei, sie mgen ihre Bestimmungsgrnde hernehmen, woher sie wollen.

brigens, da von allem Intelligibelen schlechterdings nichts als (vermittelst des moralischen Gesetzes) die Freiheit und auch diese nur, so fern sie eine von jenem unzertrennliche Voraussetzung ist, und ferner alle intelligibele Gegenstnde, auf welche uns die Vernunft nach Anleitung jenes Gesetzes etwa noch fhren mchte, wiederum fr uns keine Realitt weiter haben, als zum Behuf desselben Gesetzes und des Gebrauches der reinen praktischen Vernunft, diese aber zum Typus der Urtheilskraft die Natur (der reinen Verstandesform derselben nach) zu gebrauchen berechtigt und auch benthigt ist : so dient die gegenwrtige Anmerkung dazu, um zu verhten, da, was blos zur Typik der Begriffe gehrt, nicht zu den Begriffen selbst gezhlt werde. Diese also als Typik der Urtheilskraft bewahrt vor dem Empirism der praktischen Vernunft, der die praktischen Begriffe des Guten und Bsen blos in Erfahrungsfolgen (der sogenannten Glckseligkeit) setzt, obzwar diese und die unendlichen ntzlichen Folgen eines durch Selbstliebe bestimmten Willens, wenn dieser sich selbst zugleich zum allgemeinen Naturgesetze machte, allerdings zum ganz angemessenen Typus fr das sittlich Gute dienen kann, aber mit diesem doch nicht einerlei ist. Eben dieselbe Typik bewahrt auch vor dem Mysticism der praktischen Vernunft, welcher das, was nur zum Symbol diente, zum Schema macht, d.i. wirkliche und doch nicht sinnliche Anschauungen (eines unsichtbaren Reichs Gottes) der Anwendung der moralischen Begriffe unterlegt und ins berschwengliche hinausschweift. Dem Gebrauche der moralischen Begriffe ist blos der Rationalism der Urtheilskraft angemessen, der von der sinnlichen Natur nichts weiter nimmt, als was auch reine Vernunft fr sich denken kann, d.i. die Gesetzmigkeit, und in die bersinnliche nichts hineintrgt, als was umgekehrt sich durch Handlungen in der Sinnenwelt nach der formalen Regel eines Naturgesetzes berhaupt wirklich darstellen lt. Indessen ist die Verwahrung vor dem Empirism der praktischen Vernunft viel wichtiger und anrathungswrdiger, weil der Mysticism sich doch noch mit der Reinigkeit und Erhabenheit des moralischen Gesetzes zusammen vertrgt und auerdem es nicht eben natrlich und der gemeinen Denkungsart angemessen ist, seine Einbildungskraft bis zu bersinnlichen Anschauungen anzuspannen, mithin auf dieser Seite die Gefahr nicht so allgemein ist ; da hingegen der Empirism die Sittlichkeit in Gesinnungen (worin doch, und nicht blos in Handlungen, der hohe Werth besteht, den sich die Menschheit durch sie verschaffen kann und soll) mit der Wurzel ausrottet und ihr ganz etwas anderes, nmlich ein empirisches Interesse, womit die Neigungen berhaupt unter sich Verkehr treiben, statt der Pflicht unterschiebt, berdem auch eben darum mit allen Neigungen, die (sie mgen einen Zuschnitt bekommen, welchen sie wollen), wenn sie zur Wrde eines obersten praktischen Princips erhoben werden, die Menschheit degradiren, und da sie gleichwohl der Sinnesart aller so gnstig sind, aus der Ursache weit gefhrlicher ist als alle Schwrmerei, die niemals einen daurenden Zustand vieler Menschen ausmachen kann.

 

 

Drittes Hauptstck.

Von den Triebfedern der reinen praktischen Vernunft

 

Das Wesentliche alles sittlichen Werths der Handlungen kommt darauf an, da das moralische Gesetz unmittelbar den Willen bestimme. Geschieht die Willensbestimmung zwar gem dem moralischen Gesetze, aber nur vermittelst eines Gefhls, welcher Art es auch sei, das vorausgesetzt werden mu, damit jenes ein hinreichender Bestimmungsgrund des Willens werde, mithin nicht um des Gesetzes willen : so wird die Handlung zwar Legalitt, aber nicht Moralitt enthalten. Wenn nun unter Triebfeder (elater animi) der subjective Bestimmungsgrund des Willens eines Wesens verstanden wird, dessen Vernunft nicht schon vermge seiner Natur dem objectiven Gesetze nothwendig gem ist, so wird erstlich daraus folgen : da man dem gttlichen Willen gar keine Triebfedern beilegen knne, die Triebfeder des menschlichen Willens aber (und des von jedem erschaffenen vernnftigen Wesen) niemals etwas anderes als das moralische Gesetz sein knne, mithin der objective Bestimmungsgrund jederzeit und ganz allein zugleich der subjectiv hinreichende Bestimmungsgrund der Handlung sein msse, wenn diese nicht blos den Buchstaben des Gesetzes, ohne den Geist* desselben zu enthalten, erfllen soll.

 

* Man kann von jeder gesetzmigen Handlung, die doch nicht um des Gesetzes willen geschehen ist, sagen : sie sei blos dem Buchstaben, aber nicht dem Geiste (der Gesinnung) nach moralisch gut.

 

Da man also zum Behuf des moralischen Gesetzes, und um ihm Einflu auf den Willen zu verschaffen, keine anderweitige Triebfeder, dabei die des moralischen Gesetzes entbehrt werden knnte, suchen mu, weil das alles lauter Gleinerei ohne Bestand bewirken wrde, und sogar es bedenklich ist, auch nur neben dem moralischen Gesetze noch einige andere Triebfedern (als die des Vortheils) mitwirken zu lassen : so bleibt nichts brig, als blos sorgfltig zu bestimmen, auf welche Art das moralische Gesetz Triebfeder werde, und was, indem sie es ist, mit dem menschlichen Begehrungsvermgen als Wirkung jenes Bestimmungsgrundes auf dasselbe vorgehe. Denn wie ein Gesetz fr sich und unmittelbar Bestimmungsgrund des Willens sein knne (welches doch das Wesentliche aller Moralitt ist), das ist ein fr die menschliche Vernunft unauflsliches Problem und mit dem einerlei : wie ein freier Wille mglich sei. Also werden wir nicht den Grund, woher das moralische Gesetz in sich eine Triebfeder abgebe, sondern was, so fern es eine solche ist, sie im Gemthe wirkt (besser zu sagen, wirken mu), a priori anzuzeigen haben.

Das Wesentliche aller Bestimmung des Willens durchs sittliche Gesetz ist : da er als freier Wille, mithin nicht blos ohne Mitwirkung sinnlicher Antriebe, sondern selbst mit Abweisung aller derselben und mit Abbruch aller Neigungen, so fern sie jenem Gesetze zuwider sein knnten, blos durchs Gesetz bestimmt werde. So weit ist also die Wirkung des moralischen Gesetzes als Triebfeder nur negativ, und als solche kann diese Triebfeder a priori erkannt werden. Denn alle Neigung und jeder sinnliche Antrieb ist auf Gefhl gegrndet, und die negative Wirkung aufs Gefhl (durch den Abbruch, der den Neigungen geschieht) ist selbst Gefhl. Folglich knnen wir a priori einsehen, da das moralische Gesetz als Bestimmungsgrund des Willens dadurch, da es allen unseren Neigungen Eintrag thut, ein Gefhl bewirken msse, welches Schmerz genannt werden kann, und hier haben wir nun den ersten, vielleicht auch einzigen Fall, da wir aus Begriffen a priori das Verhltni eines Erkenntnisses (hier ist es einer reinen praktischen Vernunft) zum Gefhl der Lust oder Unlust bestimmen konnten. Alle Neigungen zusammen (die auch wohl in ein ertrgliches System gebracht werden knnen, und deren Befriedigung alsdann eigene Glckseligkeit heit) machen die Selbstsucht (solipsismus) aus. Diese ist entweder die der Selbstliebe, eines ber alles gehenden Wohlwollens gegen sich selbst (Philautia), oder die des Wohlgefallens an sich selbst (Arrogantia). Jene heit besonders Eigenliebe, diese Eigendnkel. Die reine praktische Vernunft thut der Eigenliebe blos Abbruch, indem sie solche, als natrlich und noch vor dem moralischen Gesetze in uns rege, nur auf die Bedingung der Einstimmung mit diesem Gesetze einschrnkt ; da sie alsdann vernnftige Selbstliebe genannt wird. Aber den Eigendnkel schlgt sie gar nieder, indem alle Ansprche der Selbstschtzung, die vor der bereinstimmung mit dem sittlichen Gesetze vorhergehen, nichtig und ohne alle Befugni sind, indem eben die Gewiheit einer Gesinnung, die mit diesem Gesetze bereinstimmt, die erste Bedingung alles Werths der Person ist (wie wir bald deutlicher machen werden) und alle Anmaung vor derselben falsch und gesetzwidrig ist. Nun gehrt der Hang zur Selbstschtzung mit zu den Neigungen, denen das moralische Gesetz Abbruch thut, so fern jene blos auf der Sinnlichkeit beruht. Also schlgt das moralische Gesetz den Eigendnkel nieder. Da dieses Gesetz aber doch etwas an sich Positives ist, nmlich die Form einer intellectuellen Causalitt, d.i. der Freiheit, so ist es, indem es im Gegensatze mit dem subjectiven Widerspiele, nmlich den Neigungen in uns, den Eigendnkel schwcht, zugleich ein Gegenstand der Achtung und, indem es ihn sogar niederschlgt, d.i. demthigt, ein Gegenstand der grten Achtung, mithin auch der Grund eines positiven Gefhls, das nicht empirischen Ursprungs ist und a priori erkannt wird. Also ist Achtung frs moralische Gesetz ein Gefhl, welches durch einen intellectuellen Grund gewirkt wird, und dieses Gefhl ist das einzige, welches wir vllig a priori erkennen, und dessen Nothwendigkeit wir einsehen knnen.

Wir haben im vorigen Hauptstcke gesehen : da alles, was sich als Object des Willens vor dem moralischen Gesetze darbietet, von den Bestimmungsgrnden des Willens unter dem Namen des unbedingt Guten durch dieses Gesetz selbst, als die oberste Bedingung der praktischen Vernunft, ausgeschlossen werde, und da die bloe praktische Form, die in der Tauglichkeit der Maximen zur allgemeinen Gesetzgebung besteht, zuerst das, was an sich und schlechterdings gut ist, bestimme und die Maxime eines reinen Willens grnde, der allein in aller Absicht gut ist. Nun finden wir aber unsere Natur als sinnlicher Wesen so beschaffen, da die Materie des Begehrungsvermgens (Gegenstnde der Neigung, es sei der Hoffnung oder Furcht) sich zuerst aufdringt, und unser pathologisch bestimmbares Selbst, ob es gleich durch seine Maximen zur allgemeinen Gesetzgebung ganz untauglich ist, dennoch, gleich als ob es unser ganzes Selbst ausmachte, seine Ansprche vorher und als die ersten und ursprnglichen geltend zu machen bestrebt sei. Man kann diesen Hang, sich selbst nach den subjectiven Bestimmungsgrnden seiner Willkr zum objectiven Bestimmungsgrunde des Willens berhaupt zu machen, die Selbstliebe nennen, welche, wenn sie sich gesetzgebend und zum unbedingten praktischen Princip macht, Eigendnkel heien kann. Nun schliet das moralische Gesetz, welches allein wahrhaftig (nmlich in aller Absicht) objectiv ist, den Einflu der Selbstliebe auf das oberste praktische Princip gnzlich aus und thut dem Eigendnkel, der die subjectiven Bedingungen der ersteren als Gesetze vorschreibt, unendlichen Abbruch. Was nun unserem Eigendnkel in unserem eigenen Urtheil Abbruch thut, das demthigt. Also demthigt das moralische Gesetz unvermeidlich jeden Menschen, indem dieser mit demselben den sinnlichen Hang seiner Natur vergleicht. Dasjenige, dessen Vorstellung als Bestimmungsgrund unseres Willens uns in unserem Selbstbewutsein demthigt, erweckt, so fern als es positiv und Bestimmungsgrund ist, fr sich Achtung. Also ist das moralische Gesetz auch subjectiv ein Grund der Achtung. Da nun alles, was in der Selbstliebe angetroffen wird, zur Neigung gehrt, alle Neigung aber auf Gefhlen beruht, mithin, was allen Neigungen insgesammt in der Selbstliebe Abbruch thut, eben dadurch nothwendig auf das Gefhl Einflu hat, so begreifen wir, wie es mglich ist, a priori einzusehen, da das moralische Gesetz, indem es die Neigungen und den Hang, sie zur obersten praktischen Bedingung zu machen, d.i. die Selbstliebe, von allem Beitritte zur obersten Gesetzgebung ausschliet, eine Wirkung aufs Gefhl ausben knne, welche einerseits blos negativ ist, andererseits und zwar in Ansehung des einschrnkenden Grundes der reinen praktischen Vernunft positiv ist, und wozu gar keine besondere Art von Gefhle unter dem Namen eines praktischen oder moralischen als vor dem moralischen Gesetze vorhergehend und ihm zum Grunde liegend angenommen werden darf.

Die negative Wirkung auf Gefhl (der Unannehmlichkeit) ist, so wie aller Einflu auf dasselbe und wie jedes Gefhl berhaupt, pathologisch. Als Wirkung aber vom Bewutsein des moralischen Gesetzes, folglich in Beziehung auf eine intelligibele Ursache, nmlich das Subject der reinen praktischen Vernunft als obersten Gesetzgeberin, heit dieses Gefhl eines vernnftigen von Neigungen afficirten Subjects zwar Demthigung (intellectuelle Verachtung), aber in Beziehung auf den positiven Grund derselben, das Gesetz, zugleich Achtung fr dasselbe, fr welches Gesetz gar kein Gefhl stattfindet, sondern im Urtheile der Vernunft, indem es den Widerstand aus dem Wege schafft, die Wegrumung eines Hindernisses einer positiven Befrderung der Causalitt gleichgeschtzt wird. Darum kann dieses Gefhl nun auch ein Gefhl der Achtung frs moralische Gesetz, aus beiden Grnden zusammen aber ein moralisches Gefhl genannt werden.

Das moralische Gesetz also, so wie es formaler Bestimmungsgrund der Handlung ist, durch praktische reine Vernunft, so wie es zwar auch materialer, aber nur objectiver Bestimmungsgrund der Gegenstnde der Handlung unter dem Namen des Guten und Bsen ist, so ist es auch subjectiver Bestimmungsgrund, d.i. Triebfeder, zu dieser Handlung, indem es auf die Sinnlichkeit des Subjects Einflu hat und ein Gefhl bewirkt, welches dem Einflusse des Gesetzes auf den Willen befrderlich ist. Hier geht kein Gefhl im Subject vorher, das auf Moralitt gestimmt wre. Denn das ist unmglich, weil alles Gefhl sinnlich ist ; die Triebfeder der sittlichen Gesinnung aber mu von aller sinnlichen Bedingung frei sein. Vielmehr ist das sinnliche Gefhl, was allen unseren Neigungen zum Grunde liegt, zwar die Bedingung derjenigen Empfindung, die wir Achtung nennen, aber die Ursache der Bestimmung desselben liegt in der reinen praktischen Vernunft, und diese Empfindung kann daher ihres Ursprunges wegen nicht pathologisch, sondern mu praktisch gewirkt heien : indem dadurch, da die Vorstellung des moralischen Gesetzes der Selbstliebe den Einflu und dem Eigendnkel den Wahn benimmt, das Hinderni der reinen praktischen Vernunft vermindert und die Vorstellung des Vorzuges ihres objectiven Gesetzes vor den Antrieben der Sinnlichkeit, mithin das Gewicht des ersteren relativ (in Ansehung eines durch die letztere afficirten Willens) durch die Wegschaffung des Gegengewichts im Urtheile der Vernunft hervorgebracht wird. Und so ist die Achtung frs Gesetz nicht Triebfeder zur Sittlichkeit, sondern sie ist die Sittlichkeit selbst, subjectiv als Triebfeder betrachtet, indem die reine praktische Vernunft dadurch, da sie der Selbstliebe im Gegensatze mit ihr alle Ansprche abschlgt, dem Gesetze, das jetzt allein Einflu hat, Ansehen verschafft. Hiebei ist nun zu bemerken : da, so wie die Achtung eine Wirkung aufs Gefhl, mithin auf die Sinnlichkeit eines vernnftigen Wesens ist, es diese Sinnlichkeit, mithin auch die Endlichkeit solcher Wesen, denen das moralische Gesetz Achtung auferlegt, voraussetze, und da einem hchsten, oder auch einem von aller Sinnlichkeit freien Wesen, welchem diese also auch kein Hinderni der praktischen Vernunft sein kann, Achtung frs Gesetz nicht beigelegt werden knne.

Dieses Gefhl (unter dem Namen des moralischen) ist also lediglich durch Vernunft bewirkt. Es dient nicht zu Beurtheilung der Handlungen, oder wohl gar zur Grndung des objectiven Sittengesetzes selbst, sondern blos zur Triebfeder, um dieses in sich zur Maxime zu machen. Mit welchem Namen aber knnte man dieses sonderbare Gefhl, welches mit keinem pathologischen in Vergleichung gezogen werden kann, schicklicher belegen ? Es ist so eigenthmlicher Art, da es lediglich der Vernunft und zwar der praktischen reinen Vernunft zu Gebote zu stehen scheint.

Achtung geht jederzeit nur auf Personen, niemals auf Sachen. Die letztere knnen Neigung und, wenn es Thiere sind (z.B. Pferde, Hunde etc.), sogar Liebe, oder auch Furcht, wie das Meer, ein Vulcan, ein Raubthier, niemals aber Achtung in uns erwecken. Etwas, was diesem Gefhl schon nher tritt, ist Bewunderung, und diese als Affect, das Erstaunen, kann auch auf Sachen gehen, z.B. himmelhohe Berge, die Gre, Menge und Weite der Weltkrper, die Strke und Geschwindigkeit mancher Thiere u.s.w. Aber alles dieses ist nicht Achtung. Ein Mensch kann mir auch ein Gegenstand der Liebe, der Furcht, oder der Bewunderung, sogar bis zum Erstaunen, und doch darum kein Gegenstand der Achtung sein. Seine scherzhafte Laune, sein Muth und Strke, seine Macht, durch seinen Rang, den er unter anderen hat, knnen mir dergleichen Empfindungen einflen, es fehlt aber immer noch an innerer Achtung gegen ihn. Fontenelle sagt : Vor einem Vornehmen bcke ich mich, aber mein Geist bckt sich nicht. Ich kann hinzu setzen : Vor einem niedrigen, brgerlich gemeinen Mann, an dem ich eine Rechtschaffenheit des Charakters in einem gewissen Mae, als ich mir von mir selbst nicht bewut bin, wahrnehme, bckt sich mein Geist, ich mag wollen oder nicht und den Kopf noch so hoch tragen, um ihn meinen Vorrang nicht bersehen zu lassen. Warum das ? Sein Beispiel hlt mir ein Gesetz vor, das meinen Eigendnkel niederschlgt, wenn ich es mit meinem Verhalten vergleiche, und dessen Befolgung, mithin die Thunlichkeit desselben, ich durch die That bewiesen vor mir sehe. Nun mag ich mir sogar eines gleichen Grades der Rechtschaffenheit bewut sein, und die Achtung bleibt doch. Denn da beim Menschen immer alles Gute mangelhaft ist, so schlgt das Gesetz, durch ein Beispiel anschaulich gemacht, doch immer meinen Stolz nieder, wozu der Mann, den ich vor mir sehe, dessen Unlauterkeit, die ihm immer noch anhngen mag, mir nicht so wie mir die meinige bekannt ist, der mir also in reinerem Lichte erscheint, einen Mastab abgiebt. Achtung ist ein Tribut, den wir dem Verdienste nicht verweigern knnen, wir mgen wollen oder nicht ; wir mgen allenfalls uerlich damit zurckhalten, so knnen wir doch nicht verhten, sie innerlich zu empfinden.

Die Achtung ist so wenig ein Gefhl der Lust, da man sich ihr in Ansehung eines Menschen nur ungern berlt. Man sucht etwas ausfindig zu machen, was uns die Last derselben erleichtern knne, irgend einen Tadel, um uns wegen der Demthigung, die uns durch ein solches Beispiel widerfhrt, schadlos zu halten. Selbst Verstorbene sind, vornehmlich wenn ihr Beispiel unnachahmlich scheint, vor dieser Kritik nicht immer gesichert. Sogar das moralische Gesetz selbst in seiner feierlichen Majestt ist diesem Bestreben, sich der Achtung dagegen zu erwehren, ausgesetzt. Meint man wohl, da es einer anderen Ursache zuzuschreiben sei, weswegen man es gern zu unserer vertraulichen Neigung herabwrdigen mchte, und sich aus anderen Ursachen alles so bemhe, um es zur beliebten Vorschrift unseres eigenen wohlverstandenen Vortheils zu machen, als da man der abschreckenden Achtung, die uns unsere eigene Unwrdigkeit so strenge vorhlt, los werden mge ? Gleichwohl ist darin doch auch wiederum so wenig Unlust : da, wenn man einmal den Eigendnkel abgelegt und jener Achtung praktischen Einflu verstattet hat, man sich wiederum an der Herrlichkeit dieses Gesetzes nicht satt sehen kann, und die Seele sich in dem Mae selbst zu erheben glaubt, als sie das heilige Gesetz ber sich und ihre gebrechliche Natur erhaben sieht. Zwar knnen groe Talente und eine ihnen proportionirte Thtigkeit auch Achtung oder ein mit derselben analogisches Gefhl bewirken, es ist auch ganz anstndig es ihnen zu widmen, und da scheint es, als ob Bewunderung mit jener Empfindung einerlei sei. Allein wenn man nher zusieht, so wird man bemerken, da, da es immer ungewi bleibt, wie viel das angeborne Talent und wie viel Cultur durch eigenen Flei an der Geschicklichkeit Theil habe, so stellt uns die Vernunft die letztere muthmalich als Frucht der Cultur, mithin als Verdienst vor, welches unseren Eigendnkel merklich herabstimmt und uns darber entweder Vorwrfe macht, oder uns die Befolgung eines solchen Beispiels in der Art, wie es uns angemessen ist, auferlegt. Sie ist also nicht bloe Bewunderung, diese Achtung, die wir einer solchen Person (eigentlich dem Gesetze, was uns sein Beispiel vorhlt) beweisen ; welches sich auch dadurch besttigt, da der gemeine Haufe der Liebhaber, wenn er das Schlechte des Charakters eines solchen Mannes (wie etwa Voltaire) sonst woher erkundigt zu haben glaubt, alle Achtung gegen ihn aufgiebt, der wahre Gelehrte aber sie noch immer wenigstens im Gesichtspunkte seiner Talente fhlt, weil er selbst in einem Geschfte und Berufe verwickelt ist, welches die Nachahmung desselben ihm gewissermaen zum Gesetze macht.

Achtung frs moralische Gesetz ist also die einzige und zugleich unbezweifelte moralische Triebfeder, so wie dieses Gefhl auch auf kein Object anders, als lediglich aus diesem Grunde gerichtet ist. Zuerst bestimmt das moralische Gesetz objectiv und unmittelbar den Willen im Urtheile der Vernunft ; Freiheit, deren Causalitt blos durchs Gesetz bestimmbar ist, besteht aber eben darin, da sie alle Neigungen, mithin die Schtzung der Person selbst auf die Bedingung der Befolgung ihres reinen Gesetzes einschrnkt. Diese Einschrnkung thut nun eine Wirkung aufs Gefhl und bringt Empfindung der Unlust hervor, die aus dem moralischen Gesetze a priori erkannt werden kann. Da sie aber blos so fern eine negative Wirkung ist, die, als aus dem Einflusse einer reinen praktischen Vernunft entsprungen, vornehmlich der Thtigkeit des Subjects, so fern Neigungen die Bestimmungsgrnde desselben sind, mithin der Meinung seines persnlichen Werths Abbruch thut (der ohne Einstimmung mit dem moralischen Gesetze auf nichts herabgesetzt wird), so ist die Wirkung dieses Gesetzes aufs Gefhl blos Demthigung, welche wir also zwar a priori einsehen, aber an ihr nicht die Kraft des reinen praktischen Gesetzes als Triebfeder, sondern nur den Widerstand gegen Triebfedern der Sinnlichkeit erkennen knnen. Weil aber dasselbe Gesetz doch objectiv, d.i. in der Vorstellung der reinen Vernunft, ein unmittelbarer Bestimmungsgrund des Willens ist, folglich diese Demthigung nur relativ auf die Reinigkeit des Gesetzes stattfindet, so ist die Herabsetzung der Ansprche der moralischen Selbstschtzung, d.i. die Demthigung auf der sinnlichen Seite, eine Erhebung der moralischen, d.i. der praktischen Schtzung des Gesetzes selbst, auf der intellectuellen, mit einem Worte Achtung frs Gesetz, also auch ein seiner intellectuellen Ursache nach positives Gefhl, das a priori erkannt wird. Denn eine jede Verminderung der Hindernisse einer Thtigkeit ist Befrderung dieser Thtigkeit selbst. Die Anerkennung des moralischen Gesetzes aber ist das Bewutsein einer Thtigkeit der praktischen Vernunft aus objectiven Grnden, die blos darum nicht ihre Wirkung in Handlungen uert, weil subjective Ursachen (pathologische) sie hindern. Also mu die Achtung frs moralische Gesetz auch als positive, aber indirecte Wirkung desselben aufs Gefhl, so fern jenes den hindernden Einflu der Neigungen durch Demthigung des Eigendnkels schwcht, mithin als subjectiver Grund der Thtigkeit, d.i. als Triebfeder zu Befolgung desselben, und als Grund zu Maximen eines ihm gemen Lebenswandels angesehen werden. Aus dem Begriffe einer Triebfeder entspringt der eines Interesse, welches niemals einem Wesen, als was Vernunft hat, beigelegt wird und eine Triebfeder des Willens bedeutet, so fern sie durch Vernunft vorgestellt wird. Da das Gesetz selbst in einem moralisch guten Willen die Triebfeder sein mu, so ist das moralische Interesse ein reines sinnenfreies Interesse der bloen praktischen Vernunft. Auf dem Begriffe eines Interesse grndet sich auch der einer Maxime. Diese ist also nur alsdann moralisch cht, wenn sie auf dem bloen Interesse, das man an der Befolgung des Gesetzes nimmt, beruht. Alle drei Begriffe aber, der einer Triebfeder, eines Interesse und einer Maxime, knnen nur auf endliche Wesen angewandt werden. Denn sie setzen insgesammt eine Eingeschrnktheit der Natur eines Wesens voraus, da die subjective Beschaffenheit seiner Willkr mit dem objectiven Gesetze einer praktischen Vernunft nicht von selbst bereinstimmt ; ein Bedrfni, irgend wodurch zur Thtigkeit angetrieben zu werden, weil ein inneres Hinderni derselben entgegensteht. Auf den gttlichen Willen knnen sie also nicht angewandt werden.

Es liegt so etwas Besonderes in der grenzenlosen Hochschtzung des reinen, von allem Vortheil entblten moralischen Gesetzes, so wie es praktische Vernunft uns zur Befolgung vorstellt, deren Stimme auch den khnsten Frevler zittern macht und ihn nthigt, sich vor seinem Anblicke zu verbergen : da man sich nicht wundern darf, diesen Einflu einer blos intellectuellen Idee aufs Gefhl fr speculative Vernunft unergrndlich zu finden und sich damit begngen zu mssen, da man a priori doch noch so viel einsehen kann : ein solches Gefhl sei unzertrennlich mit der Vorstellung des moralischen Gesetzes in jedem endlichen vernnftigen Wesen verbunden. Wre dieses Gefhl der Achtung pathologisch und also ein auf dem inneren Sinne gegrndetes Gefhl der Lust, so wrde es vergeblich sein, eine Verbindung derselben mit irgend einer Idee a priori zu entdecken. Nun aber ist es ein Gefhl, was blos aufs Praktische geht und zwar der Vorstellung eines Gesetzes lediglich seiner Form nach, nicht irgend eines Objects desselben wegen anhngt, mithin weder zum Vergngen, noch zum Schmerze gerechnet werden kann und dennoch ein Interesse an der Befolgung desselben hervorbringt, welches wir das moralische nennen ; wie denn auch die Fhigkeit, ein solches Interesse am Gesetze zu nehmen, (oder die Achtung frs moralische Gesetz selbst) eigentlich das moralische Gefhl ist.

Das Bewutsein einer freien Unterwerfung des Willens unter das Gesetz doch als mit einem unvermeidlichen Zwange, der allen Neigungen, aber nur durch eigene Vernunft angethan wird, verbunden, ist nun die Achtung frs Gesetz. Das Gesetz, was diese Achtung fordert und auch einflt, ist, wie man sieht, kein anderes als das moralische (denn kein anderes schliet alle Neigungen von der Unmittelbarkeit ihres Einflusses auf den Willen aus). Die Handlung, die nach diesem Gesetze mit Ausschlieung aller Bestimmungsgrnde aus Neigung objectiv praktisch ist, heit Pflicht, welche um dieser Ausschlieung willen in ihrem Begriffe praktische Nthigung, d.i. Bestimmung zu Handlungen so ungerne, wie sie auch geschehen mgen, enthlt. Das Gefhl, das aus dem Bewutsein dieser Nthigung entspringt, ist nicht pathologisch, als ein solches, was von einem Gegenstande der Sinne gewirkt wrde, sondern allein praktisch, d.i. durch eine vorhergehende (objective) Willensbestimmung und Causalitt der Vernunft, mglich. Es enthlt also, als Unterwerfung unter ein Gesetz, d.i. als Gebot (welches fr das sinnlich afficirte Subject Zwang ankndigt), keine Lust, sondern so fern vielmehr Unlust an der Handlung in sich. Dagegen aber, da dieser Zwang blos durch Gesetzgebung der eigenen Vernunft ausgebt wird, enthlt es auch Erhebung, und die subjective Wirkung aufs Gefhl, so fern davon reine praktische Vernunft die alleinige Ursache ist, kann also blos Selbstbilligung in Ansehung der letzteren heien, indem man sich dazu ohne alles Interesse blos durchs Gesetz bestimmt erkennt und sich nunmehr eines ganz anderen, dadurch subjectiv hervorgebrachten Interesse, welches rein praktisch und frei ist, bewut wird, welches an einer pflichtmigen Handlung zu nehmen, nicht etwa eine Neigung anrthig ist, sondern die Vernunft durchs praktische Gesetz schlechthin gebietet und auch wirklich hervorbringt, darum aber einen ganz eigenthmlichen Namen, nmlich den der Achtung, fhrt.

Der Begriff der Pflicht fordert also an der Handlung objectiv bereinstimmung mit dem Gesetze, an der Maxime derselben aber subjectiv Achtung frs Gesetz, als die alleinige Bestimmungsart des Willens durch dasselbe. Und darauf beruht der Unterschied zwischen dem Bewutsein, pflichtmig und aus Pflicht, d.i. aus Achtung frs Gesetz, gehandelt zu haben, davon das erstere (die Legalitt) auch mglich ist, wenn Neigungen blos die Bestimmungsgrnde des Willens gewesen wren, das zweite aber (die Moralitt), der moralische Werth, lediglich darin gesetzt werden mu, da die Handlung aus Pflicht, d.i. blos um des Gesetzes willen, geschehe.**

 

** Wenn man den Begriff der Achtung fr Personen, so wie er vorher dargelegt worden, genau erwgt, so wird man gewahr, da sie immer auf dem Bewutsein einer Pflicht beruhe, die uns ein Beispiel vorhlt, und da also Achtung niemals einen andern als moralischen Grund haben knne, und es sehr gut, sogar in psychologischer Absicht zur Menschenkenntni sehr ntzlich sei, allerwrts, wo wir diesen Ausdruck brauchen, auf die geheime und wundernswrdige, dabei aber oft vorkommende Rcksicht, die der Mensch in seinen Beurtheilungen aufs moralische Gesetz nimmt, Acht zu haben.

