Immanuel Kant

Kritik der Urteilskraft

1790

 

 

 

[Inhaltsbersicht]

 

Vorrede

 

Einleitung

I. Von der Einteilung der Philosophie

II. Vom Gebiete der Philosophie berhaupt

III. Von der Kritik der Urteilskraft, als einem Verbindungsmittel der zwei Teile der Philosophie zu einem Ganzen

IV. Von der Urteilskraft, als einem a priori gesetzgebenden Vermgen

V. Das Prinzip der formalen Zweckmigkeit der Natur ist ein transzendentales Prinzip der Urteilskraft

VI. Von der Verbindung des Gefhls der Lust mit dem Begriffe der Zweckmigkeit der Natur

VII. Von der sthetischen Vorstellung der Zweckmigkeit der Natur

VIII. Von der logischen Vorstellung der Zweckmigkeit der Natur

IX. Von der Verknpfung der Gesetzgebungen des Verstandes und der Vernunft durch die Urteilskraft

Einteilung des ganzen Werks

 

Erster Teil. Kritik der sthetischen Urteilskraft

 

Erster Abschnitt. Analytik der sthetischen Urteilskraft

 

Erstes Buch. Analytik des Schnen

1. Moment des Geschmacksurteils der Qualitt nach

1. Das Geschmacksurteil ist sthetisch

2. Das Wohlgefallen, welches das Geschmacksurteil bestimmt, ist ohne alles Interesse

3. DasWohlgefallen am Angenehmen ist mit Interesse verbunden

4. Das Wohlgefallen am Guten ist mit Interesse verbunden

5. Vergleichung der drei spezifisch verschiedenen Arten des Wohlgefallens

2. Moment des Geschmacksurteils, nmlich seiner Quantitt nach

6. Das Schne ist das, was ohne Begriffe, als Objekt eines allgemeinen Wohlgefallens vorgestellt wird

7. Vergleichung des Schnen mit dem Angenehmen und Guten durch obiges Merkmal

8. Die Allgemeinheit des Wohlgefallens wird in einem Geschmacksurteile nur als subjektiv vorgestellt

9. Untersuchung der Frage : ob im Geschmacksurteile das Gefhl der Lust vor der Beurteilung des Gegenstandes, oder diese vor jener vorhergehe

3. Moment der Geschmacksurteile nach der Relation der Zwecke, welche in ihnen in Betrachtung gezogen wird

10. Von der Zweckmigkeit berhaupt

11. Das Geschmacksurteil hat nichts als die Form der Zweckmigkeit eines Gegenstandes (oder der Vorstellungsart desselben) zum Grunde

12. Das Geschmacksurteil beruht auf Grnden a priori

13. Das reine Geschmacksurteil ist von Reiz und Rhrung unabhngig

14. Erluterung durch Beispiele

15. Das Geschmacksurteil ist von dem Begriffe der Vollkommenheit gnzlich unabhngig

16. Das Geschmacksurteil, wodurch ein Gegenstand unter der Bedingung eines bestimmten Begriffs fr schn erklrt wird, ist nicht rein

17. Vom Ideale der Schnheit

4. Moment des Geschmacksurteils nach der Modalitt des Wohlgefallens an dem Gegenstande

18. Was die Modalitt eines Geschmacksurteils sei

19. Die subjektive Notwendigkeit, die wir dem Geschmacksurteile beilegen, ist bedingt

20. Die Bedingung der Notwendigkeit, die ein Geschmacksurteil vorgibt, ist die Idee eines Gemeinsinnes

21. Ob man mit Grunde einen Gemeinsinn voraussetzen knne

22. Die Notwendigkeit der allgemeinen Beistimmung, die in einem Geschmacksurteil gedacht wird, ist eine subjektive Notwendigkeit, die unter der Voraussetzung eines Gemeinsinns als objektiv vorgestellt wird

Allgemeine Anmerkung zum ersten Abschnitte der Analytik

 

Zweites Buch. Analytik des Erhabenen

23. bergang von dem Beurteilungsvermgen des Schnen zu dem des Erhabenen

24. Von der Einteilung einer Untersuchung des Gefhls des Erhabenen

A. Vom Mathematisch-Erhabenen

25. Namenerklrung des Erhabenen

26. Von der Grenschtzung der Naturdinge, die zur Idee des Erhabenen erforderlich ist

27. Von der Qualitt des Wohlgefallens in der Beurteilung des Erhabenen

B. Vom Dynamisch-Erhabenen der Natur

28. Von der Natur als einer Macht

29. Von der Modalitt des Urteils ber das Erhabene der Natur

Allgemeine Anmerkung zur Exposition der sthetischen reflektierenden Urteile

Deduktion der reinen sthetischen Urteile

30. Die Deduktion der sthetischen Urteile ber die Gegenstnde der Natur darf nicht auf das, was wir in dieser erhaben nennen, sondern nur auf das Schne, gerichtet werden

31. Von der Methode der Deduktion der Geschmacksurteile

32. Erste Eigentmlichkeit des Geschmacksurteils

33. Zweite Eigentmlichkeit des Geschmacksurteils

34. Es ist kein objektives Prinzip des Geschmacks mglich

35. Das Prinzip des Geschmacks ist das subjektive Prinzip der Urteilskraft berhaupt

36. Von der Aufgabe einer Deduktion der Geschmacksurteile

37. Was wird eigentlich in einem Geschmacksurteil von einem Gegenstande a priori behauptet ?

38. Deduktion der Geschmacksurteile

39. Von der Mitteilbarkeit einer Empfindung

40. Vom Geschmacke als einer Art von sensus communis

41. Vom empirischen Interesse am Schnen

42. Vom intellektuellen Interesse am Schnen

43. Von der Kunst berhaupt

44. Von der schnen Kunst

45. Schne Kunst ist eine Kunst, sofern sie zugleich Natur zu sein scheint

46. Schne Kunst ist Kunst des Genies

47. Erluterung und Besttigung obiger Erklrung vom Genie

48. Vom Verhltnisse des Genies zum Geschmack

49. Von den Vermgen des Gemts, welche das Genie ausmachen

50. Von der Verbindung des Geschmacks mit Genie in Produkten der schnen Kunst

51. Von der Einteilung der schnen Knste

52. Von der Verbindung der schnen Knste in einem und demselben Produkte

53. Vergleichung des sthetischen Werts der dienen Knste untereinander

54. Anmerkung

 

Zweiter Abschnitt. Dialektik der sthetischen Urteilskraft

 

55.

56. Vorstellung der Antinomie des Geschmacks

57. Auflsung der Antinomie des Geschmacks

58. Vom Idealismus der Zweckmigkeit der Natur sowohl als Kunst, als dem alleinigen Prinzip der sthetischen Urteilskraft

59. Von der Schnheit als Symbol der Sittlichkeit

60. Anhang. Von der Methodenlehre des Geschmacks

 

Zweiter Teil. Kritik der teleologischen Urteilskraft

 

61. Von der objektiven Zweckmigkeit der Natur

 

Erste Abteilung. Analytik der teleologischen Urteilskraft

62. Von der objektiven Zweckmigkeit die blo formal ist, zum Unterschiede von der materialen

63. Von der relativen Zweckmigkeit der Natur zum Unterschiede von der innern

64. Von dem eigentmlichen Charakter der Dinge als Naturzwecke

65. Dinge, als Naturzwecke, sind organisierte Wesen

66. Vom Prinzip der Beurteilung der innern Zweckmigkeit in organisierten Wesen

67. Vom Prinzip der teleologischen Beurteilung der Natur berhaupt als System der Zwecke

68. Von dem Prinzip der Teleologie als innerem Prinzip der Naturwissenschaft

 

Zweite Abteilung. Dialektik der teleologischen Urteilskraft

69. Was eine Antinomie der Urteilskraft sei ?

70. Vorstellung dieser Antinomie

71. Vorbereitung zur Auflsung obiger Antinomie

72. Von den mancherlei Systemen ber die Zweckmigkeit der Natur

73. Keines der obigen Systeme leistet das, was es vorgibt

74. Die Ursache der Unmglichkeit, den Begriff einer Technik der Natur dogmatisch zu behandeln, ist die Unerklrlichkeit eines Naturzwecks

75. Der Begriff einer objektiven Zweckmigkeit der Natur ist ein kritisches Prinzip der Vernunft fr die reflektierende Urteilskraft

76. Anmerkung

77. Von der Eigentmlichkeit des menschlichen Verstandes, wodurch uns der Begriff eines Naturzwecks mglich wird

78. Von der Vereinigung des Prinzips des allgemeinen Mechanismus der Materie mit dem

teleologischen in der Technik der Natur

 

Anhang. Methodenlehre der teleologischen Urteilskraft

79. Ob die Teleologie, als zur Naturlehre gehrend, abgehandelt werden msse

80. Von der notwendigen Unterordnung des Prinzips des Mechanismus unter dem teleologischen in Erklrung eines Dinges als Naturzwecks

81. Von der Beigesellung des Mechanismus, zum teleologischen Prinzip in der Erklrung eines Naturzwecks als Naturprodukts

82. Von dem teleologischen System in den uern Verhltnissen organisierter Wesen

83. Von dem letzten Zwecke der Natur als eines teleologischen Systems

84. Von dem Endzwecke des Daseins einer Welt, d. i. der Schpfung selbst

85. Von der Physikotheologie

86. Von der Ethikotheologie

87. Von dem moralischen Beweise des Daseins Gottes

88. Beschrnkung der Gltigkeit des moralischen Beweises

89. Von dem Nutzen des moralischen Arguments

90. Von der Art des Frwahrhaltens in einem teleologischen Beweise des Daseins Gottes

91. Von der Art des Frwahrhaltens durch einen praktischen Glauben

Allgemeine Anmerkung zur Teleologie

 

 

 

Vorrede zur ersten Auflage, 1790

Man kann das Vermgen der Erkenntnis aus Prinzipien a priori die reine Vernunft, und die Untersuchung der Mglichkeit und Grenzen derselben berhaupt die Kritik der reinen Vernunft nennen : ob man gleich unter diesem Vermgen nur die Vernunft in ihrem theoretischen Gebrauche versteht, wie es auch in dem ersten Werke unter jener Benennung geschehen ist, ohne noch ihr Vermgen, als praktische Vernunft, nach ihren besonderen Prinzipien in Untersuchung ziehen zu wollen. Jene geht alsdann blo auf unser Vermgen, Dinge a priori zu erkennen ; und beschftigt sich also nur mit dem Erkenntnisvermgen, mit Ausschlieung des Gefhls der Lust und Unlust und des Begehrungsvermgens ; und unter den Erkenntnisvermgen mit dem Verstande nach seinen Prinzipien a priori, mit Ausschlieung der Urteilskraft und der Vernunft (als zum theoretischen Erkenntnis gleichfalls gehriger Vermgen), weil es sich in dem Fortgange findet, da kein anderes Erkenntnisvermgen, als der Verstand, konstitutive Erkenntnisprinzipien a priori an die Hand geben kann. Die Kritik also, welche sie insgesamt, nach dem Anteile den jedes der anderen an dem baren Besitz der Erkenntnis aus eigener Wurzel zu haben vorgeben mchte, sichtet, lt nichts brig, als was der Verstand a priori als Gesetz fr die Natur, als den Inbegriff von Erscheinungen (deren Form eben sowohl a priori gegeben ist), vorschreibt ; verweiset aber alle andere reine Begriffe unter die Ideen, die fr unser theoretisches Erkenntnisvermgen berschwenglich, dabei aber doch nicht etwa unntz oder entbehrlich sind, sondern als regulative Prinzipien dienen : teils die besorglichen Anmaungen des Verstandes, als ob er (indem er a priori die Bedingungen der Mglichkeit aller Dinge, die er erkennen kann, anzugeben vermag) dadurch auch die Mglichkeit aller Dinge berhaupt in diesen Grenzen beschlossen habe, zurckzuhalten, teils um ihn selbst in der Betrachtung der Natur nach einem Prinzip der Vollstndigkeit, wiewohl er sie nie erreichen kann, zu leiten, und dadurch die Endabsicht alles Erkenntnisses zu befrdern.

Es war also eigentlich der Verstand, der sein eigenes Gebiet und zwar im Erkenntnisvermgen hat, sofern er konstitutive Erkenntnisprinzipien a priori enthlt, welcher durch die im allgemeinen so benannte Kritik der reinen Vernunft gegen alle brige Kompetenten in sicheren alleinigen Besitz gesetzt werden sollte. Eben so ist der Vernunft, welche nirgend als lediglich in Ansehung des Begehrungsvermgens konstitutive Prinzipien a priori enthlt, in der Kritik der praktischen Vernunft ihr Besitz angewiesen worden.

Ob nun die Urteilskraft, die in der Ordnung unserer Erkenntnisvermgen zwischen dem Verstande und der Vernunft ein Mittelglied ausmacht, auch fr sich Prinzipien a priori habe ; ob diese konstitutiv oder blo regulativ sind (und also kein eigenes Gebiet beweisen), und ob sie dem Gefhle der Lust und Unlust, als dem Mittelgliede zwischen dem Erkenntnisvermgen und Begehrungsvermgen (eben so wie der Verstand dem ersteren, die Vernunft aber dem letzteren a priori Gesetze vorschreibend), a priori die Regel gebe : das ist es, womit sich gegenwrtige Kritik der Urteilskraft beschftigt.

Eine Kritik der reinen Vernunft, d. i. unseres Vermgens nach Prinzipien a priori zu urteilen, wrde unvollstndig sein, wenn die der Urteilskraft, welche fr sich als Erkenntnisvermgen darauf auch Anspruch macht, nicht als ein besonderer Teil derselben abgehandelt wrde ; obgleich ihre Prinzipien in einem System der reinen Philosophie keinen besonderen Teil zwischen der theoretischen und praktischen ausmachen drfen, sondern im Notfalle jedem von beiden gelegentlich angeschlossen werden knnen. Denn, wenn ein solches System unter dem allgemeinen Namen der Metaphysik einmal zustande kommen soll (welches ganz vollstndig zu bewerkstelligen, mglich, und fr den Gebrauch der Vernunft in aller Beziehung hchst wichtig ist) : so mu die Kritik den Boden zu diesem Gebude vorher so tief, als die erste Grundlage des Vermgens von der Erfahrung unabhngiger Prinzipien liegt, erforscht haben, damit es nicht an irgendeinem Teile sinke, welches den Einsturz des Ganzen unvermeidlich nach sich ziehen wrde.

Man kann aber aus der Natur der Urteilskraft (deren richtiger Gebrauch so notwendig und allgemein erforderlich ist, da daher unter dem Namen des gesunden Verstandes kein anderes, als eben dieses Vermgen gemeinet wird) leicht abnehmen, da es mit groen Schwierigkeiten begleitet sein msse, ein eigentmliches Prinzip derselben auszufinden (denn irgendeine mu sie a priori in sich enthalten, weil sie sonst nicht, als ein besonderes Erkenntnisvermgen, selbst der gemeinsten Kritik ausgesetzt sein wrde), welches gleichwohl nicht aus Begriffen a priori abgeleitet sein mu ; denn die gehren dem Verstande an, und die Urteilskraft geht nur auf die Anwendung derselben. Sie soll also selbst einen Begriff angeben, durch den eigentlich kein Ding erkannt wird, sondern der nur ihr selbst zur Regel dient, aber nicht zu einer objektiven, der sie ihr Urteil anpassen kann, weil dazu wiederum eine andere Urteilskraft erforderlich sein wrde, um unterscheiden zu knnen, ob es der Fall der Regel sei oder nicht.

Diese Verlegenheit wegen eines Prinzips (es sei nun ein subjektives oder objektives) findet sich hauptschlich in denjenigen Beurteilungen, die man sthetisch nennt, die das Schne und Erhabne, der Natur oder der Kunst, betreffen. Und gleichwohl ist die kritische Untersuchung eines Prinzips der Urteilskraft in denselben das wichtigste Stck einer Kritik dieses Vermgens. Denn, ob sie gleich fr sich allein zum Erkenntnis der Dinge gar nichts beitragen, so gehren sie doch dem Erkenntnisvermgen allein an, und beweisen eine unmittelbare Beziehung dieses Vermgens auf das Gefhl der Lust oder Unlust nach irgendeinem Prinzip a priori, ohne es mit dem, was Bestimmungsgrund des Begehrungsvermgens sein kann, zu vermengen, weil dieses seine Prinzipien a priori in Begriffen der Vernunft hat. Was aber die logische Beurteilung der Natur anbelangt, da, wo die Erfahrung eine Gesetzmigkeit an Dingen aufstellt, welche zu verstehen oder zu erklren der allgemeine Verstandesbegriff vom Sinnlichen nicht mehr zulangt, und die Urteilskraft aus sich selbst ein Prinzip der Beziehung des Naturdinges auf das unerkennbare bersinnliche nehmen kann, es auch nur in Absicht auf sich selbst zum Erkenntnis der Natur brauchen mu, da kann und mu ein solches Prinzip a priori zwar zum Erkenntnis der Weltwesen angewandt werden, und erffnet zugleich Aussichten, die fr die praktische Vernunft vorteilhaft sind : aber es hat keine unmittelbare Beziehung auf das Gefhl der Lust und Unlust, die gerade das Rtselhafte in dem Prinzip der Urteilskraft ist, welches eine besondere Abteilung in der Kritik fr dieses Vermgen notwendig macht, da die logische Beurteilung nach Begriffen (aus welchen niemals eine unmittelbare Folgerung auf das Gefhl der Lust und Unlust gezogen werden kann) allenfalls dem theoretischen Teile der Philosophie, samt einer kritischen Einschrnkung derselben, htte angehngt werden knnen.

Da die Untersuchung des Geschmacksvermgens, als sthetischer Urteilskraft, hier nicht zur Bildung und Kultur des Geschmacks (denn diese wird auch ohne alle solche Nachforschungen, wie bisher, so fernerhin, ihren Gang nehmen), sondern blo in transzendentaler Absicht angestellt wird ; so wird sie, wie ich mir schmeichle, in Ansehung der Mangelhaftigkeit jenes Zwecks auch mit Nachsicht beurteilt werden. Was aber die letztere Absicht betrifft, so mu sie sich auf die strengste Prfung gefat machen. Aber auch da kann die groe Schwierigkeit, ein Problem, welches die Natur so verwickelt hat, aufzulsen, einiger nicht ganz zu vermeidenden Dunkelheit in der Auflsung desselben, wie ich hoffe, zur Entschuldigung dienen, wenn nur, da das Prinzip richtig angegeben worden, klar genug dargetan ist ; gesetzt, die Art das Phnomen der Urteilskraft davon abzuleiten, habe nicht alle Deutlichkeit, die man anderwrts, nmlich von einem Erkenntnis nach Begriffen, mit Recht fordern kann, die ich auch im zweiten Teile dieses Werks erreicht zu haben glaube.

Hiemit endige ich also mein ganzes kritisches Geschft. Ich werde ungesumt zum Doktrinalen schreiten, um, wo mglich, meinem zunehmenden Alter die dazu noch einigermaen gnstige Zeit noch abzugewinnen. Es versteht sich von selbst, da fr die Urteilskraft darin kein besonderer Teil sei, weil in Ansehung derselben die Kritik statt der Theorie dient ; sondern da nach der Einteilung der Philosophie in die theoretische und praktische, und der reinen, in eben solche Teile, die Metaphysik der Natur und die der Sitten jenes Geschft ausmachen werden.

 

 

 

Einleitung

 

I. Von der Einteilung der Philosophie

Wenn man die Philosophie, sofern sie Prinzipien der Vernunfterkenntnis der Dinge (nicht blo, wie die Logik, Prinzipien der Form des Denkens berhaupt, ohne Unterschied der Objekte) durch Begriffe enthlt, wie gewhnlich in die theoretische und praktische einteilt : so verfhrt man ganz recht. Aber alsdann mssen auch die Begriffe, welche den Prinzipien dieser Vernunfterkenntnis ihr Objekt anweisen, spezifisch verschieden sein, weil sie sonst zu keiner Einteilung berechtigen wrden, welche jederzeit eine Entgegensetzung der Prinzipien, der zu den verschiedenen Teilen einer Wissenschaft gehrigen Vernunfterkenntnis, voraussetzt.

Es sind aber nur zweierlei Begriffe, welche eben so viel verschiedene Prinzipien der Mglichkeit ihrer Gegenstnde zulassen : nmlich die Naturbegriffe und der Freiheitsbegriff. Da nun die ersteren ein theoretisches Erkenntnis nach Prinzipien a priori mglich machen, der zweite aber in Ansehung derselben nur ein negatives Prinzip (der bloen Entgegensetzung) schon in seinem Begriffe bei sich fhrt, dagegen fr die Willensbestimmung erweiternde Grundstze, welche darum praktisch heien, errichtet : so wird die Philosophie in zwei, den Prinzipien nach ganz verschiedene, Teile, in die theoretische als Naturphilosophie, und die praktische als Moralphilosophie (denn so wird die praktische Gesetzgebung der Vernunft nach dem Freiheitsbegriffe genannt) mit Recht eingeteilt. Es hat aber bisher ein groer Mibrauch mit diesen Ausdrcken zur Einteilung der verschiedenen Prinzipien, und mit ihnen auch der Philosophie, geherrscht : indem man das Praktische nach Naturbegriffen mit dem Praktischen nach dem Freiheitsbegriffe fr einerlei nahm, und so, unter denselben Benennungen einer theoretischen und praktischen Philosophie, eine Einteilung machte, durch welche (da beide Teile einerlei Prinzipien haben konnten) in der Tat nichts eingeteilt war.

Der Wille, als Begehrungsvermgen, ist nmlich eine von den mancherlei Naturursachen in der Welt, nmlich diejenige, welche nach Begriffen wirkt ; und alles, was als durch einen Willen mglich (oder notwendig) vorgestellt wird, heit praktisch-mglich (oder notwendig) : zum Unterschiede von der physischen Mglichkeit oder Notwendigkeit einer Wirkung, wozu die Ursache nicht durch Begriffe (sondern, wie bei der leblosen Materie, durch Mechanism, und bei Tieren, durch Instinkt) zur Kausalitt bestimmt wird. Hier wird nun in Ansehung des Praktischen unbestimmt gelassen : ob der Begriff, der der Kausalitt des Willens die Regel gibt, ein Naturbegriff, oder ein Freiheitsbegriff sei.

Der letztere Unterschied aber ist wesentlich. Denn, ist der die Kausalitt bestimmende Begriff ein Naturbegriff, so sind die Prinzipien technisch-praktisch ; ist er aber ein Freiheitsbegriff, so sind diese moralisch-praktisch : und weil es in der Einteilung einer Vernunftwissenschaft gnzlich auf diejenige Verschiedenheit der Gegenstnde ankommt, deren Erkenntnis verschiedener Prinzipien bedarf, so werden die ersteren zur theoretischen Philosophie (als Naturlehre) gehren, die andern aber ganz allein den zweiten Teil, nmlich (als Sittenlehre) die praktische Philosophie, ausmachen.