 

Es ist von der grten Wichtigkeit in allen moralischen Beurtheilungen auf das subjective Princip aller Maximen mit der uersten Genauigkeit Acht zu haben, damit alle Moralitt der Handlungen in der Nothwendigkeit derselben aus Pflicht und aus Achtung frs Gesetz, nicht aus Liebe und Zuneigung zu dem, was die Handlungen hervorbringen sollen, gesetzt werde. Fr Menschen und alle erschaffene vernnftige Wesen ist die moralische Nothwendigkeit Nthigung, d.i. Verbindlichkeit, und jede darauf gegrndete Handlung als Pflicht, nicht aber als eine uns von selbst schon beliebte, oder beliebt werden knnende Verfahrungsart vorzustellen. Gleich als ob wir es dahin jemals bringen knnten, da ohne Achtung frs Gesetz, welche mit Furcht oder wenigstens Besorgni vor bertretung verbunden ist, wir wie die ber alle Abhngigkeit erhabene Gottheit von selbst, gleichsam durch eine uns zur Natur gewordene, niemals zu verrckende bereinstimmung des Willens mit dem reinen Sittengesetze (welches also, da wir niemals versucht werden knnten, ihm untreu zu werden, wohl endlich gar aufhren knnte fr uns Gebot zu sein), jemals in den Besitz einer Heiligkeit des Willens kommen knnten.

Das moralische Gesetz ist nmlich fr den Willen eines allervollkommensten Wesens ein Gesetz der Heiligkeit, fr den Willen jedes endlichen vernnftigen Wesens aber ein Gesetz der Pflicht, der moralischen Nthigung, und der Bestimmung der Handlungen desselben durch Achtung fr dies Gesetz und aus Ehrfurcht fr seine Pflicht. Ein anderes subjectives Princip mu zur Triebfeder nicht angenommen werden, denn sonst kann zwar die Handlung, wie das Gesetz sie vorschreibt, ausfallen, aber da sie zwar pflichtmig ist, aber nicht aus Pflicht geschieht, so ist die Gesinnung dazu nicht moralisch, auf die es doch in dieser Gesetzgebung eigentlich ankommt.

Es ist sehr schn, aus Liebe zu Menschen und theilnehmendem Wohlwollen ihnen Gutes zu thun, oder aus Liebe zur Ordnung gerecht zu sein, aber das ist noch nicht die chte moralische Maxime unsers Verhaltens, die unserm Standpunkte unter vernnftigen Wesen als Menschen angemessen ist, wenn wir uns anmaen, gleichsam als Volontre uns mit stolzer Einbildung ber den Gedanken von Pflicht wegzusetzen und, als vom Gebote unabhngig, blos aus eigener Lust das thun zu wollen, wozu fr uns kein Gebot nthig wre. Wir stehen unter einer Disciplin der Vernunft und mssen in allen unseren Maximen der Unterwrfigkeit unter derselben nicht vergessen, ihr nichts zu entziehen, oder dem Ansehen des Gesetzes (ob es gleich unsere eigene Vernunft giebt) durch eigenliebigen Wahn dadurch etwas abzukrzen, da wir den Bestimmungsgrund unseres Willens, wenn gleich dem Gesetze gem, doch worin anders als im Gesetze selbst und in der Achtung fr dieses Gesetz setzten. Pflicht und Schuldigkeit sind die Benennungen, die wir allein unserem Verhltnisse zum moralischen Gesetze geben mssen. Wir sind zwar gesetzgebende Glieder eines durch Freiheit mglichen, durch praktische Vernunft uns zur Achtung vorgestellten Reichs der Sitten, aber doch zugleich Unterthanen, nicht das Oberhaupt desselben, und die Verkennung unserer niederen Stufe als Geschpfe und Weigerung des Eigendnkels gegen das Ansehen des heiligen Gesetzes ist schon eine Abtrnnigkeit von demselben dem Geiste nach, wenn gleich der Buchstabe desselben erfllt wrde.

Hiemit stimmt aber die Mglichkeit eines solchen Gebots als : Liebe Gott ber alles und deinen Nchsten als dich selbst*** ganz wohl zusammen. Denn es fordert doch als Gebot Achtung fr ein Gesetz, das Liebe befiehlt, und berlt es nicht der beliebigen Wahl, sich diese zum Princip zu machen. Aber Liebe zu Gott als Neigung (pathologische Liebe) ist unmglich ; denn er ist kein Gegenstand der Sinne. Eben dieselbe gegen Menschen ist zwar mglich, kann aber nicht geboten werden ; denn es steht in keines Menschen Vermgen, jemanden blos auf Befehl zu lieben. Also ist es blos die praktische Liebe, die in jenem Kern aller Gesetze verstanden wird. Gott lieben, heit in dieser Bedeutung, seine Gebote gerne thun ; den Nchsten lieben, heit, alle Pflicht gegen ihn gerne ausben. Das Gebot aber, da dieses zur Regel macht, kann auch nicht diese Gesinnung in pflichtmigen Handlungen zu haben, sondern blos darnach zu streben gebieten. Denn ein Gebot, da man etwas gerne thun soll, ist in sich widersprechend, weil, wenn wir, was uns zu thun obliege, schon von selbst wissen, wenn wir uns berdem auch bewut wren, es gerne zu thun, ein Gebot darber ganz unnthig, und, thun wir es zwar, aber eben nicht gerne, sondern nur aus Achtung frs Gesetz, ein Gebot, welches diese Achtung eben zur Triebfeder der Maxime macht, gerade der gebotenen Gesinnung zuwider wirken wrde. Jenes Gesetz aller Gesetze stellt also, wie alle moralische Vorschrift des Evangelii, die sittliche Gesinnung in ihrer ganzen Vollkommenheit dar, so wie sie als ein Ideal der Heiligkeit von keinem Geschpfe erreichbar, dennoch das Urbild ist, welchem wir uns zu nheren und in einem ununterbrochenen, aber unendlichen Progressus gleich zu werden streben sollen. Knnte nmlich ein vernnftig Geschpf jemals dahin kommen, alle moralische Gesetze vllig gerne zu thun, so wrde das so viel bedeuten als, es fnde sich in ihm auch nicht einmal die Mglichkeit einer Begierde, die ihn zur Abweichung von ihnen reizte ; denn die berwindung einer solchen kostet dem Subject immer Aufopferung, bedarf also Selbstzwang, d.i. innere Nthigung zu dem, was man nicht ganz gern thut. Zu dieser Stufe der moralischen Gesinnung aber kann es ein Geschpf niemals bringen. Denn da es ein Geschpf, mithin in Ansehung dessen, was es zur gnzlichen Zufriedenheit mit seinem Zustande fordert, immer abhngig ist, so kann es niemals von Begierden und Neigungen ganz frei sein, die, weil sie auf physischen Ursachen beruhen, mit dem moralischen Gesetze, das ganz andere Quellen hat, nicht von selbst stimmen, mithin es jederzeit nothwendig machen, in Rcksicht auf dieselbe die Gesinnung seiner Maximen auf moralische Nthigung, nicht auf bereitwillige Ergebenheit, sondern auf Achtung, welche die Befolgung des Gesetzes, obgleich sie ungerne geschhe, fordert, nicht auf Liebe, die keine innere Weigerung des Willens gegen das Gesetz besorgt, zu grnden, gleichwohl aber diese letztere, nmlich die bloe Liebe zum Gesetze, (da es alsdann aufhren wrde Gebot zu sein, und Moralitt, die nun subjectiv in Heiligkeit berginge, aufhren wrde Tugend zu sein) sich zum bestndigen, obgleich unerreichbaren Ziele seiner Bestrebung zu machen. Denn an dem, was wir hochschtzen, aber doch (wegen des Bewutseins unserer Schwchen) scheuen, verwandelt sich durch die mehrere Leichtigkeit ihm Gnge zu thun die ehrfurchtsvolle Scheu in Zuneigung und Achtung in Liebe ; wenigstens wrde es die Vollendung einer dem Gesetze gewidmeten Gesinnung sein, wenn es jemals einem Geschpfe mglich wre sie zu erreichen.

 

*** Mit diesem Gesetze macht das Princip der eigenen Glckseligkeit, welches einige zum obersten Grundsatze der Sittlichkeit machen wollen, einen seltsamen Contrast ; dieses wrde so lauten : Liebe dich selbst ber alles, Gott aber und deinen Nchsten um dein selbst willen.

 

Diese Betrachtung ist hier nicht sowohl dahin abgezweckt, das angefhrte evangelische Gebot auf deutliche Begriffe zu bringen, um der Religionsschwrmerei in Ansehung der Liebe Gottes, sondern die sittliche Gesinnung auch unmittelbar in Ansehung der Pflichten gegen Menschen genau zu bestimmen und einer blos moralischen Schwrmerei, welche viel Kpfe ansteckt, zu steuren, oder wo mglich vorzubeugen. Die sittliche Stufe, worauf der Mensch (aller unserer Einsicht nach auch jedes vernnftige Geschpf) steht, ist Achtung frs moralische Gesetz. Die Gesinnung, die ihm, dieses zu befolgen, obliegt, ist, es aus Pflicht, nicht aus freiwilliger Zuneigung und auch allenfalls unbefohlener, von selbst gern unternommener Bestrebung zu befolgen, und sein moralischer Zustand, darin er jedesmal sein kann, ist Tugend, d.i. moralische Gesinnung im Kampfe, und nicht Heiligkeit im vermeintlichen Besitze einer vlligen Reinigkeit der Gesinnungen des Willens. Es ist lauter moralische Schwrmerei und Steigerung des Eigendnkels, wozu man die Gemther durch Aufmunterung zu Handlungen als edler, erhabener und gromthiger stimmt, dadurch man sie in den Wahn versetzt, als wre es nicht Pflicht, d.i. Achtung frs Gesetz, dessen Joch (das gleichwohl, weil es uns Vernunft selbst auferlegt, sanft ist) sie, wenn gleich ungern, tragen mten, was den Bestimmungsgrund ihrer Handlungen ausmachte, und welches sie immer noch demthigt, indem sie es befolgen (ihm gehorchen) ; sondern als ob jene Handlungen nicht aus Pflicht, sondern als baarer Verdienst von ihnen erwartet wrden. Denn nicht allein da sie durch Nachahmung solcher Thaten, nmlich aus solchem Princip, nicht im mindesten dem Geiste des Gesetzes ein Genge gethan htten, welcher in der dem Gesetze sich unterwerfenden Gesinnung, nicht in der Gesetzmigkeit der Handlung (das Princip mge sein, welches auch wolle) besteht, und die Triebfeder pathologisch (in der Sympathie oder auch Philautie), nicht moralisch (im Gesetze) setzen, so bringen sie auf diese Art eine windige, berfliegende, phantastische Denkungsart hervor, sich mit einer freiwilligen Gutartigkeit ihres Gemths, das weder Sporns noch Zgel bedrfe, fr welches gar nicht einmal ein Gebot nthig sei, zu schmeicheln und darber ihrer Schuldigkeit, an welche sie doch eher denken sollten als an Verdienst, zu vergessen. Es lassen sich wohl Handlungen anderer, die mit groer Aufopferung und zwar blos um der Pflicht willen geschehen sind, unter dem Namen edler und erhabener Thaten preisen, und doch auch nur so fern Spuren da sind, welche vermuthen lassen, da sie ganz aus Achtung fr seine Pflicht, nicht aus Herzensaufwallungen geschehen sind. Will man jemanden aber sie als Beispiele der Nachfolge vorstellen, so mu durchaus die Achtung fr Pflicht (als das einzige chte moralische Gefhl) zur Triebfeder gebraucht werden : diese ernste, heilige Vorschrift, die es nicht unserer eitelen Selbstliebe berlt, mit pathologischen Antrieben (so fern sie der Moralitt analogisch sind) zu tndeln und uns auf verdienstlichen Werth was zu Gute zu thun. Wenn wir nur wohl nachsuchen, so werden wir zu allen Handlungen, die anpreisungswrdig sind, schon ein Gesetz der Pflicht finden, welches gebietet und nicht auf unser Belieben ankommen lt, was unserem Hange gefllig sein mchte. Das ist die einzige Darstellungsart, welche die Seele moralisch bildet, weil sie allein fester und genau bestimmter Grundstze fhig ist.

Wenn Schwrmerei in der allergemeinsten Bedeutung eine nach Grundstzen unternommene berschreitung der Grenzen der menschlichen Vernunft ist, so ist moralische Schwrmerei diese berschreitung der Grenzen, die die praktische reine Vernunft der Menschheit setzt, dadurch sie verbietet den subjectiven Bestimmungsgrund pflichtmiger Handlungen, d.i. die moralische Triebfeder derselben, irgend worin anders als im Gesetze selbst und die Gesinnung, die dadurch in die Maximen gebracht wird, irgend anderwrts als in der Achtung fr dies Gesetz zu setzen, mithin den alle Arroganz sowohl als eitele Philautie niederschlagenden Gedanken von Pflicht zum obersten Lebensprincip aller Moralitt im Menschen zu machen gebietet.

Wenn dem also ist, so haben nicht allein Romanschreiber, oder empfindelnde Erzieher (ob sie gleich noch so sehr wider Empfindelei eifern), sondern bisweilen selbst Philosophen, ja die strengsten unter allen, die Stoiker, moralische Schwrmerei statt nchterner, aber weiser Disciplin der Sitten eingefhrt, wenn gleich die Schwrmerei der letzteren mehr heroisch, der ersteren von schaler und schmelzender Beschaffenheit war, und man kann es, ohne zu heucheln, der moralischen Lehre des Evangelii mit aller Wahrheit nachsagen : da es zuerst durch die Reinigkeit des moralischen Princips, zugleich aber durch die Angemessenheit desselben mit den Schranken endlicher Wesen alles Wohlverhalten des Menschen der Zucht einer ihnen vor Augen gelegten Pflicht, die sie nicht unter moralischen getrumten Vollkommenheiten schwrmen lt, unterworfen und dem Eigendnkel sowohl als der Eigenliebe, die beide gerne ihre Grenzen verkennen, Schranken der Demuth (d.i. der Selbsterkenntni) gesetzt habe.

Pflicht ! du erhabener, groer Name, der du nichts Beliebtes, was Einschmeichelung bei sich fhrt, in dir fassest, sondern Unterwerfung verlangst, doch auch nichts drohest, was natrliche Abneigung im Gemthe erregte und schreckte, um den Willen zu bewegen, sondern blos ein Gesetz aufstellst, welches von selbst im Gemthe Eingang findet und doch sich selbst wider Willen Verehrung (wenn gleich nicht immer Befolgung) erwirbt, vor dem alle Neigungen verstummen, wenn sie gleich ingeheim ihm entgegen wirken : welches ist der deiner wrdige Ursprung, und wo findet man die Wurzel deiner edlen Abkunft, welche alle Verwandtschaft mit Neigungen stolz ausschlgt, und von welcher Wurzel abzustammen, die unnachlaliche Bedingung desjenigen Werths ist, den sich Menschen allein selbst geben knnen ?

Es kann nichts Minderes sein, als was den Menschen ber sich selbst (als einen Theil der Sinnenwelt) erhebt, was ihn an eine Ordnung der Dinge knpft, die nur der Verstand denken kann, und die zugleich die ganze Sinnenwelt, mit ihr das empirisch bestimmbare Dasein des Menschen in der Zeit und das Ganze aller Zwecke (welches allein solchen unbedingten praktischen Gesetzen als das moralische angemessen ist) unter sich hat. Es ist nichts anders als die Persnlichkeit, d.i. die Freiheit und Unabhngigkeit von dem Mechanism der ganzen Natur, doch zugleich als ein Vermgen eines Wesens betrachtet, welches eigenthmlichen, nmlich von seiner eigenen Vernunft gegebenen, reinen praktischen Gesetzen, die Person also, als zur Sinnenwelt gehrig, ihrer eigenen Persnlichkeit unterworfen ist, so fern sie zugleich zur intelligibelen Welt gehrt ; da es denn nicht zu verwundern ist, wenn der Mensch, als zu beiden Welten gehrig, sein eigenes Wesen in Beziehung auf seine zweite und hchste Bestimmung nicht anders als mit Verehrung und die Gesetze derselben mit der hchsten Achtung betrachten mu.

Auf diesen Ursprung grnden sich nun manche Ausdrcke, welche den Werth der Gegenstnde nach moralischen Ideen bezeichnen. Das moralische Gesetz ist heilig (unverletzlich). Der Mensch ist zwar unheilig genug, aber die Menschheit in seiner Person mu ihm heilig sein. In der ganzen Schpfung kann alles, was man will, und worber man etwas vermag, auch blos als Mittel gebraucht werden ; nur der Mensch und mit ihm jedes vernnftige Geschpf ist Zweck an sich selbst. Er ist nmlich das Subject des moralischen Gesetzes, welches heilig ist, vermge der Autonomie seiner Freiheit. Eben um dieser willen ist jeder Wille, selbst jeder Person ihr eigener, auf sie selbst gerichteter Wille auf die Bedingung der Einstimmung mit der Autonomie des vernnftigen Wesens eingeschrnkt, es nmlich keiner Absicht zu unterwerfen, die nicht nach einem Gesetze, welches aus dem Willen des leidenden Subjects selbst entspringen knnte, mglich ist ; also dieses niemals blos als Mittel, sondern zugleich selbst als Zweck zu gebrauchen. Diese Bedingung legen wir mit Recht sogar dem gttlichen Willen in Ansehung der vernnftigen Wesen in der Welt als seiner Geschpfe bei, indem sie auf der Persnlichkeit derselben beruht, dadurch allein sie Zwecke an sich selbst sind.

Diese Achtung erweckende Idee der Persnlichkeit, welche uns die Erhabenheit unserer Natur (ihrer Bestimmung nach) vor Augen stellt, indem sie uns zugleich den Mangel der Angemessenheit unseres Verhaltens in Ansehung derselben bemerken lt und dadurch den Eigendnkel niederschlgt, ist selbst der gemeinsten Menschenvernunft natrlich und leicht bemerklich. Hat nicht jeder auch nur mittelmig ehrliche Mann bisweilen gefunden, da er eine sonst unschdliche Lge, dadurch er sich entweder selbst aus einem verdrielichen Handel ziehen, oder wohl gar einem geliebten und verdienstvollen Freunde Nutzen schaffen konnte, blos darum unterlie, um sich ingeheim in seinen eigenen Augen nicht verachten zu drfen ? Hlt nicht einen rechtschaffenen Mann im grten Unglcke des Lebens, das er vermeiden konnte, wenn er sich nur htte ber die Pflicht wegsetzen knnen, noch das Bewutsein aufrecht, da er die Menschheit in seiner Person doch in ihrer Wrde erhalten und geehrt habe, da er sich nicht vor sich selbst zu schmen und den inneren Anblick der Selbstprfung zu scheuen Ursache habe ? Dieser Trost ist nicht Glckseligkeit, auch nicht der mindeste Theil derselben. Denn niemand wird sich die Gelegenheit dazu, auch vielleicht nicht einmal ein Leben in solchen Umstnden wnschen. Aber er lebt und kann es nicht erdulden, in seinen eigenen Augen des Lebens unwrdig zu sein. Diese innere Beruhigung ist also blos negativ in Ansehung alles dessen, was das Leben angenehm machen mag ; nmlich sie ist die Abhaltung der Gefahr, im persnlichen Werthe zu sinken, nachdem der seines Zustandes von ihm schon gnzlich aufgegeben worden. Sie ist die Wirkung von einer Achtung fr etwas ganz anderes als das Leben, womit in Vergleichung und Entgegensetzung das Leben vielmehr mit aller seiner Annehmlichkeit gar keinen Werth hat. Er lebt nur noch aus Pflicht, nicht weil er am Leben den mindesten Geschmack findet.

So ist die chte Triebfeder der reinen praktischen Vernunft beschaffen ; sie ist keine andere als das reine moralische Gesetz selber, so fern es uns die Erhabenheit unserer eigenen bersinnlichen Existenz spren lt und subjectiv in Menschen, die sich zugleich ihres sinnlichen Daseins und der damit verbundenen Abhngigkeit von ihrer so fern sehr pathologisch afficirten Natur bewut sind, Achtung fr ihre hhere Bestimmung wirkt. Nun lassen sich mit dieser Triebfeder gar wohl so viele Reize und Annehmlichkeiten des Lebens verbinden, da auch um dieser willen allein schon die klgste Wahl eines vernnftigen und ber das grte Wohl des Lebens nachdenkenden Epikureers sich fr das sittliche Wohlverhalten erklren wrde, und es kann auch rathsam sein, diese Aussicht auf einen frhlichen Genu des Lebens mit jener obersten und schon fr sich allein hinlnglich bestimmenden Bewegursache zu verbinden ; aber nur um den Anlockungen, die das Laster auf der Gegenseite vorzuspiegeln nicht ermangelt, das Gegengewicht zu halten, nicht um hierin die eigentliche bewegende Kraft, auch nicht dem mindesten Theile nach, zu setzen, wenn von Pflicht die Rede ist. Denn das wrde so viel sein, als die moralische Gesinnung in ihrer Quelle verunreinigen wollen. Die Ehrwrdigkeit der Pflicht hat nichts mit Lebensgenu zu schaffen ; sie hat ihr eigenthmliches Gesetz, auch ihr eigenthmliches Gericht, und wenn man auch beide noch so sehr zusammenschtteln wollte, um sie vermischt gleichsam als Arzeneimittel der kranken Seele zuzureichen, so scheiden sie sich doch alsbald von selbst, und thun sie es nicht, so wirkt das erste gar nicht, wenn aber auch das physische Leben hiebei einige Kraft gewnne, so wrde doch das moralische ohne Rettung dahin schwinden.

 

 

Kritische Beleuchtung der Analytik der reinen praktischen Vernunft

 

Ich verstehe unter der kritischen Beleuchtung einer Wissenschaft, oder eines Abschnitts derselben, der fr sich ein System ausmacht, die Untersuchung und Rechtfertigung, warum sie gerade diese und keine andere systematische Form haben msse, wenn man sie mit einem anderen System vergleicht, das ein hnliches Erkenntnivermgen zum Grunde hat. Nun hat praktische Vernunft mit der speculativen so fern einerlei Erkenntnivermgen zum Grunde, als beide reine Vernunft sind. Also wird der Unterschied der systematischen Form der einen von der anderen durch Vergleichung beider bestimmt und Grund davon angegeben werden mssen.

Die Analytik der reinen theoretischen Vernunft hatte es mit dem Erkenntnisse der Gegenstnde, die dem Verstande gegeben werden mgen, zu thun und mute also von der Anschauung, mithin (weil diese jederzeit sinnlich ist) von der Sinnlichkeit anfangen, von da aber allererst zu Begriffen (der Gegenstnde dieser Anschauung) fortschreiten und durfte nur nach beider Voranschickung mit Grundstzen endigen. Dagegen, weil praktische Vernunft es nicht mit Gegenstnden, sie zu erkennen, sondern mit ihrem eigenen Vermgen, jene (der Erkenntni derselben gem) wirklich zu machen, d.i. es mit einem Willen zu thun hat, welcher eine Causalitt ist, so fern Vernunft den Bestimmungsgrund derselben enthlt, da sie folglich kein Object der Anschauung, sondern (weil der Begriff der Causalitt jederzeit die Beziehung auf ein Gesetz enthlt, welches die Existenz des Mannigfaltigen im Verhltnisse zu einander bestimmt) als praktische Vernunft nur ein Gesetz derselben anzugeben hat : so mu eine Kritik der Analytik derselben, so fern sie eine praktische Vernunft sein soll (welches die eigentliche Aufgabe ist), von der Mglichkeit praktischer Grundstze a priori anfangen. Von da konnte sie allein zu Begriffen der Gegenstnde einer praktischen Vernunft, nmlich denen des schlechthin Guten und Bsen, fortgehen, um sie jenen Grundstzen gem allererst zu geben (denn diese sind vor jenen Principien als Gutes und Bses durch gar kein Erkenntnivermgen zu geben mglich), und nur alsdann konnte allererst das letzte Hauptstck, nmlich das von dem Verhltnisse der reinen praktischen Vernunft zur Sinnlichkeit und ihrem nothwendigen, a priori zu erkennenden Einflusse auf dieselbe, d.i. vom moralischen Gefhle, den Theil beschlieen. So theilte denn die Analytik der praktischen reinen Vernunft ganz analogisch mit der theoretischen den ganzen Umfang aller Bedingungen ihres Gebrauchs, aber in umgekehrter Ordnung. Die Analytik der theoretischen reinen Vernunft wurde in transscendentale sthetik und transscendentale Logik eingetheilt, die der praktischen umgekehrt in Logik und sthetik der reinen praktischen Vernunft (wenn es mir erlaubt ist, diese sonst gar nicht angemessene Benennungen blos der Analogie wegen hier zu gebrauchen), die Logik wiederum dort in die Analytik der Begriffe und die der Grundstze, hier in die der Grundstze und Begriffe. Die sthetik hatte dort noch zwei Theile wegen der doppelten Art einer sinnlichen Anschauung ; hier wird die Sinnlichkeit gar nicht als Anschauungsfhigkeit, sondern blos als Gefhl (das ein subjectiver Grund des Begehrens sein kann) betrachtet, und in Ansehung dessen verstattet die reine praktische Vernunft keine weitere Eintheilung.

Auch da diese Eintheilung in zwei Theile mit deren Unterabtheilung nicht wirklich (so wie man wohl im Anfange durch das Beispiel der ersteren verleitet werden konnte, zu versuchen) hier vorgenommen wurde, davon lt sich auch der Grund gar wohl einsehen. Denn weil es reine Vernunft ist, die hier in ihrem praktischen Gebrauche, mithin von Grundstzen a priori und nicht von empirischen Bestimmungsgrnden ausgehend betrachtet wird : so wird die Eintheilung der Analytik der reinen praktischen Vernunft der eines Vernunftschlusses hnlich ausfallen mssen, nmlich vom Allgemeinen im Obersatze (dem moralischen Princip) durch eine im Untersatze vorgenommene Subsumtion mglicher Handlungen (als guter oder bser) unter jenen zu dem Schlusatze, nmlich der subjectiven Willensbestimmung (einem Interesse an dem praktisch mglichen Guten und der darauf gegrndeten Maxime), fortgehend. Demjenigen, der sich von den in der Analytik vorkommenden Stzen hat berzeugen knnen, werden solche Vergleichungen Vergngen machen ; denn sie veranlassen mit Recht die Erwartung, es vielleicht dereinst bis zur Einsicht der Einheit des ganzen reinen Vernunftvermgens (des theoretischen sowohl als praktischen) bringen und alles aus einem Princip ableiten zu knnen ; welches das unvermeidliche Bedrfni der menschlichen Vernunft ist, die nur in einer vollstndig systematischen Einheit ihrer Erkenntnisse vllige Zufriedenheit findet.

Betrachten wir nun aber auch den Inhalt der Erkenntni, die wir von einer reinen praktischen Vernunft und durch dieselbe haben knnen, so wie ihn die Analytik derselben darlegt, so finden sich bei einer merkwrdigen Analogie zwischen ihr und der theoretischen nicht weniger merkwrdige Unterschiede. In Ansehung der theoretischen konnte das Vermgen eines reinen Vernunfterkenntnisses a priori durch Beispiele aus Wissenschaften (bei denen man, da sie ihre Principien auf so mancherlei Art durch methodischen Gebrauch auf die Probe stellen, nicht so leicht wie im gemeinen Erkenntnisse geheime Beimischung empirischer Erkenntnigrnde zu besorgen hat) ganz leicht und evident bewiesen werden. Aber da reine Vernunft ohne Beimischung irgend eines empirischen Bestimmungsgrundes fr sich allein auch praktisch sei : das mute man aus dem gemeinsten praktischen Vernunftgebrauche darthun knnen, indem man den obersten praktischen Grundsatz als einen solchen, den jede natrliche Menschenvernunft als vllig a priori, von keinen sinnlichen Datis abhngend, fr das oberste Gesetz seines Willens erkennt, beglaubigte. Man mute ihn zuerst der Reinigkeit seines Ursprungs nach selbst im Urtheile dieser gemeinen Vernunft bewhren und rechtfertigen, ehe ihn noch die Wissenschaft in die Hnde nehmen konnte, um Gebrauch von ihm zu machen, gleichsam als ein Factum, das vor allem Vernnfteln ber seine Mglichkeit und allen Folgerungen, die daraus zu ziehen sein mchten, vorhergeht. Aber dieser Umstand lt sich auch aus dem kurz vorher Angefhrten gar wohl erklren : weil praktische reine Vernunft nothwendig von Grundstzen anfangen mu, die also aller Wissenschaft als erste Data zum Grunde gelegt werden mssen und nicht allererst aus ihr entspringen knnen. Diese Rechtfertigung der moralischen Principien als Grundstze einer reinen Vernunft konnte aber auch darum gar wohl und mit gnugsamer Sicherheit durch bloe Berufung auf das Urtheil des gemeinen Menschenverstandes gefhrt werden, weil sich alles Empirische, was sich als Bestimmungsgrund des Willens in unsere Maximen einschleichen mchte, durch das Gefhl des Vergngens oder Schmerzens, das ihm so fern, als es Begierde erregt, nothwendig anhngt, sofort kenntlich macht, diesem aber jene reine praktische Vernunft geradezu widersteht, es in ihr Princip als Bedingung aufzunehmen. Die Ungleichartigkeit der Bestimmungsgrnde (der empirischen und rationalen) wird durch diese Widerstrebung einer praktisch gesetzgebenden Vernunft wider alle sich einmengende Neigung, durch eine eigenthmliche Art von Empfindung, welche aber nicht vor der Gesetzgebung der praktischen Vernunft vorhergeht, sondern vielmehr durch dieselbe allein und zwar als ein Zwang gewirkt wird, nmlich durch das Gefhl einer Achtung, dergleichen kein Mensch fr Neigungen hat, sie mgen sein, welcher Art sie wollen, wohl aber frs Gesetz, so kenntlich gemacht und so gehoben und hervorstechend, da keiner, auch der gemeinste Menschenverstand in einem vorgelegten Beispiele nicht den Augenblick inne werden sollte, da durch empirische Grnde des Wollens ihm zwar ihren Anreizen zu folgen gerathen, niemals aber einem anderen als lediglich dem reinen praktischen Vernunftgesetze zu gehorchen zugemuthet werden knne.