Alle technisch-praktische Regeln (d. i. die der Kunst und Geschicklichkeit berhaupt, oder auch der Klugheit, als einer Geschicklichkeit auf Menschen und ihren Willen Einflu zu haben), so fern ihre Prinzipien auf Begriffen beruhen, mssen nur als Korollarien zur theoretischen Philosophie gezhlt werden. Denn sie betreffen nur die Mglichkeit der Dinge nach Naturbegriffen, wozu nicht allein die Mittel, die in der Natur dazu anzutreffen sind, sondern selbst der Wille (als Begehrungs-, mithin als Naturvermgen) gehrt, sofern er durch Triebfedern der Natur jenen Regeln gem bestimmt werden kann. Doch heien dergleichen praktische Regeln nicht Gesetze (etwa so wie physische), sondern nur Vorschriften : und zwar darum, weil der Wille nicht blo unter dem Naturbegriffe, sondern auch unter dem Freiheitsbegriffe steht, in Beziehung auf welchen die Prinzipien desselben Gesetze heien, und, mit ihren Folgerungen, den zweiten Teil der Philosophie, nmlich den praktischen, allein ausmachen.

So wenig also die Auflsung der Probleme der reinen Geometrie zu einem besonderen Teile derselben gehrt, oder die Feldmekunst den Namen einer praktischen Geometrie, zum Unterschiede von der reinen, als ein zweiter Teil der Geometrie berhaupt verdient : so und noch weniger, darf die mechanische oder chemische Kunst der Experimente oder der Beobachtungen fr einen praktischen Teil der Naturlehre, endlich die Haus- Land- Staatswirtschaft, die Kunst des Umganges, die Vorschrift der Ditetik, selbst nicht die allgemeine Glckseligkeitslehre, sogar nicht einmal die Bezhmung der Neigungen und Bndigung der Affekten zum Behuf der letzteren, zur praktischen Philosophie gezhlt werden, oder die letzteren wohl gar den zweiten Teil der Philosophie berhaupt ausmachen weil sie insgesamt nur Regeln der Geschicklichkeit, die mithin nur technisch-praktisch sind, enthalten, um eine Wirkung hervorzubringen, die nach Naturbegriffen der Ursachen und Wirkungen mglich ist, welche, da sie zur theoretischen Philosophie gehren, jenen Vorschriften als bloen Korollarien aus derselben (der Naturwissenschaft) unterworfen sind, und also keine Stelle in einer besonderen Philosophie, die praktische genannt, verlangen knnen. Dagegen machen die moralisch-praktischen Vorschriften, die sich gnzlich auf dem Freiheitsbegriffe, mit vlliger Ausschlieung der Bestimmungsgrnde des Willens aus der Natur, grnden, eine ganz besondere Art von Vorschriften aus : welche auch, gleich den Regeln, welchen die Natur gehorcht, schlechthin Gesetze heien, aber nicht, wie diese, auf sinnlichen Bedingungen, sondern auf einem bersinnlichen Prinzip beruhen, und, neben dem theoretischen Teile der Philosophie, fr sich ganz allein, einen anderen Teil, unter dem Namen der praktischen Philosophie, fordern.

Man siehet hieraus, da ein Inbegriff praktischer Vorschriften, welche die Philosophie gibt, nicht einen besonderen, dem theoretischen zur Seite gesetzten, Teil derselben darum ausmache, weil sie praktisch sind ; denn das knnten sie sein, wenn ihre Prinzipien gleich gnzlich aus der theoretischen Erkenntnis der Natur hergenommen wren (als technisch-praktische Regeln) ; sondern, weil und wenn ihr Prinzip gar nicht vom Naturbegriffe, der jederzeit sinnlich bedingt ist, entlehnt ist, mithin auf dem bersinnlichen, welches der Freiheitsbegriff allein durch formale Gesetze kennbar macht, beruht, und sie also moralisch-praktisch, d. i. nicht blo Vorschriften und Regeln in dieser oder jener Absicht, sondern, ohne vorgehendes Bezugnehmung auf Zwecke und Absichten, Gesetze sind.

 

II. Vom Gebiete der Philosophie berhaupt

So weit Begriffe a priori ihre Anwendung haben, so weit reicht der Gebrauch unseres Erkenntnisvermgens nach Prinzipien, und mit ihm die Philosophie.

Der Inbegriff aller Gegenstnde aber, worauf jene Begriffe bezogen werden, und, wo mglich, ein Erkenntnis derselben zustande zu bringen, kann, nach der verschiedenen Zulnglichkeit oder Unzulnglichkeit unserer Vermgen zu dieser Absicht, eingeteilt werden.

Begriffe, sofern sie auf Gegenstnde bezogen werden, unangesehen, ob ein Erkenntnis derselben mglich sei oder nicht, haben ihr Feld, welches blo nach dem Verhltnisse, das ihr Objekt zu unserem Erkenntnisvermgen berhaupt hat, bestimmt wird. Der Teil dieses Feldes, worin fr uns Erkenntnis mglich ist, ist ein Boden (territorium) fr diese Begriffe und das dazu erforderliche Erkenntnisvermgen. Der Teil des Bodens, worauf diese gesetzgebend sind, ist das Gebiet (ditio) dieser Begriffe und der ihnen zustehenden Erkenntnisvermgen. Erfahrungsbegriffe haben also zwar ihren Boden in der Natur, als dem Inbegriffe aller Gegenstnde der Sinne, aber kein Gebiet (sondern nur ihren Aufenthalt, domicilium) ; weil sie zwar gesetzlich erzeugt werden, aber nicht gesetzgebend sind, sondern die auf sie gegrndeten Regeln empirisch, mithin zufllig, sind.

Unser gesamtes Erkenntnisvermgen hat zwei Gebiete, das der Naturbegriffe, und das des Freiheitsbegriffs ; denn durch beide ist es a priori gesetzgebend. Die Philosophie teilt sich nun auch, diesem gem, in die theoretische und die praktische. Aber der Boden, auf welchem ihr Gebiet errichtet, und ihre Gesetzgebung ausgebt wird, ist immer doch nur der Inbegriff der Gegenstnde aller mglichen Erfahrung, sofern sie fr nichts mehr als bloe Erscheinungen genommen werden ; denn ohnedas wrde keine Gesetzgebung des Verstandes in Ansehung derselben gedacht werden knnen.

Die Gesetzgebung durch Naturbegriffe geschieht durch den Verstand, und ist theoretisch. Die Gesetzgebung durch den Freiheitsbegriff geschieht von der Vernunft, und ist blo praktisch. Nur allein im Praktischen kann die Vernunft gesetzgebend sein ; in Ansehung des theoretischen Erkenntnisses (der Natur) kann sie nur (als gesetzkundig, vermittelst des Verstandes) aus gegebenen Gesetzen durch Schlsse Folgerungen ziehen, die doch immer nur bei der Natur stehen bleiben. Umgekehrt aber, wo Regeln praktisch sind, ist die Vernunft nicht darum sofort gesetzgebend, weil sie auch technisch-praktisch sein knnen.

Verstand und Vernunft haben also zwei verschiedene Gesetzgebungen auf einem und demselben Boden der Erfahrung, ohne da eine der anderen Eintrag tun darf. Denn so wenig der Naturbegriff auf die Gesetzgebung durch den Freiheitsbegriff Einflu hat, ebensowenig strt dieser die Gesetzgebung der Natur. Die Mglichkeit, das Zusammenbestehen beider Gesetzgebungen und der dazu gehrigen Vermgen in demselben Subjekt sich wenigstens ohne Widerspruch zu denken, bewies die Kritik der reinen Vernunft, indem sie die Einwrfe dawider durch Aufdeckung des dialektischen Scheins in denselben vernichtete.

Aber, da diese zwei verschiedenen Gebiete, die sich zwar nicht in ihrer Gesetzgebung, aber doch in ihren Wirkungen in der Sinnenwelt unaufhrlich einschrnken, nicht eines ausmachen, kommt daher : da der Naturbegriff zwar seine Gegenstnde in der Anschauung, aber nicht als Dinge an sich selbst, sondern als bloe Erscheinungen, der Freiheitsbegriff dagegen in seinem Objekte zwar ein Ding an sich selbst, aber nicht in der Anschauung vorstellig machen, mithin keiner von beiden ein theoretisches Erkenntnis von seinem Objekte (und selbst dem denkenden Subjekte) als Dinge an sich verschaffen kann, welches das bersinnliche sein wrde, wovon man die Idee zwar der Mglichkeit aller jener Gegenstnde der Erfahrung unterlegen mu, sie selbst aber niemals zu einem Erkenntnisse erheben und erweitern kann.

Es gibt also ein unbegrenztes, aber auch unzugngliches Feld fr unser gesamtes Erkenntnisvermgen, nmlich das Feld des bersinnlichen, worin wir keinen Boden fr uns finden, also auf demselben weder fr die Verstandes- noch Vernunftbegriffe ein Gebiet zum theoretischen Erkenntnis haben knnen ; ein Feld, welches wir zwar zum Behuf des theoretischen sowohl als praktischen Gebrauchs der Vernunft mit Ideen besetzen mssen, denen wir aber in Beziehung auf die Gesetze aus dem Freiheitsbegriffe, keine andere als praktische Realitt verschaffen knnen, wodurch demnach unser theoretisches Erkenntnis nicht im mindesten zu dem bersinnlichen erweitert wird.

Ob nun zwar eine unbersehbare Kluft zwischen dem Gebiete des Naturbegriffs, als dem Sinnlichen, und dem Gebiete des Freiheitsbegriffs, als dem bersinnlichen, befestigt ist, so da von dem ersteren zum anderen (also vermittelst des theoretischen Gebrauchs der Vernunft) kein bergang mglich ist, gleich als ob es so viel verschiedene Welten wren, deren erste auf die zweite keinen Einflu haben kann : so soll doch diese auf jene einen Einflu haben, nmlich der Freiheitsbegriff soll den durch seine Gesetze aufgegebenen Zweck in der Sinnenwelt wirklich machen ; und die Natur mu folglich auch so gedacht werden knnen, da die Gesetzmigkeit ihrer Form wenigstens zur Mglichkeit der in ihr zu bewirkenden Zwecke nach Freiheitsgesetzen zusammenstimme. Also mu es doch einen Grund der Einheit des bersinnlichen, welches der Natur zum Grunde liegt, mit dem was der Freiheitsbegriff praktisch enthlt, geben, wovon der Begriff, wenn er gleich weder theoretisch noch praktisch zu einem Erkenntnisse desselben gelangt, mithin kein eigentmliches Gebiet hat, dennoch den bergang von der Denkungsart nach den Prinzipien der einen, zu der nach Prinzipien der anderen, mglich macht.

 

III. Von der Kritik der Urteilskraft, als einem Verbindungsmittel der zwei Teile der Philosophie zu einem Ganzen

Die Kritik der Erkenntnisvermgen in Ansehung dessen, was sie a priori leisten knnen, hat eigentlich kein Gebiet in Ansehung der Objekte ; weil sie keine Doktrin ist, sondern nur, ob und wie, nach der Bewandtnis, die es mit unseren Vermgen hat, eine Doktrin durch sie mglich sei, zu untersuchen hat. Ihr Feld erstreckt sich auf alle Anmaungen derselben, um sie in die Grenzen ihrer Rechtmigkeit zu setzen. Was aber nicht in die Einteilung der Philosophie kommen kann, das kann doch, als ein Hauptteil, in die Kritik des reinen Erkenntnisvermgens berhaupt kommen, wenn es nmlich Prinzipien enthlt, die fr sich weder zum theoretischen noch praktischen Gebrauche tauglich sind.

Die Naturbegriffe, welche den Grund zu allem theoretischen Erkenntnis a priori enthalten, beruheten auf der Gesetzgebung des Verstandes. Der Freiheitsbegriff, der den Grund zu allen sinnlich-unbedingten praktischen Vorschriften a priori enthielt, beruhete auf der Gesetzgebung der Vernunft. Beide Vermgen also haben, auer dem, da sie der logischen Form nach auf Prinzipien, welchen Ursprungs sie auch sein mgen, angewandt werden knnen, berdem noch jedes seine eigene Gesetzgebung dem Inhalte nach, ber die es keine andere (a priori) gibt, und die daher die Einteilung der Philosophie in die theoretische und praktische rechtfertigt.

Allein in der Familie der oberen Erkenntnisvermgen gibt es doch noch ein Mittelglied zwischen dem Verstande und der Vernunft. Dieses ist die Urteilskraft, von welcher man Ursache hat, nach der Analogie zu vermuten, da sie ebensowohl, wenn gleich nicht eine eigene Gesetzgebung, doch ein ihr eigenes Prinzip nach Gesetzen zu suchen, allenfalls ein blo subjektives a priori, in sich enthalten drfte ; welches, wenn ihm gleich kein Feld der Gegenstnde als sein Gebiet zustnde, doch irgendeinen Boden haben kann, und eine gewisse Beschaffenheit desselben, wofr gerade nur dieses Prinzip geltend sein mchte.

Hierzu kommt aber noch (nach der Analogie zu urteilen) ein neuer Grund, die Urteilskraft mit einer anderen Ordnung unserer Vorstellungskrfte in Verknpfung zu bringen, welche von noch grerer Wichtigkeit zu sein scheint, als die der Verwandtschaft mit der Familie der Erkenntnisvermgen. Denn alle Seelenvermgen, oder Fhigkeiten, knnen auf die drei zurckgefhrt werden, welche sich nicht ferner aus einem gemeinschaftlichen Grunde ableiten lassen : das Erkenntnisvermgen, das Gefhl der Lust und Unlust, und das Begehrungsvermgen.* Fr das Erkenntnisvermgen ist allein der Verstand gesetzgebend, wenn jenes (wie es auch geschehen mu, wenn es fr sich, ohne Vermischung mit dem Begehrungsvermgen, betrachtet wird) als Vermgen eines theoretischen Erkenntnisses auf die Natur bezogen wird, in Ansehung deren allein (als Erscheinung) es uns mglich ist, durch Naturbegriffe a priori, welche eigentlich reine Verstandesbegriffe sind, Gesetze zu geben. Fr das Begehrungsvermgen, als ein oberes Vermgen nach dem Freiheitsbegriffe, ist allein die Vernunft (in der allein dieser Begriff statthat) a priori gesetzgebend. Nun ist zwischen dem Erkenntnis- und dem Begehrungsvermgen das Gefhl der Lust, so wie zwischen dem Verstande und der Vernunft die Urteilskraft, enthalten. Es ist also wenigstens vorlufig zu vermuten, da die Urteilskraft eben so wohl fr sich ein Prinzip a priori enthalte, und, da mit dem Begehrungsvermgen notwendig Lust oder Unlust verbunden ist (es sei da sie, wie beim unteren, vor dem Prinzip desselben vorhergehe, oder, wie beim oberen, nur aus der Bestimmung desselben durch das moralische Gesetz folge), ebensowohl einen bergang vom reinen Erkenntnisvermgen, d. i. vom Gebiete der Naturbegriffe zum Gebiete des Freiheitsbegriffs, bewirken werde, als sie im logischen Gebrauche den bergang vom Verstande zur Vernunft mglich macht.

Wenn also gleich die Philosophie nur in zwei Hauptteile, die theoretische und die praktische, eingeteilt werden kann ; wenn gleich alles, was wir von den eignen Prinzipien der Urteilskraft zu sagen haben mchten, in ihr zum theoretischen Teile, d. i. dem Vernunfterkenntnis nach Naturbegriffen, gezhlt werden mte ; so besteht doch die Kritik der reinen Vernunft, die alles dieses vor der Unternehmung jenes Systems, zum Behuf der Mglichkeit desselben, ausmachen mu, aus drei Teilen : der Kritik des reinen Verstandes, der reinen Urteilskraft und der reinen Vernunft, welche Vermgen darum rein genannt werden, weil sie a priori gesetzgebend sind.

 

* Es ist von Nutzen : zu Begriffen, welche man als empirische Prinzipien braucht, wenn man Ursache hat zu vermuten, da sie mit dem reinen Erkenntnisvermgen a priori in Verwandtschaft stehen, dieser Beziehung wegen, eine transzendentale Definition zu versuchen : nmlich durch reine Kategorien, sofern diese allein schon den Unterschied des vorliegenden Begriffs von anderen hinreichend angeben. Man folgt hierin dem Beispiel des Mathematikers, der die empirischen Data seiner Aufgabe unbestimmt lt, und nur ihr Verhltnis in der reinen Synthesis derselben unter die Begriffe der reinen Arithmetik bringt und sich dadurch die Auflsung derselben verallgemeinert. Man hat mir aus einem hnlichen Verfahren (Krit. der prakt. V., S. 16 der Vorrede) einen Vorwurf gemacht und die Definition des Begehrungsvermgens, als Vermgens, durch seine Vorstellungen Ursache von der Wirklichkeit der Gegenstnde dieser Vorstellungen zu sein, getadelt : weil bloe Wnsche doch auch Begehrungen wren, von denen sich doch jeder bescheidet, da er durch dieselben allein ihr Objekt nicht hervorbringen knne. Dieses aber beweiset nichts weiter, als da es auch Begehrungen im Menschen gebe, wodurch derselbe mit sich selbst im Widerspruche steht : indem er durch seine Vorstellung allein zur Hervorbringung des Objekts hinwirkt, von der er doch keinen Erfolg erwarten kann, weil er sich bewut ist, da seine mechanischen Krfte (wenn ich die nicht psychologischen so nennen soll), die durch jene Vorstellung bestimmt werden mten, um das Objekt (mithin mittelbar) zu bewirken, entweder nicht zulnglich sind, oder gar auf etwas Unmgliches gehen, z. B. das Geschehene ungeschehen zu machen (O mihi praeteritos, etc.), oder im ungeduldigen Harren die Zwischenzeit bis zum herbeigewnschten Augenblick, vernichten zu knnen. Ob wir uns gleich in solchen phantastischen Begehrungen der Unzulnglichkeit unserer Vorstellungen (oder gar ihrer Untauglichkeit), Ursache ihrer Gegenstnde zu sein, bewut sind ; so ist doch die Beziehung derselben als Ursache, mithin die Vorstellung ihrer Kausalitt, in jedem Wunsche enthalten, und vornehmlich alsdann sichtbar, wenn dieser ein Affekt, nmlich Sehnsucht, ist. Denn diese beweisen dadurch, da sie das Herz ausdehnen und welk machen und so die Krfte erschpfen, da die Krfte durch Vorstellungen wiederholentlich angespannt werden, aber das Gemt bei der Rcksicht auf die Unmglichkeit unaufhrlich wiederum in Ermattung zurcksinken lassen. Selbst die Gebete um Abwendung groer und so viel man einsieht, unvermeidlicher bel, und manche aberglubische Mittel zu Erreichung natrlicherweise unmglicher Zwecke, beweisen die Kausalbeziehung der Vorstellungen auf ihre Objekte, die sogar durch das Bewutsein ihrer Unzulnglichkeit zum Effekt von der Bestrebung dazu nicht abgehalten werden kann. Warum aber in unsere Natur der Hang zu mit Bewutsein leeren Begehrungen gelegt worden, das ist eine anthropologisch-teleologische Frage. Es scheint : da, sollten wir nicht eher, als bis wir uns von der Zulnglichkeit unseres Vermgens zu Hervorbringung eines Objekts versichert htten, zur Kraftanwendung bestimmt werden, diese groenteils unbenutzt bleiben wrde. Denn gemeiniglich lernen wir unsere Krfte nur dadurch allererst kennen, da wir sie versuchen. Diese Tuschung in leeren Wnschen ist also nur die Folge von einer wohlttigen Anordnung in unserer Natur.

 

IV. Von der Urteilskraft, als einem a priori gesetzgebenden Vermgen

Urteilskraft berhaupt ist das Vermgen, das Besondere als enthalten unter dem Allgemeinen zu denken. Ist das Allgemeine (die Regel, das Prinzip, das Gesetz) gegeben, so ist die Urteilskraft, welche das Besondere darunter subsumiert (auch, wenn sie, als transzendentale Urteilskraft, a priori die Bedingungen angibt, welchen gem allein unter jenem Allgemeinen subsumiert werden kann) bestimmend. Ist aber nur das Besondere gegeben, wozu sie das Allgemeine finden soll, so ist die Urteilskraft blo reflektierend.

Die bestimmende Urteilskraft unter allgemeinen transzendentalen Gesetzen, die der Verstand gibt, ist nur subsumierend ; das Gesetz ist ihr a priori vorgezeichnet, und sie hat also nicht ntig, fr sich selbst auf ein Gesetz zu denken, um das Besondere in der Natur dem Allgemeinen unterordnen zu knnen. Allein es sind so mannigfaltige Formen der Natur, gleichsam so viele Modifikationen der allgemeinen transzendentalen Naturbegriffe, die durch jene Gesetze, welche der reine Verstand a priori gibt, weil dieselben nur auf die Mglichkeit einer Natur (als Gegenstandes der Sinne) berhaupt gehen, unbestimmt gelassen werden, da dafr doch auch Gesetze sein mssen, die zwar, als empirische, nach unserer Verstandeseinsicht zufllig sein mgen, die aber doch, wenn sie Gesetze heien sollen (wie es auch der Begriff einer Natur erfordert) aus einem, wenngleich uns unbekannten, Prinzip der Einheit des Mannigfaltigen, als notwendig angesehen werden mssen. Die reflektierende Urteilskraft, die von dem Besondern in der Natur zum Allgemeinen aufzusteigen die Obliegenheit hat, bedarf also eines Prinzips, welches sie nicht von der Erfahrung entlehnen kann, weil es eben die Einheit aller empirischen Prinzipien unter gleichfalls empirischen, aber hheren Prinzipien, und also die Mglichkeit der systematischen Unterordnung derselben unter einander, begrnden soll. Ein solches transzendentales Prinzip kann also die reflektierende Urteilskraft sich nur selbst als Gesetz geben, nicht anderwrts hernehmen (weil sie sonst bestimmende Urteilskraft sein wrde), noch der Natur vorschreiben ; weil die Reflexion ber die Gesetze der Natur sich nach der Natur, und diese sich nicht nach den Bedingungen richtet, nach welchen wir einen in Ansehung dieser ganz zuflligen Begriff von ihr zu erwerben trachten.

Nun kann dieses Prinzip kein anderes sein, als : da, da allgemeine Naturgesetze ihren Grund in unserem Verstande haben, der sie der Natur (obzwar nur nach dem allgemeinen Begriffe von ihr als Natur) vorschreibt, die besondern, empirischen Gesetze in Ansehung dessen, was in ihnen durch jene unbestimmt gelassen ist, nach einer solchen Einheit betrachtet werden mssen, als ob gleichfalls ein Verstand (wenngleich nicht der unsrige) sie zum Behuf unserer Erkenntnisvermgen, um ein System der Erfahrung nach besonderen Naturgesetzen mglich zu machen, gegeben htte. Nicht, als wenn auf diese Art wirklich ein solcher Verstand angenommen werden mte (denn es ist nur die reflektierende Urteilskraft, der diese Idee zum Prinzip dient, zum Reflektieren, nicht zum Bestimmen) ; sondern dieses Vermgen gibt sich dadurch nur selbst, und nicht der Natur, ein Gesetz.

Weil nun der Begriff von einem Objekt, sofern er zugleich den Grund der Wirklichkeit dieses Objekts enthlt, der Zweck und die bereinstimmung eines Dinges mit derjenigen Beschaffenheit der Dinge, die nur nach Zwecken mglich ist, die Zweckmigkeit der Form desselben heit : so ist das Prinzip der Urteilskraft, in Ansehung der Form der Dinge der Natur unter empirischen Gesetzen berhaupt, die Zweckmigkeit der Natur in ihrer Mannigfaltigkeit. D. i. die Natur wird durch diesen Begriff so vorgestellt, als ob ein Verstand den Grund der Einheit des Mannigfaltigen ihrer empirischen Gesetze enthalte.

Die Zweckmigkeit der Natur ist also ein besonderer Begriff a priori, der lediglich in der reflektierenden Urteilskraft seinen Ursprung hat. Denn den Naturprodukten kann man so etwas, als Beziehung der Natur an ihnen auf Zwecke, nicht beilegen, sondern diesen Begriff nur brauchen, um ber sie in Ansehung der Verknpfung der Erscheinungen in ihr, die nach empirischen Gesetzen gegeben ist, zu reflektieren. Auch ist dieser Begriff von der praktischen Zweckmigkeit (der menschlichen Kunst oder auch der Sitten) ganz unterschieden, ob er zwar nach einer Analogie mit derselben gedacht wird.

 

V. Das Prinzip der formalen Zweckmigkeit der Natur ist ein transzendentales Prinzip der Urteilskraft

Ein transzendentales Prinzip ist dasjenige, durch welches die allgemeine Bedingung a priori vorgestellt wird, unter der allein Dinge Objekte unserer Erkenntnis berhaupt werden knnen. Dagegen heit ein Prinzip metaphysisch, wenn es die Bedingung a priori vorstellt, unter der allein Objekte, deren Begriff empirisch gegeben sein mu, a priori weiter bestimmet werden knnen. So ist das Prinzip der Erkenntnis der Krper, als Substanzen und als vernderlicher Substanzen, transzendental, wenn dadurch gesagt wird, da ihre Vernderung eine Ursache haben msse ; es ist aber metaphysisch, wenn dadurch gesagt wird, ihre Vernderung msse eine uere Ursache haben : weil im ersteren Falle der Krper nur durch ontologische Prdikate (reine Verstandesbegriffe), z. B. als Substanz, gedacht werden darf, um den Satz a priori zu erkennen ; im zweiten aber der empirische Begriff eines Krpers (als eines beweglichen Dinges im Raum) diesem Satze zum Grunde gelegt werden mu, alsdann aber, da dem Krper das letztere Prdikat (der Bewegung nur durch uere Ursache) zukomme, vllig a priori eingesehen werden kann. So ist, wie ich sogleich zeigen werde, das Prinzip der Zweckmigkeit der Natur (in der Mannigfaltigkeit ihrer empirischen Gesetze) ein transzendentales Prinzip. Denn der Begriff von den Objekten, sofern sie als unter diesem Prinzip stehend gedacht werden, ist nur der reine Begriff von Gegenstnden des mglichen Erfahrungserkenntnisses berhaupt, und enthlt nichts Empirisches. Dagegen wre das Prinzip der praktischen Zweckmigkeit, die in der Idee der Bestimmung eines freien Willens gedacht werden mu, ein metaphysisches Prinzip ; weil der Begriff eines Begehrungsvermgens als eines Willens doch empirisch gegeben werden mu (nicht zu den transzendentalen Prdikaten gehrt). Beide Prinzipien aber sind dennoch nicht empirisch, sondern Prinzipien a priori : weil es zur Verbindung des Prdikats mit dem empirischen Begriffe des Subjekts ihrer Urteile keiner weiteren Erfahrung bedarf, sondern jene vllig a priori eingesehen werden kann.

Da der Begriff einer Zweckmigkeit der Natur zu den transzendentalen Prinzipien gehre, kann man aus den Maximen der Urteilskraft, die der Nachforschung der Natur a priori zum Grunde gelegt werden, und die dennoch auf nichts, als die Mglichkeit der Erfahrung, mithin der Erkenntnis der Natur, aber nicht blo als Natur berhaupt, sondern als durch eine Mannigfaltigkeit besonderer Gesetze bestimmten Natur, gehen, hinreichend ersehen. Sie kommen, als Sentenzen der metaphysischen Weisheit, bei Gelegenheit mancher Regeln, deren Notwendigkeit man nicht aus Begriffen dartun kann, im Laufe dieser Wissenschaft oft genug, aber nur zerstreut vor. Die Natur nimmt den krzesten Weg (lex parsimoniae) ; sie tut gleichwohl keinen Sprung, weder in der Folge ihrer Vernderungen, noch der Zusammenstellung spezifisch verschiedener Formen (lex continui in natura) ; ihre groe Mannigfaltigkeit in empirischen Gesetzen ist gleichwohl Einheit unter wenigen Prinzipien (principia praeter necessitatem non sunt multiplicanda) ; u. dgl. m.

Wenn man aber von diesen Grundstzen den Ursprung anzugeben denkt, und es auf dem psychologischen Wege versucht, so ist dies dem Sinne derselben gnzlich zuwider. Denn sie sagen nicht, was geschieht, d. i. nach welcher Regel unsere Erkenntniskrfte ihr Spiel wirklich treiben, und wie geurteilt wird, sondern wie geurteilt werden soll ; und da kommt diese logische objektive Notwendigkeit nicht heraus, wenn die Prinzipien blo empirisch sind. Also ist die Zweckmigkeit der Natur fr unsere Erkenntnisvermgen und ihren Gebrauch, welche offenbar aus ihnen hervorleuchtet, ein transzendentales Prinzip der Urteile und bedarf also auch einer transzendentalen Deduktion, vermittelst deren der Grund so zu urteilen in den Erkenntnisquellen a priori aufgesucht werden mu.

Wir finden nmlich in den Grnden der Mglichkeit einer Erfahrung zuerst freilich etwas Notwendiges, nmlich die allgemeinen Gesetze, ohne welche Natur berhaupt (als Gegenstand der Sinne) nicht gedacht werden kann ; und diese beruhen auf den Kategorien, angewandt auf die formalen Bedingungen aller uns mglichen Anschauung, sofern sie gleichfalls a priori gegeben ist. Unter diesen Gesetzen nun ist die Urteilskraft bestimmend ; denn sie hat nichts zu tun, als unter gegebenen Gesetzen zu subsumieren. Z. B. der Verstand sagt : Alle Vernderung hat ihre Ursache (allgemeines Naturgesetz) ; die transzendentale Urteilskraft hat nun nichts weiter zu tun, als die Bedingung der Subsumtion unter dem vorgelegten Verstandesbegriff a priori anzugeben : und das ist die Sukzession der Bestimmungen eines und desselben Dinges. Fr die Natur nun berhaupt (als Gegenstand mglicher Erfahrung) wird jenes Gesetz als schlechterdings notwendig erkannt. Nun sind aber die Gegenstnde der empirischen Erkenntnis, auer jener formalen Zeitbedingung, noch auf mancherlei Art bestimmt, oder, so viel man a priori urteilen kann, bestimmbar, so da spezifisch-verschiedene Naturen, auer dem, was sie, als zur Natur berhaupt gehrig, gemein haben, noch auf unendlich mannigfaltige Weise Ursachen sein knnen ; und eine jede dieser Arten mu (nach dem Begriffe einer Ursache berhaupt) ihre Regel haben, die Gesetz ist, mithin Notwendigkeit bei sich fhrt : ob wir gleich nach der Beschaffenheit und den Schranken unserer Erkenntnisvermgen diese Notwendigkeit gar nicht einsehen. Also mssen wir in der Natur, in Ansehung ihrer blo empirischen Gesetze, eine Mglichkeit unendlich mannigfaltiger empirischer Gesetze denken, die fr unsere Einsicht dennoch zufllig sind (a priori nicht erkannt werden knnen) ; und in deren Ansehung beurteilen wir die Natureinheit nach empirischen Gesetzen, und die Mglichkeit der Einheit der Erfahrung (als Systems nach empirischen Gesetzen), als zufllig. Weil aber doch eine solche Einheit notwendig vorausgesetzt und angenommen werden mu, da sonst kein durchgngiger Zusammenhang empirischer Erkenntnisse zu einem Ganzen der Erfahrung stattfinden wrde, indem die allgemeinen Naturgesetze zwar einen solchen Zusammenhang unter den Dingen ihrer Gattung nach, als Naturdinge berhaupt, aber nicht spezifisch, als solche besondere Naturwesen, an die Hand geben : so mu die Urteilskraft fr ihren eigenen Gebrauch es als Prinzip a priori annehmen, da das fr die menschliche Einsicht Zufllige in den besonderen (empirischen) Naturgesetzen dennoch eine, fr uns zwar nicht zu ergrndende aber doch denkbare, gesetzliche Einheit, in der Verbindung ihres Mannigfaltigen zu einer an sich mglichen Erfahrung, enthalte. Folglich, weil die gesetzliche Einheit in einer Verbindung, die wir zwar einer notwendigen Absicht (einem Bedrfnis) des Verstandes gem, aber zugleich doch als an sich zufllig erkennen, als Zweckmigkeit der Objekte (hier der Natur) vorgestellt wird : so mu die Urteilskraft, die, in Ansehung der Dinge unter mglichen (noch zu entdeckenden) empirischen Gesetzen, blo reflektierend ist, die Natur in Ansehung der letzteren nach einem Prinzip der Zweckmigkeit fr unser Erkenntnisvermgen denken, welches dann in obigen Maximen der Urteilskraft ausgedrckt wird. Dieser transzendentale Begriff einer Zweckmigkeit der Natur ist nun weder ein Naturbegriff, noch ein Freiheitsbegriff, weil er gar nichts dem Objekte (der Natur) beilegt, sondern nur die einzige Art, wie wir in der Reflexion ber die Gegenstnde der Natur in Absicht auf eine durchgngig zusammenhngende Erfahrung verfahren mssen, vorstellt, folglich ein subjektives Prinzip (Maxime) der Urteilskraft ; daher wir auch, gleich als ob es ein glcklicher unsre Absicht begnstigender Zufall wre, erfreuet (eigentlich eines Bedrfnisses entledigt) werden, wenn wir eine solche systematische Einheit unter blo empirischen Gesetzen antreffen : ob wir gleich notwendig annehmen muten, es sei eine solche Einheit, ohne da wir sie doch einzusehen und zu beweisen vermochten.

Um sich von der Richtigkeit dieser Deduktion des vorliegenden Begriffs, und der Notwendigkeit, ihn als transzendentales Erkenntnisprinzip anzunehmen, zu berzeugen, bedenke man nur die Gre der Aufgabe : aus gegebenen Wahrnehmungen einer allenfalls unendliche Mannigfaltigkeit empirischer Gesetze enthaltenden Natur eine zusammenhngende Erfahrung zu machen, welche Aufgabe a priori in unserm Verstande liegt. Der Verstand ist zwar a priori im Besitze allgemeiner Gesetze der Natur, ohne welche sie gar kein Gegenstand einer Erfahrung sein knnte : aber er bedarf doch auch berdem noch einer gewissen Ordnung der Natur, in den besonderen Regeln derselben, die ihm nur empirisch bekannt werden knnen, und die in Ansehung seiner zufllig sind. Diese Regeln, ohne welche kein Fortgang von der allgemeinen Analogie einer mglichen Erfahrung berhaupt zur besonderen stattfinden wrde, mu er sich als Gesetze (d. i. als notwendig) denken : weil sie sonst keine Naturordnung ausmachen wrden, ob er gleich ihre Notwendigkeit nicht erkennt, oder jemals einsehen knnte. Ob er also gleich in Ansehung derselben (Objekte) a priori nichts bestimmen kann, so mu er doch, um diesen empirischen sogenannten Gesetzen nachzugehen, ein Prinzip a priori, da nmlich nach ihnen eine erkennbare Ordnung der Natur mglich sei, aller Reflexion ber dieselbe zum Grunde legen, dergleichen Prinzip nachfolgende Stze ausdrcken : da es in ihr eine fr uns faliche Unterordnung von Gattungen und Arten gebe ; da jene sich einander wiederum nach einem gemeinschaftlichen Prinzip nhern, damit ein bergang von einer zu der anderen, und dadurch zu einer hheren Gattung mglich sei ; da, da fr die spezifische Verschiedenheit der Naturwirkungen ebensoviel verschiedene Arten der Kausalitt annehmen zu mssen, unserem Verstande anfnglich unvermeidlich scheint, sie dennoch unter einer geringen Zahl von Prinzipien stehen mgen, mit deren Aufsuchung wir uns zu beschftigen haben, usw. Diese Zusammenstimmung der Natur zu unserem Erkenntnisvermgen wird von der Urteilskraft, zum Behuf ihrer Reflexion ber dieselbe, nach ihren empirischen Gesetzen, a priori vorausgesetzt ; indem sie der Verstand zugleich objektiv als zufllig anerkennt, und blo die Urteilskraft sie der Natur als transzendentale Zweckmigkeit (in Beziehung auf das Erkenntnisvermgen des Subjekts) beilegt : weil wir ohne diese vorauszusetzen, keine Ordnung der Natur nach empirischen Gesetzen, mithin keinen Leitfaden fr eine mit diesen nach aller ihrer Mannigfaltigkeit anzustellende Erfahrung und Nachforschung derselben haben wrden.

Denn es lt sich wohl denken : da, ungeachtet aller der Gleichfrmigkeit der Naturdinge nach den allgemeinen Gesetzen, ohne welche die Form eines Erfahrungserkenntnisses berhaupt gar nicht stattfinden wrde, die spezifische Verschiedenheit der empirischen Gesetze der Natur, samt ihren Wirkungen, dennoch so gro sein knnte, da es fr unseren Verstand unmglich wre, in ihr eine faliche Ordnung zu entdecken, ihre Produkte in Gattungen und Arten einzuteilen, um die Prinzipien der Erklrung und des Verstndnisses des einen auch zur Erklrung und Begreifung des andern zu gebrauchen, und aus einem fr uns so verworrenen (eigentlich nur unendlich mannigfaltigen, unserer Fassungskraft nicht angemessenen) Stoffe eine zusammenhngende Erfahrung zu machen.

Die Urteilskraft hat also auch ein Prinzip a priori fr die Mglichkeit der Natur, aber nur in subjektiver Rcksicht, in sich, wodurch sie, nicht der Natur (als Autonomie), sondern ihr selbst (als Heautonomie) fr die Reflexion ber jene, ein Gesetz vorschreibt, welches man das Gesetz der Spezifikation der Natur in Ansehung ihrer empirischen Gesetze nennen knnte, das sie a priori an ihr nicht erkennt, sondern zum Behuf einer fr unseren Verstand erkennbaren Ordnung derselben in der Einteilung, die sie von ihren allgemeinen Gesetzen macht, annimmt, wenn sie diesen eine Mannigfaltigkeit der besondern unterordnen will. Wenn man also sagt : die Natur spezifiziert ihre allgemeinen Gesetze nach dem Prinzip der Zweckmigkeit fr unser Erkenntnisvermgen, d. i. zur Angemessenheit mit dem menschlichen Verstande in seinem notwendigen Geschfte : zum Besonderen, welches ihm die Wahrnehmung darbietet, das Allgemeine, und zum Verschiedenen (fr jede Spezies zwar Allgemeinen) wiederum Verknpfung in der Einheit des Prinzips zu finden ; so schreibt man dadurch weder der Natur ein Gesetz vor, noch lernt man eines von ihr durch Beobachtung (obzwar jenes Prinzip durch diese besttigt werden kann). Denn es ist nicht ein Prinzip der bestimmenden, sondern blo der reflektierenden Urteilskraft ; man will nur, da man, die Natur mag ihren allgemeinen Gesetzen nach eingerichtet sein wie sie wolle, durchaus nach jenem Prinzip und den sich darauf grndenden Maximen ihren empirischen Gesetzen nachspren msse, weil wir, nur so weit als jenes stattfindet, mit dem Gebrauche unseres Verstandes in der Erfahrung fortkommen und Erkenntnis erwerben knnen.

 

VI. Von der Verbindung des Gefhls der Lust mit dem Begriffe der Zweckmigkeit der Natur

Die gedachte bereinstimmung der Natur in der Mannigfaltigkeit ihrer besonderen Gesetze zu unserem Bedrfnisse, Allgemeinheit der Prinzipien fr sie aufzufinden, mu nach aller unserer Einsicht, als zufllig beurteilt werden, gleichwohl aber doch, fr unser Verstandesbedrfnis, als unentbehrlich, mithin als Zweckmigkeit, wodurch die Natur mit unserer, aber nur auf Erkenntnis gerichteten, Absicht bereinstimmt. Die allgemeinen Gesetze des Verstandes, welche zugleich Gesetze der Natur sind, sind derselben ebenso notwendig (obgleich aus Spontaneitt entsprungen), als die Bewegungsgesetze der Materie ; und ihre Erzeugung setzt keine Absicht mit unseren Erkenntnisvermgen voraus, weil wir nur durch dieselben von dem, was Erkenntnis der Dinge (der Natur) sei, zuerst einen Begriff erhalten, und sie der Natur, als Objekt unserer Erkenntnis berhaupt, notwendig zukommen. Allein, da die Ordnung der Natur nach ihren besonderen Gesetzen, bei aller unsere Fassungskraft bersteigenden wenigstens mglichen Mannigfaltigkeit und Ungleichartigkeit, doch dieser wirklich angemessen sei, ist, soviel wir einsehen knnen, zufllig ; und die Auffindung derselben ist ein Geschft des Verstandes, welches mit Absicht zu einem notwendigen Zwecke desselben, nmlich Einheit der Prinzipien in sie hineinzubringen, gefhrt wird : welchen Zweck dann die Urteilskraft der Natur beilegen mu, weil der Verstand ihr hierber kein Gesetz vorschreiben kann.

Die Erreichung jeder Absicht ist mit dem Gefhle der Lust verbunden ; und, ist die Bedingung der erstern eine Vorstellung a priori, wie hier ein Prinzip fr die reflektierende Urteilskraft berhaupt, so ist das Gefhl der Lust auch durch einen Grund a priori und fr jedermann gltig bestimmt : und zwar blo durch die Beziehung des Objekts auf das Erkenntnisvermgen, ohne da der Begriff der Zweckmigkeit hier im mindesten auf das Begehrungsvermgen Rcksicht nimmt, und sich also von aller praktischen Zweckmigkeit der Natur gnzlich unterscheidet.

In der Tat, da wir von dem Zusammentreffen der Wahrnehmungen mit den Gesetzen nach allgemeinen Naturbegriffen (den Kategorien) nicht die mindeste Wirkung auf das Gefhl der Lust in uns antreffen, auch nicht antreffen knnen, weil der Verstand damit unabsichtlich nach seiner Natur notwendig verfhrt : so ist andrerseits die entdeckte Vereinbarkeit zweier oder mehrerer empirischen heterogenen Naturgesetze unter einem sie beide befassenden Prinzip der Grund einer sehr merklichen Lust, oft sogar einer Bewunderung, selbst einer solchen, die nicht aufhrt, ob man schon mit dem Gegenstande derselben genug bekannt ist. Zwar spren wir an der Falichkeit der Natur, und ihrer Einheit der Abteilung in Gattungen und Arten, wodurch allein empirische Begriffe mglich sind, durch welche wir sie nach ihren besonderen Gesetzen erkennen, keine merkliche Lust mehr : aber sie ist gewi zu ihrer Zeit gewesen, und nur weil die gemeinste Erfahrung ohne sie nicht mglich sein wrde, ist sie allmhlich mit dem bloen Erkenntnisse vermischt, und nicht mehr besonders bemerkt worden. Es gehrt also etwas, das in der Beurteilung der Natur auf die Zweckmigkeit derselben fr unsern Verstand aufmerksam macht, ein Studium : ungleichartige Gesetze derselben, wo mglich, unter hhere, obwohl immer noch empirische, zu bringen, dazu, um, wenn es gelingt, an dieser Einstimmung derselben fr unser Erkenntnisvermgen, die wir als blo zufllig ansehen, Lust zu empfinden. Dagegen wrde uns eine Vorstellung der Natur durchaus mifallen, durch welche man uns voraussagte, da, bei der mindesten Nachforschung ber die gemeinste Erfahrung hinaus, wir auf eine Heterogeneitt ihrer Gesetze stoen wrden, welche die Vereinigung ihrer besonderen Gesetze unter allgemeinen empirischen fr unseren Verstand unmglich machte ; weil dies dem Prinzip der subjektiv-zweckmigen Spezifikation der Natur in ihren Gattungen, und unserer reflektierenden Urteilskraft in der Absicht der letzteren, widerstreitet.

Diese Voraussetzung der Urteilskraft ist gleichwohl darber so unbestimmt : wie weit jene idealische Zweckmigkeit der Natur fr unser Erkenntnisvermgen ausgedehnt werden solle, da, wenn man uns sagt, eine tiefere oder ausgebreitetere Kenntnis der Natur durch Beobachtung msse zuletzt auf eine Mannigfaltigkeit von Gesetzen stoen, die kein menschlicher Verstand auf ein Prinzip zurckfhren kann, wir es auch zufrieden sind, ob wir es gleich lieber hren, wenn andere uns Hoffnung geben : da, je mehr wir die Natur im Inneren kennen wrden, oder mit ueren uns fr jetzt unbekannten Gliedern vergleichen knnten, wir sie in ihren Prinzipien um desto einfacher, und, bei der scheinbaren Heterogeneitt ihrer empirischen Gesetze, einhelliger finden wrden, je weiter unsere Erfahrung fortschritte. Denn es ist ein Gehei unserer Urteilskraft, nach dem Prinzip der Angemessenheit der Natur zu unserem Erkenntnisvermgen zu verfahren, so weit es reicht, ohne (weil es keine bestimmende Urteilskraft ist, die uns diese Regel gibt) auszumachen, ob es irgendwo seine Grenzen habe, oder nicht ; weil wir zwar in Ansehung des rationalen Gebrauchs unserer Erkenntnisvermgen Grenzen bestimmen knnen, im empirischen Felde aber keine Grenzbestimmung mglich ist.