Die Unterscheidung der Glckseligkeitslehre von der Sittenlehre, in deren ersteren empirische Principien das ganze Fundament, von der zweiten aber auch nicht den mindesten Beisatz derselben ausmachen, ist nun in der Analytik der reinen praktischen Vernunft die erste und wichtigste ihr obliegende Beschftigung, in der sie so pnktlich, ja, wenn es auch hiee, peinlich verfahren mu, als je der Geometer in seinem Geschfte. Es kommt aber dem Philosophen, der hier (wie jederzeit im Vernunfterkenntnisse durch bloe Begriffe, ohne Construction derselben) mit grerer Schwierigkeit zu kmpfen hat, weil er keine Anschauung (reinem Noumen) zum Grunde legen kann, doch auch zu statten : da er beinahe wie der Chemist zu aller Zeit ein Experiment mit jedes Menschen praktischer Vernunft anstellen kann, um den moralischen (reinen) Bestimmungsgrund vom empirischen zu unterscheiden ; wenn er nmlich zu dem empirisch afficirten Willen (z.B. desjenigen, der gerne lgen mchte, weil er sich dadurch was erwerben kann) das moralische Gesetz (als Bestimmungsgrund) zusetzt. Es ist, als ob der Scheideknstler der Solution der Kalkerde in Salzgeist Alkali zusetzt ; der Salzgeist verlt sofort den Kalk, vereinigt sich mit dem Alkali, und jener wird zu Boden gestrzt. Eben so haltet dem, der sonst ein ehrlicher Mann ist (oder sich doch diesmal nur in Gedanken in die Stelle eines ehrlichen Mannes versetzt), das moralische Gesetz vor, an dem er die Nichtswrdigkeit eines Lgners erkennt, sofort verlt seine praktische Vernunft (im Urtheil ber das, was von ihm geschehen sollte) den Vortheil, vereinigt sich mit dem, was ihm die Achtung fr seine eigene Person erhlt (der Wahrhaftigkeit), und der Vortheil wird nun von jedermann, nachdem er von allem Anhngsel der Vernunft (welche nur gnzlich auf der Seite der Pflicht ist) abgesondert und gewaschen worden, gewogen, um mit der Vernunft noch wohl in anderen Fllen in Verbindung zu treten, nur nicht wo er dem moralischen Gesetze, welches die Vernunft niemals verlt, sondern sich innigst damit vereinigt, zuwider sein knnte.

Aber diese Unterscheidung des Glckseligkeitsprincips von dem der Sittlichkeit ist darum nicht sofort Entgegensetzung beider, und die reine praktische Vernunft will nicht, man solle die Ansprche auf Glckseligkeit aufgeben, sondern nur, so bald von Pflicht die Rede ist, darauf gar nicht Rcksicht nehmen. Es kann sogar in gewissem Betracht Pflicht sein, fr seine Glckseligkeit zu sorgen : theils weil sie (wozu Geschicklichkeit, Gesundheit, Reichthum gehrt) Mittel zu Erfllung seiner Pflicht enthlt, theils weil der Mangel derselben (z.B. Armuth) Versuchungen enthlt, seine Pflicht zu bertreten. Nur, seine Glckseligkeit zu befrdern, kann unmittelbar niemals Pflicht, noch weniger ein Princip aller Pflicht sein. Da nun alle Bestimmungsgrnde des Willens auer dem einigen reinen praktischen Vernunftgesetze (dem moralischen) insgesammt empirisch sind, als solche also zum Glckseligkeitsprincip gehren, so mssen sie insgesammt vom obersten sittlichen Grundsatze abgesondert und ihm nie als Bedingung einverleibt werden, weil dieses eben so sehr allen sittlichen Werth, als empirische Beimischung zu geometrischen Grundstzen alle mathematische Evidenz, das Vortrefflichste, was (nach Platos Urtheile) die Mathematik an sich hat, und das selbst allem Nutzen derselben vorgeht, aufheben wrde.

Statt der Deduction des obersten Princips der reinen praktischen Vernunft, d.i. der Erklrung der Mglichkeit einer dergleichen Erkenntni a priori, konnte aber nichts weiter angefhrt werden, als da, wenn man die Mglichkeit der Freiheit einer wirkenden Ursache einshe, man auch nicht etwa blos die Mglichkeit, sondern gar die Nothwendigkeit des moralischen Gesetzes als obersten praktischen Gesetzes vernnftiger Wesen, denen man Freiheit der Causalitt ihres Willens beilegt, einsehen wrde : weil beide Begriffe so unzertrennlich verbunden sind, da man praktische Freiheit auch durch Unabhngigkeit des Willens von jedem anderen auer allein dem moralischen Gesetze definiren knnte. Allein die Freiheit einer wirkenden Ursache, vornehmlich in der Sinnenwelt, kann ihrer Mglichkeit nach keinesweges eingesehen werden ; glcklich ! wenn wir nur, da kein Beweis ihrer Unmglichkeit stattfindet, hinreichend versichert werden knnen und nun, durchs moralische Gesetz, welches dieselbe postulirt, genthigt, eben dadurch auch berechtigt werden, sie anzunehmen. Weil es indessen noch viele giebt, welche diese Freiheit noch immer glauben nach empirischen Principien wie jedes andere Naturvermgen erklren zu knnen und sie als psychologische Eigenschaft, deren Erklrung lediglich auf eine genauere Untersuchung der Natur der Seele und der Triebfeder des Willens ankme, nicht als transscendentales Prdicat der Causalitt eines Wesens, das zur Sinnenwelt gehrt, (wie es doch hierauf wirklich allein ankommt) betrachten und so die herrliche Erffnung, die uns durch reine praktische Vernunft vermittelst des moralischen Gesetzes widerfhrt, nmlich die Erffnung einer intelligibelen Welt durch Realisirung des sonst transscendenten Begriffs der Freiheit, und hiemit das moralische Gesetz selbst, welches durchaus keinen empirischen Bestimmungsgrund annimmt, aufheben : so wird es nthig sein, hier noch etwas zur Verwahrung wider dieses Blendwerk und der Darstellung des Empirismus in der ganzen Ble seiner Seichtigkeit anzufhren.

Der Begriff der Causalitt als Naturnothwendigkeit zum Unterschiede derselben als Freiheit betrifft nur die Existenz der Dinge, so fern sie in der Zeit bestimmbar ist, folglich als Erscheinungen im Gegensatze ihrer Causalitt als Dinge an sich selbst. Nimmt man nun die Bestimmungen der Existenz der Dinge in der Zeit fr Bestimmungen der Dinge an sich selbst (welches die gewhnlichste Vorstellungsart ist), so lt sich die Nothwendigkeit im Causalverhltnisse mit der Freiheit auf keinerlei Weise vereinigen ; sondern sie sind einander contradictorisch entgegengesetzt. Denn aus der ersteren folgt : da eine jede Begebenheit, folglich auch jede Handlung, die in einem Zeitpunkte vorgeht, unter der Bedingung dessen, was in der vorhergehenden Zeit war, nothwendig sei. Da nun die vergangene Zeit nicht mehr in meiner Gewalt ist, so mu jede Handlung, die ich ausbe, durch bestimmende Grnde, die nicht in meiner Gewalt sind, nothwendig sein, d.i. ich bin in dem Zeitpunkte, darin ich handle, niemals frei. Ja, wenn ich gleich mein ganzes Dasein als unabhngig von irgend einer fremden Ursache (etwa von Gott) annhme, so da die Bestimmungsgrnde meiner Causalitt, sogar meiner ganzen Existenz, gar nicht auer mir wren : so wrde dieses jene Naturnothwendigkeit doch nicht im mindesten in Freiheit verwandeln. Denn in jedem Zeitpunkte stehe ich doch immer unter der Nothwendigkeit, durch das zum Handeln bestimmt zu sein, was nicht in meiner Gewalt ist, und die a parte priori unendliche Reihe der Begebenheiten, die ich immer nur nach einer schon vorherbestimmten Ordnung fortsetzen, nirgend von selbst anfangen wrde, wre eine stetige Naturkette, meine Causalitt also niemals Freiheit.

Will man also einem Wesen, dessen Dasein in der Zeit bestimmt ist, Freiheit beilegen, so kann man es so fern wenigstens vom Gesetze der Naturnothwendigkeit aller Begebenheiten in seiner Existenz, mithin auch seiner Handlungen nicht ausnehmen ; denn das wre so viel, als es dem blinden Ungefhr bergeben. Da dieses Gesetz aber unvermeidlich alle Causalitt der Dinge, so fern ihr Dasein in der Zeit bestimmbar ist, betrifft, so wrde, wenn dieses die Art wre, wornach man sich auch das Dasein dieser Dinge an sich selbst vorzustellen htte, die Freiheit als ein nichtiger und unmglicher Begriff verworfen werden mssen. Folglich wenn man sie noch retten will, so bleibt kein Weg brig, als das Dasein eines Dinges, so fern es in der Zeit bestimmbar ist, folglich auch die Causalitt nach dem Gesetze der Naturnothwendigkeit blos der Erscheinung, die Freiheit aber eben demselben Wesen als Dinge an sich selbst beizulegen. So ist es allerdings unvermeidlich, wenn man beide einander widerwrtige Begriffe zugleich erhalten will ; allein in der Anwendung, wenn man sie als in einer und derselben Handlung vereinigt und also diese Vereinigung selbst erklren will, thun sich doch groe Schwierigkeiten hervor, die eine solche Vereinigung unthunlich zu machen scheinen.

Wenn ich von einem Menschen, der einen Diebstahl verbt, sage, diese That sei nach dem Naturgesetze der Causalitt aus den Bestimmungsgrnden der vorhergehenden Zeit ein nothwendiger Erfolg, so war es unmglich, da sie hat unterbleiben knnen : wie kann denn die Beurtheilung nach dem moralischen Gesetze hierin eine nderung machen und voraussetzen, da sie doch habe unterlassen werden knnen, weil das Gesetz sagt, sie htte unterlassen werden sollen, d.i. wie kann derjenige in demselben Zeitpunkte in Absicht auf dieselbe Handlung ganz frei heien, in welchem, und in derselben Absicht, er doch unter einer unvermeidlichen Naturnothwendigkeit steht ? Eine Ausflucht darin suchen, da man blos die Art der Bestimmungsgrnde seiner Causalitt nach dem Naturgesetze einem comparativen Begriffe von Freiheit anpat (nach welchem das bisweilen freie Wirkung heit, davon der bestimmende Naturgrund innerlich im wirkenden Wesen liegt, z.B. das was ein geworfener Krper verrichtet, wenn er in freier Bewegung ist, da man das Wort Freiheit braucht, weil er, whrend da er im Fluge ist, nicht von auen wodurch getrieben wird, oder wie wir die Bewegung einer Uhr auch eine freie Bewegung nennen, weil sie ihren Zeiger selbst treibt, der also nicht uerlich geschoben werden darf, eben so die Handlungen des Menschen, ob sie gleich durch ihre Bestimmungsgrnde, die in der Zeit vorhergehen, nothwendig sind, dennoch frei nennen, weil es doch innere, durch unsere eigene Krfte hervorgebrachte Vorstellungen, dadurch nach veranlassenden Umstnden erzeugte Begierden und mithin nach unserem eigenen Belieben bewirkte Handlungen sind), ist ein elender Behelf, womit sich noch immer einige hinhalten lassen und so jenes schwere Problem mit einer kleinen Wortklauberei aufgelset zu haben meinen, an dessen Auflsung Jahrtausende vergeblich gearbeitet haben, die daher wohl schwerlich so ganz auf der Oberflche gefunden werden drfte. Es kommt nmlich bei der Frage nach derjenigen Freiheit, die allen moralischen Gesetzen und der ihnen gemen Zurechnung zum Grunde gelegt werden mu, darauf gar nicht an, ob die nach einem Naturgesetze bestimmte Causalitt durch Bestimmungsgrnde, die im Subjecte, oder auer ihm liegen, und im ersteren Fall, ob sie durch Instinct oder mit Vernunft gedachte Bestimmungsgrnde nothwendig sei ; wenn diese bestimmende Vorstellungen nach dem Gestndnisse eben dieser Mnner selbst den Grund ihrer Existenz doch in der Zeit und zwar dem vorigen Zustande haben, dieser aber wieder in einem vorhergehenden etc., so mgen sie, diese Bestimmungen, immer innerlich sein, sie mgen psychologische und nicht mechanische Causalitt haben, d.i. durch Vorstellungen und nicht durch krperliche Bewegung Handlung hervorbringen, so sind es immer Bestimmungsgrnde der Causalitt eines Wesens, so fern sein Dasein in der Zeit bestimmbar ist, mithin unter nothwendig machenden Bedingungen der vergangenen Zeit, die also, wenn das Subject handeln soll, nicht mehr in seiner Gewalt sind, die also zwar psychologische Freiheit (wenn man ja dieses Wort von einer blos inneren Verkettung der Vorstellungen der Seele brauchen will), aber doch Naturnothwendigkeit bei sich fhren, mithin keine transscendentale Freiheit brig lassen, welche als Unabhngigkeit von allem Empirischen und also von der Natur berhaupt gedacht werden mu, sie mag nun als Gegenstand des inneren Sinnes blos in der Zeit, oder auch ueren Sinne im Raume und der Zeit zugleich betrachtet werden, ohne welche Freiheit (in der letzteren eigentlichen Bedeutung), die allein a priori praktisch ist, kein moralisch Gesetz, keine Zurechnung nach demselben mglich ist. Eben um deswillen kann man auch alle Nothwendigkeit der Begebenheiten in der Zeit nach dem Naturgesetze der Causalitt den Mechanismus der Natur nennen, ob man gleich darunter nicht versteht, da Dinge, die ihm unterworfen sind, wirkliche materielle Maschinen sein mten. Hier wird nur auf die Nothwendigkeit der Verknpfung der Begebenheiten in einer Zeitreihe, so wie sie sich nach dem Naturgesetze entwickelt, gesehen, man mag nun das Subject, in welchem dieser Ablauf geschieht, Automaton materiale, da das Maschinenwesen durch Materie, oder mit Leibnizen spirituale, da es durch Vorstellungen betrieben wird, nennen, und wenn die Freiheit unseres Willens keine andere als die letztere (etwa die psychologische und comparative, nicht transscendentale, d.i. absolute, zugleich) wre, so wrde sie im Grunde nichts besser, als die Freiheit eines Bratenwenders sein, der auch, wenn er einmal aufgezogen worden, von selbst seine Bewegungen verrichtet.

Um nun den scheinbaren Widerspruch zwischen Naturmechanismus und Freiheit in ein und derselben Handlung an dem vorgelegten Falle aufzuheben, mu man sich an das erinnern, was in der Kritik der reinen Vernunft gesagt war oder daraus folgt : da die Naturnothwendigkeit, welche mit der Freiheit des Subjects nicht zusammen bestehen kann, blos den Bestimmungen desjenigen Dinges anhngt, das unter Zeitbedingungen steht, folglich nur denen des handelnden Subjects als Erscheinung, da also so fern die Bestimmungsgrnde einer jeden Handlung desselben in demjenigen liegen, was zur vergangenen Zeit gehrt und nicht mehr in seiner Gewalt ist (wozu auch seine schon begangene Thaten und der ihm dadurch bestimmbare Charakter in seinen eigenen Augen, als Phnomens, gezhlt werden mssen). Aber ebendasselbe Subject, das sich anderseits auch seiner als Dinges an sich selbst bewut ist, betrachtet auch sein Dasein, so fern es nicht unter Zeitbedingungen steht, sich selbst aber nur als bestimmbar durch Gesetze, die es sich durch Vernunft selbst giebt, und in diesem seinem Dasein ist ihm nichts vorhergehend vor seiner Willensbestimmung, sondern jede Handlung und berhaupt jede dem innern Sinne gem wechselnde Bestimmung seines Daseins, selbst die ganze Reihenfolge seiner Existenz als Sinnenwesen ist im Bewutsein seiner intelligibelen Existenz nichts als Folge, niemals aber als Bestimmungsgrund seiner Causalitt, als Noumens, anzusehen. In diesem Betracht nun kann das vernnftige Wesen von einer jeden gesetzwidrigen Handlung, die es verbt, ob sie gleich als Erscheinung in dem Vergangenen hinreichend bestimmt und so fern unausbleiblich nothwendig ist, mit Recht sagen, da er sie htte unterlassen knnen ; denn sie mit allem Vergangenen, das sie bestimmt, gehrt zu einem einzigen Phnomen seines Charakters, den er sich selbst verschafft, und nach welchem er sich als einer von aller Sinnlichkeit unabhngigen Ursache die Causalitt jener Erscheinungen selbst zurechnet.

Hiemit stimmen auch die Richteraussprche desjenigen wundersamen Vermgens in uns, welches wir Gewissen nennen, vollkommen berein. Ein Mensch mag knsteln, so viel als er will, um ein gesetzwidriges Betragen, dessen er sich erinnert, sich als unvorsetzliches Versehen, als bloe Unbehutsamkeit, die man niemals gnzlich vermeiden kann, folglich als etwas, worin er vom Strom der Naturnothwendigkeit fortgerissen wre, vorzumalen und sich darber fr schuldfrei zu erklren, so findet er doch, da der Advocat, der zu seinem Vortheil spricht, den Anklger in ihm keinesweges zum Verstummen bringen knne, wenn er sich bewut ist, da er zu der Zeit, als er das Unrecht verbte, nur bei Sinnen, d.i. im Gebrauche seiner Freiheit, war, und gleichwohl erklrt er sich sein Vergehen aus gewisser beln, durch allmhlige Vernachlssigung der Achtsamkeit auf sich selbst zugezogener Gewohnheit bis auf den Grad, da er es als eine natrliche Folge derselben ansehen kann, ohne da dieses ihn gleichwohl wider den Selbsttadel und den Verweis sichern kann, den er sich selbst macht. Darauf grndet sich denn auch die Reue ber eine lngst begangene That bei jeder Erinnerung derselben ; eine schmerzhafte, durch moralische Gesinnung gewirkte Empfindung, die so fern praktisch leer ist, als sie nicht dazu dienen kann, das Geschehene ungeschehen zu machen, und sogar ungereimt sein wrde (wie Priestley als ein chter, consequent verfahrender Fatalist sie auch dafr erklrt, und in Ansehung welcher Offenherzigkeit er mehr Beifall verdient als diejenige, welche, indem sie den Mechanism des Willens in der That, die Freiheit desselben aber mit Worten behaupten, noch immer dafr gehalten sein wollen, da sie jene, ohne doch die Mglichkeit einer solchen Zurechnung begreiflich zu machen, in ihrem synkretistischen System mit einschlieen), aber als Schmerz doch ganz rechtmig ist, weil die Vernunft, wenn es auf das Gesetz unserer intelligibelen Existenz (das moralische) ankommt, keinen Zeitunterschied anerkennt und nur frgt, ob die Begebenheit mir als That angehre, alsdann aber immer dieselbe Empfindung damit moralisch verknpft, sie mag jetzt geschehen oder vorlngst geschehen sein. Denn das Sinnenleben hat in Ansehung des intelligibelen Bewutseins seines Daseins (der Freiheit) absolute Einheit eines Phnomens, welches, so fern es blos Erscheinungen von der Gesinnung, die das moralische Gesetz angeht, (von dem Charakter) enthlt, nicht nach der Naturnothwendigkeit, die ihm als Erscheinung zukommt, sondern nach der absoluten Spontaneitt der Freiheit beurtheilt werden mu. Man kann also einrumen, da, wenn es fr uns mglich wre, in eines Menschen Denkungsart, so wie sie sich durch innere sowohl als uere Handlungen zeigt, so tiefe Einsicht zu haben, da jede, auch die mindeste Triebfeder dazu uns bekannt wrde, imgleichen alle auf diese wirkende uere Veranlassungen, man eines Menschen Verhalten auf die Zukunft mit Gewiheit, so wie eine Mond- oder Sonnenfinsterni ausrechnen knnte und dennoch dabei behaupten, da der Mensch frei sei. Wenn wir nmlich noch eines andern Blicks (der uns aber freilich gar nicht verliehen ist, sondern an dessen Statt wir nur den Vernunftbegriff haben), nmlich einer intellectuellen Anschauung desselben Subjects, fhig wren, so wrden wir doch inne werden, da diese ganze Kette von Erscheinungen in Ansehung dessen, was nur immer das moralische Gesetz angehen kann, von der Spontaneitt des Subjects als Dinges an sich selbst abhngt, von deren Bestimmung sich gar keine physische Erklrung geben lt.

In Ermangelung dieser Anschauung versichert uns das moralische Gesetz diesen Unterschied der Beziehung unserer Handlungen als Erscheinungen auf das Sinnenwesen unseres Subjects von derjenigen, dadurch dieses Sinnenwesen selbst auf das intelligibele Substrat in uns bezogen wird. In dieser Rcksicht, die unserer Vernunft natrlich, obgleich unerklrlich ist, lassen sich auch Beurtheilungen rechtfertigen, die, mit aller Gewissenhaftigkeit gefllt, dennoch dem ersten Anscheine nach aller Billigkeit ganz zu widerstreiten scheinen. Es giebt Flle, wo Menschen von Kindheit auf, selbst unter einer Erziehung, die mit der ihrigen zugleich andern ersprielich war, dennoch so frhe Bosheit zeigen und so bis in ihre Mannesjahre zu steigen fortfahren, da man sie fr geborne Bsewichter und gnzlich, was die Denkungsart betrifft, fr unbesserlich hlt, gleichwohl aber sie wegen ihres Thuns und Lassens eben so richtet, ihnen ihre Verbrechen eben so als Schuld verweiset, ja sie (die Kinder) selbst diese Verweise so ganz gegrndet finden, als ob sie ungeachtet der ihnen beigemessenen hoffnungslosen Naturbeschaffenheit ihres Gemths eben so verantwortlich blieben, als jeder andere Mensch. Dieses wrde nicht geschehen knnen, wenn wir nicht voraussetzten, da alles, was aus seiner Willkr entspringt (wie ohne Zweifel jede vorsetzlich verbte Handlung), eine freie Causalitt zum Grunde habe, welche von der frhen Jugend an ihren Charakter in ihren Erscheinungen (den Handlungen) ausdrckt, die wegen der Gleichfrmigkeit des Verhaltens einen Naturzusammenhang kenntlich machen, der aber nicht die arge Beschaffenheit des Willens nothwendig macht, sondern vielmehr die Folge der freiwillig angenommenen bsen und unwandelbaren Grundstze ist, welche ihn nur noch um desto verwerflicher und strafwrdiger machen.

Aber noch steht eine Schwierigkeit der Freiheit bevor, so fern sie mit dem Naturmechanism in einem Wesen, das zur Sinnenwelt gehrt, vereinigt werden soll ; eine Schwierigkeit, die, selbst nachdem alles bisherige eingewilligt worden, der Freiheit dennoch mit ihrem gnzlichen Untergange droht. Aber bei dieser Gefahr giebt ein Umstand doch zugleich Hoffnung zu einem fr die Behauptung der Freiheit noch glcklichen Ausgange, nmlich da dieselbe Schwierigkeit viel strker (in der That, wie wir bald sehen werden, allein) das System drckt, in welchem die in Zeit und Raum bestimmbare Existenz fr die Existenz der Dinge an sich selbst gehalten wird, sie uns also nicht nthigt, unsere vornehmste Voraussetzung von der Idealitt der Zeit als bloer Form sinnlicher Anschauung, folglich als bloer Vorstellungsart, die dem Subjecte als zur Sinnenwelt gehrig eigen ist, abzugehen, und also nur erfordert sie mit dieser Idee zu vereinigen.

Wenn man uns nmlich auch einrumt, da das intelligibele Subject in Ansehung einer gegebenen Handlung noch frei sein kann, obgleich es als Subject, das auch zur Sinnenwelt gehrig, in Ansehung derselben mechanisch bedingt ist, so scheint es doch, man msse, so bald man annimmt, Gott als allgemeines Urwesen sei die Ursache auch der Existenz der Substanz (ein Satz, der niemals aufgegeben werden darf, ohne den Begriff von Gott als Wesen aller Wesen und hiemit seine Allgenugsamkeit, auf die alles in der Theologie ankommt, zugleich mit aufzugeben), auch einrumen, die Handlungen des Menschen haben in demjenigen ihren bestimmenden Grund, was gnzlich auer ihrer Gewalt ist, nmlich in der Causalitt eines von ihm unterschiedenen hchsten Wesens, von welchem das Dasein des erstern und die ganze Bestimmung seiner Causalitt ganz und gar abhngt. In der That : wren die Handlungen des Menschen, so wie sie zu seinen Bestimmungen in der Zeit gehren, nicht bloe Bestimmungen desselben als Erscheinung, sondern als Dinges an sich selbst, so wrde die Freiheit nicht zu retten sein. Der Mensch wre Marionette, oder ein Vaucansonsches Automat, gezimmert und aufgezogen von dem obersten Meister aller Kunstwerke, und das Selbstbewutsein wrde es zwar zu einem denkenden Automate machen, in welchem aber das Bewutsein seiner Spontaneitt, wenn sie fr Freiheit gehalten wird, bloe Tuschung wre, indem sie nur comparativ so genannt zu werden verdient, weil die nchsten bestimmenden Ursachen seiner Bewegung und eine lange Reihe derselben zu ihren bestimmenden Ursachen hinauf zwar innerlich sind, die letzte und hchste aber doch gnzlich in einer fremden Hand angetroffen wird. Daher sehe ich nicht ab, wie diejenige, welche noch immer dabei beharren, Zeit und Raum fr zum Dasein der Dinge an sich selbst gehrige Bestimmungen anzusehen, hier die Fatalitt der Handlungen vermeiden wollen, oder, wenn sie so geradezu (wie der sonst scharfsinnige Mendelssohn that) beide nur als zur Existenz endlicher und abgeleiteter Wesen, aber nicht zu der des unendlichen Urwesens nothwendig gehrige Bedingungen einrumen, sich rechtfertigen wollen, woher sie diese Befugni nehmen, einen solchen Unterschied zu machen, sogar wie sie auch nur dem Widerspruche ausweichen wollen, den sie begehen, wenn sie das Dasein in der Zeit als den endlichen Dingen an sich nothwendig anhngende Bestimmung ansehen, da Gott die Ursache dieses Daseins ist, er aber doch nicht die Ursache der Zeit (oder des Raums) selbst sein kann (weil diese als nothwendige Bedingung a priori dem Dasein der Dinge vorausgesetzt sein mu), seine Causalitt folglich in Ansehung der Existenz dieser Dinge selbst der Zeit nach bedingt sein mu, wobei nun alle die Widersprche gegen die Begriffe seiner Unendlichkeit und Unabhngigkeit unvermeidlich eintreten mssen. Hingegen ist es uns ganz leicht, die Bestimmung der gttlichen Existenz als unabhngig von allen Zeitbedingungen zum Unterschiede von der eines Wesens der Sinnenwelt als die Existenz eines Wesens an sich selbst von der eines Dinges in der Erscheinung zu unterscheiden. Daher, wenn man jene Idealitt der Zeit und des Raums nicht annimmt, nur allein der Spinozism brig bleibt, in welchem Raum und Zeit wesentliche Bestimmungen des Urwesens selbst sind, die von ihm abhngige Dinge aber (also auch wir selbst) nicht Substanzen, sondern blos ihm inhrirende Accidenzen sind : weil, wenn diese Dinge blos als seine Wirkungen in der Zeit existiren, welche die Bedingung ihrer Existenz an sich wre, auch die Handlungen dieser Wesen blos seine Handlungen sein mten, die er irgendwo und irgendwann ausbte. Daher schliet der Spinozism unerachtet der Ungereimtheit seiner Grundidee doch weit bndiger, als es nach der Schpfungstheorie geschehen kann, wenn die fr Substanzen angenommene und an sich in der Zeit existirende Wesen als Wirkungen einer obersten Ursache und doch nicht zugleich zu ihm und seiner Handlung gehrig, sondern fr sich als Substanzen angesehen werden.

Die Auflsung obgedachter Schwierigkeit geschieht kurz und einleuchtend auf folgende Art : Wenn die Existenz in der Zeit eine bloe sinnliche Vorstellungsart der denkenden Wesen in der Welt ist, folglich sie als Dinge an sich selbst nicht angeht : so ist die Schpfung dieser Wesen eine Schpfung der Dinge an sich selbst, weil der Begriff einer Schpfung nicht zu der sinnlichen Vorstellungsart der Existenz und zur Causalitt gehrt, sondern nur auf Noumenen bezogen werden kann. Folglich, wenn ich von Wesen in der Sinnenwelt sage : sie sind erschaffen, so betrachte ich sie so fern als Noumenen. So wie es also ein Widerspruch wre, zu sagen, Gott sei ein Schpfer von Erscheinungen, so ist es auch ein Widerspruch, zu sagen, er sei als Schpfer Ursache der Handlungen in der Sinnenwelt, mithin als Erscheinungen, wenn er gleich Ursache des Daseins der handelnden Wesen (als Noumenen) ist. Ist es nun mglich (wenn wir nur das Dasein in der Zeit fr etwas, was blos von Erscheinungen, nicht von Dingen an sich selbst gilt, annehmen), die Freiheit unbeschadet dem Naturmechanism der Handlungen als Erscheinungen zu behaupten, so kann, da die handelnden Wesen Geschpfe sind, nicht die mindeste nderung hierin machen, weil die Schpfung ihre intelligibele, aber nicht sensibele Existenz betrifft und also nicht als Bestimmungsgrund der Erscheinungen angesehen werden kann ; welches aber ganz anders ausfallen wrde, wenn die Weltwesen als Dinge an sich selbst in der Zeit existirten, da der Schpfer der Substanz zugleich der Urheber des ganzen Maschinenwesens an dieser Substanz sein wrde.

Von so groer Wichtigkeit ist die in der Kritik der reinen speculativen Vernunft verrichtete Absonderung der Zeit (so wie des Raums) von der Existenz der Dinge an sich selbst.

Die hier vorgetragene Auflsung der Schwierigkeit hat aber, wird man sagen, doch viel Schweres in sich und ist einer hellen Darstellung kaum empfnglich. Allein ist denn jede andere, die man versucht hat oder versuchen mag, leichter und falicher ? Eher mchte man sagen, die dogmatischen Lehrer der Metaphysik htten mehr ihre Verschmitztheit als Aufrichtigkeit darin bewiesen, da sie diesen schwierigen Punkt so weit wie mglich aus den Augen brachten, in der Hoffnung, da, wenn sie davon gar nicht sprchen, auch wohl niemand leichtlich an ihn denken wrde. Wenn einer Wissenschaft geholfen werden soll, so mssen alle Schwierigkeiten aufgedeckt und sogar diejenigen aufgesucht werden, die ihr noch so ingeheim im Wege liegen ; denn jede derselben ruft ein Hlfsmittel auf, welches, ohne der Wissenschaft einen Zuwachs, es sei an Umfang, oder an Bestimmtheit, zu verschaffen, nicht gefunden werden kann, wodurch also selbst die Hindernisse Befrderungsmittel der Grndlichkeit der Wissenschaft werden. Dagegen, werden die Schwierigkeiten absichtlich verdeckt, oder blos durch Palliativmittel gehoben, so brechen sie ber kurz oder lang in unheilbare bel aus, welche die Wissenschaft in einem gnzlichen Scepticism zu Grunde richten.

 

***

 

Da es eigentlich der Begriff der Freiheit ist, der unter allen Ideen der reinen speculativen Vernunft allein so groe Erweiterung im Felde des bersinnlichen, wenn gleich nur in Ansehung des praktischen Erkenntnisses verschafft, so frage ich mich : woher denn ihm ausschlieungsweise eine so groe Fruchtbarkeit zu Theil geworden sei, indessen die brigen zwar die leere Stelle fr reine mgliche Verstandeswesen bezeichnen, den Begriff von ihnen aber durch nichts bestimmen knnen. Ich begreife bald, da, da ich nichts ohne Kategorie denken kann, diese auch in der Idee der Vernunft von der Freiheit, mit der ich mich beschftige, zuerst msse aufgesucht werden, welche hier die Kategorie der Causalitt ist, und da, wenn gleich dem Vernunftbegriffe der Freiheit als berschwenglichem Begriffe keine correspondirende Anschauung untergelegt werden kann, dennoch dem Verstandesbegriffe (der Causalitt), fr dessen Synthesis jener das Unbedingte fordert, zuvor eine sinnliche Anschauung gegeben werden msse, dadurch ihm zuerst die objective Realitt gesichert wird. Nun sind alle Kategorien in zwei Classen, die mathematische, welche blos auf die Einheit der Synthesis in der Vorstellung der Objecte, und die dynamische, welche auf die in der Vorstellung der Existenz der Objecte gehen, eingetheilt. Die erstere (die der Gre und der Qualitt) enthalten jederzeit eine Synthesis des Gleichartigen, in welcher das Unbedingte zu dem in der sinnlichen Anschauung gegebenen Bedingten in Raum und Zeit, da es selbst wiederum zum Raume und der Zeit gehren und also immer wiederum bedingt sein mte, gar nicht kann gefunden werden ; daher auch in der Dialektik der reinen theoretischen Vernunft die einander entgegengesetzte Arten, das Unbedingte und die Totalitt der Bedingungen fr sie zu finden, beide falsch waren. Die Kategorien der zweiten Classe (die der Causalitt und der Nothwendigkeit eines Dinges) erforderten diese Gleichartigkeit (des Bedingten und der Bedingung in der Synthesis) gar nicht, weil hier nicht die Anschauung, wie sie aus einem Mannigfaltigen in ihr zusammengesetzt, sondern nur wie die Existenz des ihr correspondirenden bedingten Gegenstandes zu der Existenz der Bedingung (im Verstande als damit verknpft) hinzukomme, vorgestellt werden sollte, und da war es erlaubt, zu dem durchgngig Bedingten in der Sinnenwelt (sowohl in Ansehung der Causalitt als des zuflligen Daseins der Dinge selbst) das Unbedingte, obzwar brigens unbestimmt, in der intelligibelen Welt zu setzen und die Synthesis transscendent zu machen ; daher denn auch in der Dialektik der reinen speculativen Vernunft sich fand, da beide dem Scheine nach einander entgegengesetzte Arten das Unbedingte zum Bedingten zu finden, z.B. in der Synthesis der Causalitt zum Bedingten in der Reihe der Ursachen und Wirkungen der Sinnenwelt der Causalitt, die weiter nicht sinnlich bedingt ist, zu denken, sich in der That nicht widerspreche, und da dieselbe Handlung, die, als zur Sinnenwelt gehrig, jederzeit sinnlich bedingt, d.i. mechanisch nothwendig ist, doch zugleich auch, als zur Causalitt des handelnden Wesens, so fern es zur intelligibelen Welt gehrig ist, eine sinnlich unbedingte Causalitt zum Grunde haben, mithin als frei gedacht werden knne. Nun kam es blos darauf an, da dieses Knnen in ein Sein verwandelt wrde, d.i., da man in einem wirklichen Falle gleichsam durch ein Factum beweisen knne : da gewisse Handlungen eine solche Causalitt (die intellectuelle, sinnlich unbedingte) voraussetzen, sie mgen nun wirklich, oder auch nur geboten, d.i. objectiv praktisch nothwendig sein. An wirklich in der Erfahrung gegebenen Handlungen, als Begebenheiten der Sinnenwelt, konnten wir diese Verknpfung nicht anzutreffen hoffen, weil die Causalitt durch Freiheit immer auer der Sinnenwelt im Intelligibelen gesucht werden mu.

Andere Dinge auer den Sinnenwesen sind uns aber zur Wahrnehmung und Beobachtung nicht gegeben. Also blieb nichts brig, als da etwa ein unwidersprechlicher und zwar objectiver Grundsatz der Causalitt, welcher alle sinnliche Bedingung von ihrer Bestimmung ausschliet, d.i. ein Grundsatz, in welchem die Vernunft sich nicht weiter auf etwas Anderes als Bestimmungsgrund in Ansehung der Causalitt beruft, sondern den sie durch jenen Grundsatz schon selbst enthlt, und wo sie also als reine Vernunft selbst praktisch ist, gefunden werde. Dieser Grundsatz aber bedarf keines Suchens und keiner Erfindung ; er ist lngst in aller Menschen Vernunft gewesen und ihrem Wesen einverleibt und ist der Grundsatz der Sittlichkeit. Also ist jene unbedingte Causalitt und das Vermgen derselben, die Freiheit, mit dieser aber ein Wesen (ich selber), welches zur Sinnenwelt gehrt, doch zugleich als zur intelligibelen gehrig nicht blos unbestimmt und problematisch gedacht (welches schon die speculative Vernunft als thunlich ausmitteln konnte), sondern sogar in Ansehung des Gesetzes ihrer Causalitt bestimmt und assertorisch erkannt und so uns die Wirklichkeit der intelligibelen Welt, und zwar in praktischer Rcksicht bestimmt, gegeben worden, und diese Bestimmung, die in theoretischer Absicht transscendent (berschwenglich) sein wrde, ist in praktischer immanent. Dergleichen Schritt aber konnten wir in Ansehung der zweiten dynamischen Idee, nmlich der eines nothwendigen Wesens, nicht thun. Wir konnten zu ihm aus der Sinnenwelt ohne Vermittelung der ersteren dynamischen Idee nicht hinauf kommen. Denn wollten wir es versuchen, so mten wir den Sprung gewagt haben, alles das, was uns gegeben ist, zu verlassen und uns zu dem hinzuschwingen, wovon uns auch nichts gegeben ist, wodurch wir die Verknpfung eines solchen intelligibelen Wesens mit der Sinnenwelt vermitteln knnten (weil das nothwendige Wesen als auer uns gegeben erkannt werden sollte) ; welches dagegen in Ansehung unseres eignen Subjects, so fern es sich durchs moralische Gesetz einerseits als intelligibeles Wesen (vermge der Freiheit) bestimmt, andererseits als nach dieser Bestimmung in der Sinnenwelt thtig selbst erkennt, wie jetzt der Augenschein darthut, ganz wohl mglich ist. Der einzige Begriff der Freiheit verstattet es, da wir nicht auer uns hinausgehen drfen, um das Unbedingte und Intelligibele zu dem Bedingten und Sinnlichen zu finden. Denn es ist unsere Vernunft selber, die sich durchs hchste und unbedingte praktische Gesetz und das Wesen, das sich dieses Gesetz bewut ist, (unsere eigene Person) als zur reinen Verstandeswelt gehrig und zwar sogar mit Bestimmung der Art, wie es als ein solches thtig sein knne, erkennt. So lt es sich begreifen, warum in dem ganzen Vernunftvermgen nur das Praktische dasjenige sein knne, welches uns ber die Sinnenwelt hinaushilft und Erkenntnisse von einer bersinnlichen Ordnung und Verknpfung verschaffe, die aber eben darum freilich nur so weit, als es gerade fr die reine praktische Absicht nthig ist, ausgedehnt werden knnen.

Nur auf Eines sei es mir erlaubt bei dieser Gelegenheit noch aufmerksam zu machen, nmlich da jeder Schritt, den man mit der reinen Vernunft thut, sogar im praktischen Felde, wo man auf subtile Speculation gar nicht Rcksicht nimmt, dennoch sich so genau und zwar von selbst an alle Momente der Kritik der theoretischen Vernunft anschliee, als ob jeder mit berlegter Vorsicht, blos um dieser Besttigung zu verschaffen, ausgedacht wre. Eine solche auf keinerlei Weise gesuchte, sondern (wie man sich selbst davon berzeugen kann, wenn man nur die moralischen Nachforschungen bis zu ihren Principien fortsetzen will) sich von selbst findende genaue Eintreffung der wichtigsten Stze der praktischen Vernunft mit den oft zu subtil und unnthig scheinenden Bemerkungen der Kritik der speculativen berrascht und setzt in Verwunderung und bestrkt die schon von andern erkannte und gepriesene Maxime, in jeder wissenschaftlichen Untersuchung mit aller mglichen Genauigkeit und Offenheit seinen Gang ungestrt fortzusetzen, ohne sich an das zu kehren, wowider sie auer ihrem Felde etwa verstoen mchte, sondern sie fr sich allein so viel man kann, wahr und vollstndig zu vollfhren. ftere Beobachtung hat mich berzeugt, da, wenn man dieses Geschfte zu Ende gebracht hat, das, was in der Hlfte desselben in Betracht anderer Lehren auerhalb mir bisweilen sehr bedenklich schien, wenn ich diese Bedenklichkeit nur so lange aus den Augen lie und blos auf mein Geschft Acht hatte, bis es vollendet sei, endlich auf unerwartete Weise mit demjenigen vollkommen zusammenstimmte, was sich ohne die mindeste Rcksicht auf jene Lehren, ohne Parteilichkeit und Vorliebe fr dieselbe von selbst gefunden hatte. Schriftsteller wrden sich manche Irrthmer, manche verlorne Mhe (weil sie auf Blendwerk gestellt war) ersparen, wenn sie sich nur entschlieen knnten, mit etwas mehr Offenheit zu Werke zu gehen.

 

 

 

Zweites Buch

Dialektik der reinen praktischen Vernunft

 

 

Erstes Hauptstck

Von einer Dialektik der reinen praktischen Vernunft berhaupt

 

Die reine Vernunft hat jederzeit ihre Dialektik, man mag sie in ihrem speculativen oder praktischen Gebrauche betrachten ; denn sie verlangt die absolute Totalitt der Bedingungen zu einem gegebenen Bedingten, und diese kann schlechterdings nur in Dingen an sich selbst angetroffen werden. Da aber alle Begriffe der Dinge auf Anschauungen bezogen werden mssen, welche bei uns Menschen niemals anders als sinnlich sein knnen, mithin die Gegenstnde nicht als Dinge an sich selbst, sondern blo als Erscheinungen erkennen lassen, in deren Reihe des Bedingten und der Bedingungen das Unbedingte niemals angetroffen werden kann, so entspringt ein unvermeidlicher Schein aus der Anwendung dieser Vernunftidee der Totalitt der Bedingungen (mithin des Unbedingten) auf Erscheinungen, als wren sie Sachen an sich selbst (denn dafr werden sie in Ermangelung einer warnenden Kritik jederzeit gehalten), der aber niemals als trglich bemerkt werden wrde, wenn er sich nicht durch einen Widerstreit der Vernunft mit sich selbst in der Anwendung ihres Grundsatzes, das Unbedingte zu allem Bedingten vorauszusetzen, auf Erscheinungen selbst verriethe. Hiedurch wird aber die Vernunft genthigt, diesem Scheine nachzuspren, woraus er entspringe, und wie er gehoben werden knne, welches nicht anders als durch eine vollstndige Kritik des ganzen reinen Vernunftvermgens geschehen kann ; so da die Antinomie der reinen Vernunft, die in ihrer Dialektik offenbar wird, in der That die wohlthtigste Verirrung ist, in die die menschliche Vernunft je hat gerathen knnen, indem sie uns zuletzt antreibt, den Schlssel zu suchen, aus diesem Labyrinthe herauszukommen, der, wenn er gefunden worden, noch das entdeckt, was man nicht suchte und doch bedarf, nmlich eine Aussicht in eine hhere, unvernderliche Ordnung der Dinge, in der wir schon jetzt sind, und in der unser Dasein der hchsten Vernunftbestimmung gem fortzusetzen, wir durch bestimmte Vorschriften nunmehr angewiesen werden knnen.

Wie im speculativen Gebrauche der reinen Vernunft jene natrliche Dialektik aufzulsen und der Irrthum aus einem brigens natrlichen Scheine zu verhten sei, kann man in der Kritik jenes Vermgens ausfhrlich antreffen. Aber der Vernunft in ihrem praktischen Gebrauche geht es um nichts besser. Sie sucht als reine praktische Vernunft zu dem praktisch Bedingten (was auf Neigungen und Naturbedrfni beruht) ebenfalls das Unbedingte, und zwar nicht als Bestimmungsgrund des Willens, sondern, wenn dieser auch (im moralischen Gesetze) gegeben worden, die unbedingte Totalitt des Gegenstandes der reinen praktischen Vernunft, unter dem Namen des hchsten Guts.

Diese Idee praktisch, d.i. fr die Maxime unseres vernnftigen Verhaltens, hinreichend zu bestimmen, ist die Weisheitslehre, und diese wiederum als Wissenschaft ist Philosophie in der Bedeutung, wie die Alten das Wort verstanden, bei denen sie eine Anweisung zu dem Begriffe war, worin das hchste Gut zu setzen, und zum Verhalten, durch welches es zu erwerben sei. Es wre gut, wenn wir dieses Wort bei seiner alten Bedeutung lieen, als eine Lehre vom hchsten Gut, so fern die Vernunft bestrebt ist, es darin zur Wissenschaft zu bringen. Denn einestheils wrde die angehngte einschrnkende Bedingung dem griechischen Ausdrucke (welcher Liebe zur Weisheit bedeutet) angemessen und doch zugleich hinreichend sein, die Liebe zur Wissenschaft, mithin aller speculativen Erkenntni der Vernunft, so fern sie ihr sowohl zu jenem Begriffe, als auch dem praktischen Bestimmungsgrunde dienlich ist, unter dem Namen der Philosophie mit zu befassen, und doch den Hauptzweck, um dessentwillen sie allein Weisheitslehre genannt werden kann, nicht aus den Augen verlieren lassen. Anderen Theils wrde es auch nicht bel sein, den Eigendnkel desjenigen, der es wagte sich des Titels eines Philosophen selbst anzumaen, abzuschrecken, wenn man ihm schon durch die Definition den Mastab der Selbstschtzung vorhielte, der seine Ansprche sehr herabstimmen wird ; denn ein Weisheitslehrer zu sein, mchte wohl etwas mehr als einen Schler bedeuten, der noch immer nicht weit genug gekommen ist, um sich selbst, vielweniger um andere mit sicherer Erwartung eines so hohen Zwecks zu leiten ; es wrde einen Meister in Kenntni der Weisheit bedeuten, welches mehr sagen will, als ein bescheidener Mann sich selber anmaen wird, und Philosophie wrde so wie die Weisheit selbst noch immer ein Ideal bleiben, welches objectiv in der Vernunft allein vollstndig vorgestellt wird, subjectiv aber, fr die Person, nur das Ziel seiner unaufhrlichen Bestrebung ist, und in dessen Besitz unter dem angematen Namen eines Philosophen zu sein, nur der vorzugeben berechtigt ist, der auch die unfehlbare Wirkung derselben (in Beherrschung seiner selbst und dem ungezweifelten Interesse, das er vorzglich am allgemeinen Guten nimmt) an seiner Person als Beispiele aufstellen kann, welches die Alten auch forderten, um jenen Ehrennamen verdienen zu knnen.

In Ansehung der Dialektik der reinen praktischen Vernunft, im Punkte der Bestimmung des Begriffs vom hchsten Gute (welche, wenn ihre Auflsung gelingt, eben sowohl als die der theoretischen die wohlthtigste Wirkung erwarten lt, dadurch da die aufrichtig angestellte und nicht verhehlte Widersprche der reinen praktischen Vernunft mit ihr selbst zur vollstndigen Kritik ihres eigenen Vermgens nthigen), haben wir nur noch eine Erinnerung voranzuschicken.

Das moralische Gesetz ist der alleinige Bestimmungsgrund des reinen Willens. Da dieses aber blos formal ist (nmlich allein die Form der Maxime als allgemein gesetzgebend fordert), so abstrahirt es als Bestimmungsgrund von aller Materie, mithin von allem Objecte des Wollens. Mithin mag das hchste Gut immer der ganze Gegenstand einer reinen praktischen Vernunft, d.i. eines reinen Willens, sein, so ist es darum doch nicht fr den Bestimmungsgrund desselben zu halten, und das moralische Gesetz mu allein als der Grund angesehen werden, jenes und dessen Bewirkung oder Befrderung sich zum Objecte zu machen. Diese Erinnerung ist in einem so delicaten Falle, als die Bestimmung sittlicher Principien ist, wo auch die kleinste Mideutung Gesinnungen verflscht, von Erheblichkeit. Denn man wird aus dr Analytik ersehen haben, da, wenn man vor dem moralischen Gesetze irgend ein Object unter dem Namen eines Guten als Bestimmungsgrund des Willens annimmt und von ihm dann das oberste praktische Princip ableitet, dieses alsdann jederzeit Heteronomie herbeibringen und das moralische Princip verdrngen wrde.

Es versteht sich aber von selbst, da, wenn im Begriffe des hchsten Guts das moralische Gesetz als oberste Bedingung schon mit eingeschlossen ist, alsdann das hchste Gut nicht blos Object, sondern auch sein Begriff und die Vorstellung der durch unsere praktische Vernunft mglichen Existenz desselben zugleich der Bestimmungsgrund des reinen Willens sei : weil alsdann in der That das in diesem Begriffe schon eingeschlossene und mitgedachte moralische Gesetz und kein anderer Gegenstand nach dem Princip der Autonomie den Willen bestimmt. Diese Ordnung der Begriffe von der Willensbestimmung darf nicht aus den Augen gelassen werden : weil man sonst sich selbst miversteht und sich zu widersprechen glaubt, wo doch alles in der vollkommensten Harmonie neben einander steht.

 

 

Zweites Hauptstck

Von der Dialektik der reinen Vernunft in Bestimmung des Begriffs vom hchsten Gut

 

Der Begriff des Hchsten enthlt schon eine Zweideutigkeit, die, wenn man darauf nicht Acht hat, unnthige Streitigkeiten veranlassen kann. Das Hchste kann das Oberste (supremum) oder auch das Vollendete (consummatum) bedeuten. Das erstere ist diejenige Bedingung, die selbst unbedingt, d.i. keiner andern untergeordnet, ist (originarium) ; das zweite dasjenige Ganze, das kein Theil eines noch greren Ganzen von derselben Art ist (perfectissimum). Da Tugend (als die Wrdigkeit glcklich zu sein) die oberste Bedingung alles dessen, was uns nur wnschenswerth scheinen mag, mithin auch aller unserer Bewerbung um Glckseligkeit, mithin das oberste Gut sei, ist in der Analytik bewiesen worden. Darum ist sie aber noch nicht das ganze und vollendete Gut, als Gegenstand des Begehrungsvermgens vernnftiger endlicher Wesen ; denn um das zu sein, wird auch Glckseligkeit dazu erfordert und zwar nicht blos in den parteiischen Augen der Person, die sich selbst zum Zwecke macht, sondern selbst im Urtheile einer unparteiischen Vernunft, die jene berhaupt in der Welt als Zweck an sich betrachtet. Denn der Glckseligkeit bedrftig, ihrer auch wrdig, dennoch aber derselben nicht theilhaftig zu sein, kann mit dem vollkommenen Wollen eines vernnftigen Wesens, welches zugleich alle Gewalt htte, wenn wir uns auch nur ein solches zum Versuche denken, gar nicht zusammen bestehen. So fern nun Tugend und Glckseligkeit zusammen den Besitz des hchsten Guts in einer Person, hiebei aber auch Glckseligkeit, ganz genau in Proportion der Sittlichkeit (als Werth der Person und deren Wrdigkeit glcklich zu sein) ausgetheilt, das hchste Gut einer mglichen Welt ausmachen : so bedeutet dieses das Ganze, das vollendete Gute, worin doch Tugend immer als Bedingung das oberste Gut ist, weil es weiter keine Bedingung ber sich hat, Glckseligkeit immer etwas, was dem, der sie besitzt, zwar angenehm, aber nicht fr sich allein schlechterdings und in aller Rcksicht gut ist, sondern jederzeit das moralische gesetzmige Verhalten als Bedingung voraussetzt.

Zwei in einem Begriffe nothwendig verbundene Bestimmungen mssen als Grund und Folge verknpft sein, und zwar entweder so, da diese Einheit als analytisch (logische Verknpfung) oder als synthetisch (reale Verbindung), jene nach dem Gesetze der Identitt, diese der Causalitt betrachtet wird. Die Verknpfung der Tugend mit der Glckseligkeit kann also entweder so verstanden werden, da die Bestrebung tugendhaft zu sein und die vernnftige Bewerbung um Glckseligkeit nicht zwei verschiedene, sondern ganz identische Handlungen wren, da denn der ersteren keine andere Maxime, als zu der letztern zum Grunde gelegt zu werden brauchte : oder jene Verknpfung wird darauf ausgesetzt, da Tugend die Glckseligkeit als etwas von dem Bewutsein der ersteren Unterschiedenes, wie die Ursache eine Wirkung, hervorbringe.

Von den alten griechischen Schulen waren eigentlich nur zwei, die in Bestimmung des Begriffs vom hchsten Gute so fern zwar einerlei Methode befolgten, da sie Tugend und Glckseligkeit nicht als zwei verschiedene Elemente des hchsten Guts gelten lieen, mithin die Einheit des Princips nach der Regel der Identitt suchten ; aber darin schieden sie sich wiederum, da sie unter beiden den Grundbegriff verschiedentlich whlten. Der Epikureer sagte : sich seiner auf Glckseligkeit fhrenden Maxime bewut sein, das ist Tugend ; der Stoiker : sich seiner Tugend bewut sein, ist Glckseligkeit. Dem ersteren war Klugheit so viel als Sittlichkeit ; dem zweiten, der eine hhere Benennung fr die Tugend whlte, war Sittlichkeit allein wahre Weisheit.

Man mu bedauren, da die Scharfsinnigkeit dieser Mnner (die man doch zugleich darber bewundern mu, da sie in so frhen Zeiten schon alle erdenkliche Wege philosophischer Eroberungen versuchten) unglcklich angewandt war, zwischen uerst ungleichartigen Begriffen, dem der Glckseligkeit und dem der Tugend, Identitt zu ergrbeln. Allein es war dem dialektischen Geiste ihrer Zeiten angemessen, was auch jetzt bisweilen subtile Kpfe verleitet, wesentliche und nie zu vereinigende Unterschiede in Principien dadurch aufzuheben, da man sie in Wortstreit zu verwandeln sucht und so dem Scheine nach Einheit des Begriffs blos unter verschiedenen Benennungen erknstelt, und dieses trifft gemeiniglich solche Flle, wo die Vereinigung ungleichartiger Grnde so tief oder hoch liegt, oder eine so gnzliche Umnderung der sonst im philosophischen System angenommenen Lehren erfordern wrde, da man Scheu trgt sich in den realen Unterschied tief einzulassen und ihn lieber als Uneinigkeit in bloen Formalien zu behandeln.

Indem beide Schulen Einerleiheit der praktischen Principien der Tugend und Glckseligkeit zu ergrbeln suchten, so waren sie darum nicht unter sich einhellig, wie sie diese Identitt herauszwingen wollten, sondern schieden sich in unendliche Weiten von einander, indem die eine ihr Princip auf der sthetischen, die andere auf der logischen Seite, jene im Bewutsein des sinnlichen Bedrfnisses, die andere in der Unabhngigkeit der praktischen Vernunft von allen sinnlichen Bestimmungsgrnden setzte. Der Begriff der Tugend lag nach dem Epikureer schon in der Maxime seine eigene Glckseligkeit zu befrdern ; das Gefhl der Glckseligkeit war dagegen nach dem Stoiker schon im Bewutsein seiner Tugend enthalten. Was aber in einem andern Begriffe enthalten ist, ist zwar mit einem Theile des Enthaltenden, aber nicht mit dem Ganzen einerlei, und zwei Ganze knnen berdem specifisch von einander unterschieden sein, ob sie zwar aus eben demselben Stoffe bestehen, wenn nmlich die Theile in beiden auf ganz verschiedene Art zu einem Ganzen verbunden werden. Der Stoiker behauptete, Tugend sei das ganze hchste Gut und Glckseligkeit nur das Bewutsein des Besitzes derselben als zum Zustand des Subjects gehrig. Der Epikureer behauptete, Glckseligkeit sei das ganze hchste Gut und Tugend nur die Form der Maxime sich um sie zu bewerben, nmlich im vernnftigen Gebrauche der Mittel zu derselben.

Nun ist aber aus der Analytik klar, da die Maximen der Tugend und die der eigenen Glckseligkeit in Ansehung ihres obersten praktischen Princips ganz ungleichartig sind und, weit gefehlt, einhellig zu sein, ob sie gleich zu einem hchsten Guten gehren, um das letztere mglich zu machen, einander in demselben Subjecte gar sehr einschrnken und Abbruch thun. Also bleibt die Frage : wie ist das hchste Gut praktisch mglich ? noch immer unerachtet aller bisherigen Coalitionsversuche eine unaufgelsete Aufgabe. Das aber, was sie zu einer schwer zu lsenden Aufgabe macht, ist in der Analytik gegeben, nmlich da Glckseligkeit und Sittlichkeit zwei specifisch ganz verschiedene Elemente des hchsten Guts sind, und ihre Verbindung also nicht analytisch erkannt werden knne (da etwa der, so seine Glckseligkeit sucht, in diesem seinem Verhalten sich durch bloe Auflsung seiner Begriffe tugendhaft, oder der, so der Tugend folgt, sich im Bewutsein eines solchen Verhaltens schon ipso facto glcklich finden werde), sondern eine Synthesis der Begriffe sei. Weil aber diese Verbindung als a priori, mithin praktisch nothwendig, folglich nicht als aus der Erfahrung abgeleitet erkannt wird, und die Mglichkeit des hchsten Guts also auf keinen empirischen Principien beruht, so wird die Deduction dieses Begriffs transscendental sein mssen. Es ist a priori (moralisch) nothwendig, das hchste Gut durch Freiheit des Willens hervorzubringen ; es mu also auch die Bedingung der Mglichkeit desselben lediglich auf Erkenntnigrnden a priori beruhen.

 

I.

Die Antinomie der praktischen Vernunft

In dem hchsten fr uns praktischen, d.i. durch unsern Willen wirklich zu machenden, Gute werden Tugend und Glckseligkeit als nothwendig verbunden gedacht, so da das eine durch reine praktische Vernunft nicht angenommen werden kann, ohne da das andere auch zu ihm gehre. Nun ist diese Verbindung (wie eine jede berhaupt) entweder analytisch, oder synthetisch. Da diese gegebene aber nicht analytisch sein kann, wie nur eben vorher gezeigt worden, so mu sie synthetisch und zwar als Verknpfung der Ursache mit der Wirkung gedacht werden : weil sie ein praktisches Gut, d.i. was durch Handlung mglich ist, betrifft. Es mu also entweder die Begierde nach Glckseligkeit die Bewegursache zu Maximen der Tugend, oder die Maxime der Tugend mu die wirkende Ursache der Glckseligkeit sein. Das erste ist schlechterdings unmglich : weil (wie in der Analytik bewiesen worden) Maximen, die den Bestimmungsgrund des Willens in dem Verlangen nach seiner Glckseligkeit setzen, gar nicht moralisch sind und keine Tugend grnden knnen. Das zweite ist aber auch unmglich, weil alle praktische Verknpfung der Ursachen und der Wirkungen in der Welt als Erfolg der Willensbestimmung sich nicht nach moralischen Gesinnungen des Willens, sondern der Kenntni der Naturgesetze und dem physischen Vrmgen, sie zu seinen Absichten zu gebrauchen, richtet, folglich keine nothwendige und zum hchsten Gut zureichende Verknpfung der Glckseligkeit mit der Tugend in der Welt durch die pnktlichste Beobachtung der moralischen Gesetze erwartet werden kann. Da nun die Befrderung des hchsten Guts, welches diese Verknpfung in seinem Begriffe enthlt, ein a priori nothwendiges Object unseres Willens ist und mit dem moralischen Gesetze unzertrennlich zusammenhngt, so mu die Unmglichkeit des ersteren auch die Falschheit des zweiten beweisen. Ist also das hchste Gut nach praktischen Regeln unmglich, so mu auch das moralische Gesetz, welches gebietet dasselbe zu befrdern, phantrastisch und auf leere eingebildete Zwecke gestellt, mithin an sich falsch sein.

 

II.

Kritische Aufhebung der Antinomie der praktischen Vernunft

In der Antinomie der reinen speculativen Vernunft findet sich ein hnlicher Widerstreit zwischen Naturnothwendigkeit und Freiheit in der Causalitt der Begebenheiten in der Welt. Er wurde dadurch gehoben, da bewiesen wurde, es sei kein wahrer Widerstreit, wenn man die Begebenheiten und selbst die Welt, darin sie sich ereignen, (wie man auch soll) nur als Erscheinungen betrachtet ; da ein und dasselbe handelnde Wesen als Erscheinung (selbst vor seinem eignen innern Sinne) eine Causalitt in der Sinnenwelt hat, die jederzeit dem Naturmechanism gem ist, in Ansehung derselben Begebenheit aber, so fern sich die handelnde Person zugleich als Noumenon betrachtet (als reine Intelligenz, in seinem nicht der Zeit nach bestimmbaren Dasein), einen Bestimmungsgrund jener Causalitt nach Naturgesetzen, der selbst von allem Naturgesetze frei ist, enthalten knne.

Mit der vorliegenden Antinomie der reinen praktischen Vernunft ist es nun eben so bewandt. Der erste von den zwei Stzen, da das Bestreben nach Glckseligkeit einen Grund tugendhafter Gesinnung hervorbringe, ist schlechterdings falsch ; der zweite aber, da Tugendgesinnung nothwendig Glckseligkeit hervorbringe, ist nicht schlechterdings, sondern nur so fern sie als die Form der Causalitt in der Sinnenwelt betrachtet wird, und mithin, wenn ich das Dasein in derselben fr die einzige Art der Existenz des vernnftigen Wesens annehme, also nur bedingter Weise falsch. Da ich aber nicht allein befugt bin, mein Dasein auch als Noumenon in einer Verstandeswelt zu denken, sondern sogar am moralischen Gesetze einen rein intellectuellen Bestimmungsgrund meiner Causalitt (in der Sinnenwelt) habe, so ist es nicht unmglich, da die Sittlichkeit der Gesinnung einen, wo nicht unmittelbaren, doch mittelbaren (vermittelst eines intelligibelen Urhebers der Natur) und zwar nothwendigen Zusammenhang als Ursache mit der Glckseligkeit als Wirkung in der Sinnenwelt habe, welche Verbindung in einer Natur, die blos Object der Sinne ist, niemals anders als zufllig stattfinden und zum hchsten Gut nicht zulangen kann.

Also ist unerachtet dieses scheinbaren Widerstreits einer praktischen Vernunft mit sich selbst das hchste Gut der nothwendige hchste Zweck eines moralisch bestimmten Willens, ein wahres Object derselben ; denn es ist praktisch mglich, und die Maximen des letzteren, die sich darauf ihrer Materie nach beziehen, haben objective Realitt, welche anfnglich durch jene Antinomie in Verbindung der Sittlichkeit mit Glckseligkeit nach einem allgemeinen Gesetze getroffen wurde, aber aus bloem Miverstande, weil man das Verhltni zwischen Erscheinungen fr ein Verhltni der Dinge an sich selbst zu diesen Erscheinungen hielt.