 

VII. Von der sthetischen Vorstellung der Zweckmigkeit der Natur

Was an der Vorstellung eines Objekts blo subjektiv ist, d. i. ihre Beziehung auf das Subjekt, nicht auf den Gegenstand ausmacht, ist die sthetische Beschaffenheit derselben ; was aber an ihr zur Bestimmung des Gegenstandes (zum Erkenntnisse) dient, oder gebraucht werden kann, ist ihre logische Gltigkeit. In dem Erkenntnisse eines Gegenstandes der Sinne kommen beide Beziehungen zusammen vor. In der Sinnenvorstellung der Dinge auer mir ist die Qualitt des Raums, worin wir sie anschauen, das blo Subjektive meiner Vorstellung derselben (wodurch, was sie als Objekte an sich sein mgen, unausgemacht bleibt), um welcher Beziehung willen der Gegenstand auch dadurch blo als Erscheinung gedacht wird ; der Raum ist aber, seiner blo subjektiven Qualitt ungeachtet, gleichwohl doch ein Erkenntnisstck der Dinge als Erscheinungen. Empfindung (hier die uere) drckt ebensowohl das blo Subjektive unserer Vorstellungen der Dinge auer uns aus, aber eigentlich das Materielle (Reale) derselben (wodurch etwas Existierendes gegeben wird), so wie der Raum die bloe Form a priori der Mglichkeit ihrer Anschauung ; und gleichwohl wird jene auch zum Erkenntnis der Objekte auer uns gebraucht.

Dasjenige Subjektive aber an einer Vorstellung, was gar kein Erkenntnisstck werden kann, ist die mit ihr verbundene Lust oder Unlust ; denn durch sie erkenne ich nichts an dem Gegenstande der Vorstellung, obgleich sie wohl die Wirkung irgendeiner Erkenntnis sein kann. Nun ist die Zweckmigkeit eines Dinges, sofern sie in der Wahrnehmung vorgestellt wird, auch keine Beschaffenheit des Objekts selbst (denn eine solche kann nicht wahrgenommen werden), ob sie gleich aus einem Erkenntnisse der Dinge gefolgert werden kann. Die Zweckmigkeit also, die vor dem Erkenntnisse eines Objekts vorhergeht, ja sogar, ohne die Vorstellung desselben zu einem Erkenntnis brauchen zu wollen, gleichwohl mit ihr unmittelbar verbunden wird, ist das Subjektive derselben, was gar kein Erkenntnisstck werden kann. Also wird der Gegenstand alsdann nur darum zweckmig genannt, weil seine Vorstellung unmittelbar mit dem Gefhle der Lust verbunden ist ; und diese Vorstellung selbst ist eine sthetische Vorstellung der Zweckmigkeit. Es fragt sich nur, ob es berhaupt eine solche Vorstellung der Zweckmigkeit gebe.

Wenn mit der bloen Auffassung (apprehensio) der Form eines Gegenstandes der Anschauung, ohne Beziehung derselben auf einen Begriff zu einem bestimmten Erkenntnis, Lust verbunden ist : so wird die Vorstellung dadurch nicht auf das Objekt, sondern lediglich auf das Subjekt bezogen ; und die Lust kann nichts anders als die Angemessenheit desselben zu den Erkenntnisvermgen, die in der reflektierenden Urteilskraft im Spiel sind, und sofern sie darin sind, also blo eine subjektive formale Zweckmigkeit des Objekts ausdrcken. Denn jene Auffassung der Formen in die Einbildungskraft kann niemals geschehen, ohne da die reflektierende Urteilskraft, auch unabsichtlich, sie wenigstens mit ihrem Vermgen, Anschauungen auf Begriffe zu beziehen, vergliche. Wenn nun in dieser Vergleichung die Einbildungskraft (als Vermgen der Anschauungen a priori) zum Verstande (als Vermgen der Begriffe) durch eine gegebene Vorstellung unabsichtlich in Einstimmung versetzt und dadurch ein Gefhl der Lust erweckt wird, so mu der Gegenstand alsdann als zweckmig fr die reflektierende Urteilskraft angesehen werden. Ein solches Urteil ist ein sthetisches Urteil ber die Zweckmigkeit des Objekts, welches sich auf keinem vorhandenen Begriffe vom Gegenstande grndet, und keinen von ihm verschafft. Wessen Gegenstandes Form (nicht das Materielle seiner Vorstellung, als Empfindung) in der bloen Reflexion ber dieselbe (ohne Absicht auf einen von ihm zu erwerbenden Begriff) als der Grund einer Lust an der Vorstellung eines solchen Objekts beurteilt wird ; mit dessen Vorstellung wird diese Lust auch als notwendig verbunden geurteilt, folglich als nicht blo fr das Subjekt, welches diese Form auffat, sondern fr jeden Urteilenden berhaupt. Der Gegenstand heit alsdann schn ; und das Vermgen, durch eine solche Lust (folglich auch allgemeingltig) zu urteilen, der Geschmack. Denn da der Grund der Lust blo in der Form des Gegenstandes fr die Reflexion berhaupt, mithin in keiner Empfindung des Gegenstandes, und auch ohne Beziehung auf einen Begriff, der irgendeine Absicht enthielte, gesetzt wird : so ist es allein die Gesetzmigkeit im empirischen Gebrauche der Urteilskraft berhaupt (Einheit der Einbildungskraft mit dem Verstande) in dem Subjekte, mit der die Vorstellung des Objekts in der Reflexion, deren Bedingungen a priori allgemein gelten, zusammenstimmt ; und, da diese Zusammenstimmung des Gegenstandes mit den Vermgen des Subjekts zufllig ist, so bewirkt sie die Vorstellung einer Zweckmigkeit desselben in Ansehung der Erkenntnisvermgen des Subjekts.

Hier ist nun eine Lust, die, wie alle Lust oder Unlust, welche nicht durch den Freiheitsbegriff (d. i. durch die vorhergehende Bestimmung des oberen Begehrungsvermgens durch reine Vernunft) gewirkt wird, niemals aus Begriffen als mit der Vorstellung eines Gegenstandes notwendig verbunden, eingesehen werden kann, sondern jederzeit nur durch reflektierte Wahrnehmung als mit dieser verknpft erkannt werden mu, folglich, wie alle empirische Urteile, keine objektive Notwendigkeit ankndigen und auf Gltigkeit a priori Anspruch machen kann. Aber, das Geschmacksurteil macht auch nur Anspruch, wie jedes andere empirische Urteil, fr jedermann zu gelten, welches, ungeachtet der inneren Zuflligkeit desselben, immer mglich ist. Das Befremdende und Abweichende liegt nur darin : da es nicht ein empirischer Begriff, sondern ein Gefhl der Lust (folglich gar kein Begriff) ist, welches doch durch das Geschmacksurteil, gleich als ob es ein mit dem Erkenntnisse des Objekts verbundenes Prdikat wre, jedermann zugemutet und mit der Vorstellung desselben verknpft werden soll.

Ein einzelnes Erfahrungsurteil, z. B. von dem, der in einem Bergkristall einen beweglichen Tropfen Wasser wahrnimmt, verlangt mit Recht, da ein jeder andere es ebenso finden msse, weil er dieses Urteil, nach den allgemeinen Bedingungen der bestimmenden Urteilskraft, unter den Gesetzen einer mglichen Erfahrung berhaupt gefllet hat. Ebenso macht derjenige, welcher in der bloen Reflexion ber die Form eines Gegenstandes, ohne Rcksicht auf einen Begriff, Lust empfindet, obzwar dieses Urteil empirisch und ein einzelnes Urteil ist, mit Recht Anspruch auf jedermanns Beistimmung ; weil der Grund zu dieser Lust in der allgemeinen obzwar subjektiven Bedingung der reflektierenden Urteile, nmlich der zweckmigen bereinstimmung eines Gegenstandes (er sei Produkt der Natur oder der Kunst) mit dem Verhltnis der Erkenntnisvermgen unter sich, die zu jedem empirischen Erkenntnis erfordert werden (der Einbildungskraft und des Verstandes), angetroffen wird. Die Lust ist also im Geschmacksurteile zwar von einer empirischen Vorstellung abhngig, und kann a priori mit keinem Begriffe verbunden werden (man kann a priori nicht bestimmen, welcher Gegenstand dem Geschmacke gem sein werde, oder nicht, man mu ihn versuchen) ; aber sie ist doch der Bestimmungsgrund dieses Urteils nur dadurch, da man sich bewut ist, sie beruhe blo auf der Reflexion und den allgemeinen, obwohl nur subjektiven, Bedingungen der bereinstimmung derselben zum Erkenntnis der Objekte berhaupt, fr welche die Form des Objekts zweckmig ist.

Das ist die Ursache, warum die Urteile des Geschmacks ihrer Mglichkeit nach, weil diese ein Prinzip a priori voraussetzt, auch einer Kritik unterworfen sind, obgleich dieses Prinzip weder ein Erkenntnisprinzip fr den Verstand, noch ein praktisches fr den Willen, und also a priori gar nicht bestimmend ist.

Die Empfnglichkeit einer Lust aus der Reflexion ber die Formen der Sachen (der Natur sowohl als der Kunst) bezeichnet aber nicht allein eine Zweckmigkeit der Objekte im Verhltnis auf die reflektierende Urteilskraft, gem dem Naturbegriffe am Subjekt, sondern auch umgekehrt des Subjekts in Ansehung der Gegenstnde ihrer Form, ja selbst ihrer Unform nach, zufolge dem Freiheitsbegriffe ; und dadurch geschieht es : da das sthetische Urteil, nicht blo als Geschmacksurteil, auf das Schne, sondern auch, als aus einem Geistesgefhl entsprungenes, auf das Erhabene bezogen wird, und so jene Kritik der sthetischen Urteilskraft in zwei diesen geme Hauptteile zerfallen mu.

 

VIII. Von der logischen Vorstellung der Zweckmigkeit der Natur

An einem in der Erfahrung gegebenen Gegenstande kann Zweckmigkeit vorgestellt werden : entweder aus einem blo subjektiven Grunde, als bereinstimmung seiner Form, in der Auffassung (apprehensio) desselben vor allem Begriffe, mit den Erkenntnisvermgen, um die Anschauung mit Begriffen zu einem Erkenntnis berhaupt zu vereinigen ; oder aus einem objektiven, als bereinstimmung seiner Form mit der Mglichkeit des Dinges selbst, nach einem Begriffe von ihm, der vorhergeht und den Grund dieser Form enthlt. Wir haben gesehen : da die Vorstellung der Zweckmigkeit der ersteren Art auf der unmittelbaren Lust an der Form des Gegenstandes in der bloen Reflexion ber sie beruhe ; die also von der Zweckmigkeit der zweiten Art, da sie die Form des Objekts nicht auf die Erkenntnisvermgen des Subjekts in der Auffassung derselben, sondern auf ein bestimmtes Erkenntnis des Gegenstandes unter einem gegebenen Begriffe bezieht, hat nichts mit einem Gefhle der Lust an den Dingen, sondern mit dem Verstande in Beurteilung derselben zu tun. Wenn der Begriff von einem Gegenstande gegeben ist, so besteht das Geschft der Urteilskraft im Gebrauche desselben zum Erkenntnis in der Darstellung (exhibitio), d. i. darin, dem Begriffe eine korrespondierende Anschauung zur Seite zu stellen : es sei, da dieses durch unsere eigene Einbildungskraft geschehe, wie in der Kunst, wenn wir einen vorhergefaten Begriff von einem Gegenstande, der fr uns Zweck ist, realisieren, oder durch die Natur, in der Technik derselben (wie bei organisierten Krpern), wenn wir ihr unseren Begriff vom Zweck zur Beurteilung ihres Produkts unterlegen ; in welchem Falle nicht blo Zweckmigkeit der Natur in der Form des Dinges, sondern dieses ihr Produkt als Naturzweck vorgestellt wird. Obzwar unser Begriff von einer subjektiven Zweckmigkeit der Natur in ihren Formen, nach empirischen Gesetzen, gar kein Begriff vom Objekt ist, sondern nur ein Prinzip der Urteilskraft sich in dieser ihrer bergroen Mannigfaltigkeit Begriffe zu verschaffen (in ihr orientieren zu knnen) : so legen wir ihr doch hiedurch gleichsam eine Rcksicht auf unser Erkenntnisvermgen nach der Analogie eines Zwecks bei ; und so knnen wir die Naturschnheit als Darstellung des Begriffs der formalen (blo subjektiven), und die Naturzwecke als Darstellung des Begriffs einer realen (objektiven) Zweckmigkeit ansehen, deren eine wir durch Geschmack (sthetisch, vermittelst des Gefhls der Lust), die andere durch Verstand und Vernunft (logisch, nach Begriffen) beurteilen.

Hierauf grndet sich die Einteilung der Kritik der Urteilskraft in die der sthetischen und teleologischen ; indem unter der ersteren das Vermgen, die formale Zweckmigkeit (sonst auch subjektive genannt) durch das Gefhl der Lust oder Unlust ; unter der zweiten das Vermgen, die reale Zweckmigkeit (objektive) der Natur durch Verstand und Vernunft zu beurteilen, verstanden wird.

In einer Kritik der Urteilskraft ist der Teil, welcher die sthetische Urteilskraft enthlt, ihr wesentlich angehrig, weil diese allein ein Prinzip enthlt, welches die Urteilskraft vllig a priori ihrer Reflexion ber die Natur zum Grunde legt, nmlich das einer formalen Zweckmigkeit der Natur nach ihren besonderen (empirischen) Gesetzen fr unser Erkenntnisvermgen, ohne welche sich der Verstand in sie nicht finden knnte : anstatt da gar kein Grund a priori angegeben werden kann, ja nicht einmal die Mglichkeit davon aus dem Begriffe einer Natur, als Gegenstande der Erfahrung im allgemeinen sowohl, als im besonderen, erhellet, da es objektive Zwecke der Natur, d. i. Dinge die nur als Naturzwecke mglich sind, geben msse ; sondern nur die Urteilskraft, ohne ein Prinzip dazu a priori in sich zu enthalten, in vorkommenden Fllen (gewisser Produkte), um zum Behuf der Vernunft von dem Begriffe der Zwecke Gebrauch zu machen, die Regel enthlt ; nachdem jenes transzendentale Prinzip schon den Begriff eines Zwecks (wenigstens der Form nach) auf die Natur anzuwenden den Verstand vorbereitet hat.

Der transzendentale Grundsatz aber, sich eine Zweckmigkeit der Natur in subjektiver Beziehung auf unser Erkenntnisvermgen an der Form eines Dinges als ein Prinzip der Beurteilung derselben vorzustellen, lt es gnzlich unbestimmt, wo und in welchen Fllen ich die Beurteilung, als die eines Produkts nach einem Prinzip der Zweckmigkeit, und nicht vielmehr blo nach allgemeinen Naturgesetzen anzustellen habe, und berlt es der sthetischen Urteilskraft, im Geschmacke die Angemessenheit desselben (seiner Form) zu unseren Erkenntnisvermgen (sofern diese nicht durch bereinstimmung mit Begriffen, sondern durch das Gefhl entscheidet) auszumachen. Dagegen gibt die teleologisch-gebrauchte Urteilskraft die Bedingungen bestimmt an, unter denen etwas (z. B. ein organisierter Krper) nach der Idee eines Zwecks der Natur zu beurteilen sei ; kann aber keinen Grundsatz aus dem Begriffe der Natur, als Gegenstandes der Erfahrung, fr die Befugnis anfhren, ihr eine Beziehung auf Zwecke a priori beizulegen, und auch nur unbestimmt dergleichen von der wirklichen Erfahrung an solchen Produkten anzunehmen : wovon der Grund ist, da viele besondere Erfahrungen angestellt und unter der Einheit ihres Prinzips betrachtet werden mssen, um eine objektive Zweckmigkeit an einem gewissen Gegenstande nur empirisch erkennen zu knnen. Die sthetische Urteilskraft ist also ein besonderes Vermgen, Dinge nach einer Regel, aber nicht nach Begriffen, zu beurteilen. Die teleologische ist kein besonderes Vermgen, sondern nur die reflektierende Urteilskraft berhaupt, sofern sie, wie berall im theoretischen Erkenntnisse, nach Begriffen, aber in Ansehung gewisser Gegenstnde der Natur nach besonderen Prinzipien, nmlich einer blo reflektierenden, nicht Objekte bestimmenden Urteilskraft, verfhrt, also ihrer Anwendung nach zum theoretischen Teile der Philosophie gehret, und der besonderen Prinzipien wegen, die nicht, wie es in einer Doktrin sein mu, bestimmend sind, auch einen besonderen Teil der Kritik ausmachen mu ; anstatt da die sthetische Urteilskraft zum Erkenntnis ihrer Gegenstnde nichts beitrgt, und also nur zur Kritik des urteilenden Subjekts und der Erkenntnisvermgen desselben, sofern sie der Prinzipien a priori fhig sind, von welchem Gebrauche (dem theoretischen oder praktischen) diese brigens auch sein mgen, gezhlt werden mu, welche die Propdeutik aller Philosophie ist.

 

IX. Von der Verknpfung der Gesetzgebungen des Verstandes und der Vernunft durch die Urteilskraft

Der Verstand ist a priori gesetzgebend fr die Natur als Objekt der Sinne, zu einem theoretischen Erkenntnis derselben in einer mglichen Erfahrung. Die Vernunft ist a priori gesetzgebend fr die Freiheit und ihre eigene Kausalitt, als das bersinnliche in dem Subjekte, zu einem unbedingt-praktischen Erkenntnis. Das Gebiet des Naturbegriffs, unter der einen, und das des Freiheitsbegriffs unter der anderen Gesetzgebung, sind gegen allen wechselseitigen Einflu, den sie fr sich (ein jedes nach seinen Grundgesetzen) aufeinander haben knnten, durch die groe Kluft, welche das bersinnliche von den Erscheinungen trennt, gnzlich abgesondert. Der Freiheitsbegriff bestimmt nichts in Ansehung der theoretischen Erkenntnis der Natur ; der Naturbegriff ebensowohl nichts in Ansehung der praktischen Gesetze der Freiheit : und es ist insofern nicht mglich, eine Brcke von einem Gebiete zu dem andern hinberzuschlagen. Allein wenn die Bestimmungsgrnde der Kausalitt nach dem Freiheitsbegriffe (und der praktischen Regel die er enthlt) gleich nicht in der Natur belegen sind, und das Sinnliche das bersinnliche im Subjekte nicht bestimmen kann ; so ist dieses doch umgekehrt (zwar nicht in Ansehung des Erkenntnisses der Natur, aber doch der Folgen aus dem ersteren auf die letztere) mglich und schon in dem Begriffe einer Kausalitt durch Freiheit enthalten, deren Wirkung diesen ihren formalen Gesetzen gem in der Welt geschehen soll, obzwar das Wort Ursache, von dem bersinnlichen gebraucht, nur den Grund bedeutet, die Kausalitt der Naturdinge zu einer Wirkung, gem ihren eigenen Naturgesetzen, zugleich aber doch auch mit dem formalen Prinzip der Vernunftgesetze einhellig, zu bestimmen, wovon die Mglichkeit zwar nicht eingesehen, aber der Einwurf von einem vorgeblichen Widerspruch, der sich darin fnde, hinreichend widerlegt werden kann.* Die Wirkung nach dem Freiheitsbegriffe ist der Endzweck, der (oder dessen Erscheinung in der Sinnenwelt) existieren soll, wozu die Bedingung der Mglichkeit desselben in der Natur (des Subjekts als Sinnenwesens, nmlich als Mensch) vorausgesetzt wird. Das, was diese a priori und ohne Rcksicht auf das Praktische voraussetzt, die Urteilskraft, gibt den vermittelnden Begriff zwischen den Naturbegriffen und dem Freiheitsbegriffe, der den bergang von der reinen theoretischen zur reinen praktischen, von der Gesetzmigkeit nach der ersten zum Endzwecke nach dem letzten mglich macht, in dem Begriffe einer Zweckmigkeit der Natur an die Hand ; denn dadurch wird die Mglichkeit des Endzwecks, der allein in der Natur und mit Einstimmung ihrer Gesetze wirklich werden kann, erkannt.

Der Verstand gibt, durch die Mglichkeit seiner Gesetze a priori fr die Natur, einen Beweis davon, da diese von uns nur als Erscheinung erkannt werde, mithin zugleich Anzeige auf ein bersinnliches Substrat derselben ; aber lt dieses gnzlich unbestimmt. Die Urteilskraft verschafft durch ihr Prinzip a priori der Beurteilung der Natur, nach mglichen besonderen Gesetzen derselben, ihrem bersinnlichen Substrat (in uns sowohl als auer uns) Bestimmbarkeit durch das intellektuelle Vermgen. Die Vernunft aber gibt eben demselben durch ihr praktisches Gesetz a priori die Bestimmung ; und so macht die Urteilskraft den bergang vom Gebiete des Naturbegriffs zu dem des Freiheitsbegriffs mglich.