Wenn wir uns genthigt sehen, die Mglichkeit des hchsten Guts, dieses durch die Vernunft allen vernnftigen Wesen ausgesteckten Ziels aller ihrer moralischen Wnsche, in solcher Weite, nmlich in der Verknpfung mit einer intelligibelen Welt, zu suchen, so mu es befremden, da gleichwohl die Philosophen alter sowohl als neuer Zeiten die Glckseligkeit mit der Tugend in ganz geziemender Proportion schon in diesem Leben (in der Sinnenwelt) haben finden, oder sich ihrer bewut zu sein haben berreden knnen. Denn Epikur sowohl, als die Stoiker erhoben die Glckseligkeit, die aus dem Bewutsein der Tugend im Leben entspringe, ber alles, und der erstere war in seinen praktischen Vorschriften nicht so niedrig gesinnt, als man aus den Principien seiner Theorie, die er zum Erklren, nicht zum Handeln brauchte, schlieen mchte, oder wie sie viele, durch den Ausdruck Wollust fr Zufriedenheit verleitet, ausdeuteten, sondern rechnete die uneigenntzigste Ausbung des Guten mit zu den Genuarten der innigsten Freude, und die Gngsamkeit und Bndigung der Neigungen, so wie sie immer der strengste Moralphilosoph fordern mag, gehrte mit zu seinem Plane eines Vergngens (er verstand darunter das stets frhliche Herz) ; wobei er von den Stoikern vornehmlich nur darin abwich, da er in diesem Vergngen den Bewegungsgrund setzte, welches die letztern, und zwar mit Recht, verweigerten. Denn einestheils fiel der tugendhafte Epikur, so wie noch jetzt viele moralisch wohlgesinnte, obgleich ber ihre Principien nicht tief genug nachdenkende Mnner, in den Fehler, die tugendhafte Gesinnung in den Personen schon vorauszusetzen, fr die er die Triebfeder zur Tugend zuerst angeben wollte (und in der That kann der Rechtschaffene sich nicht glcklich finden, wenn er sich nicht zuvor seiner Rechtschaffenheit bewut ist : weil bei jener Gesinnung die Verweise, die er bei bertretungen sich selbst zu machen durch seine eigene Denkungsart genthigt sein wrde, und die moralische Selbstverdammung ihn alles Genusses der Annehmlichkeit, die sonst sein Zustand enthalten mag, berauben wrden). Allein die Frage ist : wodurch wird eine solche Gesinnung und Denkungsart, den Werth seines Daseins zu schtzen, zuerst mglich, da vor derselben noch gar kein Gefhl fr einen moralischen Werth berhaupt im Subjecte angetroffen werden wrde ? Der Mensch wird, wenn er tugendhaft ist, freilich, ohne sich in jeder Handlung seiner Rechtschaffenheit bewut zu sein, des Lebens nicht froh werden, so gnstig ihm auch das Glck im physischen Zustande desselben sein mag ; aber um ihn allererst tugendhaft zu machen, mithin ehe er noch den moralischen Werth seiner Existenz so hoch anschlgt, kann man ihm da wohl die Seelenruhe anpreisen, die aus dem Bewutsein einer Rechtschaffenheit entspringen werde, fr die er doch keinen Sinn hat ?

Andrerseits aber liegt hier immer der Grund zu einem Fehler des Erschleichens (vitium subreptionis) und gleichsam einer optischen Illusion in dem Selbstbewutsein dessen, was man thut, zum Unterschiede dessen, was man empfindet, die auch der Versuchteste nicht vllig vermeiden kann. Die moralische Gesinnung ist mit einem Bewutsein der Bestimmung des Willens unmittelbar durchs Gesetz nothwendig verbunden. Nun ist das Bewutsein einer Bestimmung des Begehrungsvermgens immer der Grund eines Wohlgefallens an der Handlung, die dadurch hervorgebracht wird ; aber diese Lust, dieses Wohlgefallen an sich selbst, ist nicht der Bestimmungsgrund der Handlung, sondern die Bestimmung des Willens unmittelbar, blos durch die Vernunft, ist der Grund des Gefhls der Lust, und jene bleibt eine reine praktische, nicht sthetische Bestimmung des Begehrungsvermgens. Da diese Bestimmung nun innerlich gerade dieselbe Wirkung eines Antriebs zur Thtigkeit thut, als ein Gefhl der Annehmlichkeit, die aus der begehrten Handlung erwartet wird, wrde gethan haben, so sehen wir das, was wir selbst thun, leichtlich fr etwas an, was wir blos leidentlich fhlen, und nehmen die moralische Triebfeder fr sinnlichen Antrieb, wie das allemal in der sogenannten Tuschung der Sinne (hier des innern) zu geschehen pflegt. Es ist etwas sehr Erhabenes in der menschlichen Natur, unmittelbar durch ein reines Vernunftgesetz zu Handlungen bestimmt zu werden, und sogar die Tuschung, das Subjective dieser intellectuellen Bestimmbarkeit des Willens fr etwas sthetisches und Wirkung eines besondern sinnlichen Gefhls (denn ein intellectuelles wre ein Widerspruch) zu halten. Es ist auch von groer Wichtigkeit, auf diese Eigenschaft unserer Persnlichkeit aufmerksam zu machen und die Wirkung der Vernunft auf dieses Gefhl bestmglichst zu cultiviren. Aber man mu sich auch in Acht nehmen, durch unchte Hochpreisungen dieses moralischen Bestimmungsgrundes als Triebfeder, indem man ihm Gefhle besonderer Freuden als Grnde (die doch nur Folgen sind) unterlegt, die eigentliche, chte Triebfeder, das Gesetz selbst, gleichsam wie durch eine falsche Folie herabzusetzen und zu verunstalten. Achtung und nicht Vergngen oder Genu der Glckseligkeit ist also etwas, wofr kein der Vernunft zum Grunde gelegtes, vorhergehendes Gefhl (weil dieses jederzeit sthetisch und pathologisch sein wrde) mglich ist, als Bewutsein der unmittelbaren Nthigung des Willens durch Gesetz, ist kaum ein Analogon des Gefhls der Lust, indem es im Verhltnisse zum Begehrungsvermgen gerade eben dasselbe, aber aus andern Quellen thut ; durch diese Vorstellungsart aber kann man allein erreichen, was man sucht, nmlich da Handlungen nicht blos pflichtmig (angenehmen Gefhlen zu Folge), sondern aus Pflicht geschehen, welches der wahre Zweck aller moralischen Bildung sein mu.

Hat man aber nicht ein Wort, welches nicht einen Genu, wie das der Glckseligkeit, bezeichnete, aber doch ein Wohlgefallen an seiner Existenz, ein Analogon der Glckseligkeit, welche das Bewutsein der Tugend nothwendig begleiten mu, anzeigte ? Ja ! dieses Wort ist Selbstzufriedenheit, welches in seiner eigentlichen Bedeutung jederzeit nur ein negatives Wohlgefallen an seiner Existenz andeutet, in welchem man nichts zu bedrfen sich bewut ist. Freiheit und das Bewutsein derselben als eines Vermgens, mit berwiegender Gesinnung das moralische Gesetz zu befolgen, ist Unabhngigkeit von Neigungen, wenigstens als bestimmenden (wenn gleich nicht als afficirenden) Bewegursachen unseres Begehrens, und, so fern als ich mir derselben in der Befolgung meiner moralischen Maximen bewut bin, der einzige Quell einer nothwendig damit verbundenen, auf keinem besonderen Gefhle beruhenden, unvernderlichen Zufriedenheit, und diese kann intellectuell heien. Die sthetische (die uneigentlich so genannt wird), welche auf der Befriedigung der Neigungen, so fein sie auch immer ausgeklgelt werden mgen, beruht, kann niemals dem, was man sich darber denkt, adquat sein. Denn die Neigungen wechseln, wachsen mit der Begnstigung, die man ihnen widerfahren lt, und lassen immer ein noch greres Leeres brig, als man auszufllen gedacht hat. Daher sind sie einem vernnftigen Wesen jederzeit lstig, und wenn es sie gleich nicht abzulegen vermag, so nthigen sie ihm doch den Wunsch ab, ihrer entledigt zu sein. Selbst eine Neigung zum Pflichtmigen (z.B. zur Wohlthtigkeit) kann zwar die Wirksamkeit der moralischen Maximen sehr erleichtern, aber keine hervorbringen. Denn alles mu in dieser auf der Vorstellung des Gesetzes als Bestimmungsgrunde angelegt sein, wenn die Handlung nicht blos Legalitt, sondern auch Moralitt enthalten soll. Neigung ist blind und knechtisch, sie mag nun gutartig sein oder nicht, und die Vernunft, wo es auf Sittlichkeit ankommt, mu nicht blos den Vormund derselben vorstellen, sondern, ohne auf sie Rcksicht zu nehmen, als reine praktische Vernunft ihr eigenes Interesse ganz allein besorgen. Selbst dies Gefhl des Mitleids und der weichherzigen Theilnehmung, wenn es vor der berlegung, was Pflicht sei, vorhergeht und Bestimmungsgrund wird, ist wohldenkenden Personen selbst lstig, bringt ihre berlegte Maximen in Verwirrung und bewirkt den Wunsch, ihrer entledigt und allein der gesetzgebenden Vernunft unterworfen zu sein.

Hieraus lt sich verstehen : wie das Bewutsein dieses Vermgens einer reinen praktischen Vernunft durch That (die Tugend) ein Bewutsein der Obermacht ber seine Neigungen, hiemit also der Unabhngigkeit von denselben, folglich auch der Unzufriedenheit, die diese immer begleitet, und also ein negatives Wohlgefallen mit seinem Zustande, d.i. Zufriedenheit, hervorbringen knne, welche in ihrer Quelle Zufriedenheit mit seiner Person ist. Die Freiheit selbst wird auf solche Weise (nmlich indirect) eines Genusses fhig, welcher nicht Glckseligkeit heien kann, weil er nicht vom positiven Beitritt eines Gefhls abhngt, auch genau zu reden nicht Seligkeit, weil er nicht gnzliche Unabhngigkeit von Neigungen und Bedrfnissen enthlt, der aber doch der letztern hnlich ist, so fern nmlich wenigstens seine Willensbestimmung sich von ihrem Einflusse frei halten kann, und also wenigstens seinem Ursprunge nach der Selbstgenugsamkeit analogisch ist, die man nur dem hchsten Wesen beilegen kann.

Aus dieser Auflsung der Antinomie der praktischen reinen Vernunft folgt, da sich in praktischen Grundstzen eine natrliche und nothwendige Verbindung zwischen dem Bewutsein der Sittlichkeit und der Erwartung einer ihr proportionirten Glckseligkeit, als Folge derselben, wenigstens als mglich denken (darum aber freilich noch eben nicht erkennen und einsehen) lasse ; dagegen da Grundstze der Bewerbung um Glckseligkeit unmglich Sittlichkeit hervorbringen knnen ; da also das oberste Gut (als die erste Bedingung des hchsten Guts) Sittlichkeit, Glckseligkeit dagegen zwar das zweite Element desselben ausmache, doch so, da diese nur die moralisch bedingte, aber doch nothwendige Folge der ersteren sei. In dieser Unterordnung allein ist das hchste Gut das ganze Object der reinen praktischen Vernunft, die es sich nothwendig als mglich vorstellen mu, weil es ein Gebot derselben ist, zu dessen Hervorbringung alles Mgliche beizutragen. Weil aber die Mglichkeit einer solchen Verbindung des Bedingten mit seiner Bedingung gnzlich zum bersinnlichen Verhltnisse der Dinge gehrt und nach Gesetzen der Sinnenwelt gar nicht gegeben werden kann, obzwar die praktische Folge dieser Idee, nmlich die Handlungen, die darauf abzielen, das hchste Gut wirklich zu machen, zur Sinnenwelt gehren : so werden wir die Grnde jener Mglichkeit erstlich in Ansehung dessen, was unmittelbar in unserer Gewalt ist, und dann zweitens in dem, was uns Vernunft als Ergnzung unseres Unvermgens zur Mglichkeit des hchsten Guts (nach praktischen Principien nothwendig) darbietet und nicht in unserer Gewalt ist, darzustellen suchen.

 

III.

Von dem Primat der reinen praktischen Vernunft in ihrer Verbindung mit der speculativen

Unter dem Primate zwischen zwei oder mehreren durch Vernunft verbundenen Dingen verstehe ich den Vorzug des einen, der erste Bestimmungsgrund der Verbindung mit allen brigen zu sein. In engerer, praktischer Bedeutung bedeutet es den Vorzug des Interesse des einen, so fern ihm (welches keinem andern nachgesetzt werden kann) das Interesse der andern untergeordnet ist. Einem jeden Vermgen des Gemths kann man ein Interesse beilegen, d.i. ein Princip, welches die Bedingung enthlt, unter welcher allein die Ausbung desselben befrdert wird. Die Vernunft als das Vermgen der Principien bestimmt das Interesse aller Gemthskrfte, das ihrige aber sich selbst. Das Interesse ihres speculativen Gebrauchs besteht in der Erkenntni des Objects bis zu den hchsten Principien a priori, das des praktischen Gebrauchs in der Bestimmung des Willens in Ansehung des letzten und vollstndigen Zwecks. Das, was zur Mglichkeit eines Vernunftgebrauchs berhaupt erforderlich ist, nmlich da die Principien und Behauptungen derselben einander nicht widersprechen mssen, macht keinen Theil ihres Interesse aus, sondern ist die Bedingung berhaupt Vernunft zu haben ; nur die Erweiterung, nicht die bloe Zusammenstimmung mit sich selbst wird zum Interesse derselben gezhlt.

Wenn praktische Vernunft nichts weiter annehmen und als gegeben denken darf, als was speculative Vernunft fr sich ihr aus ihrer Einsicht darreichen konnte, so fhrt diese das Primat. Gesetzt aber, sie htte fr sich ursprngliche Principien a priori, mit denen gewisse theoretische Positionen unzertrennlich verbunden wren, die sich gleichwohl aller mglichen Einsicht der speculativen Vernunft entzgen (ob sie zwar derselben auch nicht widersprechen mten), so ist die Frage, welches Interesse das oberste sei (nicht, welches weichen mte, denn eines widerstreitet dem andern nicht nothwendig) : ob speculative Vernunft, die nichts von allem dem wei, was praktische ihr anzunehmen darbietet, diese Stze aufnehmen und sie, ob sie gleich fr sie berschwenglich sind, mit ihren Begriffen als einen fremden, auf sie bertragenen Besitz zu vereinigen suchen msse, oder ob sie berechtigt sei, ihrem eigenen, abgesonderten Interesse hartnckig zu folgen und nach der Kanonik des Epikurs alles als leere Vernnftelei auszuschlagen, was seine objective Realitt nicht durch augenscheinliche, in der Erfahrung aufzustellende Beispiele beglaubigen kann, wenn es gleich noch so sehr mit dem Interesse des praktischen (reinen) Gebrauchs verwebt, an sich auch der theoretischen nicht widersprechend wre, blos weil es wirklich so fern dem Interesse der speculativen Vernunft Abbruch thut, da es die Grenzen, die diese sich selbst gesetzt, aufhebt und sie allem Unsinn oder Wahnsinn der Einbildungskraft preisgiebt.

In der That, so fern praktische Vernunft als pathologisch bedingt, d.i. das Interesse der Neigungen unter dem sinnlichen Princip der Glckseligkeit blos verwaltend, zum Grunde gelegt wrde, so liee sich diese Zumuthung an die speculative Vernunft gar nicht thun. Mahomets Paradies, oder der Theosophen und Mystiker schmelzende Vereinigung mit der Gottheit, so wie jedem sein Sinn steht, wrden der Vernunft ihre Ungeheuer aufdringen, und es wre eben so gut, gar keine zu haben, als sie auf solche Weise allen Trumereien preiszugeben. Allein wenn reine Vernunft fr sich praktisch sein kann und es wirklich ist, wie das Bewutsein des moralischen Gesetzes es ausweiset, so ist es doch immer nur eine und dieselbe Vernunft, die, es sei in theoretischer oder praktischer Absicht, nach Principien a priori urtheilt, und da ist es klar, da, wenn ihr Vermgen in der ersteren gleich nicht zulangt, gewisse Stze behauptend festzusetzen, indessen da sie ihr auch eben nicht widersprechen, eben diese Stze, so bald sie unabtrennlich zum praktischen Interesse der reinen Vernunft gehren, zwar als ein ihr fremdes Angebot, das nicht auf ihrem Boden erwachsen, aber doch hinreichend beglaubigt ist, annehmen und sie mit allem, was sie als speculative Vernunft in ihrer Macht hat, zu vergleichen und zu verknpfen suchen msse ; doch sich bescheidend, da dieses nicht ihre Einsichten, aber doch Erweiterungen ihres Gebrauchs in irgend einer anderen, nmlich praktischen, Absicht sind, welches ihrem Interesse, das in der Einschrnkung des speculativen Frevels besteht, ganz und gar nicht zuwider ist.

In der Verbindung also der reinen speculativen mit der reinen praktischen Vernunft zu einem Erkenntnisse fhrt die letztere das Primat, vorausgesetzt nmlich, da diese Verbindung nicht etwa zufllig und beliebig, sondern a priori auf der Vernunft selbst gegrndet, mithin nothwendig sei. Denn es wrde ohne diese Unterordnung ein Widerstreit der Vernunft mit ihr selbst entstehen : weil, wenn sie einander blos beigeordnet (coordinirt) wren, die erstere fr sich ihre Grenze enge verschlieen und nichts von der letzteren in ihr Gebiet aufnehmen, diese aber ihre Grenzen dennoch ber alles ausdehnen und, wo es ihr Bedrfni erheischt, jene innerhalb der ihrigen mit zu befassen suchen wrde. Der speculativen Vernunft aber untergeordnet zu sein und also die Ordnung umzukehren, kann man der reinen praktischen gar nicht zumuthen, weil alles Interesse zuletzt praktisch ist, und selbst das der speculativen Vernunft nur bedingt und im praktischen Gebrauche allein vollstndig ist.

 

IV.

Die Unsterblichkeit der Seele, als ein Postulat der reinen praktischen Vernunft

Die Bewirkung des hchsten Guts in der Welt ist das nothwendige Object eines durchs moralische Gesetz bestimmbaren Willens. In diesem aber ist die vllige Angemessenheit der Gesinnungen zum moralischen Gesetze die oberste Bedingung des hchsten Guts. Sie mu also eben sowohl mglich sein als ihr Object, weil sie in demselben Gebote dieses zu befrdern enthalten ist. Die vllige Angemessenheit des Willens aber zum moralischen Gesetze ist Heiligkeit, eine Vollkommenheit, deren kein vernnftiges Wesen der Sinnenwelt in keinem Zeitpunkte seines Daseins fhig ist. Da sie indessen gleichwohl als praktisch nothwendig gefordert wird, so kann sie nur in einem ins Unendliche gehenden Progressus zu jener vlligen Angemessenheit angetroffen werden, und es ist nach Principien der reinen praktischen Vernunft nothwendig, eine solche praktische Fortschreitung als das reale Object unseres Willens anzunehmen.

Dieser unendliche Progressus ist aber nur unter Voraussetzung einer ins Unendliche fortdaurenden Existenz und Persnlichkeit desselben vernnftigen Wesens (welche man die Unsterblichkeit der Seele nennt) mglich. Also ist das hchste Gut praktisch nur unter der Voraussetzung der Unsterblichkeit der Seele mglich, mithin diese, als unzertrennlich mit dem moralischen Gesetz verbunden, ein Postulat der reinen praktischen Vernunft (worunter ich einen theoretischen, als solchen aber nicht erweislichen Satz verstehe, so fern er einem a priori unbedingt geltenden praktischen Gesetze unzertrennlich anhngt).

Der Satz von der moralischen Bestimmung unserer Natur, nur allein in einem ins Unendliche gehenden Fortschritte zur vlligen Angemessenheit mit dem Sittengesetze gelangen zu knnen, ist von dem grten Nutzen, nicht blos in Rcksicht auf die gegenwrtige Ergnzung des Unvermgens der speculativen Vernunft, sondern auch in Ansehung der Religion. In Ermangelung desselben wird entweder das moralische Gesetz von seiner Heiligkeit gnzlich abgewrdigt, indem man es sich als nachsichtlich (indulgent) und so unserer Behaglichkeit angemessen verknstelt, oder auch seinen Beruf und zugleich Erwartung zu einer unerreichbaren Bestimmung, nmlich einem verhofften vlligen Erwerb der Heiligkeit des Willens, spannt und sich in schwrmende, dem Selbsterkenntni ganz widersprechende theosophische Trume verliert, durch welches beides das unaufhrliche Streben zur pnktlichen und durchgngigen Befolgung eines strengen, unnachsichtlichen, dennoch aber nicht idealischen, sondern wahren Vernunftgebots nur verhindert wird. Einem vernnftigen, aber endlichen Wesen ist nur der Progressus ins Unendliche von niederen zu den hheren Stufen der moralischen Vollkommenheit mglich. Der Unendliche, dem die Zeitbedingung Nichts ist, sieht in dieser fr uns endlosen Reihe das Ganze der Angemessenheit mit dem moralischen Gesetze, und die Heiligkeit, die sein Gebot unnachlalich fordert, um seiner Gerechtigkeit in dem Antheil, den er jedem am hchsten Gute bestimmt, gem zu sein, ist in einer einzigen intellectuellen Anschauung des Daseins vernnftiger Wesen ganz anzutreffen. Was dem Geschpfe allein in Ansehung der Hoffnung dieses Antheils zukommen kann, wre das Bewutsein seiner erprften Gesinnung, um aus seinem bisherigen Fortschritte vom Schlechteren zum moralisch Besseren und dem dadurch ihm bekannt gewordenen unwandelbaren Vorsatze eine fernere ununterbrochene Fortsetzung desselben, wie weit seine Existenz auch immer reichen mag, selbst ber dieses Leben hinaus zu hoffen* und so zwar niemals hier, oder in irgend einem absehlichen knftigen Zeitpunkte seines Daseins, sondern nur in der (Gott allein bersehbaren) Unendlichkeit seiner Fortdauer dem Willen desselben (ohne Nachsicht oder Erlassung, welche sich mit der Gerechtigkeit nicht zusammenreimt) vllig adquat zu sein.

 

* Die berzeugung von der Unwandelbarkeit seiner Gesinnung im Fortschritte zum Guten scheint gleichwohl auch einem Geschpfe fr sich unmglich zu sein. Um deswillen lt die christliche Religionslehre sie auch von demselben Geiste, der die Heiligung, d.i. diesen festen Vorsatz und mit ihm das Bewutsein der Beharrlichkeit im moralischen Progressus, wirkt, allein abstammen. Aber auch natrlicher Weise darf derjenige, der sich bewut ist, einen langen Theil seines Lebens bis zu Ende desselben im Fortschritte zum Bessern, und zwar aus chten moralischen Bewegungsgrnden, angehalten zu haben, sich wohl die trstende Hoffnung, wenn gleich nicht Gewiheit, machen, da er auch in einer ber dieses Leben hinaus fortgesetzten Existenz bei diesen Grundstzen beharren werde, und wiewohl er in seinen eigenen Augen hier nie gerechtfertigt ist, noch bei dem verhofften knftigen Anwachs seiner Naturvollkommenheit, mit ihr aber auch seiner Pflichten es jemals hoffen darf, dennoch in diesem Fortschritte, der, ob er zwar ein ins Unendliche hinausgercktes Ziel betrifft, dennoch fr Gott als Besitz gilt, eine Aussicht in eine selige Zukunft haben ; denn dieses ist der Ausdruck, dessen sich die Vernunft bedient, um ein von allen zuflligen Ursachen der Welt unabhngiges vollstndiges Wohl zu bezeichnen, welches eben so wie Heiligkeit eine Idee ist, welche nur in einem unendlichen Progressus und dessen Totalitt enthalten sein kann, mithin vom Geschpfe niemals vllig erreicht wird.

 

V.

Das Dasein Gottes, als ein Postulat der reinen praktischen Vernunft

Das moralische Gesetz fhrte in der vorhergehenden Zergliederung zur praktischen Aufgabe, welche ohne allen Beitritt sinnlicher Triebfedern, blos durch reine Vernunft vorgeschrieben wird, nmlich der nothwendigen Vollstndigkeit des ersten und vornehmsten Theils des hchsten Guts, der Sittlichkeit, und, da diese nur in einer Ewigkeit vllig aufgelset werden kann, zum Postulat der Unsterblichkeit. Eben dieses Gesetz mu auch zur Mglichkeit des zweiten Elements des hchsten Guts, nmlich der jener Sittlichkeit angemessenen Glckseligkeit, eben so uneigenntzig wie vorher, aus bloer unparteiischer Vernunft, nmlich auf die Voraussetzung des Daseins einer dieser Wirkung adquaten Ursache fhren, d.i. die Existenz Gottes, als zur Mglichkeit des hchsten Guts (welches Object unseres Willens mit der moralischen Gesetzgebung der reinen Vernunft nothwendig verbunden ist) nothwendig gehrig, postuliren. Wir wollen diesen Zusammenhang berzeugend darstellen.

Glckseligkeit ist der Zustand eines vernnftigen Wesens in der Welt, dem es im Ganzen seiner Existenz alles nach Wunsch und Willen geht, und beruht also auf der bereinstimmung der Natur zu seinem ganzen Zwecke, imgleichen zum wesentlichen Bestimmungsgrunde seines Willens. Nun gebietet das moralische Gesetz als ein Gesetz der Freiheit durch Bestimmungsgrnde, die von der Natur und der bereinstimmung derselben zu unserem Begehrungsvermgen (als Triebfedern) ganz unabhngig sein sollen ; das handelnde vernnftige Wesen in der Welt aber ist doch nicht zugleich Ursache der Welt und der Natur selbst. Also ist in dem moralischen Gesetze nicht der mindeste Grund zu einem nothwendigen Zusammenhang zwischen Sittlichkeit und der ihr proportionirten Glckseligkeit eines zur Welt als Theil gehrigen und daher von ihr abhngigen Wesens, welches eben darum durch seinen Willen nicht Ursache dieser Natur sein und sie, was seine Glckseligkeit betrifft, mit seinen praktischen Grundstzen aus eigenen Krften nicht durchgngig einstimmig machen kann. Gleichwohl wird in der praktischen Aufgabe der reinen Vernunft, d.i. der nothwendigen Bearbeitung zum hchsten Gute, ein solcher Zusammenhang als nothwendig postulirt : wir sollen das hchste Gut (welches also doch mglich sein mu) zu befrdern suchen. Also wird auch das Dasein einer von der Natur unterschiedenen Ursache der gesammten Natur, welche den Grund dieses Zusammenhanges, nmlich der genauen bereinstimmung der Glckseligkeit mit der Sittlichkeit, enthalte, postulirt. Diese oberste Ursache aber soll den Grund der bereinstimmung der Natur nicht blos mit einem Gesetze des Willens der vernnftigen Wesen, sondern mit der Vorstellung dieses Gesetzes, so fern diese es sich zum obersten Bestimmungsgrunde des Willens setzen, also nicht blos mit den Sitten der Form nach, sondern auch ihrer Sittlichkeit als dem Bewegungsgrunde derselben, d.i. mit ihrer moralischen Gesinnung, enthalten. Also ist das hchste Gut in der Welt nur mglich, so fern eine oberste Ursache der Natur angenommen wird, die eine der moralischen Gesinnung geme Causalitt hat. Nun ist ein Wesen, das der Handlungen nach der Vorstellung von Gesetzen fhig ist, eine Intelligenz (vernnftig Wesen) und die Causalitt eines solchen Wesens nach dieser Vorstellung der Gesetze ein Wille desselben. Also ist die oberste Ursache der Natur, so fern sie zum hchsten Gute vorausgesetzt werden mu, ein Wesen, das durch Verstand und Willen die Ursache (folglich der Urheber) der Natur ist, d.i. Gott. Folglich ist das Postulat der Mglichkeit des hchsten abgeleiteten Guts (der besten Welt) zugleich das Postulat der Wirklichkeit eines hchsten ursprnglichen Guts, nmlich der Existenz Gottes. Nun war es Pflicht fr uns das hchste Gut zu befrdern, mithin nicht allein Befugni, sondern auch mit der Pflicht als Bedrfni verbundene Nothwendigkeit, die Mglichkeit dieses hchsten Guts vorauszusetzen, welches, da es nur unter der Bedingung des Daseins Gottes stattfindet, die Voraussetzung desselben mit der Pflicht unzertrennlich verbindet, d.i. es ist moralisch nothwendig, das Dasein Gottes anzunehmen.

Hier ist nun wohl zu merken, da diese moralische Nothwendigkeit subjectiv, d.i. Bedrfni, und nicht objectiv, d.i. selbst Pflicht, sei ; denn es kann gar keine Pflicht geben, die Existenz eines Dinges anzunehmen (weil dieses blos den theoretischen Gebrauch der Vernunft angeht). Auch wird hierunter nicht verstanden, da die Annehmung des Daseins Gottes, als eines Grundes aller Verbindlichkeit berhaupt, nothwendig sei (denn dieser beruht, wie hinreichend bewiesen worden, lediglich auf der Autonomie der Vernunft selbst). Zur Pflicht gehrt hier nur die Bearbeitung zu Hervorbringung und Befrderung des hchsten Guts in der Welt, dessen Mglichkeit also postulirt werden kann, die aber unsere Vernunft nicht anders denkbar findet, als unter Voraussetzung einer hchsten Intelligenz, deren Dasein anzunehmen also mit dem Bewutsein unserer Pflicht verbunden ist, obzwar diese Annehmung selbst fr die theoretische Vernunft gehrt, in Ansehung deren allein sie, als Erklrungsgrund betrachtet, Hypothese, in Beziehung aber auf die Verstndlichkeit eines uns doch durchs moralische Gesetz aufgegebenen Objects (des hchsten Guts), mithin eines Bedrfnisses in praktischer Absicht, Glaube und zwar reiner Vernunftglaube heien kann, weil blos reine Vernunft (sowohl ihrem theoretischen als praktischen Gebrauche nach) die Quelle ist, daraus er entspringt.

Aus dieser Deduction wird es nunmehr begreiflich, warum die griechischen Schulen zur Auflsung ihres Problems von der praktischen Mglichkeit des hchsten Guts niemals gelangen konnten : weil sie nur immer die Regel des Gebrauchs, den der Wille des Menschen von seiner Freiheit macht, zum einzigen und fr sich allein zureichenden Grunde derselben machten, ohne ihrem Bednken nach das Dasein Gottes dazu zu bedrfen. Zwar thaten sie daran recht, da sie das Princip der Sitten unabhngig von diesem Postulat fr sich selbst aus dem Verhltni der Vernunft allein zum Willen festsetzten und es mithin zur obersten praktischen Bedingung des hchsten Guts machten ; es war aber darum nicht die ganze Bedingung der Mglichkeit desselben. Die Epikureer hatten nun zwar ein ganz falsches Princip der Sitten zum obersten angenommen, nmlich das der Glckseligkeit, und eine Maxime der beliebigen Wahl nach jedes seiner Neigung fr ein Gesetz untergeschoben : aber darin verfuhren sie doch consequent genug, da sie ihr hchstes Gut eben so, nmlich der Niedrigkeit ihres Grundsatzes proportionirlich, abwrdigten und keine grere Glckseligkeit erwarteten, als die sich durch menschliche Klugheit (wozu auch Enthaltsamkeit und Migung der Neigungen gehrt) erwerben lt, die, wie man wei, kmmerlich genug und nach Umstnden sehr verschiedentlich ausfallen mu ; die Ausnahmen, welche ihre Maximen unaufhrlich einrumen muten, und die sie zu Gesetzen untauglich machen, nicht einmal gerechnet. Die Stoiker hatten dagegen ihr oberstes praktisches Princip, nmlich die Tugend, als Bedingung des hchsten Guts ganz richtig gewhlt, aber indem sie den Grad derselben, der fr das reine Gesetz derselben erforderlich ist, als in diesem Leben vllig erreichbar vorstellten, nicht allein das moralische Vermgen des Menschen unter dem Namen eines Weisen ber alle Schranken seiner Natur hoch gespannt und etwas, das aller Menschenkenntni widerspricht, angenommen, sondern auch vornehmlich das zweite zum hchsten Gut gehrige Bestandstck, nmlich die Glckseligkeit, gar nicht fr einen besonderen Gegenstand des menschlichen Begehrungsvermgens wollen gelten lassen, sondern ihren Weisen gleich einer Gottheit im Bewutsein der Vortrefflichkeit seiner Person von der Natur (in Absicht auf seine Zufriedenheit) ganz unabhngig gemacht, indem sie ihn zwar beln des Lebens aussetzten, aber nicht unterwarfen (zugleich auch als frei vom Bsen darstellten) und so wirklich das zweite Element des hchsten Guts, eigene Glckseligkeit, weglieen, indem sie es blos im Handeln und der Zufriedenheit mit seinem persnlichen Werthe setzten und also im Bewutsein der sittlichen Denkungsart mit einschlossen, worin sie aber durch die Stimme ihrer eigenen Natur hinreichend htten widerlegt werden knnen.