In Ansehung der Seelenvermgen berhaupt, sofern sie als obere, d. i. als solche, die eine Autonomie enthalten, betrachtet werden, ist fr das Erkenntnisvermgen (das theoretische der Natur) der Verstand dasjenige, welches die konstitutiven Prinzipien a priori enthlt ; fr das Gefhl der Lust und Unlust ist es die Urteilskraft, unabhngig von Begriffen und Empfindungen, die sich auf Bestimmung des Begehrungsvermgens beziehen und dadurch unmittelbar praktisch sein knnten ; fr das Begehrungsvermgen die Vernunft, welche ohne Vermittelung irgendeiner Lust, woher sie auch komme, praktisch ist, und demselben, als oberes Vermgen, den Endzweck bestimmt, der zugleich das reine Intellektuelle Wohlgefallen am Objekte mit sich fhrt. Der Begriff der Urteilskraft von einer Zweckmigkeit der Natur ist noch zu den Naturbegriffen gehrig, aber nur als regulatives Prinzip des Erkenntnisvermgens ; obzwar das sthetische Urteil ber gewisse Gegenstnde (der Natur oder der Kunst), welches ihn veranlasset, in Ansehung des Gefhls der Lust oder Unlust ein konstitutives Prinzip ist. Die Spontaneitt im Spiele der Erkenntnisvermgen, deren Zusammenstimmung den Grund dieser Lust enthlt, macht den gedachten Begriff zur Vermittelung der Verknpfung der Gebiete des Naturbegriffs mit dem Freiheitsbegriffe in ihren Folgen tauglich, indem diese zugleich die Empfnglichkeit des Gemts fr das moralische Gefhl befrdert. Folgende Tafel kann die bersicht aller oberen Vermgen ihrer systematischen Einheit nach erleichtern.**

 

Gesamte Vermgen des Gemts

Erkenntnisvermgen

Prinzipien a priori

Anwendung auf

Erkenntnisvermgen

Verstand

Gesetzmigkeit

Natur

Gefhl der Lust und Unlust

Urteilskraft

Zweckmigkeit

Kunst

Begehrungsvermgen

Vernunft

Endzweck

Freiheit

 

* Einer von den verschiedenen vermeinten Widersprchen in dieser gnzlichen Unterscheidung der Naturkausalitt von der durch Freiheit ist der, da man ihr den Vorwurf macht : da, wenn ich von Hindernissen, die die Natur der Kausalitt nach Freiheitsgesetzen (den moralischen) legt, oder ihre Befrderung durch dieselbe rede, ich doch der ersteren auf die letztere einen Einflu einrume. Aber, wenn man das Gesagte nur verstehen will, so ist die Mideutung sehr leicht zu verhten. Der Widerstand, oder die Befrderung, ist nicht zwischen der Natur und der Freiheit, sondern der ersteren als Erscheinung und den Wirkungen der letztern als Erscheinungen in der Sinnenwelt ; und selbst die Kausalitt der Freiheit (der reinen und praktischen Vernunft) ist die Kausalitt einer jener untergeordneten Naturursache (des Subjekts, als Mensch, folglich als Erscheinung betrachtet), von deren Bestimmung das Intelligible, welches unter der Freiheit gedacht wird, auf eine brigens (ebenso wie ebendasselbe, was das bersinnliche Substrat der Natur ausmacht) unerklrliche Art, den Grund enthlt.

 

** Man hat es bedenklich gefunden, da meine Einteilungen in der reinen Philosophie fast immer dreiteilig ausfallen. Das liegt aber in der Natur der Sache. Soll eine Einteilung a priori geschehen, so wird sie entweder analytisch sein, nach dem Satze des Widerspruchs ; und da ist sie jederzeit zweiteilig (quodlibet ens est aut A aut non A). Oder sie ist synthetisch ; und, wenn sie in diesem Falle aus Begriffen a priori (nicht, wie in der Mathematik, aus der a priori dem Begriffe korrespondierenden Anschauung) soll gefhrt werden, so mu, nach demjenigen, was zu der synthetischen Einheit berhaupt erforderlich ist, nmlich 1) Bedingung, 2) ein Bedingtes, 3) der Begriff, der aus der Vereinigung des Bedingten mit seiner Bedingung entspringt, die Einteilung notwendig Trichotomie sein.

 

 

 

Einteilung des ganzen Werks

Erster Teil. Kritik der sthetischen Urteilskraft

Erster Abschnitt. Analytik der sthetischen Urteilskraft

Erstes Buch. Analytik des Schnen

Zweites Buch. Analytik des Erhabenen

Zweiter Abschnitt. Dialektik der sthetischen Urteilskraft

Zweiter Teil. Kritik der teleologischen Urteilskraft

Erste Abteilung. Analytik der teleologischen Urteilskraft

Zweite Abteilung. Dialektik der teleologischen Urteilskraft

Anhang. Methodenlehre der teleologischen Urteilskraft

 

 

 

Erster Teil

Kritik der sthetischen Urteilskraft

 

 

 

Erster Abschnitt

Analytik der sthetischen Urteilskraft

 

 

Erstes Buch

Analytik des Schnen

 

 

Erstes Moment des Geschmacksurteils*, der Qualitt nach

 

1

Das Geschmacksurteil ist sthetisch

Um zu unterscheiden, ob etwas schn sei oder nicht, beziehen wir die Vorstellung nicht durch den Verstand auf das Objekt zum Erkenntnisse, sondern durch die Einbildungskraft (vielleicht mit dem Verstande verbunden) auf das Subjekt und das Gefhl der Lust oder Unlust desselben. Das Geschmacksurteil ist also kein Erkenntnisurteil, mithin nicht logisch, sondern sthetisch, worunter man dasjenige versteht, dessen Bestimmungsgrund nicht anders als subjektiv sein kann. Alle Beziehung der Vorstellungen, selbst die der Empfindungen, aber kann objektiv sein (und da bedeutet sie das Reale einer empirischen Vorstellung) ; nur nicht die auf das Gefhl der Lust und Unlust, wodurch gar nichts im Objekte bezeichnet wird, sondern in der das Subjekt, wie es durch die Vorstellung affiziert wird, sich selbst fhlt.

Ein regelmiges, zweckmiges Gebude mit seinem Erkenntnisvermgen (es sei in deutlicher oder verworrener Vorstellungsart) zu befassen, ist ganz etwas anders, als sich dieser Vorstellung mit der Empfindung des Wohlgefallens bewut zu sein. Hier wird die Vorstellung gnzlich auf das Subjekt und zwar auf das Lebensgefhl desselben, unter dem Namen des Gefhls der Lust oder Unlust, bezogen, welches ein ganz besonderes Unterscheidungs- und Beurteilungsvermgen grndet, das zum Erkenntnis nichts beitrgt, sondern nur die gegebene Vorstellung im Subjekte gegen das ganze Vermgen der Vorstellungen hlt, dessen sich das Gemt im Gefhl seines Zustandes bewut wird. Gegebene Vorstellungen in einem Urteile knnen empirisch (mithin sthetisch) sein ; das Urteil aber, das durch sie gefllt wird, ist logisch, wenn jene nur im Urteile auf das Objekt bezogen werden. Umgekehrt aber, wenn die gegebenen Vorstellungen gar rational wren, wrden aber in einem Urteile lediglich auf das Subjekt (sein Gefhl) bezogen, so sind sie sofern jederzeit sthetisch.

 

* Die Definition des Geschmacks, welche hier zum Grunde gelegt wird, ist : da er das Vermgen der Beurteilung des Schnen sei. Was aber dazu erfordert wird, um einen Gegenstand schn zu nennen, das mu die Analyse der Urteile des Geschmacks entdecken. Die Momente, worauf diese Urteilskraft in ihrer Reflexion Acht hat, habe ich, nach Anleitung der logischen Funktionen zu urteilen, aufgesucht (denn im Geschmacksurteile ist immer noch eine Beziehung auf den Verstand enthalten). Die der Qualitt habe ich zuerst in Betrachtung gezogen, weil das sthetische Urteil ber das Schne auf diese zuerst Rcksicht nimmt.

 

2

Das Wohlgefallen, welches das Geschmacksurteil bestimmt, ist ohne alles Interesse

Interesse wird das Wohlgefallen genannt, was wir mit der Vorstellung der Existenz eines Gegenstandes verbinden. Ein solches hat daher immer zugleich Beziehung auf das Begehrungsvermgen, entweder als Bestimmungsgrund desselben, oder doch als mit dem Bestimmungsgrunde desselben notwendig zusammenhngend. Nun will man aber, wenn die Frage ist, ob etwas schn sei, nicht wissen, ob uns oder irgend jemand, an der Existenz der Sache irgend etwas gelegen sei, oder auch nur gelegen sein knne ; sondern, wie wir sie in der bloen Betrachtung (Anschauung oder Reflexion) beurteilen. Wenn mich jemand fragt, ob ich den Palast, den ich vor mir sehe, schn finde ; so mag ich zwar sagen : ich liebe dergleichen Dinge nicht, die blo fr das Angaffen gemacht sind, oder, wie jener Irokesische Sachem, ihm gefalle in Paris nichts besser als die Garkchen ; ich kann noch berdem auf die Eitelkeit der Groen auf gut Rousseauisch schmlen, welche den Schwei des Volkes auf so entbehrliche Dinge verwenden ; ich kann mich endlich gar leicht berzeugen, da, wenn ich mich auf einem unbewohnten Eilande, ohne Hoffnung jemals wieder zu Menschen zu kommen, befnde, und ich durch meinen bloen Wunsch ein solches Prachtgebude hinzaubern knnte, ich mir auch nicht einmal diese Mhe darum geben wrde, wenn ich schon eine Htte htte, die mir bequem genug wre. Man kann mir alles dieses einrumen und gutheien ; nur davon ist jetzt nicht die Rede. Man will nur wissen, ob die bloe Vorstellung des Gegenstandes in mir mit Wohlgefallen begleitet sei, so gleichgltig ich auch immer in Ansehung der Existenz des Gegenstandes dieser Vorstellung sein mag. Man sieht leicht, da es auf das, was ich aus dieser Vorstellung in mir selbst mache, nicht auf das, worin ich von der Existenz des Gegenstandes abhnge, ankomme, um zu sagen, er sei schn, und zu beweisen, ich habe Geschmack. Ein jeder mu eingestehen, da dasjenige Urteil ber Schnheit, worin sich das mindeste Interesse mengt, sehr parteilich und kein reines Geschmacksurteil sei. Man mu nicht im mindesten fr die Existenz der Sache eingenommen, sondern in diesem Betracht ganz gleichgltig sein, um in Sachen des Geschmacks den Richter zu spielen.

Wir knnen aber diesen Satz, der von vorzglicher Erheblichkeit ist, nicht besser erlutern, als wenn wir dem reinen uninteressierten* Wohlgefallen im Geschmacksurteile dasjenige, was mit Interesse verbunden ist, entgegensetzen : vornehmlich wenn wir zugleich gewi sein knnen, da es nicht mehr Arten des Interesse gebe, als die eben jetzt namhaft gemacht werden sollen.

 

* Ein Urteil ber einen Gegenstand des Wohlgefallens kann ganz uninteressiert, aber doch sehr interessant sein, d. i. es grndet sich auf keinem Interesse, aber es bringt ein Interesse hervor ; dergleichen sind alle reine moralische Urteile. Aber die Geschmacksurteile begrnden an sich auch gar kein Interesse. Nur in der Gesellschaft wird es interessant, Geschmack zu haben, wovon der Grund in der Folge angezeigt werden wird.

 

3

Das Wohlgefallen am Angenehmen ist mit Interesse verbunden

Angenehm ist das, was den Sinnen in der Empfindung gefllt. Hier zeigt sich nun sofort die Gelegenheit, eine ganz gewhnliche Verwechselung der doppelten Bedeutung, die das Wort Empfindung haben kann, zu rgen und darauf aufmerksam zu machen. Alles Wohlgefallen (sagt oder denkt man) ist selbst Empfindung (einer Lust). Mithin ist alles, was gefllt, eben hierin, da es gefllt, angenehm (und nach den verschiedenen Graden oder auch Verhltnissen zu andern angenehmen Empfindungen anmutig, lieblich, ergtzend, erfreulich usw.). Wird aber das eingerumt, so sind Eindrcke der Sinne, welche die Neigung, oder Grundstze der Vernunft, welche den Willen, oder bloe reflektierte Formen der Anschauung, welche die Urteilskraft bestimmen, was die Wirkung auf das Gefhl der Lust betrifft, gnzlich einerlei. Denn diese wre die Annehmlichkeit in der Empfindung seines Zustandes, und, da doch endlich alle Bearbeitung unserer Vermgen aufs Praktische ausgehen und sich darin als in ihrem Ziele vereinigen mu, so knnte man ihnen keine andere Schtzung der Dinge und ihres Werts zumuten, als die in dem Vergngen besteht, welches sie versprechen. Auf die Art, wie sie dazu gelangen, kommt es am Ende gar nicht an ; und da die Wahl der Mittel hierin allein einen Unterschied machen kann, so knnten Menschen einander wohl der Torheit und des Unverstandes, niemals aber der Niedertrchtigkeit und Bosheit beschuldigen : weil sie doch alle, ein jeder nach seiner Art die Sachen zu sehen, nach einem Ziele laufen, welches fr jedermann das Vergngen ist.

Wenn eine Bestimmung des Gefhls der Lust oder Unlust Empfindung genannt wird, so bedeutet dieser Ausdruck etwas ganz anderes, als wenn ich die Vorstellung einer Sache (durch Sinne, als eine zum Erkenntnisvermgen gehrige Rezeptivitt) Empfindung nenne. Denn im letztem Falle wird die Vorstellung auf das Objekt, im erstem aber lediglich auf das Subjekt bezogen, und dient zu gar keinem Erkenntnisse, auch nicht zu demjenigen, wodurch sich das Subjekt selbst erkennt.

Wir verstehen aber in der obigen Erklrung unter dem Worte Empfindung eine objektive Vorstellung der Sinne ; und, um nicht immer Gefahr zu laufen, migedeutet zu werden, wollen wir das, was jederzeit blo subjektiv bleiben mu und schlechterdings keine Vorstellung eines Gegenstandes ausmachen kann, mit dem sonst blichen Namen des Gefhls benennen. Die grne Farbe der Wiesen gehrt zur objektiven Empfindung, als Wahrnehmung eines Gegenstandes des Sinnes ; die Annehmlichkeit derselben aber zur subjektiven Empfindung, wodurch kein Gegenstand vorgestellt wird : d. i. zum Gefhl, wodurch der Gegenstand als Objekt des Wohlgefallens (welches kein Erkenntnis desselben ist) betrachtet wird.

Da nun mein Urteil ber einen Gegenstand, wodurch ich ihn fr angenehm erklre, ein Interesse an demselben ausdrcke, ist daraus schon klar, da es durch Empfindung eine Begierde nach dergleichen Gegenstnden rege macht, mithin das Wohlgefallen nicht das bloe Urteil ber ihn, sondern die Beziehung seiner Existenz auf meinen Zustand, sofern er durch ein solches Objekt affiziert wird, voraussetzt. Daher man von dem Angenehmen nicht blo sagt, es gefllt, sondern es vergngt. Es ist nicht ein bloer Beifall, den ich ihm widme, sondern Neigung wird dadurch erzeugt ; und zu dem, was auf die lebhafteste Art angenehm ist, gehrt so gar kein Urteil ber die Beschaffenheit des Objekts, da diejenigen, welche immer nur auf das Genieen ausgehen (denn das ist das Wort, womit man das Innige des Vergngens bezeichnet), sich gerne alles Urteilens berheben.

 

4

Das Wohlgefallen am Guten ist mit Interesse verbunden

Gut ist das, was vermittelst der Vernunft, durch den bloen Begriff, gefllt. Wir nennen einiges wozu gut (das Ntzliche), was nur als Mittel gefllt ; ein anderes aber an sich gut, was fr sich selbst gefllt. In beiden ist immer der Begriff eines Zwecks, mithin das Verhltnis der Vernunft zum (wenigstens mglichen) Wollen, folglich ein Wohlgefallen am Dasein eines Objekts oder einer Handlung, d. i. irgendein Interesse, enthalten.

Um etwas gut zu finden, mu ich jederzeit wissen, was der Gegenstand fr ein Ding sein solle, d. i. einen Begriff von demselben haben. Um Schnheit woran zu finden, habe ich das nicht ntig. Blumen, freie Zeichnungen, ohne Absicht ineinandergeschlungene Zge, unter dem Namen des Laubwerks, bedeuten nichts, hngen von keinem bestimmten Begriffe ab und gefallen doch. Das Wohlgefallen am Schnen mu von der Reflexion ber einen Gegenstand, die zu irgendeinem Begriffe (unbestimmt welchem) fhrt, abhngen ; und unterscheidet sich dadurch auch vom Angenehmen, welches ganz auf der Empfindung beruht.

Zwar scheint das Angenehme mit dem Guten in vielen Fllen einerlei zu sein. So wird man gemeiniglich sagen : alles (vornehmlich dauerhafte) Vergngen ist an sich selbst gut ; welches ungefhr so viel heit, als dauerhaft-angenehm oder gut sein, ist einerlei. Allein man kann bald bemerken, da dieses blo eine fehlerhafte Wortvertauschung sei, da die Begriffe, welche diesen Ausdrcken eigentmlich anhngen, keinesweges gegeneinander ausgetauscht werden knnen. Das Angenehme, das, als ein solches, den Gegenstand lediglich in Beziehung auf den Sinn vorstellt, mu allererst durch den Begriff eines Zwecks unter Prinzipien der Vernunft gebracht werden, um es, als Gegenstand des Willens, gut zu nennen. Da dieses aber alsdann eine ganz andere Beziehung auf das Wohlgefallen sei, wenn ich das, was vergngt, zugleich gut nenne, ist daraus zu ersehen, da beim Guten immer die Frage ist, ob es blo mittelbar-gut oder unmittelbar-gut (ob ntzlich oder an sich gut) sei ; da hingegen beim Angenehmen hierber gar nicht die Frage sein kann, indem das Wort jederzeit etwas bedeutet, was unmittelbar gefllt. (Ebenso ist es auch mit dem, was ich schn nenne, bewandt.)

Selbst in den gemeinsten Reden unterscheidet man das Angenehme vom Guten. Von einem durch Gewrze und andere Zustze den Geschmack erhebenden Gerichte sagt man ohne Bedenken, es sei angenehm, und gesteht zugleich, da es nicht gut sei : weil es zwar unmittelbar den Sinnen behagt, mittelbar aber, d. i. durch die Vernunft, die auf die Folgen hinaus sieht, betrachtet, mifllt. Selbst in der Beurteilung der Gesundheit kann man noch diesen Unterschied bemerken. Sie ist jedem, der sie besitzt, unmittelbar angenehm (wenigstens negativ, d. i. als Entfernung aller krperlichen Schmerzen). Aber, um zu sagen, da sie gut sei, mu man sie noch durch die Vernunft auf Zwecke richten, nmlich da sie ein Zustand ist, der uns zu allen unsern Geschften aufgelegt macht. In Absicht der Glckseligkeit glaubt endlich doch jedermann, die grte Summe (der Menge sowohl als Dauer nach) der Annehmlichkeiten des Lebens, ein wahres, ja sogar das hchste Gut nennen zu knnen. Allein auch dawider strubt sich die Vernunft. Annehmlichkeit ist Genu. Ist es aber auch auf diesen allein angelegt, so wre es tricht, skrupuls in Ansehung der Mittel zu sein, die ihn uns verschaffen, ob er leidend, von der Freigebigkeit der Natur, oder durch Selbstttigkeit und unser eignes Wirken erlangt wre. Da aber eines Menschen Existenz an sich einen Wert habe, welcher blo lebt (und in dieser Absicht noch so sehr geschftig ist) um zu genieen, sogar wenn er dabei andern, die alle ebensowohl nur aufs Genieen ausgehen, als Mittel dazu aufs beste befrderlich wre, und zwar darum, weil er durch Sympathie alles Vergngen mitgensse : das wird sich die Vernunft nie berreden lassen. Nur durch das, was er tut, ohne Rcksicht auf Genu, in voller Freiheit und unabhngig von dem, was ihm die Natur auch leidend verschaffen knnte, gibt er seinem Dasein als der Existenz einer Person einen absoluten Wert ; und die Glckseligkeit ist, mit der ganzen Flle ihrer Annehmlichkeit, bei weitem nicht ein unbedingtes Gut*.

Aber, ungeachtet aller dieser Verschiedenheit zwischen dem Angenehmen und Guten, kommen beide doch darin berein : da sie jederzeit mit einem Interesse an ihrem Gegenstande verbunden sind, nicht allein das Angenehme 3, und das mittelbar Gute (das Ntzliche), welches als Mittel zu irgendeiner Annehmlichkeit gefllt, sondern auch das schlechterdings und in aller Absicht Gute, nmlich das moralische, welches das hchste Interesse bei sich fhrt. Denn das Gute ist das Objekt des Willens (d. i. eines durch Vernunft bestimmten Begehrungsvermgens). Etwas aber wollen, und an dem Dasein desselben ein Wohlgefallen haben d. i. daran ein Interesse nehmen, ist identisch.

 

* Eine Verbindlichkeit zum Genieen ist eine offenbare Ungereimtheit. Eben das mu also auch eine vorgegebene Verbindlichkeit zu allen Handlungen sein, die zu ihrem Ziele blo das Genieen haben : dieses mag nun so geistig ausgedacht (oder verbrmt) sein, wie es wolle, und wenn es auch ein mystischer sogenannter himmlischer Genu wre.

 

5

Vergleichung der drei spezifisch verschiedenen Arten des Wohlgefallens

Das Angenehme und Gute haben beide eine Beziehung auf das Begehrungsvermgen, und fhren sofern, jenes ein pathologisch-bedingtes (durch Anreize, stimulos), dieses ein reines praktisches Wohlgefallen bei sich, welches nicht blo durch die Vorstellung des Gegenstandes, sondern zugleich durch die vorgestellte Verknpfung des Subjekts mit der Existenz desselben bestimmt wird. Nicht blo der Gegenstand, sondern auch die Existenz desselben gefllt. Daher ist das Geschmacksurteil blo kontemplativ, d. i. ein Urteil, welches, indifferent in Ansehung des Daseins eines Gegenstandes, nur seine Beschaffenheit mit dem Gefhl der Lust und Unlust zusammenhlt. Aber diese Kontemplation selbst ist auch nicht auf Begriffe gerichtet ; denn das Geschmacksurteil ist kein Erkenntnisurteil (weder ein theoretisches noch praktisches), und daher auch nicht auf Begriffe gegrndet, oder auch auf solche abgezweckt.

Das Angenehme, das Schne, das Gute bezeichnen also drei verschiedene Verhltnisse der Vorstellungen zum Gefhl der Lust und Unlust, in Beziehung auf welches wir Gegenstnde, oder Vorstellungsarten, voneinander unterscheiden. Auch sind die jedem angemessenen Ausdrcke, womit man die Komplazenz in denselben bezeichnet, nicht einerlei. Angenehm heit jemandem das, was ihn vergngt ; schn, was ihm blo gefllt ; gut, was geschtzt, gebilligt, d. i. worin von ihm ein objektiver Wert gesetzt wird. Annehmlichkeit gilt auch fr vernunftlose Tiere ; Schnheit nur fr Menschen d. i. tierische, aber doch vernnftige Wesen, aber auch nicht blo als solche (z. B. Geister), sondern zugleich als tierische ; das Gute aber fr jedes vernnftige Wesen berhaupt. Ein Satz, der nur in der Folge seine vollstndige Rechtfertigung und Erklrung bekommen kann. Man kann sagen : da unter allen diesen drei Arten des Wohlgefallens, das des Geschmacks am Schnen einzig und allein ein uninteressiertes und freies Wohlgefallen sei ; denn kein Interesse, weder das der Sinne, noch das der Vernunft, zwingt den Beifall ab. Daher knnte man von dem Wohlgefallen sagen : es beziehe sich in den drei genannten Fllen auf Neigung, oder Gunst, oder Achtung. Denn Gunst ist das einzige freie Wohlgefallen. Ein Gegenstand der Neigung, und einer, welcher durch ein Vernunftgesetz uns zum Begehren auferlegt wird, lassen uns keine Freiheit, uns selbst irgend woraus einen Gegenstand der Lust zu machen. Alles Interesse setzt Bedrfnis voraus, oder bringt eines hervor ; und, als Bestimmungsgrund des Beifalls, lt es das Urteil ber den Gegenstand nicht mehr frei sein.