Die Lehre des Christenthums*, wenn man sie auch noch nicht als Religionslehre betrachtet, giebt in diesem Stcke einen Begriff des hchsten Guts (des Reichs Gottes), der allein der strengsten Forderung der praktischen Vernunft ein Gnge thut. Das moralische Gesetz ist heilig (unnachsichtlich) und fordert Heiligkeit der Sitten, obgleich alle moralische Vollkommenheit, zu welcher der Mensch gelangen kann, immer nur Tugend ist, d.i. gesetzmige Gesinnung aus Achtung frs Gesetz, folglich Bewutsein eines continuirlichen Hanges zur bertretung, wenigstens Unlauterkeit, d.i. Beimischung vieler unchter (nicht moralischer) Bewegungsgrnde zur Befolgung des Gesetzes, folglich eine mit Demuth verbundene Selbstschtzung und also in Ansehung der Heiligkeit, welche das christliche Gesetz fordert, nichts als Fortschritt ins Unendliche dem Geschpfe brig lt, eben daher aber auch dasselbe zur Hoffnung seiner ins Unendliche gehenden Fortdauer berechtigt. Der Werth einer dem moralischen Gesetze vllig angemessenen Gesinnung ist unendlich : weil alle mgliche Glckseligkeit im Urtheile eines weisen und alles vermgenden Austheilers derselben keine andere Einschrnkung hat, als den Mangel der Angemessenheit vernnftiger Wesen an ihrer Pflicht. Aber das moralische Gesetz fr sich verheit doch keine Glckseligkeit ; denn diese ist nach Begriffen von einer Naturordnung berhaupt mit der Befolgung desselben nicht nothwendig verbunden. Die christliche Sittenlehre ergnzt nun diesen Mangel (des zweiten unentbehrlichen Bestandstcks des hchsten Guts) durch die Darstellung der Welt, darin vernnftige Wesen sich dem sittlichen Gesetze von ganzer Seele weihen, als eines Reichs Gottes, in welchem Natur und Sitten in eine jeder von beiden fr sich selbst fremde Harmonie durch einen heiligen Urheber kommen, der das abgeleitete hchste Gut mglich macht. Die Heiligkeit der Sitten wird ihnen in diesem Leben schon zur Richtschnur angewiesen, das dieser proportionirte Wohl aber, die Seligkeit, nur als in einer Ewigkeit erreichbar vorgestellt : weil jene immer das Urbild ihres Verhaltens in jedem Stande sein mu, und das Fortschreiten zu ihr schon in diesem Leben mglich und nothwendig ist, diese aber in dieser Welt unter dem Namen der Glckseligkeit gar nicht erreicht werden kann (so viel auf unser Vermgen ankommt) und daher lediglich zum Gegenstande der Hoffnung gemacht wird. Diesem ungeachtet ist das christliche Princip der Moral selbst doch nicht theologisch (mithin Heteronomie), sondern Autonomie der reinen praktischen Vernunft fr sich selbst, weil sie die Erkenntni Gottes und seines Willens nicht zum Grunde dieser Gesetze, sondern nur der Gelangung zum hchsten Gute unter der Bedingung der Befolgung derselben macht und selbst die eigentliche Triebfeder zu Befolgung der ersteren nicht in den gewnschten Folgen derselben, sondern in der Vorstellung der Pflicht allein setzt, als in deren treuer Beobachtung die Wrdigkeit des Erwerbs der letztern allein besteht.

Auf solche Weise fhrt das moralische Gesetz durch den Begriff des hchsten Guts, als das Object und den Endzweck der reinen praktischen Vernunft, zur Religion, d.i. zur Erkenntni aller Pflichten als gttlicher Gebote, nicht als Sanctionen, d.i. willkrliche, fr sich selbst zufllige Verordnungen eines fremden Willens, sondern als wesentlicher Gesetze eines jeden freien Willens fr sich selbst, die aber dennoch als Gebote des hchsten Wesens angesehen werden mssen, weil wir nur von einem moralisch vollkommenen (heiligen und gtigen), zugleich auch allgewaltigen Willen das hchste Gut, welches zum Gegenstande unserer Bestrebung zu setzen uns das moralische Gesetz zur Pflicht macht, und also durch bereinstimmung mit diesem Willen dazu zu gelangen hoffen knnen. Auch hier bleibt daher alles uneigenntzig und blos auf Pflicht gegrndet ; ohne da Furcht oder Hoffnung als Triebfedern zum Grunde gelegt werden drften, die, wenn sie zu Principien werden, den ganzen moralischen Werth der Handlungen vernichten. Das moralische Gesetz gebietet, das hchste mgliche Gut in einer Welt mir zum letzten Gegenstande alles Verhaltens zu machen. Dieses aber kann ich nicht zu bewirken hoffen, als nur durch die bereinstimmung meines Willens mit dem eines heiligen und gtigen Welturhebers ; und obgleich in dem Begriffe des hchsten Guts als dem eines Ganzen, worin die grte Glckseligkeit mit dem grten Mae sittlicher (in Geschpfen mglicher) Vollkommenheit als in der genausten Proportion verbunden vorgestellt wird, meine eigene Glckseligkeit mit enthalten ist : so ist doch nicht sie, sondern das moralische Gesetz (welches vielmehr mein unbegrenztes Verlangen darnach auf Bedingungen strenge einschrnkt) der Bestimmungsgrund des Willens, der zur Befrderung des hchsten Guts angewiesen wird.

Daher ist auch die Moral nicht eigentlich die Lehre, wie wir uns glcklich machen, sondern wie wir der Glckseligkeit wrdig werden sollen. Nur dann, wenn Religion dazu kommt, tritt auch die Hoffnung ein, der Glckseligkeit dereinst in dem Mae theilhaftig zu werden, als wir darauf bedacht gewesen, ihrer nicht unwrdig zu sein.

Wrdig ist jemand des Besitzes einer Sache oder eines Zustandes, wenn, da er in diesem Besitze sei, mit dem hchsten Gute zusammenstimmt. Man kann jetzt leicht einsehen, da alle Wrdigkeit auf das sittliche Verhalten ankomme, weil dieses im Begriffe des hchsten Guts die Bedingung des brigen (was zum Zustande gehrt), nmlich des Antheils an Glckseligkeit, ausmacht. Nun folgt hieraus : da man die Moral an sich niemals als Glckseligkeitslehre behandeln msse, d.i. als eine Anweisung der Glckseligkeit theilhaftig zu werden ; denn sie hat es lediglich mit der Vernunftbedingung (conditio sine qua non) der letzteren, nicht mit einem Erwerbmittel derselben zu thun. Wenn sie aber (die blos Pflichten auferlegt, nicht eigenntzigen Wnschen Maregeln an die Hand giebt) vollstndig vorgetragen worden : alsdann allererst kann, nachdem der sich auf ein Gesetz grndende moralische Wunsch das hchste Gut zu befrdern (das Reich Gottes zu uns zu bringen), der vorher keiner eigenntzigen Seele aufsteigen konnte, erweckt und ihm zum Behuf der Schritt zur Religion geschehen ist, diese Sittenlehre auch Glckseligkeitslehre genannt werden, weil die Hoffnung dazu nur mit der Religion allererst anhebt.

Auch kann man hieraus ersehen : da, wenn man nach dem letzten Zwecke Gottes in Schpfung der Welt frgt, man nicht die Glckseligkeit der vernnftigen Wesen in ihr, sondern das hchste Gut nennen msse, welches jenem Wunsche dieser Wesen noch eine Bedingung, nmlich die der Glckseligkeit wrdig zu sein, d.i. die Sittlichkeit eben derselben vernnftigen Wesen, hinzufgt, die allein den Mastab enthlt, nach welchem sie allein der ersteren durch die Hand eines weisen Urhebers theilhaftig zu werden hoffen knnen. Denn da Weisheit, theoretisch betrachtet, die Erkenntni des hchsten Guts und praktisch die Angemessenheit des Willens zum hchsten Gute bedeutet, so kann man einer hchsten selbststndigen Weisheit nicht einen Zweck beilegen, der blos auf Gtigkeit gegrndet wre. Denn dieser ihre Wirkung (in Ansehung der Glckseligkeit der vernnftigen Wesen) kann man nur unter den einschrnkenden Bedingungen der bereinstimmung mit der Heiligkeit** seines Willens als dem hchsten ursprnglichen Gute angemessen denken. Daher diejenige, welche den Zweck der Schpfung in die Ehre Gottes (vorausgesetzt, da man diese nicht anthropomorphistisch, als Neigung gepriesen zu werden, denkt) setzten, wohl den besten Ausdruck getroffen haben. Denn nichts ehrt Gott mehr als das, was das Schtzbarste in der Welt ist, die Achtung fr sein Gebot, die Beobachtung der heiligen Pflicht, die uns sein Gesetz auferlegt, wenn seine herrliche Anstalt dazu kommt, eine solche schne Ordnung mit angemessener Glckseligkeit zu krnen. Wenn ihn das letztere (auf menschliche Art zu reden) liebenswrdig macht, so ist er durch das erstere ein Gegenstand der Anbetung (Adoration). Selbst Menschen knnen sich durch Wohlthun zwar Liebe, aber dadurch allein niemals Achtung erwerben, so da die grte Wohlthtigkeit ihnen nur dadurch Ehre macht, da sie nach Wrdigkeit ausgebt wird.

Da in der Ordnung der Zwecke der Mensch (mit ihm jedes vernnftige Wesen) Zweck an sich selbst sei, d.i. niemals blos als Mittel von jemanden (selbst nicht von Gott), ohne zugleich hiebei selbst Zweck zu sein, knne gebraucht werden, da also die Menschheit in unserer Person uns selbst heilig sein msse, folgt nunmehr von selbst, weil er das Subject des moralischen Gesetzes, mithin dessen ist, was an sich heilig ist, um dessen willen und in Einstimmung mit welchem auch berhaupt nur etwas heilig genannt werden kann. Denn dieses moralische Gesetz grndet sich auf die Autonomie seines Willens, als eines freien Willens, der nach seinen allgemeinen Gesetzen nothwendig zu demjenigen zugleich mu einstimmen knnen, welchem er sich unterwerfen soll.

 

* Man hlt gemeiniglich dafr, die christliche Vorschrift der Sitten habe in Ansehung ihrer Reinigkeit vor dem moralischen Begriffe der Stoiker nichts voraus ; allein der Unterschied beider ist doch sehr sichtbar. Das stoische System machte das Bewutsein der Seelenstrke zum Angel, um den sich alle sittliche Gesinnungen wenden sollten, und ob die Anhnger desselben zwar von Pflichten redeten, auch sie ganz wohl bestimmten, so setzten sie doch die Triebfeder und den eigentlichen Bestimmungsgrund des Willens in einer Erhebung der Denkungsart ber die niedrige und nur durch Seelenschwche machthabende Triebfedern der Sinne. Tugend war also bei ihnen ein gewisser Heroism des ber die thierische Natur des Menschen sich erhebenden Weisen, der ihm selbst genug ist, andern zwar Pflichten vortrgt, selbst aber ber sie erhaben und keiner Versuchung zu bertretung des sittlichen Gesetzes unterworfen ist. Dieses alles aber konnten sie nicht thun, wenn sie sich dieses Gesetz in der Reinigkeit und Strenge, als es die Vorschrift des Evangelii thut, vorgestellt htten. Wenn ich unter einer Idee eine Vollkommenheit verstehe, der nichts in der Erfahrung adquat gegeben werden kann, so sind die moralischen Ideen darum nichts berschwengliches, d.i. dergleichen, wovon wir auch nicht einmal den Begriff hinreichend bestimmen knnten, oder von dem es ungewi ist, ob ihm berall ein Gegenstand correspondire, wie die Ideen der speculativen Vernunft, sondern dienen als Urbilder der praktischen Vollkommenheit zur unentbehrlichen Richtschnur des sittlichen Verhaltens und zugleich zum Mastabe der Vergleichung. Wenn ich nun die christliche Moral von ihrer philosophischen Seite betrachte, so wrde sie, mit den Ideen der griechischen Schulen verglichen, so erscheinen : Die Ideen der Cyniker, der Epikureer, der Stoiker und der Christen sind : die Natureinfalt, die Klugheit, die Weisheit und die Heiligkeit. In Ansehung des Weges, dazu zu gelangen, unterschieden sich die griechischen Philosophen so von einander, da die Cyniker dazu den gemeinen Menschenverstand, die andern nur den Weg der Wissenschaft, beide also doch bloen Gebrauch der natrlichen Krfte dazu hinreichend fanden. Die christliche Moral, weil sie ihre Vorschrift (wie es auch sein mu) so rein und unnachsichtlich einrichtet, benimmt dem Menschen das Zutrauen, wenigstens hier im Leben, ihr vllig adquat zu sein, richtet es aber doch auch dadurch wiederum auf, da, wenn wir so gut handeln, als in unserem Vermgen ist, wir hoffen knnen, da, was nicht in unserm Vermgen ist, uns anderweitig werde zu statten kommen, wir mgen nun wissen, auf welche Art, oder nicht. Aristoteles und Plato unterschieden sich nur in Ansehung des Ursprungs unserer sittlichen Begriffe.

 

** Hiebei, und um das Eigenthmliche dieser Begriffe kenntlich zu machen, merke ich nur noch an : da, da man Gott verschiedene Eigenschaften beilegt, deren Qualitt man auch den Geschpfen angemessen findet, nur da sie dort zum hchsten Grade erhoben werden, z.B. Macht, Wissenschaft, Gegenwart, Gte etc. unter den Benennungen der Allmacht, der Allwissenheit, der Allgegenwart, der Allgtigkeit etc., es doch drei giebt, die ausschlieungsweise und doch ohne Beisatz von Gre Gott beigelegt werden, und die insgesammt moralisch sind : er ist der allein Heilige, der allein Selige, der allein Weise ; weil diese Begriffe schon die Uneingeschrnktheit bei sich fhren. Nach der Ordnung derselben ist er denn also auch der heilige Gesetzgeber (und Schpfer), der gtige Regierer (und Erhalter) und der gerechte Richter : drei Eigenschaften, die alles in sich enthalten, wodurch Gott der Gegenstand der Religion wird, und denen angemessen die metaphysischen Vollkommenheiten sich von selbst in der Vernunft hinzu fgen.

 

VI.

ber die Postulate der reinen praktischen Vernunft berhaupt

Sie gehen alle vom Grundsatze der Moralitt aus, der kein Postulat, sondern ein Gesetz ist, durch welches Vernunft unmittelbar den Willen bestimmt, welcher Wille eben dadurch, da er so bestimmt ist, als reiner Wille, diese nothwendige Bedingungen der Befolgung seiner Vorschrift fordert. Diese Postulate sind nicht theoretische Dogmata, sondern Voraussetzungen in nothwendig praktischer Rcksicht, erweitern also zwar nicht das speculative Erkenntni, geben aber den Ideen der speculativen Vernunft im Allgemeinen (vermittelst ihrer Beziehung aufs Praktische) objective Realitt und berechtigen sie zu Begriffen, deren Mglichkeit auch nur zu behaupten sie sich sonst nicht anmaen knnte.

Diese Postulate sind die der Unsterblichkeit, der Freiheit, positiv betrachtet (als der Causalitt eines Wesens, so fern es zur intelligibelen Welt gehrt), und des Daseins Gottes. Das erste fliet aus der praktisch nothwendigen Bedingung der Angemessenheit der Dauer zur Vollstndigkeit der Erfllung des moralischen Gesetzes ; das zweite aus der nothwendigen Voraussetzung der Unabhngigkeit von der Sinnenwelt und des Vermgens der Bestimmung seines Willens nach dem Gesetze einer intelligibelen Welt, d.i. der Freiheit ; das dritte aus der Nothwendigkeit der Bedingung zu einer solchen intelligibelen Welt, um das hchste Gut zu sein, durch die Voraussetzung des hchsten selbststndigen Guts, d.i. des Daseins Gottes.

Die durch die Achtung frs moralische Gesetz nothwendige Absicht aufs hchste Gut und daraus flieende Voraussetzung der objectiven Realitt desselben fhrt also durch Postulate der praktischen Vernunft zu Begriffen, welche die speculative Vernunft zwar als Aufgaben vortragen, sie aber nicht auflsen konnte. Also 1. zu derjenigen, in deren Auflsung die letztere nichts als Paralogismen begehen konnte (nmlich der Unsterblichkeit), weil es ihr am Merkmale der Beharrlichkeit fehlte, um den psychologischen Begriff eines letzten Subjects, welcher der Seele im Selbstbewutsein nothwendig beigelegt wird, zur realen Vorstellung einer Substanz zu ergnzen, welches die praktische Vernunft durch das Postulat einer zur Angemessenheit mit dem moralischen Gesetze im hchsten Gute, als dem ganzen Zwecke der praktischen Vernunft, erforderlichen Dauer ausrichtet. 2. Fhrt sie zu dem, wovon die speculative Vernunft nichts als Antinomie enthielt, deren Auflsung sie nur auf einem problematisch zwar denkbaren, aber seiner objectiven Realitt nach fr sie nicht erweislichen und bestimmbaren Begriffe grnden konnte, nmlich die kosmologische Idee einer intelligibelen Welt und das Bewutsein unseres Daseins in derselben, vermittelst des Postulats der Freiheit (deren Realitt sie durch das moralische Gesetz darlegt und mit ihm zugleich das Gesetz einer intelligibelen Welt, worauf die speculative nur hinweisen, ihren Begriff aber nicht bestimmen konnte). 3. Verschafft sie dem, was speculative Vernunft zwar denken, aber als bloes transscendentales Ideal unbestimmt lassen mute, dem theologischen Begriffe des Urwesens, Bedeutung (in praktischer Absicht, d.i. als einer Bedingung der Mglichkeit des Objects eines durch jenes Gesetz bestimmten Willens) als dem obersten Princip des hchsten Guts in einer intelligibelen Welt durch gewalthabende moralische Gesetzgebung in derselben.

Wird nun aber unser Erkenntni auf solche Art durch reine praktische Vernunft wirklich erweitert, und ist das, was fr die speculative transscendent war, in der praktischen immanent ? Allerdings, aber nur in praktischer Absicht. Denn wir erkennen zwar dadurch weder unserer Seele Natur, noch die intelligibele Welt, noch das hchste Wesen nach dem, was sie an sich selbst sind, sondern haben nur die Begriffe von ihnen im praktischen Begriffe des hchsten Guts vereinigt, als dem Objecte unseres Willens, und vllig a priori durch reine Vernunft, aber nur vermittelst des moralischen Gesetzes und auch blos in Beziehung auf dasselbe, in Ansehung des Objects, das es gebietet. Wie aber auch nur die Freiheit mglich sei, und wie man sich diese Art von Causalitt theoretisch und positiv vorzustellen habe, wird dadurch nicht eingesehen, sondern nur, da eine solche sei, durchs moralische Gesetz und zu dessen Behuf postulirt. So ist es auch mit den brigen Ideen bewandt, die nach ihrer Mglichkeit kein menschlicher Verstand jemals ergrnden, aber auch, da sie nicht wahre Begriffe sind, keine Sophisterei der berzeugung selbst des gemeinsten Menschen jemals entreien wird.

 

VII.

Wie eine Erweiterung der reinen Vernunft in praktischer Absicht, ohne damit ihr Erkenntni als speculativ zugleich zu erweitern, zu denken mglich sei ?

Wir wollen diese Frage, um nicht zu abstract zu werden, sofort in Anwendung auf den vorliegenden Fall beantworten. Um ein reines Erkenntni praktisch zu erweitern, mu eine Absicht a priori gegeben sein, d.i. ein Zweck als Object (des Willens), welches unabhngig von allen theoretischen Grundstzen durch einen den Willen unmittelbar bestimmenden (kategorischen) Imperativ als praktisch nothwendig vorgestellt wird, und das ist hier das hchste Gut. Dieses ist aber nicht mglich, ohne drei theoretische Begriffe (fr die sich, weil sie bloe reine Vernunftbegriffe sind, keine correspondirende Anschauung, mithin auf dem theoretischen Wege keine objective Realitt finden lt) vorauszusetzen : nmlich Freiheit, Unsterblichkeit und Gott. Also wird durchs praktische Gesetz, welches die Existenz des hchsten in einer Welt mglichen Guts gebietet, die Mglichkeit jener Objecte der reinen speculativen Vernunft, die objective Realitt, welche diese ihnen nicht sichern konnte, postulirt ; wodurch denn die theoretische Erkenntni der reinen Vernunft allerdings einen Zuwachs bekommt, der aber blos darin besteht, da jene fr sie sonst problematische (blos denkbare) Begriffe jetzt assertorisch fr solche erklrt werden, denen wirklich Objecte zukommen, weil praktische Vernunft die Existenz derselben zur Mglichkeit ihres und zwar praktisch schlechthin nothwendigen Objects, des hchsten Guts, unvermeidlich bedarf, und die theoretische dadurch berechtigt wird, sie vorauszusetzen. Diese Erweiterung der theoretischen Vernunft ist aber keine Erweiterung der Speculation, d.i. um in theoretischer Absicht nunmehr einen positiven Gebrauch davon zu machen. Denn da nichts weiter durch praktische Vernunft hiebei geleistet worden, als da jene Begriffe real sind und wirklich ihre (mgliche) Objecte haben, dabei aber uns nichts von Anschauung derselben gegeben wird (welches auch nicht gefordert werden kann), so ist kein synthetischer Satz durch diese eingerumte Realitt derselben mglich. Folglich hilft uns diese Erffnung nicht im mindesten in speculativer Absicht, wohl aber in Ansehung des praktischen Gebrauchs der reinen Vernunft zur Erweiterung dieses unseres Erkenntnisses. Die obige drei Ideen der speculativen Vernunft sind an sich noch keine Erkenntnisse ; doch sind es (transscendente) Gedanken, in denen nichts Unmgliches ist. Nun bekommen sie durch ein apodiktisches praktisches Gesetz, als nothwendige Bedingungen der Mglichkeit dessen, was dieses sich zum Objecte zu machen gebietet, objective Realitt, d.i. wir werden durch jenes angewiesen, da sie Objecte haben, ohne doch, wie sich ihr Begriff auf ein Object bezieht, anzeigen zu knnen, und das ist auch noch nicht Erkenntni dieser Objecte ; denn man kann dadurch gar nichts ber sie synthetisch urtheilen, noch die Anwendung derselben theoretisch bestimmen, mithin von ihnen gar keinen theoretischen Gebrauch der Vernunft machen, als worin eigentlich alle speculative Erkenntni derselben besteht.

Aber dennoch ward das theoretische Erkenntni zwar nicht dieser Objecte, aber der Vernunft berhaupt dadurch so fern erweitert, da durch die praktischen Postulate jenen Ideen doch Objecte gegeben wurden, indem ein blos problematischer Gedanke dadurch allererst objective Realitt bekam. Also war es keine Erweiterung der Erkenntni von gegebenen bersinnlichen Gegenstnden, aber doch eine Erweiterung der theoretischen Vernunft und der Erkenntni derselben in Ansehung des bersinnlichen berhaupt, so fern als sie genthigt wurde, da es solche Gegenstnde gebe, einzurumen, ohne sie doch nher bestimmen, mithin dieses Erkenntni von den Objecten (die ihr nunmehr aus praktischem Grunde und auch nur zum praktischen Gebrauche gegeben worden) selbst erweitern zu knnen, welchen Zuwachs also die reine theoretische Vernunft, fr die alle jene Ideen transscendent und ohne Object sind, lediglich ihrem reinen praktischen Vermgen zu verdanken hat. Hier werden sie immanent und constitutiv, indem sie Grnde der Mglichkeit sind, das nothwendige Object der reinen praktischen Vernunft (das hchste Gut) wirklich zu machen, da sie ohne dies transscendent und blos regulative Principien der speculativen Vernunft sind, die ihr nicht ein neues Object ber die Erfahrung hinaus anzunehmen, sondern nur ihren Gebrauch in der Erfahrung der Vollstndigkeit zu nheren auferlegen. Ist aber die Vernunft einmal im Besitze dieses Zuwachses, so wird sie als speculative Vernunft (eigentlich nur zur Sicherung ihres praktischen Gebrauchs) negativ, d.i. nicht erweiternd, sondern luternd, mit jenen Ideen zu Werke gehen, um einerseits den Anthropomorphism als den Quell der Superstition, oder scheinbare Erweiterung jener Begriffe durch vermeinte Erfahrung, andererseits den Fanaticism, der sie durch bersinnliche Anschauung oder dergleichen Gefhle verspricht, abzuhalten ; welches alle Hindernisse des praktischen Gebrauchs der reinen Vernunft sind, deren Abwehrung also zu der Erweiterung unserer Erkenntni in praktischer Absicht allerdings gehrt, ohne da es dieser widerspricht, zugleich zu gestehen, da die Vernunft in speculativer Absicht dadurch im mindesten nichts gewonnen habe.

Zu jedem Gebrauche der Vernunft in Ansehung eines Gegenstandes werden reine Verstandesbegriffe (Kategorien) erfordert, ohne die kein Gegenstand gedacht werden kann. Diese knnen zum theoretischen Gebrauche der Vernunft, d.i. zu dergleichen Erkenntni, nur angewandt werden, so fern ihnen zugleich Anschauung (die jederzeit sinnlich ist) untergelegt wird, und also blos, um durch sie ein Object mglicher Erfahrung vorzustellen. Nun sind hier aber Ideen der Vernunft, die in gar keiner Erfahrung gegeben werden knnen, das, was ich durch Kategorien denken mte, um es zu erkennen. Allein es ist hier auch nicht um das theoretische Erkenntni der Objecte dieser Ideen, sondern nur darum, da sie berhaupt Objecte haben, zu thun. Diese Realitt verschafft reine praktische Vernunft, und hiebei hat die theoretische Vernunft nichts weiter zu thun, als jene Objecte durch Kategorien blos zu denken, welches, wie wir sonst deutlich gewiesen haben, ganz wohl, ohne Anschauung (weder sinnliche, noch bersinnliche) zu bedrfen, angeht, weil die Kategorien im reinen Verstande unabhngig und vor aller Anschauung, lediglich als dem Vermgen zu denken, ihren Sitz und Ursprung haben, und sie immer nur ein Object berhaupt bedeuten, auf welche Art es uns auch immer gegeben werden mag. Nun ist den Kategorien, so fern sie auf jene Ideen angewandt werden sollen, zwar kein Object in der Anschauung zu geben mglich ; es ist ihnen aber doch, da ein solches wirklich sei, mithin die Kategorie als eine bloe Gedankenform hier nicht leer sei, sondern Bedeutung habe, durch ein Object, welches die praktische Vernunft im Begriffe des hchsten Guts ungezweifelt darbietet, die Realitt der Begriffe, die zum Behuf der Mglichkeit des hchsten Guts gehren, hinreichend gesichert, ohne gleichwohl durch diesen Zuwachs die mindeste Erweiterung des Erkenntnisses nach theoretischen Grundstzen zu bewirken.

 

***

 

Wenn nchstdem diese Ideen von Gott, einer intelligibelen Welt (dem Reiche Gottes) und der Unsterblichkeit durch Prdicate bestimmt werden, die von unserer eigenen Natur hergenommen sind, so darf man diese Bestimmung weder als Versinnlichung jener reinen Vernunftideen (Anthropomorphismen), noch als berschwengliches Erkenntni bersinnlicher Gegenstnde ansehen ; denn diese Prdicate sind keine andere als Verstand und Wille, und zwar so im Verhltnisse gegen einander betrachtet, als sie im moralischen Gesetze gedacht werden mssen, also nur so weit von ihnen ein reiner praktischer Gebrauch gemacht wird. Von allem brigen, was diesen Begriffen psychologisch anhngt, d.i. so fern wir diese unsere Vermgen in ihrer Ausbung empirisch beobachten, (z.B. da der Verstand des Menschen discursiv ist, seine Vorstellungen also Gedanken, nicht Anschauungen sind, da diese in der Zeit auf einander folgen, da sein Wille immer mit einer Abhngigkeit der Zufriedenheit von der Existenz seines Gegenstandes behaftet ist u.s.w., welches im hchsten Wesen so nicht sein kann) wird alsdann abstrahirt, und so bleibt von den Begriffen, durch die wir uns ein reines Verstandeswesen denken, nichts mehr brig, als gerade zur Mglichkeit erforderlich ist, sich ein moralisch Gesetz zu denken, mithin zwar ein Erkenntni Gottes, aber nur in praktischer Beziehung, wodurch, wenn wir den Versuch machen, es zu einem theoretischen zu erweitern, wir einen Verstand desselben bekommen, der nicht denkt, sondern anschaut, einen Willen, der auf Gegenstnde gerichtet ist, von deren Existenz seine Zufriedenheit nicht im Mindesten abhngt (ich will nicht einmal der transscendentalen Prdicate erwhnen, als z.B. eine Gre der Existenz, d.i. Dauer, die aber nicht in der Zeit, als dem einzigen uns mglichen Mittel uns Dasein als Gre vorzustellen, stattfindet), lauter Eigenschaften, von denen wir uns gar keinen Begriff, zum Erkenntnisse des Gegenstandes tauglich, machen knnen, und dadurch belehrt werden, da sie niemals zu einer Theorie von bersinnlichen Wesen gebraucht werden knnen und also auf dieser Seite ein speculatives Erkenntni zu grnden gar nicht vermgen, sondern ihren Gebrauch lediglich auf die Ausbung des moralischen Gesetzes einschrnken.

Dieses letztere ist so augenscheinlich und kann so klar durch die That bewiesen werden, da man getrost alle vermeinte natrliche Gottesgelehrte (ein wunderlicher Name)* auffordern kann, auch nur eine diesen ihren Gegenstand (ber die blos ontologischen Prdicate hinaus) bestimmende Eigenschaft, etwa des Verstandes oder des Willens, zu nennen, an der man nicht unwidersprechlich darthun knnte, da, wenn man alles Anthropomorphistische davon absondert, uns nur das bloe Wort brig bleibe, ohne damit den mindesten Begriff verbinden zu knnen, dadurch eine Erweiterung der theoretischen Erkenntni gehofft werden drfte. In Ansehung des Praktischen aber bleibt uns von den Eigenschaften eines Verstandes und Willens doch noch der Begriff eines Verhltnisses brig, welchem das praktische Gesetz (das gerade dieses Verhltni des Verstandes zum Willen a priori bestimmt) objective Realitt verschafft. Ist dieses nun einmal geschehen, so wird dem Begriffe des Objects eines moralisch bestimmten Willens (dem des hchsten Guts) und mit ihm den Bedingungen seiner Mglichkeit, den Ideen von Gott, Freiheit und Unsterblichkeit, auch Realitt, aber immer nur in Beziehung auf die Ausbung des moralischen Gesetzes (zu keinem speculativen Behuf) gegeben.

Nach diesen Erinnerungen ist nun auch die Beantwortung der wichtigsten Frage leicht zu finden : ob der Begriff von Gott ein zur Physik (mithin auch zur Metaphysik, als die nur die reinen Principien a priori der ersteren in allgemeiner Bedeutung enthlt) oder ein zur Moral gehriger Begriff sei. Natureinrichtungen, oder deren Vernderung zu erklren, wenn man da zu Gott als dem Urheber aller Dinge seine Zuflucht nimmt, ist wenigstens keine physische Erklrung und berall ein Gestndni, man sei mit seiner Philosophie zu Ende : weil man genthigt ist, etwas, wovon man sonst fr sich keinen Begriff hat, anzunehmen, um sich von der Mglichkeit dessen, was man vor Augen sieht, einen Begriff machen zu knnen. Durch Metaphysik aber von der Kenntni dieser Welt zum Begriffe von Gott und dem Beweise seiner Existenz durch sichere Schlsse zu gelangen, ist darum unmglich, weil wir diese Welt als das vollkommenste mgliche Ganze, mithin zu diesem Behuf alle mgliche Welten (um sie mit dieser vergleichen zu knnen) erkennen, mithin allwissend sein mten, um zu sagen, da sie nur durch einen Gott (wie wir uns diesen Begriff denken mssen) mglich war. Vollends aber die Existenz dieses Wesens aus bloen Begriffen zu erkennen, ist schlechterdings unmglich, weil ein jeder Existentialsatz, d.i. der, so von einem Wesen, von dem ich mir einen Begriff mache, sagt, da es existire, ein synthetischer Satz ist, d.i. ein solcher, dadurch ich ber jenen Begriff hinausgehe und mehr von ihm sage, als im Begriffe gedacht war : nmlich da diesem Begriffe im Verstande noch ein Gegenstand auer dem Verstande correspondirend gesetzt sei, welches offenbar unmglich ist durch irgend einen Schlu herauszubringen. Also bleibt nur ein einziges Verfahren fr die Vernunft brig, zu diesem Erkenntnisse zu gelangen, da sie nmlich als reine Vernunft, von dem obersten Princip ihres reinen praktischen Gebrauchs ausgehend (indem dieser ohnedem blos auf die Existenz von Etwas, als Folge der Vernunft, gerichtet ist), ihr Object bestimmt. Und da zeigt sich nicht allein in ihrer unvermeidlichen Aufgabe, nmlich der nothwendigen Richtung des Willens auf das hchste Gut, die Nothwendigkeit, ein solches Urwesen in Beziehung auf die Mglichkeit dieses Guten in der Welt anzunehmen, sondern, was das Merkwrdigste ist, etwas, was dem Fortgange der Vernunft auf dem Naturwege ganz mangelte, nmlich ein genau bestimmter Begriff dieses Urwesens. Da wir diese Welt nur zu einem kleinen Theile kennen, noch weniger sie mit allen mglichen Welten vergleichen knnen, so knnen wir von ihrer Ordnung, Zweckmigkeit und Gre wohl auf einen weisen, gtigen, mchtigen etc. Urheber derselben schlieen, aber nicht auf seine Allwissenheit, Allgtigkeit, Allmacht u.s.w. Man kann auch gar wohl einrumen : da man diesen unvermeidlichen Mangel durch eine erlaubte, ganz vernnftige Hypothese zu ergnzen wohl befugt sei ; da nmlich, wenn in so viel Stcken, als sich unserer nheren Kenntni darbieten, Weisheit, Gtigkeit etc. hervorleuchtet, in allen brigen es eben so sein werde, und es also vernnftig sei, dem Welturheber alle mgliche Vollkommenheit beizulegen ; aber das sind keine Schlsse, wodurch wir uns auf unsere Einsicht etwas dnken, sondern nur Befugnisse, die man uns nachsehen kann, und doch noch einer anderweitigen Empfehlung bedrfen, um davon Gebrauch zu machen. Der Begriff von Gott bleibt also auf dem empirischen Wege (der Physik) immer ein nicht genau bestimmter Begriff von der Vollkommenheit des ersten Wesens, um ihn dem Begriffe einer Gottheit fr angemessen zu halten (mit der Metaphysik aber in ihrem transscendentalen Theile ist gar nichts auszurichten).

Ich versuche nun diesen Begriff an das Object der praktischen Vernunft zu halten, und da finde ich, da der moralische Grundsatz ihn nur als mglich unter Voraussetzung eines Welturhebers von hchster Vollkommenheit zulasse. Er mu allwissend sein, um mein Verhalten bis zum Innersten meiner Gesinnung in allen mglichen Fllen und in alle Zukunft zu erkennen ; allmchtig, um ihm die angemessenen Folgen zu ertheilen ; eben so allgegenwrtig, ewig u.s.w. Mithin bestimmt das moralische Gesetz durch den Begriff des hchsten Guts, als Gegenstandes einer reinen praktischen Vernunft, den Begriff des Urwesens als hchsten Wesens, welches der physische (und hher fortgesetzt der metaphysische), mithin der ganze speculative Gang der Vernunft nicht bewirken konnte. Also ist der Begriff von Gott ein ursprnglich nicht zur Physik, d.i. fr die speculative Vernunft, sondern zur Moral gehriger Begriff, und eben das kann man auch von den brigen Vernunftbegriffen sagen, von denen wir als Postulaten derselben in ihrem praktischen Gebrauche oben gehandelt haben.

Wenn man in der Geschichte der griechischen Philosophie ber den Anaxagoras hinaus keine deutliche Spuren einer reinen Vernunfttheologie antrifft, so ist der Grund nicht darin gelegen, da es den lteren Philosophen an Verstande und Einsicht fehlte, um durch den Weg der Speculation wenigstens mit Beihlfe einer ganz vernnftigen Hypothese sich dahin zu erheben ; was konnte leichter, was natrlicher sein, als der sich von selbst jedermann darbietende Gedanke, statt unbestimmter Grade der Vollkommenheit verschiedener Weltursachen eine einzige vernnftige anzunehmen, die alle Vollkommenheit hat ? Aber die bel in der Welt schienen ihnen viel zu wichtige Einwrfe zu sein, um zu einer solchen Hypothese sich fr berechtigt zu halten. Mithin zeigten sie darin eben Verstand und Einsicht, da sie sich jene nicht erlaubten und vielmehr in den Naturursachen herum suchten, ob sie unter ihnen nicht die zu Urwesen erforderliche Beschaffenheit und Vermgen antreffen mchten. Aber nachdem dieses scharfsinnige Volk so weit in Nachforschungen fortgerckt war, selbst sittliche Gegenstnde, darber andere Vlker niemals mehr als geschwatzt haben, philosophisch zu behandeln : da fanden sie allererst ein neues Bedrfni, nmlich ein praktisches, welches nicht ermangelte ihnen den Begriff des Urwesens bestimmt anzugeben, wobei die speculative Vernunft das Zusehen hatte, hchstens noch das Verdienst, einen Begriff, der nicht auf ihrem Boden erwachsen war, auszuschmcken und mit einem Gefolge von Besttigungen aus der Naturbetrachtung, die nun allererst hervortraten, wohl nicht das Ansehen desselben (welches schon gegrndet war), sondern vielmehr nur das Geprnge mit vermeinter theoretischer Vernunfteinsicht zu befrdern.

 

* Gelehrsamkeit ist eigentlich nur der Inbegriff historischer Wissenschaften. Folglich kann nur der Lehrer der geoffenbarten Theologie ein Gottesgelehrter heien. Wollte man aber auch den, der im Besitze von Vernunftwissenschaften (Mathematik und Philosophie) ist, einen Gelehrten nennen, obgleich dieses schon der Wortbedeutung (als die jederzeit nur dasjenige, was man durchaus gelehrt werden mu, und was man also nicht von selbst, durch Vernunft, erfinden kann, zur Gelehrsamkeit zhlt) widerstreiten wrde : so mchte wohl der Philosoph mit seiner Erkenntni Gottes als positiver Wissenschaft eine zu schlechte Figur machen, um sich deshalb einen Gelehrten nennen zu lassen.

 

***

 

Aus diesen Erinnerungen wird der Leser der Kritik der reinen speculativen Vernunft sich vollkommen berzeugen : wie hchstnthig, wie ersprielich fr Theologie und Moral jene mhsame Deduction der Kategorien war. Denn dadurch allein kann verhtet werden, sie, wenn man sie im reinen Verstande setzt, mit Plato fr angeboren zu halten und darauf berschwengliche Anmaungen mit Theorien des bersinnlichen, wovon man kein Ende absieht, zu grnden, dadurch aber die Theologie zur Zauberlaterne von Hirngespenstern zu machen ; wenn man sie aber fr erworben hlt, zu verhten, da man nicht mit Epikur allen und jeden Gebrauch derselben, selbst den in praktischer Absicht, blos auf Gegenstnde und Bestimmungsgrnde der Sinne einschrnke. Nun aber, nachdem die Kritik in jener Deduction erstlich bewies, da sie nicht empirischen Ursprungs sind, sondern a priori im reinen Verstande ihren Sitz und Quelle haben ; zweitens auch, da, da sie auf Gegenstnde berhaupt, unabhngig von ihrer Anschauung, bezogen werden, sie zwar nur in Anwendung auf empirische Gegenstnde theoretisches Erkenntni zu Stande bringen, aber doch auch, auf einen durch reine praktische Vernunft gegebenen Gegenstand angewandt, zum bestimmten Denken des bersinnlichen dienen, jedoch nur so fern dieses blos durch solche Prdicate bestimmt wird, die nothwendig zur reinen a priori gegebenen praktischen Absicht und deren Mglichkeit gehren. Speculative Einschrnkung der reinen Vernunft und praktische Erweiterung derselben bringen dieselbe allererst in dasjenige Verhltni der Gleichheit, worin Vernunft berhaupt zweckmig gebraucht werden kann, und dieses Beispiel beweiset besser als sonst eines, da der Weg zur Weisheit, wenn er gesichert und nicht ungangbar oder irreleitend werden soll, bei uns Menschen unvermeidlich durch die Wissenschaft durchgehen msse, wovon man aber, da diese zu jenem Ziele fhre, nur nach Vollendung derselben berzeugt werden kann.

 

VIII.

Vom Frwahrhalten aus einem Bedrfnisse der reinen Vernunft

Ein Bedrfni der reinen Vernunft in ihrem speculativen Gebrauche fhrt nur auf Hypothesen, das der reinen praktischen Vernunft aber zu Postulaten ; denn im ersteren Falle steige ich vom Abgeleiteten so hoch hinauf in der Reihe der Grnde, wie ich will, und bedarf eines Urgrundes, nicht um jenem Abgeleiteten (z.B. der Causalverbindung der Dinge und Vernderungen in der Welt) objective Realitt zu geben, sondern nur um meine forschende Vernunft in Ansehung desselben vollstndig zu befriedigen. So sehe ich Ordnung und Zweckmigkeit in der Natur vor mir und bedarf nicht, um mich von deren Wirklichkeit zu versichern, zur Speculation zu schreiten, sondern nur, um sie zu erklren, eine Gottheit als deren Ursache voraus zu setzen ; da denn, weil von einer Wirkung der Schlu auf eine bestimmte, vornehmlich so genau und so vollstndig bestimmte Ursache, als wir an Gott zu denken haben, immer unsicher und milich ist, eine solche Voraussetzung nicht weiter gebracht werden kann, als zu dem Grade der fr uns Menschen allervernnftigsten Meinung.* Dagegen ist ein Bedrfni der reinen praktischen Vernunft auf einer Pflicht gegrndet, etwas (das hchste Gut) zum Gegenstande meines Willens zu machen, um es nach allen meinen Krften zu befrdern ; wobei ich aber die Mglichkeit desselben, mithin auch die Bedingungen dazu, nmlich Gott, Freiheit und Unsterblichkeit, voraussetzen mu, weil ich diese durch meine speculative Vernunft nicht beweisen, obgleich auch nicht widerlegen kann. Diese Pflicht grndet sich auf einem freilich von diesen letzteren Voraussetzungen ganz unabhngigen, fr sich selbst apodiktisch gewissen, nmlich dem moralischen Gesetze und ist so fern keiner anderweitigen Untersttzung durch theoretische Meinung von der innern Beschaffenheit der Dinge, der geheimen Abzweckung der Weltordnung, oder eines ihr vorstehenden Regierers bedrftig, um uns auf das vollkommenste zu unbedingt gesetzmigen Handlungen zu verbinden. Aber der subjective Effect dieses Gesetzes, nmlich die ihm angemessene und durch dasselbe auch nothwendige Gesinnung, das praktisch mgliche hchste Gut zu befrdern, setzt doch wenigstens voraus, da das letztere mglich sei, widrigenfalls es praktisch unmglich wre, dem Objecte eines Begriffes nachzustreben, welcher im Grunde leer und ohne Object wre. Nun betreffen obige Postulate nur die physische oder metaphysische, mit einem Worte in der Natur der Dinge liegende Bedingungen der Mglichkeit des hchsten Guts, aber nicht zum Behuf einer beliebigen speculativen Absicht, sondern eines praktisch nothwendigen Zwecks des reinen Vernunftwillens, der hier nicht whlt, sondern einem unnachlalichen Vernunftgebote gehorcht, welches seinen Grund objectiv in der Beschaffenheit der Dinge hat, so wie sie durch reine Vernunft allgemein beurtheilt werden mssen, und grndet sich nicht etwa auf Neigung, die zum Behuf dessen, was wir aus blos subjectiven Grnden wnschen, sofort die Mittel dazu als mglich, oder den Gegenstand wohl gar als wirklich anzunehmen keinesweges berechtigt ist. Also ist dieses ein Bedrfni in schlechterdings nothwendiger Absicht und rechtfertigt seine Voraussetzung nicht blos als erlaubte Hypothese, sondern als Postulat in praktischer Absicht ; und zugestanden, da das reine moralische Gesetz jedermann als Gebot (nicht als Klugheitsregel) unnachlalich verbinde, darf der Rechtschaffene wohl sagen : ich will, da ein Gott, da mein Dasein in dieser Welt auch auer der Naturverknpfung noch ein Dasein in einer reinen Verstandeswelt, endlich auch da meine Dauer endlos sei, ich beharre darauf und lasse mir diesen Glauben nicht nehmen ; denn dieses ist das einzige, wo mein Interesse, weil ich von demselben nichts nachlassen darf, mein Urtheil unvermeidlich bestimmt, ohne auf Vernnfteleien zu achten, so wenig ich auch darauf zu antworten oder ihnen scheinbarere entgegen zu stellen im Stande sein mchte.**

 

* Aber selbst auch hier wrden wir nicht ein Bedrfni der Vernunft vorschtzen knnen, lge nicht ein problematischer, aber doch unvermeidlicher Begriff der Vernunft vor Augen, nmlich der eines schlechterdings nothwendigen Wesens. Dieser Begriff will nun bestimmt sein, und das ist, wenn der Trieb zur Erweiterung dazu kommt, der objective Grund eines Bedrfnisses der speculativen Vernunft, nmlich den Begriff eines nothwendigen Wesens, welches andern zum Urgrunde dienen soll, nher zu bestimmen und dieses letzte also wodurch kenntlich zu machen. Ohne solche vorausgehende nothwendige Probleme giebt es keine Bedrfnisse, wenigstens nicht der reinen Vernunft ; die brigen sind Bedrfnisse der Neigung.

 

** Im deutschen Museum, Febr. 1787, findet sich eine Abhandlung von einem sehr feinen und hellen Kopfe, dem sel. Wizenmann, dessen frher Tod zu bedauren ist, darin er die Befugni, aus einem Bedrfnisse auf die objective Realitt des Gegenstandes desselben zu schlieen, bestreitet und seinen Gegenstand durch das Beispiel eines Verliebten erlutert, der, indem er sich in eine Idee von Schnheit, welche blos sein Hirngespinst ist, vernarrt htte, schlieen wollte, da ein solches Object wirklich wo existire. Ich gebe ihm hierin vollkommen recht in allen Fllen, wo das Bedrfni auf Neigung gegrndet ist, die nicht einmal nothwendig fr den, der damit angefochten ist, die Existenz ihres Objects postuliren kann, viel weniger eine fr jedermann gltige Forderung enthlt und daher ein blos subjectiver Grund der Wnsche ist. Hier aber ist es ein Vernunftbedrfni, aus einem objectiven Bestimmungsgrunde des Willens, nmlich dem moralischen Gesetze, entspringend, welches jedes vernnftige Wesen nothwendig verbindet, also zur Voraussetzung der ihm angemessenen Bedingungen in der Natur a priori berechtigt und die letztern von dem vollstndigen praktischen Gebrauche der Vernunft unzertrennlich macht. Es ist Pflicht, das hchste Gut nach unserem grten Vermgen wirklich zu machen ; daher mu es doch auch mglich sein ; mithin ist es fr jedes vernnftige Wesen in der Welt auch unvermeidlich, dasjenige vorauszusetzen, was zu dessen objectiver Mglichkeit nothwendig ist. Die Voraussetzung ist so nothwendig als das moralische Gesetz, in Beziehung auf welches sie auch nur gltig ist.

 

***

 

Um bei dem Gebrauche eines noch so ungewohnten Begriffs, als der eines reinen praktischen Vernunftglaubens ist, Mideutungen zu verhten, sei mir erlaubt noch eine Anmerkung hinzuzufgen. Es sollte fast scheinen, als ob dieser Vernunftglaube hier selbst als Gebot angekndigt werde, nmlich das hchste Gut fr mglich anzunehmen. Ein Glaube aber, der geboten wird, ist ein Unding. Man erinnere sich aber der obigen Auseinandersetzung dessen, was im Begriffe des hchsten Guts anzunehmen verlangt wird, und man wird inne werden, da diese Mglichkeit anzunehmen gar nicht geboten werden drfe, und keine praktische Gesinnungen fordere, sie einzurumen, sondern da speculative Vernunft sie ohne Gesuch zugeben msse ; denn da eine dem moralischen Gesetze angemessene Wrdigkeit der vernnftigen Wesen in der Welt, glcklich zu sein, mit einem dieser proportionirten Besitze dieser Glckseligkeit in Verbindung an sich unmglich sei, kann doch niemand behaupten wollen. Nun giebt uns in Ansehung des ersten Stcks des hchsten Guts, nmlich was die Sittlichkeit betrifft, das moralische Gesetz blos ein Gebot, und die Mglichkeit jenes Bestandstcks zu bezweifeln, wre eben so viel, als das moralische Gesetz selbst in Zweifel ziehen. Was aber das zweite Stck jenes Objects, nmlich die jener Wrdigkeit durchgngig angemessene Glckseligkeit, betrifft, so ist zwar die Mglichkeit derselben berhaupt einzurumen gar nicht eines Gebots bedrftig, denn die theoretische Vernunft hat selbst nichts dawider : nur die Art, wie wir uns eine solche Harmonie der Naturgesetze mit denen der Freiheit denken sollen, hat etwas an sich, in Ansehung dessen uns eine Wahl zukommt, weil theoretische Vernunft hierber nichts mit apodiktischer Gewiheit entscheidet, und in Ansehung dieser kann es ein moralisches Interesse geben, das den Ausschlag giebt.

Oben hatte ich gesagt, da nach einem bloen Naturgange in der Welt die genau dem sittlichen Werthe angemessene Glckseligkeit nicht zu erwarten und fr unmglich zu halten sei, und da also die Mglichkeit des hchsten Guts von dieser Seite nur unter Voraussetzung eines moralischen Welturhebers knne eingerumt werden. Ich hielt mit Vorbedacht mit der Einschrnkung dieses Urtheils auf die subjectiven Bedingungen unserer Vernunft zurck, um nur dann allererst, wenn die Art ihres Frwahrhaltens nher bestimmt werden sollte, davon Gebrauch zu machen. In der That ist die genannte Unmglichkeit blos subjectiv, d.i. unsere Vernunft findet es ihr unmglich, sich einen so genau angemessenen und durchgngig zweckmigen Zusammenhang zwischen zwei nach so verschiedenen Gesetzen sich erugnenden Weltbegebenheiten nach einem bloen Naturlaufe begreiflich zu machen, ob sie zwar wie bei allem, was sonst in der Natur Zweckmiges ist, die Unmglichkeit desselben nach allgemeinen Naturgesetzen doch auch nicht beweisen, d.i. aus objectiven Grnden hinreichend darthun kann.

Allein jetzt kommt ein Entscheidungsgrund von anderer Art ins Spiel, um im Schwanken der speculativen Vernunft den Ausschlag zu geben. Das Gebot, das hchste Gut zu befrdern, ist objectiv (in der praktischen Vernunft), die Mglichkeit desselben berhaupt gleichfalls objectiv (in der theoretischen Vernunft, die nichts dawider hat) gegrndet. Allein die Art, wie wir uns diese Mglichkeit vorstellen sollen, ob nach allgemeinen Naturgesetzen ohne einen der Natur vorstehenden weisen Urheber, oder nur unter dessen Voraussetzung, das kann die Vernunft objectiv nicht entscheiden. Hier tritt nun eine subjective Bedingung der Vernunft ein : die einzige ihr theoretisch mgliche, zugleich der Moralitt (die unter einem objectiven Gesetze der Vernunft steht) allein zutrgliche Art, sich die genaue Zusammenstimmung des Reichs der Natur mit dem Reiche der Sitten als Bedingung der Mglichkeit des hchsten Guts zu denken. Da nun die Befrderung desselben und also die Voraussetzung seiner Mglichkeit objectiv (aber nur der praktischen Vernunft zu Folge) nothwendig ist, zugleich aber die Art, auf welche Weise wir es uns als mglich denken wollen, in unserer Wahl steht, in welcher aber ein freies Interesse der reinen praktischen Vernunft fr die Annehmung eines weisen Welturhebers entscheidet : so ist das Princip, was unser Urtheil hierin bestimmt, zwar subjectiv als Bedrfni, aber auch zugleich als Befrderungsmittel dessen, was objectiv (praktisch) nothwendig ist, der Grund einer Maxime des Frwahrhaltens in moralischer Absicht, d.i. ein reiner praktischer Vernunftglaube. Dieser ist also nicht geboten, sondern als freiwillige, zur moralischen (gebotenen) Absicht zutrgliche, berdem noch mit dem theoretischen Bedrfnisse der Vernunft einstimmige Bestimmung unseres Urtheils, jene Existenz anzunehmen und dem Vernunftgebrauch ferner zum Grunde zu legen, selbst aus der moralischen Gesinnung entsprungen ; kann also fters selbst bei Wohlgesinnten bisweilen in Schwanken, niemals aber in Unglauben gerathen.

 

IX.

Von der praktischen Bestimmung des Menschen weislich angemessenen Proportion seiner Erkenntnivermgen

Wenn die menschliche Natur zum hchsten Gute zu streben bestimmt ist, so mu auch das Ma ihrer Erkenntnivermgen, vornehmlich ihr Verhltni unter einander, als zu diesem Zwecke schicklich angenommen werden. Nun beweiset aber die Kritik der reinen speculativen Vernunft die grte Unzulnglichkeit derselben, um die wichtigsten Aufgaben, die ihr vorgelegt werden, dem Zwecke angemessen aufzulsen, ob sie zwar die natrlichen und nicht zu bersehenden Winke eben derselben Vernunft, imgleichen die groen Schritte, die sie thun kann, nicht verkennt, um sich diesem groen Ziele, das ihr ausgesteckt ist, zu nheren, aber doch, ohne es jemals fr sich selbst sogar mit Beihlfe der grten Naturkenntni zu erreichen. Also scheint die Natur hier uns nur stiefmtterlich mit einem zu unserem Zwecke benthigten Vermgen versorgt zu haben.

Gesetzt nun, sie wre hierin unserem Wunsche willfhrig gewesen und htte uns diejenige Einsichtsfhigkeit oder Erleuchtung ertheilt, die wir gerne besitzen mchten, oder in deren Besitz einige wohl gar whnen sich wirklich zu befinden, was wrde allem Ansehn nach wohl die Folge hievon sein ? Wofern nicht zugleich unsere ganze Natur umgendert wre, so wrden die Neigungen, die doch allemal das erste Wort haben, zuerst ihre Befriedigung und, mit vernnftiger berlegung verbunden, ihre grtmgliche und daurende Befriedigung unter dem Namen der Glckseligkeit verlangen ; das moralische Gesetz wrde nachher sprechen, um jene in ihren geziemenden Schranken zu halten und sogar sie alle insgesammt einem hheren, auf keine Neigung Rcksicht nehmenden Zwecke zu unterwerfen. Aber statt des Streits, den jetzt die moralische Gesinnung mit den Neigungen zu fhren hat, in welchem nach einigen Niederlagen doch allmhlig moralische Strke der Seele zu erwerben ist, wrden Gott und Ewigkeit mit ihrer furchtbaren Majestt uns unablssig vor Augen liegen (denn was wir vollkommen beweisen knnen, gilt in Ansehung der Gewiheit uns so viel, als wovon wir uns durch den Augenschein versichern). Die bertretung des Gesetzes wrde freilich vermieden, das Gebotene gethan werden ; weil aber die Gesinnung, aus welcher Handlungen geschehen sollen, durch kein Gebot mit eingeflt werden kann, der Stachel der Thtigkeit hier aber sogleich bei Hand und uerlich ist, die Vernunft also sich nicht allererst empor arbeiten darf, um Kraft zum Widerstande gegen Neigungen durch lebendige Vorstellung der Wrde des Gesetzes zu sammeln, so wrden die mehrsten gesetzmigen Handlungen aus Furcht, nur wenige aus Hoffnung und gar keine aus Pflicht geschehen, ein moralischer Werth der Handlungen aber, worauf doch allein der Werth der Person und selbst der der Welt in den Augen der hchsten Weisheit ankommt, wrde gar nicht existiren. Das Verhalten der Menschen, so lange ihre Natur, wie sie jetzt ist, bliebe, wrde also in einen bloen Mechanismus verwandelt werden, wo wie im Marionettenspiel alles gut gesticuliren, aber in den Figuren doch kein Leben anzutreffen sein wrde. Nun, da es mit uns ganz anders beschaffen ist, da wir mit aller Anstrengung unserer Vernunft nur eine sehr dunkele und zweideutige Aussicht in die Zukunft haben, der Weltregierer uns sein Dasein und seine Herrlichkeit nur muthmaen, nicht erblicken, oder klar beweisen lt, dagegen das moralische Gesetz in uns, ohne uns etwas mit Sicherheit zu verheien, oder zu drohen, von uns uneigenntzige Achtung fordert, brigens aber, wenn diese Achtung thtig und herrschend geworden, allererst alsdann und nur dadurch Aussichten ins Reich des bersinnlichen, aber auch nur mit schwachen Blicken erlaubt : so kann wahrhafte sittliche, dem Gesetze unmittelbar geweihte Gesinnung stattfinden und das vernnftige Geschpf des Antheils am hchsten Gute wrdig werden, das dem moralischen Werthe seiner Person und nicht blos seinen Handlungen angemessen ist. Also mchte es auch hier wohl damit seine Richtigkeit haben, was uns das Studium der Natur und des Menschen sonst hinreichend lehrt, da die unerforschliche Weisheit, durch die wir existiren, nicht minder verehrungswrdig ist in dem, was sie uns versagte, als in dem, was sie uns zu theil werden lie.

 

 

 

Zweiter Theil

Methodenlehre der reinen praktischen Vernunft

 

Unter der Methodenlehre der reinen praktischen Vernunft kann man nicht die Art (sowohl im Nachdenken als im Vortrage) mit reinen praktischen Grundstzen in Absicht auf ein wissenschaftliches Erkenntni derselben zu verfahren verstehen, welches man sonst im Theoretischen eigentlich allein Methode nennt (denn populres Erkenntni bedarf einer Manier, Wissenschaft aber einer Methode, d.i. eines Verfahrens nach Principien der Vernunft, wodurch das Mannigfaltige einer Erkenntni allein ein System werden kann). Vielmehr wird unter dieser Methodenlehre die Art verstanden, wie man den Gesetzen der reinen praktischen Vernunft Eingang in das menschliche Gemth, Einflu auf die Maximen desselben verschaffen, d.i. die objectiv praktische Vernunft auch subjectiv praktisch machen knne.

Nun ist zwar klar, da diejenigen Bestimmungsgrnde des Willens, welche allein die Maximen eigentlich moralisch machen und ihnen einen sittlichen Werth geben, die unmittelbare Vorstellung des Gesetzes und die objectiv nothwendige Befolgung desselben als Pflicht, als die eigentlichen Triebfedern der Handlungen vorgestellt werden mssen, weil sonst zwar Legalitt der Handlungen, aber nicht Moralitt der Gesinnungen bewirkt werden wrde. Allein nicht so klar, vielmehr beim ersten Anblicke ganz unwahrscheinlich mu es jedermann vorkommen, da auch subjectiv jene Darstellung der reinen Tugend mehr Macht ber das menschliche Gemth haben und eine weit strkere Triebfeder abgeben knne, selbst jene Legalitt der Handlungen zu bewirken und krftigere Entschlieungen hervorzubringen, das Gesetz aus reiner Achtung fr dasselbe jeder anderen Rcksicht vorzuziehen, als alle Anlockungen, die aus Vorspiegelungen von Vergngen und berhaupt allem dem, was man zur Glckseligkeit zhlen mag, oder auch alle Androhungen von Schmerz und beln jemals wirken knnen. Gleichwohl ist es wirklich so bewandt, und wre es nicht so mit der menschlichen Natur beschaffen, so wrde auch keine Vorstellungsart des Gesetzes durch Umschweife und empfehlende Mittel jemals Moralitt der Gesinnung hervorbringen. Alles wre lauter Gleinerei, das Gesetz wrde gehat, oder wohl gar verachtet, indessen doch um eigenen Vortheils willen befolgt werden. Der Buchstabe des Gesetzes (Legalitt) wrde in unseren Handlungen anzutreffen sein, der Geist desselben aber in unseren Gesinnungen (Moralitt) gar nicht, und da wir mit aller unserer Bemhung uns doch in unserem Urtheile nicht ganz von der Vernunft los machen knnen, so wrden wir unvermeidlich in unseren eigenen Augen als nichtswrdige, verworfene Menschen erscheinen mssen, wenn wir uns gleich fr diese Krnkung vor dem inneren Richterstuhl dadurch schadlos zu halten versuchten, da wir uns an den Vergngen ergtzten, die ein von uns angenommenes natrliches oder gttliches Gesetz unserem Wahne nach mit dem Maschinenwesen ihrer Polizei, die sich blos nach dem richtete, was man thut, ohne sich um die Bewegungsgrnde, warum man es thut, zu bekmmern, verbunden htte.