Was das Interesse der Neigung beim Angenehmen betrifft, so sagt jedermann : Hunger ist der beste Koch, und Leuten von gesundem Appetit schmeckt alles, was nur ebar ist ; mithin beweiset ein solches Wohlgefallen keine Wahl nach Geschmack. Nur wenn das Bedrfnis befriedigt ist, kann man unterscheiden, wer unter vielen Geschmack habe, oder nicht. Ebenso gibt es Sitten (Konduite) ohne Tugend, Hflichkeit ohne Wohlwollen, Anstndigkeit ohne Ehrbarkeit usw. Denn wo das sittliche Gesetz spricht, da gibt es, objektiv, weiter keine freie Wahl in Ansehung dessen, was zu tun sei ; und Geschmack in seiner Auffhrung (oder in Beurteilung anderer ihrer) zeigen, ist etwas ganz anderes, als seine moralische Denkungsart uern : denn diese enthlt ein Gebot und bringt ein Bedrfnis hervor, da hingegen der sittliche Geschmack mit den Gegenstnden des Wohlgefallens nur spielt, ohne sich an einen zu hngen.

 

Aus dem ersten Momente gefolgerte Erklrung des Schnen

Geschmack ist das Beurteilungsvermgen eines Gegenstandes oder einer Vorstellungsart durch ein Wohlgefallen, oder Mifallen, ohne alles Interesse. Der Gegenstand eines solchen Wohlgefallens heit schn.

 

 

Zweites Moment des Geschmacksurteils, nmlich seiner Quantitt nach

 

6

Das Schne ist das, was ohne Begriffe, als Objekt eines allgemeinen Wohlgefallens vorgestellt wird

Diese Erklrung des Schnen kann aus der vorigen Erklrung desselben, als eines Gegenstandes des Wohlgefallens ohne alles Interesse, gefolgert werden. Denn das, wovon jemand sich bewut ist, da das Wohlgefallen an demselben bei ihm selbst ohne alles Interesse sei, das kann derselbe nicht anders als so beurteilen, da es einen Grund des Wohlgefallens fr jedermann enthalten msse. Denn da es sich nicht auf irgendeine Neigung des Subjekts (noch auf irgendein anderes berlegtes Interesse) grndet, sondern da der Urteilende sich in Ansehung des Wohlgefallens, welches er dem Gegenstande widmet, vllig frei fhlt : so kann er keine Privatbedingungen als Grnde des Wohlgefallens auffinden, an die sich sein Subjekt allein hinge, und mu es daher als in demjenigen begrndet ansehen, was er auch bei jedem andern voraussetzen kann ; folglich mu er glauben Grund zu haben, jedermann ein hnliches Wohlgefallen zuzumuten. Er wird daher vom Schnen so sprechen, als ob Schnheit eine Beschaffenheit des Gegenstandes und das Urteil logisch (durch Begriffe vom Objekte eine Erkenntnis desselben ausmachend) wre ; ob es gleich nur sthetisch ist und blo eine Beziehung der Vorstellung des Gegenstandes auf das Subjekt enthlt : darum, weil es doch mit dem logischen die hnlichkeit hat, da man die Gltigkeit desselben fr jedermann daran voraussetzen kann. Aber aus Begriffen kann diese Allgemeinheit auch nicht entspringen. Denn von Begriffen gibt es keinen bergang zum Gefhle der Lust oder Unlust (ausgenommen in reinen praktischen Gesetzen, die aber ein Interesse bei sich fhren, dergleichen mit dem reinen Geschmacksurteile nicht verbunden ist). Folglich mu dem Geschmacksurteile, mit dem Bewutsein der Absonderung in demselben von allem Interesse, ein Anspruch auf Gltigkeit fr jedermann, ohne auf Objekte gestellte Allgemeinheit anhngen, d. i. es mu damit ein Anspruch auf subjektive Allgemeinheit verbunden sein.

 

7

Vergleichung des Schnen mit dem Angenehmen und Guten durch obiges Merkmal

In Ansehung des Angenehmen bescheidet sich ein jeder : da sein Urteil, welches er auf ein Privatgefhl grndet, und wodurch er von einem Gegenstande sagt, da er ihm gefalle, sich auch blo auf seine Person einschrnke. Daher ist er es gern zufrieden, da, wenn er sagt : der Kanariensekt ist angenehm, ihm ein anderer den Ausdruck verbessere und ihn erinnere, er solle sagen : er ist mir angenehm ; und so nicht allein im Geschmack der Zunge, des Gaumens und des Schlundes, sondern auch in dem, was fr Augen und Ohren jedem angenehm sein mag. Dem einen ist die violette Farbe sanft und lieblich, dem andern tot und erstorben. Einer liebt den Ton der Blasinstrumente, der andre den von den Saiteninstrumenten. Darber in der Absicht zu streiten um das Urteil anderer, welches von dem unsrigen verschieden ist, gleich als ob es diesem logisch entgegengesetzt wre, fr unrichtig zu schelten, wre Torheit ; in Ansehung des Angenehmen gilt also der Grundsatz : ein jeder hat seinen eigenen Geschmack (der Sinne).

Mit dem Schnen ist es ganz anders bewandt. Es wre (gerade umgekehrt) lcherlich, wenn jemand, der sich auf seinen Geschmack etwas einbildete, sich damit zu rechtfertigen gedchte : dieser Gegenstand (das Gebude, was wir sehen, das Kleid, was jener trgt, das Konzert, was wir hren, das Gedicht, welches zur Beurteilung aufgestellt ist) ist fr mich schn. Denn er mu es nicht schn nennen, wenn es blo ihm gefllt. Reiz und Annehmlichkeit mag fr ihn vieles haben, darum bekmmert sich niemand ; wenn er aber etwas fr schn ausgibt, so mutet er andern eben dasselbe Wohlgefallen zu : er urteilt nicht blo fr sich, sondern fr jedermann, und spricht alsdann von der Schnheit, als wre sie eine Eigenschaft der Dinge. Er sagt daher, die Sache ist schn ; und rechnet nicht etwa darum auf anderer Einstimmung in sein Urteil des Wohlgefallens, weil er sie mehrmalen mit dem seinigen einstimmig befunden hat, sondern fordert es von ihnen. Er tadelt sie, wenn sie anders urteilen, und spricht ihnen den Geschmack ab, von dem er doch verlangt, da sie ihn haben sollen ; und sofern kann man nicht sagen : ein jeder hat seinen besondern Geschmack. Dieses wrde so viel heien, als : es gibt gar keinen Geschmack, d. i. kein sthetisches Urteil, welches auf jedermanns Beistimmung rechtmigen Anspruch machen knnte.

Gleichwohl findet man auch in Ansehung des Angenehmen, da in der Beurteilung desselben sich Einhelligkeit unter Menschen antreffen lasse, in Absicht auf welche man doch einigen den Geschmack abspricht, andern ihn zugesteht, und zwar nicht in der Bedeutung als Organsinn, sondern als Beurteilungsvermgen in Ansehung des Angenehmen berhaupt. So sagt man von jemanden, der seine Gste mit Annehmlichkeiten (des Genusses durch alle Sinne) so zu unterhalten wei, da es ihnen insgesamt gefllt : er habe Geschmack. Aber hier wird die Allgemeinheit nur komparativ genommen ; und da gibt es nur generale (wie die empirischen alle sind), nicht universale Regeln, welche letzteren das Geschmacksurteil ber das Schne sich unternimmt oder darauf Anspruch macht. Es ist ein Urteil in Beziehung auf die Geselligkeit, sofern sie auf empirischen Regeln beruht. In Ansehung des Guten machen die Urteile zwar auch mit Recht auf Gltigkeit fr jedermann Anspruch ; allein das Gute wird nur durch einen Begriff als Objekt eines allgemeinen Wohlgefallens vorgestellt, welches weder beim Angenehmen noch beim Schnen der Fall ist.

 

8

Die Allgemeinheit des Wohlgefallens wird in einem Geschmacksurteile nur als subjektiv vorgestellt

Diese besondere Bestimmung der Allgemeinheit eines sthetischen Urteils, die sich in einem Geschmacksurteile antreffen lt, ist eine Merkwrdigkeit, zwar nicht fr den Logiker, aber wohl fr den Transzendental-Philosophen, welche seine nicht geringe Bemhung auffordert, um den Ursprung derselben zu entdecken, dafr aber auch eine Eigenschaft unseres Erkenntnisvermgens aufdeckt, welche, ohne diese Zergliederung, unbekannt geblieben wre.

Zuerst mu man sich davon vllig berzeugen : da man durch das Geschmacksurteil (ber das Schne) das Wohlgefallen an einem Gegenstande jedermann ansinne, ohne sich doch auf einem Begriffe zu grnden (denn da wre es das Gute) ; und da dieser Anspruch auf Allgemeingltigkeit so wesentlich zu einem Urteil gehre, wodurch wir etwas fr schn erklren, da, ohne dieselbe dabei zu denken, es niemand in die Gedanken kommen wrde, diesen Ausdruck zu gebrauchen, sondern alles, was ohne Begriff gefllt, zum Angenehmen gezhlt werden wrde, in Ansehung dessen man jeglichem seinen Kopf fr sich haben lt, und keiner dem andern Einstimmung zu seinem Geschmacksurteile zumutet, welches doch in Geschmacksurteile ber Schnheit jederzeit geschieht. Ich kann den ersten den Sinnen-Geschmack, den zweiten den Reflexions-Geschmack nennen : sofern der erstere blo Privaturteile, der zweite aber vergebliche gemeingltige (publike), beiderseits aber sthetische (nicht praktische) Urteile, ber einen Gegenstand, blo in Ansehung des Verhltnisses seiner Vorstellung zum Gefhl der Lust und Unlust, fllet. Nun ist es doch befremdlich, da, da von dem Sinnengeschmack nicht allein die Erfahrung zeigt, da sein Urteil (der Lust oder Unlust an irgend etwas) nicht allgemein gelte, sondern jedermann auch von selbst so bescheiden ist, diese Einstimmung andern nicht eben anzusinnen (ob sich gleich wirklich fter eine sehr ausgebreitete Einhelligkeit auch in diesen Urteilen vorfindet), der Reflexions-Geschmack, der doch auch oft genug mit seinem Anspruche auf die allgemeine Gltigkeit seines Urteils (ber das Schne) fr jedermann, abgewiesen wird, wie die Erfahrung lehrt, gleichwohl es mglich finden knne (welches er auch wirklich tut) sich Urteile vorzustellen, die diese Einstimmung allgemein fordern knnten, und sie in der Tat fr jedes seiner Geschmacksurteile jedermann zumutet, ohne da die Urteilenden wegen der Mglichkeit eines solchen Anspruchs in Streite sind, sondern sich nur in besondern Fllen wegen der richtigen Anwendung dieses Vermgens nicht einigen knnen.

Hier ist nun allererst zu merken, da eine Allgemeinheit, die nicht auf Begriffen vom Objekte (wenn gleich nur empirischen) beruht, gar nicht logisch, sondern sthetisch sei, d. i. keine objektive Quantitt des Urteils, sondern nur eine subjektive enthalte, fr welche ich auch den Ausdruck Gemeingltigkeit, welcher die Gltigkeit nicht von der Beziehung einer Vorstellung auf das Erkenntnisvermgen, sondern auf das Gefhl der Lust und Unlust fr jedes Subjekt bezeichnet, gebrauche. (Man kann sich aber auch desselben Ausdrucks fr die logische Quantitt des Urteils bedienen, wenn man nur dazusetzt objektive Allgemeingltigkeit, zum Unterschiede von der blo subjektiven, welche allemal sthetisch ist.)

Nun ist ein objektiv allgemeingltiges Urteil auch jederzeit subjektiv, d. i. wenn das Urteil fr alles, was unter einem gegebenen Begriffe enthalten ist, gilt, so gilt es auch fr jedermann, der sich einen Gegenstand durch diesen Begriff vorstellt. Aber von einer subjektiven Allgemeingltigkeit, d. i. der sthetischen, die auf keinem Begriffe beruht, lt sich nicht auf die logische schlieen ; weil jene Art Urteile gar nicht auf das Objekt geht. Eben darum aber mu auch die sthetische Allgemeinheit, die einem Urteile beigelegt wird, von besonderer Art sein, weil sich das Prdikat der Schnheit nicht mit dem Begriffe des Objekts, in seiner ganzen logischen Sphre betrachtet, verknpft, und doch eben dasselbe ber die ganze Sphre der Urteilenden ausdehnt.

In Ansehung der logischen Quantitt sind alle Geschmacksurteile einzelne Urteile. Denn weil ich den Gegenstand unmittelbar an mein Gefhl der Lust und Unlust halten mu, und doch nicht durch Begriffe, so knnen jene nicht die Quantitt objektivgemeingltiger Urteile haben ; obgleich, wenn die einzelne Vorstellung des Objekts des Geschmacksurteils nach den Bedingungen, die das letztere bestimmen, durch Vergleichung in einen Begriff verwandelt wird, ein logisch allgemeines Urteil daraus werden kann : z. B. die Rose, die ich anblicke, erklre ich durch ein Geschmacksurteil fr schn. Dagegen ist das Urteil, welches durch Vergleichung vieler einzelnen entspringt : die Rosen berhaupt sind schn, nunmehr nicht blo als sthetisches, sondern als ein auf einem sthetischen gegrndetes logisches Urteil ausgesagt. Nun ist das Urteil : die Rose ist (im Geruche) angenehm, zwar auch ein sthetisches und einzelnes, aber kein Geschmacks-, sondern ein Sinnenurteil. Es unterscheidet sich nmlich vom ersteren darin : da das Geschmacksurteil eine sthetische Quantitt der Allgemeinheit, d. i. der Gltigkeit fr jedermann bei sich fhrt, welche im Urteile ber das Angenehme nicht angetroffen werden kann. Nur allein die Urteile ber das Gute, ob sie gleich auch das Wohlgefallen an einem Gegenstande bestimmen, haben logische, nicht blo sthetische Allgemeinheit ; denn sie gelten vom Objekt, als Erkenntnisse desselben, und darum fr jedermann.

Wenn man Objekte blo nach Begriffen beurteilt, so geht alle Vorstellung der Schnheit verloren. Also kann es auch keine Regel geben, nach der jemand gentigt werden sollte, etwas fr schn anzuerkennen. Ob ein Kleid, ein Haus, eine Blume schn sei : dazu lt man sich sein Urteil durch keine Grnde oder Grundstze aufschwatzen. Man will das Objekt seinen eigenen Augen unterwerfen, gleich als ob sein Wohlgefallen von der Empfindung abhinge ; und dennoch, wenn man den Gegenstand alsdann schn nennt, glaubt man eine allgemeine Stimme fr sich zu haben, und macht Anspruch auf den Beitritt von jedermann, da hingegen jede Privatempfindung nur fr den Betrachtenden allein und sein Wohlgefallen entscheiden wrde.

Hier ist nun zu sehen, da in dem Urteile des Geschmacks nichts postuliert wird, als eine solche allgemeine Stimme, in Ansehung des Wohlgefallens ohne Vermittelung der Begriffe ; mithin die Mglichkeit eines sthetischen Urteils, welches zugleich als fr jedermann gltig betrachtet werden knne. Das Geschmacksurteil selber postuliert nicht jedermanns Einstimmung (denn das kann nur ein logisch allgemeines, weil es Grnde anfhren kann, tun) ; es sinnet nur jedermann diese Einstimmung an, als einen Fall der Regel, in Ansehung dessen es Besttigung nicht von Begriffen, sondern von anderer Beitritt erwartet. Die allgemeine Stimme ist also nur eine Idee (worauf sie beruhe, wird hier noch nicht untersucht). Da der, welcher ein Geschmacksurteil zu fllen glaubt, in der Tat dieser Idee gem urteile, kann ungewi sein ; aber da er es doch darauf beziehe, mithin da es ein Geschmacksurteil sein solle, kndigt er durch den Ausdruck der Schnheit an. Fr sich selbst aber kann er durch das bloe Bewutsein der Absonderung alles dessen, was zum Angenehmen und Guten gehrt, von dem Wohlgefallen, was ihm noch brigbleibt, davon gewi werden ; und das ist alles, wozu er sich die Beistimmung von jedermann verspricht : ein Anspruch, wozu unter diesen Bedingungen er auch berechtigt sein wrde, wenn er nur wider sie nicht fter fehlte und darum ein irriges Geschmacksurteil fllete.

 

9

Untersuchung der Frage : ob im Geschmacksurteile das Gefhl der Lust vor der Beurteilung des Gegenstandes, oder diese vor jener vorhergehe

Die Auflsung dieser Aufgabe ist der Schlssel zur Kritik des Geschmacks, und daher aller Aufmerksamkeit wrdig.

Ginge die Lust an dem gegebenen Gegenstande vorher, und nur die allgemeine Mitteilbarkeit derselben sollte im Geschmacksurteile der Vorstellung des Gegenstandes zuerkannt werden, so wrde ein solches Verfahren mit sich selbst im Widerspruche stehen. Denn dergleichen Lust wrde keine andere, als die bloe Annehmlichkeit in der Sinnenempfindung sein, und daher ihrer Natur nach nur Privatgltigkeit haben knnen, weil sie von der Vorstellung, wodurch der Gegenstand gegeben wird, unmittelbar abhinge.

Also ist es die allgemeine Mitteilungsfhigkeit des Gemtszustandes in der gegebenen Vorstellung, welche als subjektive Bedingung des Geschmacksurteils, demselben zum Grunde liegen, und die Lust an dem Gegenstande zur Folge haben mu. Es kann aber nichts allgemein mitgeteilt werden als Erkenntnis, und Vorstellung, sofern sie zum Erkenntnis gehrt. Denn sofern ist die letztere nur allein objektiv, und hat nur dadurch einen allgemeinen Beziehungspunkt, womit die Vorstellungskraft aller zusammenzustimmen gentigt wird. Soll nun der Bestimmungsgrund des Urteils ber diese allgemeine Mitteilbarkeit der Vorstellung blo subjektiv, nmlich ohne einen Begriff vom Gegenstande gedacht werden, so kann er kein anderer als der Gemtszustand sein, der im Verhltnisse der Vorstellungskrfte zueinander angetroffen wird, sofern sie eine gegebene Vorstellung auf Erkenntnis berhaupt beziehen.

Die Erkenntniskrfte, die durch diese Vorstellung ins Spiel gesetzt werden, sind hiebei in einem freien Spiele, weil kein bestimmter Begriff sie auf eine besondere Erkenntnisregel einschrnkt. Also mu der Gemtszustand in dieser Vorstellung der eines Gefhls des freien Spiels der Vorstellungskrfte an einer gegebenen Vorstellung zu einem Erkenntnisse berhaupt sein. Nun gehren zu einer Vorstellung, wodurch ein Gegenstand gegeben wird, damit berhaupt daraus Erkenntnis werde, Einbildungskraft fr die Zusammensetzung des Mannigfaltigen der Anschauung, und Verstand fr die Einheit des Begriffs der die Vorstellungen vereinigt. Dieser Zustand eines freien Spiels der Erkenntnisvermgen bei einer Vorstellung, wodurch ein Gegenstand gegeben wird, mu sich allgemein mitteilen lassen : weil Erkenntnis als Bestimmung des Objekts, womit gegebene Vorstellungen (in welchem Subjekte es auch sei) zusammen stimmen sollen, die einzige Vorstellungsart ist, die fr jedermann gilt.

Die subjektive allgemeine Mitteilbarkeit der Vorstellungsart in einem Geschmacksurteile, da sie ohne einen bestimmten Begriff vorauszusetzen, stattfinden soll, kann nichts anders als der Gemtszustand in dem freien Spiele der Einbildungskraft und des Verstandes (sofern sie untereinander, wie es zu einem Erkenntnisse berhaupt erforderlich ist, zusammenstimmen) sein : indem wir uns bewut sind, da dieses zum Erkenntnis berhaupt schickliche subjektive Verhltnis ebensowohl fr jedermann gelten und folglich allgemein mitteilbar sein msse, als es eine jede bestimmte Erkenntnis ist, die doch immer auf jenem Verhltnis als subjektiver Bedingung beruht.

Diese blo subjektive (sthetische) Beurteilung des Gegenstandes, oder der Vorstellung wodurch er gegeben wird, geht nun vor der Lust an demselben vorher, und ist der Grund dieser Lust an der Harmonie der Erkenntnisvermgen ; auf jener Allgemeinheit aber der subjektiven Bedingungen der Beurteilung der Gegenstnde grndet sich allein diese allgemeine subjektive Gltigkeit des Wohlgefallens, welches wir mit der Vorstellung des Gegenstandes den wir schn nennen, verbinden.

Da, seinen Gemtszustand, selbst auch nur in Ansehung der Erkenntnisvermgen, mitteilen zu knnen, eine Lust bei sich fhre : knnte man aus dem natrlichen Hange des Menschen zur Geselligkeit (empirisch und psychologisch) leichtlich dartun. Das ist aber zu unserer Absicht nicht genug. Die Lust, die wir fhlen, muten wir jedem andern im Geschmacksurteile als notwendig zu, gleich als ob es fr eine Beschaffenheit des Gegenstandes, die an ihm nach Begriffen bestimmt ist, anzusehen wre, wenn wir etwas schn nennen ; da doch Schnheit ohne Beziehung auf das Gefhl des Subjekts fr sich nichts ist. Die Errterung dieser Frage aber mssen wir uns bis zur Beantwortung derjenigen : ob und wie sthetische Urteile a priori mglich sind, vorbehalten.

Jetzt besnftigen wir uns noch mit der mindern Frage : auf welche Art wir uns einer wechselseitigen subjektiven bereinstimmung der Erkenntniskrfte untereinander im Geschmacksurteile bewut werden, ob sthetisch durch den bloen innern Sinn und Empfindung, oder intellektuell durch das Bewutsein unserer absichtlichen Ttigkeit, womit wir jene ins Spiel setzen.

Wre die gegebene Vorstellung, welche das Geschmacksurteil veranlat, ein Begriff, welcher Verstand und Einbildungskraft in der Beurteilung des Gegenstandes zu einem Erkenntnisse des Objekts vereinigte, so wre das Bewutsein dieses Verhltnisses intellektuell (wie im objektiven Schematism der Urteilskraft, wovon die Kritik handelt). Aber das Urteil wre auch alsdann nicht in Beziehung auf Lust und Unlust gefllt, mithin kein Geschmacksurteil. Nun bestimmt aber das Geschmacksurteil, unabhngig von Begriffen, das Objekt in Ansehung des Wohlgefallens und des Prdikats der Schnheit. Also kann jene subjektive Einheit des Verhltnisses sich nur durch Empfindung kenntlich machen. Die Belebung beider Vermgen (der Einbildungskraft und des Verstandes) zu unbestimmter, aber doch vermittelst des Anlasses der gegebenen Vorstellung, einhelliger Ttigkeit, derjenigen nmlich, die zu einem Erkenntnis berhaupt gehrt, ist die Empfindung, deren allgemeine Mitteilbarkeit das Geschmacksurteil postuliert. Ein objektives Verhltnis kann zwar nur gedacht, aber, sofern es seinen Bedingungen nach subjektiv ist, doch in der Wirkung auf das Gemt empfunden werden ; und bei einem Verhltnisse, welches keinen Begriff zum Grunde legt (wie das der Vorstellungskrfte zu einem Erkenntnisvermgen berhaupt) ist auch kein anderes Bewutsein desselben, als durch Empfindung der Wirkung, die im erleichterten Spiele beider durch wechselseitige Zusammenstimmung belebten Gemtskrfte (der Einbildungskraft und des Verstandes) besteht, mglich. Eine Vorstellung, die als einzeln und ohne Vergleichung mit andern, dennoch eine Zusammenstimmung zu den Bedingungen der Allgemeinheit hat, welche das Geschft des Verstandes berhaupt ausmacht, bringt die Erkenntnisvermgen in die proportionierte Stimmung, die wir zu allem Erkenntnisse fordern, und daher auch fr jedermann, der durch Verstand und Sinne in Verbindung zu urteilen bestimmt ist (fr jeden Menschen) gltig halten.

 

Aus dem zweiten Moment gefolgerte Erklrung des Schnen

Schn ist das, was ohne Begriff allgemein gefllt.

 

 

Drittes Moment der Geschmacksurteile nach der Relation der Zwecke, welche in ihnen in Betrachtung gezogen wird

 

10

Von der Zweckmigkeit berhaupt

Wenn man, was ein Zweck sei, nach seinen transzendentalen Bestimmungen (ohne etwas Empirisches, dergleichen das Gefhl der Lust ist, vorauszusetzen) erklren will : so ist Zweck der Gegenstand eines Begriffs, sofern dieser als die Ursache von jenem (der reale Grund seiner Mglichkeit) angesehen wird ; und die Kausalitt eines Begriffs in Ansehung seines Objekts ist die Zweckmigkeit (forma finalis). Wo also nicht etwa blo die Erkenntnis von einem Gegenstande, sondern der Gegenstand selbst (die Form oder Existenz desselben) als Wirkung, nur als durch einen Begriff von der letztern mglich gedacht wird, da denkt man sich einen Zweck. Die Vorstellung der Wirkung ist hier der Bestimmungsgrund ihrer Ursache, und geht vor der letztern vorher. Das Bewutsein der Kausalitt einer Vorstellung in Absicht auf den Zustand des Subjekts, es in demselben zu erhalten, kann hier im allgemeinen das bezeichnen, was man Lust nennt ; wogegen Unlust diejenige Vorstellung ist, die den Zustand der Vorstellungen zu ihrem eigenen Gegenteile zu bestimmen (sie abzuhalten oder wegzuschaffen) den Grund enthlt.

Das Begehrungsvermgen, sofern es nur durch Begriffe, d. i. der Vorstellung eines Zwecks gem zu handeln, bestimmbar ist, wrde der Wille sein. Zweckmig aber heit ein Objekt, oder Gemtszustand, oder eine Handlung auch, wenn gleich ihre Mglichkeit die Vorstellung eines Zwecks nicht notwendig voraussetzt, blo darum, weil ihre Mglichkeit von uns nur erklrt und begriffen werden kann, sofern wir eine Kausalitt nach Zwecken, d. i. einen Willen, der sie nach der Vorstellung einer gewissen Regel so angeordnet htte, zum Grunde derselben annehmen. Die Zweckmigkeit kann also ohne Zweck sein, sofern wir die Ursachen dieser Form nicht in einem Willen setzen, aber doch die Erklrung ihrer Mglichkeit, nur indem wir sie von einem Willen ableiten, uns begreiflich machen knnen. Nun haben wir das, was wir beobachten, nicht immer ntig durch Vernunft (seiner Mglichkeit nach) einzusehen. Also knnen wir eine Zweckmigkeit der Form nach, auch ohne da wir ihr einen Zweck (als die Materie des nexus finalis) zum Grunde legen, wenigstens beobachten, und an Gegenstnden, wiewohl nicht anders als durch Reflexion, bemerken.

 

11

Das Geschmacksurteil hat nichts als die Form der Zweckmigkeit eines Gegenstandes (oder der Vorstellungsart desselben) zum Grunde

Aller Zweck, wenn er als Grund des Wohlgefallens angesehen wird, fhrt immer ein Interesse, als Bestimmungsgrund des Urteils ber den Gegenstand der Lust, bei sich. Also kann dem Geschmacksurteil kein subjektiver Zweck zum Grunde liegen. Aber auch keine Vorstellung eines objektiven Zwecks, d. i. der Mglichkeit des Gegenstandes selbst nach Prinzipien der Zweckverbindung, mithin kein Begriff des Guten kann das Geschmacksurteil bestimmen ; weil es ein sthetisches und kein Erkenntnisurteil ist, welches also keinen Begriff von der Beschaffenheit und innern oder uern Mglichkeit des Gegenstandes, durch diese oder jene Ursache, sondern blo das Verhltnis der Vorstellungskrfte zueinander, sofern sie durch eine Vorstellung bestimmt werden, betrifft.

Nun ist dieses Verhltnis in der Bestimmung eines Gegenstandes, als eines schnen, mit dem Gefhle einer Lust verbunden, die durch das Geschmacksurteil zugleich als fr jedermann gltig erklrt wird ; folglich kann ebensowenig eine die Vorstellung begleitende Annehmlichkeit, als die Vorstellung von der Vollkommenheit des Gegenstandes und der Begriff des Guten, den Bestimmungsgrund enthalten. Also kann nichts anders als die subjektive Zweckmigkeit in der Vorstellung eines Gegenstandes, ohne allen (weder objektiven noch subjektiven) Zweck, folglich die bloe Form der Zweckmigkeit in der Vorstellung, wodurch uns ein Gegenstand gegeben wird, sofern wir uns ihrer bewut sind, das Wohlgefallen, welches wir ohne Begriff, als allgemein mitteilbar beurteilen, mithin den Bestimmungsgrund des Geschmacksurteils, ausmachen.

 

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Das Geschmacksurteil beruht auf Grnden a priori

Die Verknpfung des Gefhls einer Lust oder Unlust, als einer Wirkung, mit irgendeiner Vorstellung (Empfindung oder Begriff) als ihrer Ursache, a priori auszumachen, ist schlechterdings unmglich ; denn das wre ein Kausalverhltnis welches (unter Gegenstnden der Erfahrung) nur jederzeit a posteriori und vermittelst der Erfahrung selbst erkannt werden kann. Zwar haben wir in der Kritik der praktischen Vernunft wirklich das Gefhl der Achtung (als eine besondere und eigentmliche Modifikation dieses Gefhls, welches weder mit der Lust noch Unlust, die wir von empirischen Gegenstnden bekommen, recht bereintreffen will) von allgemeinen sittlichen Begriffen a priori abgeleitet. Aber wir konnten dort auch die Grenzen der Erfahrung berschreiten, und eine Kausalitt, die auf einer bersinnlichen Beschaffenheit des Subjekts beruhte, nmlich die der Freiheit, herbeirufen. Allein selbst da leiteten wir eigentlich nicht dieses Gefhl von der Idee des Sittlichen als Ursache her, sondern blo die Willensbestimmung wurde davon abgeleitet. Der Gemtszustand aber eines irgend wodurch bestimmten Willens ist an sich schon ein Gefhl der Lust und mit ihm identisch, folgt also nicht als Wirkung daraus : welches letztere nur angenommen werden mte, wenn der Begriff des Sittlichen als eines Guts vor der Willensbestimmung durch das Gesetz vorherginge ; da alsdann die Lust, die mit dem Begriffe verbunden wre, aus diesem als einer bloen Erkenntnis vergeblich wrde abgeleitet werden.

Nun ist es auf hnliche Weise mit der Lust im sthetischen Urteile bewandt : nur da sie hier blo kontemplativ, und ohne ein Interesse am Objekt zu bewirken, im moralischen Urteil hingegen praktisch ist. Das Bewutsein der blo formalen Zweckmigkeit im Spiele der Erkenntniskrfte des Subjekts, bei einer Vorstellung, wodurch ein Gegenstand gegeben wird, ist die Lust selbst, weil es einen Bestimmungsgrund der Ttigkeit des Subjekts in Ansehung der Belebung der Erkenntniskrfte desselben, also eine innere Kausalitt (welche zweckmig ist) in Ansehung der Erkenntnis berhaupt, aber ohne auf eine bestimmte Erkenntnis eingeschrnkt zu sein, mithin eine bloe Form der subjektiven Zweckmigkeit einer Vorstellung in einem sthetischen Urteile enthlt. Diese Lust ist auch auf keinerlei Weise praktisch, weder, wie die aus dem pathologischen Grunde der Annehmlichkeit, noch die aus dem intellektuellen des vorgestellten Guten. Sie hat aber doch Kausalitt in sich, nmlich den Zustand der Vorstellung selbst und die Beschftigung der Erkenntniskrfte ohne weitere Absicht zu erhalten. Wir weilen bei der Betrachtung des Schnen, weil diese Betrachtung sich selbst strkt und reproduziert : welches derjenigen Verweilung analogisch (aber doch mit ihr nicht einerlei) ist, da ein Reiz in der Vorstellung des Gegenstandes die Aufmerksamkeit wiederholentlich erweckt, wobei das Gemt passiv ist.

 

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Das reine Geschmacksurteil ist von Reiz und Rhrung unabhngig

Alles Interesse verdirbt das Geschmacksurteil und nimmt ihm seine Unparteilichkeit, vornehmlich wenn es nicht, so wie das Interesse der Vernunft, die Zweckmigkeit vor dem Gefhle der Lust voranschickt, sondern sie auf dieses grndet ; welches letztere allemal im sthetischen Urteile ber etwas, sofern es vergngt oder schmerzt, geschieht. Daher Urteile, die so affiziert sind, auf allgemeingltiges Wohlgefallen entweder gar keinen, oder so viel weniger Anspruch machen knnen, als sich von der gedachten Art Empfindungen unter den Bestimmungsgrnden des Geschmacks befinden. Der Geschmack ist jederzeit noch barbarisch, wo er die Beimischung der Reize und Rhrungen zum Wohlgefallen bedarf, ja wohl gar diese zum Mastabe seines Beifalls macht.

Indessen werden Reize doch fter nicht allein zur Schnheit (die doch eigentlich blo die Form betreffen sollte) als Beitrag zum sthetischen allgemeinen Wohlgefallen gezhlt, sondern sie werden wohl gar an sich selbst fr Schnheiten, mithin die Materie des Wohlgefallens fr die Form ausgegeben : ein Miverstand, der sich, so wie mancher andere, welcher doch noch immer etwas Wahres zum Grunde hat, durch sorgfltige Bestimmung dieser Begriffe heben lt.

Ein Geschmacksurteil, auf welches Reiz und Rhrung keinen Einflu haben (ob sie sich gleich mit dem Wohlgefallen am Schnen verbinden lassen), welches also blo die Zweckmigkeit der Form zum Bestimmungsgrunde hat, ist ein reines Geschmacksurteil.

 

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Erluterung durch Beispiele

sthetische Urteile knnen, ebensowohl als theoretische (logische), in empirische und reine eingeteilt werden. Die erstern sind die, welche Annehmlichkeit oder Unannehmlichkeit, die zweiten die, welche Schnheit von einem Gegenstande, oder von der Vorstellungsart desselben aussagen ; jene sind Sinnenurteile (materiale sthetische Urteile), diese (als formale) allein eigentliche Geschmacksurteile.

Ein Geschmacksurteil ist also nur sofern rein, als kein blo empirisches Wohlgefallen dem Bestimmungsgrunde desselben beigemischt wird. Dieses aber geschieht allemal, wenn Reiz oder Rhrung einen Anteil an dem Urteile haben, wodurch etwas fr schn erklrt werden soll.

Nun tun sich wieder manche Einwrfe hervor, die zuletzt den Reiz nicht blo zum notwendigen Ingredienz der Schnheit, sondern wohl gar als fr sich allein hinreichend, um schn genannt zu werden, vorspiegeln. Eine bloe Farbe, z. B. die grne eines Rasenplatzes, ein bloer Ton (zum Unterschiede vom Schalle und Gerusch), wie etwa der einer Violine, wird von den meisten an sich fr schn erklrt ; obzwar beide blo die Materie der Vorstellungen, nmlich lediglich Empfindung, zum Grunde zu haben scheinen und darum nur angenehm genannt zu werden verdienten. Allein man wird doch zugleich bemerken, da die Empfindungen der Farbe sowohl als des Tons sich nur sofern fr schn zu gelten berechtigt halten, als beide rein sind ; welches eine Bestimmung ist, die schon die Form betrifft, und auch das einzige, was sich von diesen Vorstellungen mit Gewiheit allgemein mitteilen lt : weil die Qualitt der Empfindungen selbst nicht in allen Subjekten als einstimmig, und die Annehmlichkeit einer Farbe vorzglich vor der andern, oder des Tons eines musikalischen Instruments vor dem eines andern sich schwerlich bei jedermann als auf gleiche Art beurteilt annehmen lt.

Nimmt man, mit Eulern, an, da die Farben gleichzeitig auf einander folgende Schlge (pulsus) des thers, so wie Tne der im Schalle erschtterten Luft sind, und, was das Vornehmste ist, das Gemt nicht blo, durch den Sinn, die Wirkung davon auf die Belebung des Organs, sondern auch, durch die Reflexion, das regelmige Spiel der Eindrcke (mithin die Form in der Verbindung verschiedener Vorstellungen) wahrnehme (woran ich doch gar nicht zweifle) ; so wrde Farbe und Ton nicht bloe Empfindungen, sondern schon formale Bestimmung der Einheit eines Mannigfaltigen derselben sein, und alsdann auch fr sich zu Schnheiten gezhlt werden knnen.

Das Reine aber einer einfachen Empfindungsart bedeutet : da die Gleichfrmigkeit derselben durch keine fremdartige Empfindung gestrt und unterbrochen wird, und gehrt blo zur Form ; weil man dabei von der Qualitt jener Empfindungsart (ob, und welche Farbe, oder ob, und welchen Ton sie vorstelle) abstrahieren kann. Daher werden alle einfache Farben, sofern sie rein sind, fr schn gehalten ; die gemischten haben diesen Vorzug nicht : eben darum, weil, da sie nicht einfach sind, man keinen Mastab der Beurteilung hat, ob man sie rein oder unrein nennen solle.

Was aber die dem Gegenstande seiner Form wegen beigelegte Schnheit, sofern sie, wie man meint, durch Reiz wohl gar knne erhht werden, anlangt, so ist dies ein gemeiner und dem echten, unbestochenen, grndlichen Geschmacke sehr nachteiliger Irrtum ; ob sich zwar allerdings neben der Schnheit auch noch Reize hinzufgen lassen, um das Gemt durch die Vorstellung des Gegenstandes, auer dem trockenen Wohlgefallen, noch zu interessieren, und so dem Geschmacke und dessen Kultur zur Anpreisung zu dienen, vornehmlich wenn er noch roh und ungebt ist. Aber sie tun wirklich dem Geschmacksurteile Abbruch, wenn sie die Aufmerksamkeit als Beurteilungsgrnde der Schnheit auf sich ziehen. Denn es ist so weit gefehlt, da sie dazu beitrugen, da sie vielmehr als Fremdlinge, nur sofern sie jene schne Form nicht stren, wenn der Geschmack noch schwach und ungebt ist, mit Nachsicht mssen aufgenommen werden.

In der Malerei, Bildhauerkunst, ja allen bildenden Knsten, in der Baukunst, Gartenkunst, sofern sie schne Knste sind, ist die Zeichnung das Wesentliche, in welcher nicht, was in der Empfindung vergngt, sondern blo, was durch seine Form gefllt, den Grund aller Anlage fr den Geschmack ausmacht. Die Farben, welche den Abri illuminieren, gehren zum Reiz ; den Gegenstand an sich knnen sie zwar fr die Empfindung belebt, aber nicht anschauungswrdig und schn machen : vielmehr werden sie durch das, was die schne Form erfordert, mehrenteils gar sehr eingeschrnkt, und selbst da, wo der Reiz zugelassen wird, durch die erstere allein veredelt.

Alle Form der Gegenstnde der Sinne (der uern sowohl als mittelbar auch des innern) ist entweder Gestalt, oder Spiel : im letztern Falle entweder Spiel der Gestalten (im Raume, die Mimik und der Tanz) ; oder bloes Spiel der Empfindungen (in der Zeit). Der Reiz der Farben, oder angenehmer Tne des Instruments, kann hinzukommen, aber die Zeichnung in der ersten und die Komposition in dem letzten machen den eigentlichen Gegenstand des reinen Geschmacksurteils aus ; und da die Reinigkeit der Farben sowohl als der Tne, oder auch die Mannigfaltigkeit derselben und ihre Abstechung zur Schnheit beizutragen scheint, will nicht so viel sagen, da sie darum, weil sie fr sich angenehm sind, gleichsam einen gleichartigen Zusatz zu dem Wohlgefallen an der Form abgeben, sondern weil sie diese letztere nur genauer, bestimmter und vollstndiger anschaulich machen und berdem durch ihren Reiz die Vorstellung beleben, indem sie die Aufmerksamkeit auf den Gegenstand selbst erwecken und erhalten.

Selbst was man Zieraten (Parerga) nennt, d. i. dasjenige, was nicht in die ganze Vorstellung des Gegenstandes als Bestandstck innerlich, sondern nur uerlich als Zutat gehrt und das Wohlgefallen des Geschmacks vergrert, tut dieses doch auch nur durch seine Form : wie Einfassungen der Gemlde, oder Gewnder an Statuen, oder Sulengnge um Prachtgebude. Besteht aber der Zierat nicht selbst in der schnen Form, ist er, wie der goldene Rahmen, blo um durch seinen Reiz das Gemlde dem Beifall zu empfehlen angebracht ; so heit er alsdann Schmuck, und tut der echten Schnheit Abbruch.

Rhrung, eine Empfindung, wo Annehmlichkeit nur vermittelst augenblicklicher Hemmung und darauf erfolgender strkerer Ergieung der Lebenskraft gewirkt wird, gehrt gar nicht zur Schnheit. Erhabenheit (mit welcher das Gefhl der Rhrung verbunden ist) aber erfordert einen andern Mastab der Beurteilung, als der Geschmack sich zum Grunde legt ; und so hat ein reines Geschmacksurteil weder Reiz noch Rhrung, mit einem Worte keine Empfindung, als Materie des sthetischen Urteils, zum Bestimmungsgrunde.

 

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Das Geschmacksurteil ist von dem Begriffe der Vollkommenheit gnzlich unabhngig

Die objektive Zweckmigkeit kann nur vermittelst der Beziehung des Mannigfaltigen auf einen bestimmten Zweck, also nur durch einen Begriff erkannt werden. Hieraus allein schon erhellet : da das Schne, dessen Beurteilung eine blo formale Zweckmigkeit, d. i. eine Zweckmigkeit ohne Zweck, zum Grunde hat, von der Vorstellung des Guten ganz unabhngig sei, weil das letztere eine objektive Zweckmigkeit, d. i. die Beziehung des Gegenstandes auf einen bestimmten Zweck, voraussetzt.

Die objektive Zweckmigkeit ist entweder die uere, d. i. die Ntzlichkeit, oder die innere, d. i. die Vollkommenheit des Gegenstandes. Da das Wohlgefallen an einem Gegenstande, weshalb wir ihn schn nennen, nicht auf der Vorstellung seiner Ntzlichkeit beruhen knne, ist aus beiden vorigen Hauptstcken hinreichend zu ersehen ; weil es alsdann nicht ein unmittelbares Wohlgefallen an dem Gegenstande sein wrde, welches letztere die wesentliche Bedingung des Urteils ber Schnheit ist. Aber eine objektive innere Zweckmigkeit, d. i. Vollkommenheit, kommt dem Prdikate der Schnheit schon nher, und ist daher auch von namhaften Philosophen, doch mit dem Beisatze, wenn sie verworren gedacht wird, fr einerlei mit der Schnheit gehalten worden. Es ist von der grten Wichtigkeit, in einer Kritik des Geschmacks zu entscheiden, ob sich auch die Schnheit wirklich in den Begriff der Vollkommenheit auflsen lasse.

Die objektive Zweckmigkeit zu beurteilen, bedrfen wir jederzeit den Begriff eines Zwecks, und (wenn jene Zweckmigkeit nicht eine uere [Ntzlichkeit], sondern eine innere sein soll) den Begriff eines innern Zwecks, der den Grund der innern Mglichkeit des Gegenstandes enthalte. So wie nun Zweck berhaupt dasjenige ist, dessen Begriff als der Grund der Mglichkeit des Gegenstandes selbst angesehen werden kann : so wird, um sich eine objektive Zweckmigkeit an einem Dinge vorzustellen, der Begriff von diesem, was es fr ein Ding sein solle, vorangehen ; und die Zusammenstimmung des Mannigfaltigen in demselben zu diesem Begriffe (welcher die Regel der Verbindung desselben an ihm gibt) ist die qualitative Vollkommenheit eines Dinges. Hiervon ist die quantitative, als die Vollstndigkeit eines jeden Dinges in seiner Art, gnzlich unterschieden, und ein bloer Grenbegriff (der Allheit), bei welchem, was das Ding sein solle, schon zum voraus als bestimmt gedacht, und nur, ob alles dazu Erforderliche an ihm sei, gefragt wird. Das Formale in der Vorstellung eines Dinges, d. i. die Zusammenstimmung des Mannigfaltigen zu Einem (unbestimmt was es sein solle) gibt, fr sich, ganz und gar keine objektive Zweckmigkeit zu erkennen ; weil, da von diesem Einem, als Zweck (was das Ding sein solle) abstrahiert wird, nichts als die subjektive Zweckmigkeit der Vorstellungen im Gemte des Anschauenden brigbleibt, welche wohl eine gewisse Zweckmigkeit des Vorstellungszustandes im Subjekt, und in diesem eine Behaglichkeit desselben eine gegebene Form in die Einbildungskraft aufzufassen, aber keine Vollkommenheit irgendeines Objekts, das hier durch keinen Begriff eines Zwecks gedacht wird, angibt. Wie z. B., wenn ich im Walde einen Rasenplatz antreffe, um welchen die Bume im Zirkel stehen, und ich mir dabei nicht einen Zweck, nmlich da er etwa zum lndlichen Tanze dienen solle, vorstelle, nicht der mindeste Begriff von Vollkommenheit durch die bloe Form gegeben wird. Eine formale objektive Zweckmigkeit aber ohne Zweck, d. i. die bloe Form einer Vollkommenheit (ohne alle Materie und Begriff von dem wozu zusammengestimmt wird, wenn es auch blo die Idee einer Gesetzmigkeit berhaupt wre) sich vorzustellen, ist ein wahrer Widerspruch.