Zwar kann man nicht in Abrede sein, da, um ein entweder noch ungebildetes, oder auch verwildertes Gemth zuerst ins Gleis des moralisch Guten zu bringen, es einiger vorbereitenden Anleitungen bedrfe, es durch seinen eigenen Vortheil zu locken, oder durch den Schaden zu schrecken ; allein so bald dieses Maschinenwerk, dieses Gngelband nur einige Wirkung gethan hat, so mu durchaus der reine moralische Bewegungsgrund an die Seele gebracht werden, der nicht allein dadurch, da er der einzige ist, welcher einen Charakter (praktische consequente Denkungsart nach unvernderlichen Maximen) grndet, sondern auch darum, weil er den Menschen seine eigene Wrde fhlen lehrt, dem Gemthe eine ihm selbst unerwartete Kraft giebt, sich von aller sinnlichen Anhnglichkeit, so fern sie herrschend werden will, loszureien und in der Unabhngigkeit seiner intelligibelen Natur und der Seelengre, dazu er sich bestimmt sieht, fr die Opfer, die er darbringt, reichliche Entschdigung zu finden. Wir wollen also diese Eigenschaft unseres Gemths, diese Empfnglichkeit eines reinen moralischen Interesse und mithin die bewegende Kraft der reinen Vorstellung der Tugend, wenn sie gehrig ans menschliche Herz gebracht wird, als die mchtigste und, wenn es auf die Dauer und Pnktlichkeit in Befolgung moralischer Maximen ankommt, einzige Triebfeder zum Guten durch Beobachtungen, die ein jeder anstellen kann, beweisen ; wobei doch zugleich erinnert werden mu, da, wenn diese Beobachtungen nur die Wirklichkeit eines solchen Gefhls, nicht aber dadurch zu Stande gebrachte sittliche Besserung beweisen, dieses der einzigen Methode, die objectiv praktischen Gesetze der reinen Vernunft durch bloe reine Vorstellung der Pflicht subjectiv praktisch zu machen, keinen Abbruch thue, gleich als ob sie eine leere Phantasterei wre. Denn da diese Methode noch niemals in Gang gebracht worden, so kann auch die Erfahrung noch nichts von ihrem Erfolg aufzeigen, sondern man kann nur Beweisthmer der Empfnglichkeit solcher Triebfedern fordern, die ich jetzt krzlich vorlegen und darnach die Methode der Grndung und Cultur chter moralischer Gesinnungen mit wenigem entwerfen will.

Wenn man auf den Gang der Gesprche in gemischten Gesellschaften, die nicht blos aus Gelehrten und Vernnftlern, sondern auch aus Leuten von Geschften oder Frauenzimmer bestehen, Acht hat, so bemerkt man, da auer dem Erzhlen und Scherzen noch eine Unterhaltung, nmlich das Rsonniren, darin Platz findet : weil das erstere, wenn es Neuigkeit und mit ihr Interesse bei sich fhren soll, bald erschpft, das zweite aber leicht schal wird. Unter allem Rsonniren ist aber keines, was mehr den Beitritt der Personen, die sonst bei allem Vernnfteln bald lange Weile haben, erregt und eine gewisse Lebhaftigkeit in die Gesellschaft bringt, als das ber den sittlichen Werth dieser oder jener Handlung, dadurch der Charakter irgend einer Person ausgemacht werden soll. Diejenige, welchen sonst alles Subtile und Grblerische in theoretischen Fragen trocken und verdrielich ist, treten bald bei, wenn es darauf ankommt, den moralischen Gehalt einer erzhlten guten oder bsen Handlung auszumachen, und sind so genau, so grblerisch, so subtil, alles, was die Reinigkeit der Absicht und mithin den Grad der Tugend in derselben vermindern, oder auch nur verdchtig machen knnte, auszusinnen, als man bei keinem Objecte der Speculation sonst von ihnen erwartet. Man kann in diesen Beurtheilungen oft den Charakter der ber andere urtheilenden Personen selbst hervorschimmern sehen, deren einige vorzglich geneigt scheinen, indem sie ihr Richteramt vornehmlich ber Verstorbene ausben, das Gute, was von dieser oder jener That derselben erzhlt wird, wider alle krnkende Einwrfe der Unlauterkeit und zuletzt den ganzen sittlichen Werth der Person wider den Vorwurf der Verstellung und geheimen Bsartigkeit zu vertheidigen, andere dagegen mehr auf Anklagen und Beschuldigungen sinnen, diesen Werth anzufechten. Doch kann man den letzteren nicht immer die Absicht beimessen, Tugend aus allen Beispielen der Menschen gnzlich wegvernnfteln zu wollen, um sie dadurch zum leeren Namen zu machen, sondern es ist oft nur wohlgemeinte Strenge in Bestimmung des chten sittlichen Gehalts nach einem unnachsichtlichen Gesetze, mit welchem und nicht mit Beispielen verglichen der Eigendnkel im Moralischen sehr sinkt, und Demuth nicht etwa blos gelehrt, sondern bei scharfer Selbstprfung von jedem gefhlt wird. Dennoch kann man den Vertheidigern der Reinigkeit der Absicht in gegebenen Beispielen es mehrentheils ansehen, da sie ihr da, wo sie die Vermuthung der Rechtschaffenheit fr sich hat, auch den mindesten Fleck gerne abwischen mchten, aus dem Bewegungsgrunde, damit nicht, wenn allen Beispielen ihre Wahrhaftigkeit gestritten und aller menschlichen Tugend die Lauterkeit weggeleugnet wrde, diese nicht endlich gar fr ein bloes Hirngespinst gehalten und so alle Bestrebung zu derselben als eitles Geziere und trglicher Eigendnkel geringschtzig gemacht werde.

Ich wei nicht, warum die Erzieher der Jugend von diesem Hange der Vernunft, in aufgeworfenen praktischen Fragen selbst die subtilste Prfung mit Vergngen einzuschlagen, nicht schon lngst Gebrauch gemacht haben, und, nachdem sie einen blos moralischen Katechism zum Grunde legten, sie nicht die Biographien alter und neuer Zeiten in der Absicht durchsuchten, um Belge zu den vorgelegten Pflichten bei der Hand zu haben, an denen sie vornehmlich durch die Vergleichung hnlicher Handlungen unter verschiedenen Umstnden die Beurtheilung ihrer Zglinge in Thtigkeit setzten, um den mindern oder greren moralischen Gehalt derselben zu bemerken, als worin sie selbst die frhe Jugend, die zu aller Speculation sonst noch unreif ist, bald sehr scharfsichtig und dabei, weil sie den Fortschritt ihrer Urtheilskraft fhlt, nicht wenig interessirt finden werden, was aber das Vornehmste ist, mit Sicherheit hoffen knnen, da die ftere bung, das Wohlverhalten in seiner ganzen Reinigkeit zu kennen und ihm Beifall zu geben, dagegen selbst die kleinste Abweichung von ihr mit Bedauern oder Verachtung zu bemerken, ob es zwar bis dahin nur als ein Spiel der Urtheilskraft, in welchem Kinder mit einander wetteifern knnen, getrieben wird, dennoch einen dauerhaften Eindruck der Hochschtzung auf der einen und des Abscheues auf der andern Seite zurcklassen werde, welche durch bloe Gewohnheit, solche Handlungen als beifalls- oder tadelswrdig fters anzusehen, zur Rechtschaffenheit im knftigen Lebenswandel eine gute Grundlage ausmachen wrden. Nur wnsche ich sie mit Beispielen sogenannter edler (berverdienstlicher) Handlungen, mit welchen unsere empfindsame Schriften so viel um sich werfen, zu verschonen und alles blos auf Pflicht und den Werth, den ein Mensch sich in seinen eigenen Augen durch das Bewutsein, sie nicht bertreten zu haben, geben kann und mu, auszusetzen, weil, was auf leere Wnsche und Sehnsuchten nach unersteiglicher Vollkommenheit hinausluft, lauter Romanhelden hervorbringt, die, indem sie sich auf ihr Gefhl fr das berschwenglich Groe viel zu Gute thun, sich dafr von der Beobachtung der gemeinen und gangbaren Schuldigkeit, die alsdann ihnen nur unbedeutend klein scheint, frei sprechen.*

 

* Handlungen, aus denen groe, uneigenntzige, theilnehmende Gesinnung und Menschlichkeit hervorleuchtet, zu preisen, ist ganz rathsam. Aber man mu hier nicht sowohl auf die Seelenerhebung, die sehr flchtig und vorbergehend ist, als vielmehr auf die Herzensunterwerfung unter Pflicht, wovon ein lngerer Eindruck erwartet werden kann, weil sie Grundstze (jene aber nur Aufwallungen) mit sich fhrt, aufmerksam machen. Man darf nur ein wenig nachsinnen, man wird immer eine Schuld finden, die er sich irgend wodurch in Ansehung des Menschengeschlechts aufgeladen hat (sollte es auch nur die sein, da man durch die Ungleichheit der Menschen in der brgerlichen Verfassung Vortheile geniet, um deren willen andere desto mehr entbehren mssen), um durch die eigenliebige Einbildung des Verdienstlichen den Gedanken an Pflicht nicht zu verdrngen.

 

Wenn man aber frgt, was denn eigentlich die reine Sittlichkeit ist, an der als dem Probemetall man jeder Handlung moralischen Gehalt prfen msse, so mu ich gestehen, da nur Philosophen die Entscheidung dieser Frage zweifelhaft machen knnen ; denn in der gemeinen Menschenvernunft ist sie, zwar nicht durch abgezogene allgemeine Formeln, aber doch durch den gewhnlichen Gebrauch, gleichsam als der Unterschied zwischen der rechten und linken Hand, lngst entschieden. Wir wollen also vorerst das Prfungsmerkmal der reinen Tugend an einem Beispiele zeigen und, indem wir uns vorstellen, da es etwa einem zehnjhrigen Knaben zur Beurtheilung vorgelegt worden, sehen, ob er auch von selber, ohne durch den Lehrer dazu angewiesen zu sein, nothwendig so urtheilen mte. Man erzhle die Geschichte eines redlichen Mannes, den man bewegen will, den Verleumdern einer unschuldigen, brigens nichts vermgenden Person (wie etwa Anna von Bolen auf Anklage Heinrich VIII. von England) beizutreten. Man bietet Gewinne, d.i. groe Geschenke oder hohen Rang, an, er schlgt sie aus. Dieses wird bloen Beifall und Billigung in der Seele des Zuhrers wirken, weil es Gewinn ist. Nun fngt man es mit Androhung des Verlusts an. Es sind unter diesen Verleumdern seine besten Freunde, die ihm jetzt ihre Freundschaft aufsagen, nahe Verwandte, die ihn (der ohne Vermgen ist) zu enterben drohen, Mchtige, die ihn in jedem Orte und Zustande verfolgen und krnken knnen, ein Landesfrst, der ihn mit dem Verlust der Freiheit, ja des Lebens selbst bedroht. Um ihn aber, damit das Ma des Leidens voll sei, auch den Schmerz fhlen zu lassen, den nur das sittlich gute Herz recht inniglich fhlen kann, mag man seine mit uerster Noth und Drftigkeit bedrohte Familie ihn um Nachgiebigkeit anflehend, ihn selbst, obzwar rechtschaffen, doch eben nicht von festen, unempfindlichen Organen des Gefhls fr Mitleid sowohl als eigener Noth, in einem Augenblick, darin er wnscht den Tag nie erlebt zu haben, der ihn einem so unaussprechlichen Schmerz aussetzte, dennoch seinem Vorsatze der Redlichkeit, ohne zu wanken oder nur zu zweifeln, treu bleibend vorstellen : so wird mein jugendlicher Zuhrer stufenweise von der bloen Billigung zur Bewunderung, von da zum Erstaunen, endlich bis zur grten Verehrung und einem lebhaften Wunsche, selbst ein solcher Mann sein zu knnen (obzwar freilich nicht in seinem Zustande), erhoben werden ; und gleichwohl ist hier die Tugend nur darum so viel werth, weil sie so viel kostet, nicht weil sie etwas einbringt. Die ganze Bewunderung und selbst Bestrebung zur hnlichkeit mit diesem Charakter beruht hier gnzlich auf der Reinigkeit des sittlichen Grundsatzes, welche nur dadurch recht in die Augen fallend vorgestellt werden kann, da man alles, was Menschen nur zur Glckseligkeit zhlen mgen, von den Triebfedern der Handlung wegnimmt. Also mu die Sittlichkeit auf das menschliche Herz desto mehr Kraft haben, je reiner sie dargestellt wird. Woraus denn folgt, da, wenn das Gesetz der Sitten und das Bild der Heiligkeit und Tugend auf unsere Seele berall einigen Einflu ausben soll, sie diesen nur so fern ausben knne, als sie rein, unvermengt von Absichten auf sein Wohlbefinden, als Triebfeder ans Herz gelegt wird, darum weil sie sich im Leiden am herrlichsten zeigt. Dasjenige aber, dessen Wegrumung die Wirkung einer bewegenden Kraft verstrkt, mu ein Hinderni gewesen sein. Folglich ist alle Beimischung der Triebfedern, die von eigener Glckseligkeit hergenommen werden, ein Hinderni, dem moralischen Gesetze Einflu aufs menschliche Herz zu verschaffen. Ich behaupte ferner, da selbst in jener bewunderten Handlung, wenn der Bewegungsgrund, daraus sie geschah, die Hochschtzung seiner Pflicht war, alsdann eben diese Achtung frs Gesetz, nicht etwa ein Anspruch auf die innere Meinung von Gromuth und edler, verdienstlicher Denkungsart, gerade auf das Gemth des Zuschauers die grte Kraft habe, folglich Pflicht, nicht Verdienst den nicht allein bestimmtesten, sondern, wenn sie im rechten Lichte ihrer Unverletzlichkeit vorgestellt wird, auch den eindringendsten Einflu aufs Gemth haben msse.

In unsern Zeiten, wo man mehr mit schmelzenden, weichherzigen Gefhlen, oder hochfliegenden, aufblhenden und das Herz eher welk als stark machenden Anmaungen ber das Gemth mehr auszurichten hofft, als durch die der menschlichen Unvollkommenheit und dem Fortschritte im Guten angemenere trockne und ernsthafte Vorstellung der Pflicht, ist die Hinweisung auf diese Methode nthiger als jemals. Kindern Handlungen als edele, gromthige, verdienstliche zum Muster aufzustellen, in der Meinung, sie durch Einflung eines Enthusiasmus fr dieselbe einzunehmen, ist vollends zweckwidrig. Denn da sie noch in der Beobachtung der gemeinsten Pflicht und selbst in der richtigen Beurtheilung derselben so weit zurck sind, so heit das so viel, als sie bei Zeiten zu Phantasten zu machen. Aber auch bei dem belehrtern und erfahrnern Theil der Menschen ist diese vermeinte Triebfeder, wo nicht von nachtheiliger, wenigstens von keiner chten moralischen Wirkung aufs Herz, die man dadurch doch hat zuwegebringen wollen.

Alle Gefhle, vornehmlich die, so ungewohnte Anstrengung bewirken sollen, mssen in dem Augenblicke, da sie in ihrer Heftigkeit sind, und ehe sie verbrausen, ihre Wirkung thun, sonst thun sie nichts : indem das Herz natrlicherweise zu seiner natrlichen, gemigten Lebensbewegung zurckkehrt und sonach in die Mattigkeit verfllt, die ihm vorher eigen war, weil zwar etwas, was es reizte, nichts aber, das es strkte, an dasselbe gebracht war. Grundstze mssen auf Begriffe errichtet werden, auf alle andere Grundlage knnen nur Anwandelungen zu Stande kommen, die der Person keinen moralischen Werth, ja nicht einmal eine Zuversicht auf sich selbst verschaffen knnen, ohne die das Bewutsein seiner moralischen Gesinnung und eines solchen Charakters, das hchste Gut im Menschen, gar nicht stattfinden kann. Diese Begriffe nun, wenn sie subjectiv praktisch werden sollen, mssen nicht bei den objectiven Gesetzen der Sittlichkeit stehen bleiben, um sie zu bewundern und in Beziehung auf die Menschheit hochzuschtzen, sondern ihre Vorstellung in Relation auf den Menschen und auf sein Individuum betrachten ; da denn jenes Gesetz in einer zwar hchst achtungswrdigen, aber nicht so geflligen Gestalt erscheint, als ob es zu dem Elemente gehre, daran er natrlicher Weise gewohnt ist, sondern wie es ihn nthigt, dieses oft nicht ohne Selbstverleugnung zu verlassen und sich in ein hheres zu begeben, darin er sich mit unaufhrlicher Besorgni des Rckfalls nur mit Mhe erhalten kann. Mit einem Worte, das moralische Gesetz verlangt Befolgung aus Pflicht, nicht aus Vorliebe, die man gar nicht voraussetzen kann und soll.

Lat uns nun im Beispiele sehen, ob in der Vorstellung einer Handlung als edler und gromthiger Handlung mehr subjectiv bewegende Kraft einer Triebfeder liege, als wenn diese blos als Pflicht in Verhltni auf das ernste moralische Gesetz vorgestellt wird. Die Handlung, da jemand mit der grten Gefahr des Lebens Leute aus dem Schiffbruche zu retten sucht, wenn er zuletzt dabei selbst sein Leben einbt, wird zwar einerseits zur Pflicht, andererseits aber und grtentheils auch fr verdienstliche Handlung angerechnet, aber unsere Hochschtzung derselben wird gar sehr durch den Begriff von Pflicht gegen sich selbst, welche hier etwas Abbruch zu leiden scheint, geschwcht. Entscheidender ist die gromthige Aufopferung seines Lebens zur Erhaltung des Vaterlandes, und doch, ob es auch so vollkommen Pflicht sei, sich von selbst und unbefohlen dieser Absicht zu weihen, darber bleibt einiger Scrupel brig, und die Handlung hat nicht die ganze Kraft eines Musters und Antriebes zur Nachahmung in sich. Ist es aber unerlaliche Pflicht, deren bertretung das moralische Gesetz an sich und ohne Rcksicht auf Menschenwohl verletzt und dessen Heiligkeit gleichsam mit Fen tritt (dergleichen Pflichten man Pflichten gegen Gott zu nennen pflegt, weil wir uns in ihm das Ideal der Heiligkeit in Substanz denken), so widmen wir der Befolgung desselben mit Aufopferung alles dessen, was fr die innigste aller unserer Neigungen nur immer einen Werth haben mag, die allervollkommenste Hochachtung, und wir finden unsere Seele durch ein solches Beispiel gestrkt und erhoben, wenn wir an demselben uns berzeugen knnen, da die menschliche Natur zu einer so groen Erhebung ber alles, was Natur nur immer an Triebfedern zum Gegentheil aufbringen mag, fhig sei. Juvenal stellt ein solches Beispiel in einer Steigerung vor, die den Leser die Kraft der Triebfeder, die im reinen Gesetze der Pflicht als Pflicht steckt, lebhaft empfinden lt :

 

Esto bonus miles, tutor bonus, arbiter idem

Integer ; ambiguae si quando citabere testis

Incertaeque rei, Phalaris licet imperet, ut sis

Falsus, et admoto dictet periuria tauro,

Summum crede nefas animam praeferre pudori

Et propter vitam vivendi perdere causas.

 

Wenn wir irgend etwas Schmeichelhaftes vom Verdienstlichen in unsere Handlung bringen knnen, dann ist die Triebfeder schon mit Eigenliebe etwas vermischt, hat also einige Beihlfe von der Seite der Sinnlichkeit. Aber der Heiligkeit der Pflicht allein alles nachsetzen und sich bewut werden, da man es knne, weil unsere eigene Vernunft dieses als ihr Gebot anerkennt und sagt, da man es thun solle, das heit sich gleichsam ber die Sinnenwelt selbst gnzlich erheben, und ist in demselben Bewutsein des Gesetzes auch als Triebfeder eines die Sinnlichkeit beherrschenden Vermgens unzertrennlich, wenn gleich nicht immer mit Effect verbunden, der aber doch auch durch die ftere Beschftigung mit derselben und die anfangs kleinern Versuche ihres Gebrauchs Hoffnung zu seiner Bewirkung giebt, um in uns nach und nach das grte, aber reine moralische Interesse daran hervorzubringen.

Die Methode nimmt also folgenden Gang. Zuerst ist es nur darum zu thun, die Beurtheilung nach moralischen Gesetzen zu einer natrlichen, alle unsere eigene sowohl als die Beobachtung fremder freier Handlungen begleitenden Beschftigung und gleichsam zur Gewohnheit zu machen und sie zu schrfen, indem man vorerst frgt, ob die Handlung objectiv dem moralischen Gesetze, und welchem, gem sei ; wobei man denn die Aufmerksamkeit auf dasjenige Gesetz, welches blos einen Grund zur Verbindlichkeit an die Hand giebt, von dem unterscheidet, welches in der That verbindend ist (leges obligandi a legibus obligantibus), (wie z.B. das Gesetz desjenigen, was das Bedrfni der Menschen, im Gegensatze dessen, was das Recht derselben von mir fordert, wovon das Letztere wesentliche, das Erstere aber nur auerwesentliche Pflichten vorschreibt) und so verschiedene Pflichten, die in einer Handlung zusammenkommen, unterscheiden lehrt. Der andere Punkt, worauf die Aufmerksamkeit gerichtet werden mu, ist die Frage : ob die Handlung auch (subjectiv) um des moralischen Gesetzes willen geschehen, und also sie nicht allein sittliche Richtigkeit als That, sondern auch sittlichen Werth als Gesinnung, ihrer Maxime nach, habe. Nun ist kein Zweifel, da diese bung und das Bewutsein einer daraus entspringenden Cultur unserer blos ber das Praktische urtheilenden Vernunft ein gewisses Interesse selbst am Gesetze derselben, mithin an sittlich guten Handlungen nach und nach hervorbringen msse. Denn wir gewinnen endlich das lieb, dessen Betrachtung uns den erweiterten Gebrauch unserer Erkenntnikrfte empfinden lt, welchen vornehmlich dasjenige befrdert, worin wir moralische Richtigkeit antreffen : weil sich die Vernunft in einer solchen Ordnung der Dinge mit ihrem Vermgen, a priori nach Principien zu bestimmen, was geschehen soll, allein gut finden kann. Gewinnt doch ein Naturbeobachter Gegenstnde, die seinen Sinnen anfangs anstig sind, endlich lieb, wenn er die groe Zweckmigkeit ihrer Organisation daran entdeckt und so seine Vernunft an ihrer Betrachtung weidet, und Leibniz brachte ein Insect, welches er durchs Mikroskop sorgfltig betrachtet hatte, schonend wiederum auf sein Blatt zurck, weil er sich durch seinen Anblick belehrt gefunden und von ihm gleichsam eine Wohlthat genossen hatte.

Aber diese Beschftigung der Urtheilskraft, welche uns unsere eigene Erkenntnikrfte fhlen lt, ist noch nicht das Interesse an den Handlungen und ihrer Moralitt selbst. Sie macht blos, da man sich gerne mit einer solchen Beurtheilung unterhlt, und giebt der Tugend oder der Denkungsart nach moralischen Gesetzen eine Form der Schnheit, die bewundert, darum aber noch nicht gesucht wird (laudatur et alget) ; wie alles, dessen Betrachtung subjectiv ein Bewutsein der Harmonie unserer Vorstellungskrfte bewirkt, und wobei wir unser ganzes Erkenntnivermgen (Verstand und Einbildungskraft) gestrkt fhlen, ein Wohlgefallen hervorbringt, das sich auch andern mittheilen lt, wobei gleichwohl die Existenz des Objects uns gleichgltig bleibt, indem es nur als die Veranlassung angesehen wird, der ber die Thierheit erhabenen Anlage der Talente in uns inne zu werden. Nun tritt aber die zweite bung ihr Geschft an, nmlich in der lebendigen Darstellung der moralischen Gesinnung an Beispielen die Reinigkeit des Willens bemerklich zu machen, vorerst nur als negativer Vollkommenheit desselben, so fern in einer Handlung aus Pflicht gar keine Triebfedern der Neigungen als Bestimmungsgrnde auf ihn einflieen ; wodurch der Lehrling doch auf das Bewutsein seiner Freiheit aufmerksam erhalten wird, und, obgleich diese Entsagung eine anfngliche Empfindung von Schmerz erregt, dennoch dadurch, da sie jenen Lehrling dem Zwange selbst wahrer Bedrfnisse entzieht, ihm zugleich eine Befreiung von der mannigfaltigen Unzufriedenheit, darin ihn alle diese Bedrfnisse verflechten, angekndigt und das Gemth fr die Empfindung der Zufriedenheit aus anderen Quellen empfnglich gemacht wird. Das Herz wird doch von einer Last, die es jederzeit ingeheim drckt, befreit und erleichtert, wenn an reinen moralischen Entschlieungen, davon Beispiele vorgelegt werden, dem Menschen ein inneres, ihm selbst sonst nicht einmal recht bekanntes Vermgen, die innere Freiheit, aufgedeckt wird, sich von der ungestmen Zudringlichkeit der Neigungen dermaen loszumachen, da gar keine, selbst die beliebteste nicht, auf eine Entschlieung, zu der wir uns jetzt unserer Vernunft bedienen sollen, Einflu habe. In einem Falle, wo ich nur allein wei, da das Unrecht auf meiner Seite sei, und, obgleich das freie Gestndni desselben und die Anerbietung zur Genugthuung an der Eitelkeit, dem Eigennutze, selbst dem sonst nicht unrechtmigen Widerwillen gegen den, dessen Recht von mir geschmlert ist, so groen Widerspruch findet, dennoch mich ber alle diese Bedenklichkeiten wegsetzen kann, ist doch ein Bewutsein einer Unabhngigkeit von Neigungen und von Glcksumstnden und der Mglichkeit sich selbst genug zu sein enthalten, welche mir berall auch in anderer Absicht heilsam ist. Und nun findet das Gesetz der Pflicht durch den positiven Werth, den uns die Befolgung desselben empfinden lt, leichteren Eingang durch die Achtung fr uns selbst im Bewutsein unserer Freiheit. Auf diese, wenn sie wohl gegrndet ist, wenn der Mensch nichts strker scheuet, als sich in der inneren Selbstprfung in seinen eigenen Augen geringschtzig und verwerflich zu finden, kann nun jede gute sittliche Gesinnung gepfropft werden : weil dieses der beste, ja der einzige Wchter ist, das Eindringen unedler und verderbender Antriebe vom Gemthe abzuhalten.

Ich habe hiemit nur auf die allgemeinsten Maximen der Methodenlehre einer moralischen Bildung und bung hinweisen wollen. Da die Mannigfaltigkeit der Pflichten fr jede Art derselben noch besondere Bestimmungen erforderte und so ein weitluftiges Geschfte ausmachen wrde, so wird man mich fr entschuldigt halten, wenn ich in einer Schrift wie diese, die nur Vorbung ist, es bei diesen Grundzgen bewenden lasse.

 

 

 

Beschlu

Zwei Dinge erfllen das Gemth mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je fter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschftigt : der bestirnte Himmel ber mir und das moralische Gesetz in mir. Beide darf ich nicht als in Dunkelheiten verhllt, oder im berschwenglichen, auer meinem Gesichtskreise suchen und blos vermuthen ; ich sehe sie vor mir und verknpfe sie unmittelbar mit dem Bewutsein meiner Existenz. Das erste fngt von dem Platze an, den ich in der uern Sinnenwelt einnehme, und erweitert die Verknpfung, darin ich stehe, ins unabsehlich Groe mit Welten ber Welten und Systemen von Systemen, berdem noch in grenzenlose Zeiten ihrer periodischen Bewegung, deren Anfang und Fortdauer. Das zweite fngt von meinem unsichtbaren Selbst, meiner Persnlichkeit, an und stellt mich in einer Welt dar, die wahre Unendlichkeit hat, aber nur dem Verstande sprbar ist, und mit welcher (dadurch aber auch zugleich mit allen jenen sichtbaren Welten) ich mich nicht wie dort in blos zuflliger, sondern allgemeiner und nothwendiger Verknpfung erkenne. Der erstere Anblick einer zahllosen Weltenmenge vernichtet gleichsam meine Wichtigkeit, als eines thierischen Geschpfs, das die Materie, daraus es ward, dem Planeten (einem bloen Punkt im Weltall) wieder zurckgeben mu, nachdem es eine kurze Zeit (man wei nicht wie) mit Lebenskraft versehen gewesen. Der zweite erhebt dagegen meinen Werth, als einer Intelligenz, unendlich durch meine Persnlichkeit, in welcher das moralische Gesetz mir ein von der Thierheit und selbst von der ganzen Sinnenwelt unabhngiges Leben offenbart, wenigstens so viel sich aus der zweckmigen Bestimmung meines Daseins durch dieses Gesetz, welche nicht auf Bedingungen und Grenzen dieses Lebens eingeschrnkt ist, sondern ins Unendliche geht, abnehmen lt.

Allein Bewunderung und Achtung knnen zwar zur Nachforschung reizen, aber den Mangel derselben nicht ersetzen. Was ist nun zu thun, um diese auf nutzbare und der Erhabenheit des Gegenstandes angemessene Art anzustellen ? Beispiele mgen hiebei zur Warnung, aber auch zur Nachahmung dienen. Die Weltbetrachtung fing von dem herrlichsten Anblicke an, den menschliche Sinne nur immer vorlegen und unser Verstand in ihrem weiten Umfange zu verfolgen nur immer vertragen kann, und endigte mit der Sterndeutung. Die Moral fing mit der edelsten Eigenschaft in der menschlichen Natur an, deren Entwickelung und Cultur auf unendlichen Nutzen hinaussieht, und endigte mit der Schwrmerei, oder dem Aberglauben. So geht es allen noch rohen Versuchen, in denen der vornehmste Theil des Geschftes auf den Gebrauch der Vernunft ankommt, der nicht so wie der Gebrauch der Fe sich von selbst vermittelst der ftern Ausbung findet, vornehmlich wenn er Eigenschaften betrifft, die sich nicht so unmittelbar in der gemeinen Erfahrung darstellen lassen. Nachdem aber, wiewohl spt, die Maxime in Schwang gekommen war, alle Schritte vorher wohl zu berlegen, die die Vernunft zu thun vorhat, und sie nicht anders als im Gleise einer vorher wohl berdachten Methode ihren Gang machen zu lassen, so bekam die Beurtheilung des Weltgebudes eine ganz andere Richtung und mit dieser zugleich einen ohne Vergleichung glcklichern Ausgang. Der Fall eines Steins, die Bewegung einer Schleuder, in ihre Elemente und dabei sich uernde Krfte aufgelst und mathematisch bearbeitet, brachte zuletzt diejenige klare und fr alle Zukunft unvernderliche Einsicht in den Weltbau hervor, die bei fortgehender Beobachtung hoffen kann, sich immer nur zu erweitern, niemals aber zurckgehen zu mssen frchten darf.

Diesen Weg nun in Behandlung der moralischen Anlagen unserer Natur gleichfalls einzuschlagen, kann uns jenes Beispiel anrthig sein und Hoffnung zu hnlichem guten Erfolg geben. Wir haben doch die Beispiele der moralisch urtheilenden Vernunft bei Hand. Diese nun in ihre Elementarbegriffe zu zergliedern, in Ermangelung der Mathematik aber ein der Chemie hnliches Verfahren der Scheidung des Empirischen vom Rationalen, das sich in ihnen vorfinden mchte, in wiederholten Versuchen am gemeinen Menschenverstande vorzunehmen, kann uns Beides rein und, was Jedes fr sich allein leisten knne, mit Gewiheit kennbar machen und so theils der Verirrung einer noch rohen, ungebten Beurtheilung, theils (welches weit nthiger ist) den Genieschwngen vorbeugen, durch welche, wie es von Adepten des Steins der Weisen zu geschehen pflegt, ohne alle methodische Nachforschung und Kenntni der Natur getrumte Schtze versprochen und wahre verschleudert werden. Mit einem Worte : Wissenschaft (kritisch gesucht und methodisch eingeleitet) ist die enge Pforte, die zur Weisheitslehre fhrt, wenn unter dieser nicht blos verstanden wird, was man thun, sondern was Lehrern zur Richtschnur dienen soll, um den Weg zur Weisheit, den jedermann gehen soll, gut und kenntlich zu bahnen und andere vor Irrwegen zu sicheren ; eine Wissenschaft, deren Aufbewahrerin jederzeit die Philosophie bleiben mu, an deren subtiler Untersuchung das Publicum keinen Antheil, wohl aber an den Lehren zu nehmen hat, die ihm nach einer solchen Bearbeitung allererst recht hell einleuchten knnen.