Nun ist das Geschmacksurteil ein sthetisches Urteil, d. i. ein solches, was auf subjektiven Grnden beruht, und dessen Bestimmungsgrund kein Begriff, mithin auch nicht der eines bestimmten Zwecks sein kann. Also wird durch die Schnheit, als eine formale subjektive Zweckmigkeit, keinesweges eine Vollkommenheit des Gegenstandes, als vorgeblich-formale gleichwohl aber doch objektive Zweckmigkeit gedacht ; und der Unterschied zwischen den Begriffen des Schnen und Guten, als ob beide nur der logischen Form nach unterschieden, der erste blo ein verworrener, der zweite ein deutlicher Begriff der Vollkommenheit, sonst aber dem Inhalte und Ursprunge nach einerlei wren, ist nichtig : weil alsdann zwischen ihnen kein spezifischer Unterschied, sondern ein Geschmacksurteil ebensowohl ein Erkenntnisurteil wre, als das Urteil, wodurch etwas fr gut erklrt wird ; sowie etwa der gemeine Mann, wenn er sagt, da der Betrug unrecht sei, sein Urteil auf verworrene, der Philosoph auf deutliche, im Grunde aber beide auf einerlei Vernunft-Prinzipien grnden. Ich habe aber schon angefhrt, da ein sthetisches Urteil einzig in seiner Art sei, und schlechterdings kein Erkenntnis (auch nicht ein verworrenes) vom Objekt gebe : welches letztere nur durch ein logisches Urteil geschieht ; da jenes hingegen die Vorstellung, wodurch ein Objekt gegeben wird, lediglich auf das Subjekt bezieht, und keine Beschaffenheit des Gegenstandes, sondern nur die zweckmige Form in der Bestimmung der Vorstellungskrfte, die sich mit jenem beschftigen, zu bemerken gibt. Das Urteil heit auch eben darum sthetisch, weil der Bestimmungsgrund desselben kein Begriff, sondern das Gefhl (des innern Sinnes) jener Einhelligkeit im Spiele der Gemtskrfte ist, sofern sie nur empfunden werden kann. Dagegen, wenn man verworrene Begriffe und das objektive Urteil, das sie zum Grunde hat, wollte sthetisch nennen, man einen Verstand haben wrde, der sinnlich urteilt, oder einen Sinn, der durch Begriffe seine Objekte vorstellten, welches beides sich widerspricht. Das Vermgen der Begriffe, sie mgen verworren oder deutlich sein, ist der Verstand ; und, obgleich zum Geschmacksurteil, als sthetischem Urteile, auch (wie zu allen Urteilen) Verstand gehrt, so gehrt er zu demselben doch nicht als Vermgen der Erkenntnis eines Gegenstandes, sondern als Vermgen der Bestimmung des Urteils und seiner Vorstellung (ohne Begriff), nach dem Verhltnis derselben auf das Subjekt und dessen inneres Gefhl, und zwar sofern dieses Urteil nach einer allgemeinen Regel mglich ist.

 

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Das Geschmacksurteil, wodurch ein Gegenstand unter der Bedingung eines bestimmten Begriffs fr schn erklrt wird, ist nicht rein

Es gibt zweierlei Arten von Schnheit : freie Schnheit (pulchritudo vaga), oder die blo anhngende Schnheit (pulchritudo adhaerens). Die erstere setzt keinen Begriff von dem voraus, was der Gegenstand sein soll ; die zweite setzt einen solchen und die Vollkommenheit des Gegenstandes nach demselben voraus. Die Arten der erstern heien (fr sich bestehende) Schnheiten dieses oder jenes Dinges ; die andere wird als einem Begriffe anhngend (bedingte Schnheit), Objekten, die unter dem Begriffe eines besondern Zwecks stehen, beigelegt.

Blumen sind freie Naturschnheiten. Was eine Blume fr ein Ding sein soll, wei, auer dem Botaniker, schwerlich sonst jemand ; und selbst dieser, der daran das Befruchtungsorgan der Pflanze erkennt, nimmt, wenn er darber durch Geschmack urteilt, auf diesen Naturzweck keine Rcksicht. Es wird also keine Vollkommenheit von irgendeiner Art, keine innere Zweckmigkeit, auf welche sich die Zusammensetzung des Mannigfaltigen beziehe, diesem Urteile zum Grunde gelegt. Viele Vgel (der Papagei, der Kolibri, der Paradiesvogel), eine Menge Schaltiere des Meeres, sind fr sich Schnheiten, die gar keinem nach Begriffen in Ansehung seines Zwecks bestimmten Gegenstande zukommen, sondern frei und fr sich gefallen. So bedeuten die Zeichnungen la grecque, das Laubwerk zu Einfassungen oder auf Papiertapeten usw. fr sich nichts : sie stellen nichts vor, kein Objekt unter einem bestimmten Begriffe, und sind freie Schnheiten. Man kann auch das, was man in der Musik Phantasien (ohne Thema) nennt, ja die ganze Musik ohne Text, zu derselben Art zhlen.

In der Beurteilung einer freien Schnheit (der bloen Form nach) ist das Geschmacksurteil rein. Es ist kein Begriff von irgendeinem Zwecke, wozu das Mannigfaltige dem gegebenen Objekte dienen, und was dieses also vorstellen solle, vorausgesetzt, wodurch die Freiheit der Einbildungskraft, die in Beobachtung der Gestalt gleichsam spielt, nur eingeschrnkt werden wrde.

Allein die Schnheit eines Menschen (und unter dieser Art die eines Mannes, oder Weibes, oder Kindes), die Schnheit eines Pferdes, eines Gebudes (als Kirche, Palast, Arsenal, oder Gartenhaus) setzt einen Begriff vom Zwecke voraus, welcher bestimmt, was das Ding sein soll, mithin einen Begriff seiner Vollkommenheit ; und ist also blo adhrierende Schnheit. So wie nun die Verbindung des Angenehmen (der Empfindung) mit der Schnheit, die eigentlich nur die Form betrifft, die Reinigkeit des Geschmacksurteils verhinderte ; so tut die Verbindung des Guten (wozu nmlich das Mannigfaltige dem Dinge selbst, nach seinem Zwecke, gut ist) mit der Schnheit der Reinigkeit desselben Abbruch.

Man wrde vieles unmittelbar in der Anschauung Gefallende an einem Gebude anbringen knnen, wenn es nur nicht eine Kirche sein sollte ; eine Gestalt mit allerlei Schnrkeln und leichten doch regelmigen Zgen, wie die Neuseelnder mit ihrem Ttowieren tun, verschnern knnen, wenn es nur nicht ein Mensch wre ; und dieser knnte viel feinere Zge und einen geflligeren, sanftern Umri der Gesichtsbildung haben, wenn er nur nicht einen Mann, oder gar einen kriegerischen vorstellen sollte.

Nun ist das Wohlgefallen an dem Mannigfaltigen in einem Dinge in Beziehung auf den innern Zweck, der seine Mglichkeit bestimmt, ein auf einem Begriffe gegrndetes Wohlgefallen ; das an der Schnheit aber ist ein solches, welches keinen Begriff voraussetzt, sondern mit der Vorstellung, wodurch der Gegenstand gegeben (nicht wodurch er gedacht) wird, unmittelbar verbunden ist. Wenn nun das Geschmacksurteil, in Ansehung des letzteren, vom Zwecke in dem ersteren, als Vernunfturteile, abhngig gemacht und dadurch eingeschrnkt wird, so ist jenes nicht mehr ein freies und reines Geschmacksurteil.

Zwar gewinnt der Geschmack durch diese Verbindung des sthetischen Wohlgefallens mit dem intellektuellen darin, da er fixiert wird und zwar nicht allgemein ist, ihm aber doch in Ansehung gewisser zweckmig bestimmten Objekte Regeln vorgeschrieben werden knnen. Diese sind aber alsdann auch keine Regeln des Geschmacks, sondern blo der Vereinbarung des Geschmacks mit der Vernunft, d. i. des Schnen mit dem Guten, durch welche jenes zum Instrument der Absicht in Ansehung des letztern brauchbar wird, um diejenige Gemtsstimmung, die sich selbst erhlt und von subjektiver allgemeiner Gltigkeit ist, derjenigen Denkungsart unterzulegen, die nur durch mhsamen Vorsatz erhalten werden kann, aber objektiv allgemein gltig ist. Eigentlich aber gewinnt weder die Vollkommenheit durch die Schnheit, noch die Schnheit durch die Vollkommenheit ; sondern, weil es nicht vermieden werden kann, wenn wir die Vorstellung, wodurch uns ein Gegenstand gegeben wird, mit dem Objekte (in Ansehung dessen was es sein soll) durch einen Begriff vergleichen, sie zugleich mit der Empfindung im Subjekte zusammenzuhalten, so gewinnt das gesamte Vermgen der Vorstellungskraft, wenn beide Gemtszustnde zusammenstimmen.

Ein Geschmacksurteil wrde in Ansehung eines Gegenstandes von bestimmtem innern Zwecke nur alsdann rein sein, wenn der Urteilende entweder von diesem Zwecke keinen Begriff htte, oder in seinem Urteile davon abstrahierte. Aber alsdann wrde dieser, ob er gleich ein richtiges Geschmacksurteil fllete, indem er den Gegenstand als freie Schnheit beurteilete, dennoch von dem andern, welcher die Schnheit an ihm nur als anhngende Beschaffenheit betrachtet (auf den Zweck des Gegenstandes sieht) getadelt und eines falschen Geschmacks beschuldigt werden, obgleich beide in ihrer Art richtig urteilen : der eine nach dem, was er vor den Sinnen ; der andere nach dem, was er in Gedanken hat. Durch diese Unterscheidung kann man manchen Zwist der Geschmacksrichter ber Schnheit beilegen, indem man ihnen zeigt, da der eine sich an die freie, der andere an die anhngende Schnheit halte, der erstere ein reines, der zweite ein angewandtes Geschmacksurteil flle.

 

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Vom Ideale der Schnheit

Es kann keine objektive Geschmacksregel, welche durch Begriffe bestimmte, was schn sei, geben. Denn alles Urteil aus dieser Quelle ist sthetisch ; d. i. das Gefhl des Subjekts, und kein Begriff eines Objekts, ist sein Bestimmungsgrund. Ein Prinzip des Geschmacks, welches das allgemeine Kriterium des Schnen durch bestimmte Begriffe angbe, zu suchen, ist eine fruchtlose Bemhung, weil, was gesucht wird, unmglich und an sich selbst widersprechend ist. Die allgemeine Mitteilbarkeit der Empfindung (des Wohlgefallens oder Mifallens), und zwar eine solche, die ohne Begriff stattfindet ; die Einhelligkeit, so viel mglich, aller Zeiten und Vlker in Ansehung dieses Gefhls in der Vorstellung gewisser Gegenstnde : ist das empirische, wiewohl schwache und kaum zur Vermutung zureichende, Kriterium der Abstammung eines so durch Beispiele bewhrten Geschmacks von dem tief verborgenen allen Menschen gemeinschaftlichen Grunde der Einhelligkeit in Beurteilung der Formen, unter denen ihnen Gegenstnde gegeben werden.

Daher sieht man einige Produkte des Geschmacks als exemplarisch an : nicht als ob Geschmack knne erworben werden, indem er anderen nachahmt. Denn der Geschmack mu ein selbst eigenes Vermgen sein ; wer aber ein Muster nachahmt, zeigt, sofern als er es trifft, zwar Geschicklichkeit, aber nur Geschmack, sofern er dieses Muster selbst beurteilen kann.* Hieraus folgt aber, da das hchste Muster, das Urbild des Geschmacks, eine bloe Idee sei, die jeder in sich selbst hervorbringen mu, und wonach er alles, was Objekt des Geschmacks, was Beispiel der Beurteilung durch Geschmack sei, und selbst den Geschmack von jedermann, beurteilen mu. Idee bedeutet eigentlich einen Vernunftbegriff, und Ideal die Vorstellung eines einzelnen als einer Idee adquaten Wesens. Daher kann jenes Urbild des Geschmacks, welches freilich auf der unbestimmten Idee der Vernunft von einem Maximum beruht, aber doch nicht durch Begriffe, sondern nur in einzelner Darstellung kann vorgestellt werden, besser das ideal des Schnen genannt werden, dergleichen wir, wenn wir gleich nicht im Besitze desselben sind, doch in uns hervorzubringen streben. Es wird aber blo ein Ideal der Einbildungskraft sein, eben darum, weil es nicht auf Begriffen, sondern auf der Darstellung beruht ; das Vermgen der Darstellung aber ist die Einbildungskraft. Wie gelangen wir nun zu einem solchen Ideale der Schnheit ? A priori oder empirisch ? Imgleichen : welche Gattung des Schnen ist eines Ideals fhig ?

Zuerst ist wohl zu bemerken, da die Schnheit, zu welcher ein Ideal gesucht werden soll, keine vage, sondern durch einen Begriff von objektiver Zweckmigkeit fixierte Schnheit sein, folglich keinem Objekte eines ganz reinen, sondern dem eines zum Teil intellektuierten Geschmacksurteils angehren msse. D. i. in welcher Art von Grnden der Beurteilung ein Ideal stattfinden soll, da mu irgendeine Idee der Vernunft nach bestimmten Begriffen zum Grunde liegen, die a priori den Zweck bestimmt, worauf die innere Mglichkeit des Gegenstandes beruhet. Ein Ideal schner Blumen, eines schnen Ameublements, einer schnen Aussicht, lt sich nicht denken. Aber auch von einer bestimmten Zwecken anhngenden Schnheit, z. B. einem schnen Wohnhause, einem schnen Baume, schnen Garten usw., lt sich kein Ideal vorstellen ; vermutlich weil die Zwecke durch ihren Begriff nicht genug bestimmt und fixiert sind, folglich die Zweckmigkeit beinahe so frei ist, als bei der vagen Schnheit. Nur das, was den Zweck seiner Existenz in sich selbst hat, der Mensch, der sich durch Vernunft seine Zwecke selbst bestimmen, oder, wo er sie von der uern Wahrnehmung hernehmen mu, doch mit wesentlichen und allgemeinen Zwecken zusammenhalten, und die Zusammenstimmung mit jenen alsdann auch sthetisch beurteilen kann : dieser Mensch ist also eines Ideals der Schnheit, so wie die Menschheit in seiner Person, als Intelligenz, des Ideals der Vollkommenheit, unter allen Gegenstnden in der Welt allein fhig.

Hiezu gehren aber zwei Stcke : erstlich die sthetische Normalidee, welche eine einzelne Anschauung (der Einbildungskraft) ist, die das Richtma seiner Beurteilung, als eines zu einer besonderen Tierspezies gehrigen Dinges, vorstellt ; zweitens die Vernunftidee, welche die Zwecke der Menschheit, sofern sie nicht sinnlich vorgestellt werden knnen, zum Prinzip der Beurteilung seiner Gestalt macht, durch welche, als ihre Wirkung in der Erscheinung, sich jene offenbaren. Die Normalidee mu ihre Elemente zur Gestalt eines Tiers von besonderer Gattung aus der Erfahrung nehmen ; aber die grte Zweckmigkeit in der Konstruktion der Gestalt, die zum allgemeinen Richtma der sthetischen Beurteilung jedes Einzelnen dieser Spezies tauglich wre, das Bild, was gleichsam absichtlich der Technik der Natur zum Grunde gelegen hat, dem nur die Gattung im ganzen, aber kein einzelnes abgesondert adquat ist, liegt doch blo in der Idee des Beurteilenden, welche aber, mit ihren Proportionen, als sthetische Idee, in einem Musterbilde vllig in concreto dargestellt werden kann. Um, wie dieses zugehe, einigermaen begreiflich zu machen (denn wer kann der Natur ihr Geheimnis gnzlich ablocken ?), wollen wir eine psychologische Erklrung versuchen.

Es ist anzumerken : da, auf eine uns gnzlich unbegreifliche Art, die Einbildungskraft nicht allein die Zeichen fr Begriffe gelegentlich, selbst von langer Zeit her, zurckzurufen ; sondern auch das Bild und die Gestalt eines Gegenstandes aus einer unaussprechlichen Zahl von Gegenstnden verschiedener Arten, oder auch einer und derselben Art, zu reproduzieren ; ja auch, wenn das Gemt es auf Vergleichungen anlegt, allem Vermuten nach wirklich, wenngleich nicht hinreichend zum Bewutsein, ein Bild gleichsam auf das andere fallen zu lassen, und, durch die Kongruenz der mehrern von derselben Art, ein Mittleres herauszubekommen wisse, welches allen zum gemeinschaftlichen Mae dient. Jemand hat tausend erwachsene Mannspersonen gesehen. Will er nun ber die vergleichungsweise zu schtzende Normalgre urteilen, so lt (meiner Meinung nach) die Einbildungskraft eine groe Zahl der Bilder (vielleicht alle jene tausend) auf einander fallen ; und, wenn es mir erlaubt ist, hiebei die Analogie der optischen Darstellung anzuwenden, in dem Raum, wo die meisten sich vereinigen, und innerhalb dem Umrisse, wo der Platz mit der am strksten aufgetragenen Farbe illuminiert ist, da wird die mittlere Gre kenntlich, die sowohl der Hhe als Breite nach von den uersten Grenzen der grten und kleinsten Staturen gleich weit entfernt ist ; und dies ist die Statur fr einen schnen Mann. (Man knnte ebendasselbe mechanisch herausbekommen, wenn man alle tausend me, ihre Hhen unter sich und Breiten (und Dicken) fr sich zusammen addierte, und die Summe durch tausend dividierte. Allein die Einbildungskraft tut ebendieses durch einen dynamischen Effekt, der aus der vielfltigen Auffassung solcher Gestalten auf das Organ des innern Sinnes entspringt.) Wenn nun auf hnliche Art fr diesen mittlern Mann der mittlere Kopf, fr diesen die mittlere Nase usw. gesucht wird, so liegt diese Gestalt der Normalidee des schnen Mannes, in dem Lande, wo diese Vergleichung angestellt wird, zum Grunde ; daher ein Neger notwendig unter diesen empirischen Bedingungen eine andere Normalidee der Schnheit der Gestalt haben mu, als ein Weier, der Chinese eine andere, als der Europer. Mit dem Muster eines schnen Pferdes oder Hundes (von gewisser Rasse) wrde es ebenso gehen. Diese Normalidee ist nicht aus von der Erfahrung hergenommenen Proportionen, als bestimmten Regeln, abgeleitet ; sondern nach ihr werden allererst Regeln der Beurteilung mglich. Sie ist das zwischen allen einzelnen, auf mancherlei Weise verschiedenen, Anschauungen der Individuen schwebende Bild fr die ganze Gattung, welches die Natur zum Urbilde ihren Erzeugungen in derselben Spezies unterlegte, aber in keinem einzelnen vllig erreicht zu haben scheint. Sie ist keineswegs das ganze Urbild der Schnheit in dieser Gattung, sondern nur die Form, welche die unnachlaliche Bedingung aller Schnheit ausmacht, mithin blo die Richtigkeit in Darstellung der Gattung. Sie ist, wie man Polyklets berhmten Doryphorus nannte, die Regel (eben dazu konnte auch Myrons Kuh in ihrer Gattung gebraucht werden). Sie kann ebendarum auch nichts Spezifisch-Charakteristisches enthalten ; denn sonst wre sie nicht Normalidee fr die Gattung. Ihre Darstellung gefllt auch nicht durch Schnheit, sondern blo weil sie keiner Bedingung, unter welcher allein ein Ding dieser Gattung schn sein kann, widerspricht. Die Darstellung ist blo schulgerecht.**

Von der Normalidee des Schnen ist doch noch das Ideal desselben unterschieden, welches man lediglich an der menschlichen Gestalt aus schon angefhrten Grnden erwarten darf. An dieser nun besteht das Ideal in dem Ausdrucke des Sittlichen, ohne welches der Gegenstand nicht allgemein, und dazu positiv (nicht blo negativ in einer schulgerechten Darstellung) gefallen wrde. Der sichtbare Ausdruck sittlicher Ideen, die den Menschen innerlich beherrschen, kann zwar nur aus der Erfahrung genommen werden ; aber ihre Verbindung mit allem dem, was unsere Vernunft mit dem Sittlich-Guten in der Idee der hchsten Zweckmigkeit verknpft, die Seelengte, oder Reinigkeit, oder Strke, oder Ruhe usw. in krperlicher uerung (als Wirkung des Innern) gleichsam sichtbar zu machen : dazu gehren reine Ideen der Vernunft, und groe Macht der Einbildungskraft in demjenigen vereinigt, welcher sie nur beurteilen, vielmehr noch wer sie darstellen will. Die Richtigkeit eines solchen Ideals der Schnheit beweiset sich darin : da es keinem Sinnenreiz sich in das Wohlgefallen an seinem Objekte zu mischen erlaubt, und dennoch ein groes Interesse daran nehmen lt ; welches dann beweiset, da die Beurteilung nach einem solchen Mastabe niemals rein sthetisch sein knne, und die Beurteilung nach einem Ideale der Schnheit kein bloes Urteil des Geschmacks sei.

 

Aus diesem dritten Momente geschlossene Erklrung des Schnen

Schnheit ist Form der Zweckmigkeit eines Gegenstandes, sofern sie, ohne Vorstellung eines Zwecks, an ihm wahrgenommen wird.***

 

* Muster des Geschmacks in Ansehung der redenden Knste mssen in einer toten und gelehrten Sprache abgefat sein : das erste, um nicht die Vernderung erdulden zu mssen, welche die lebenden unvermeidlicherweise trifft, da edle Ausdrcke platt, gewhnliche veraltet, und neugeschaffene in einen nur kurz daurenden Umlauf gebracht werden ; das zweite, damit sie eine Grammatik habe, welche keinem mutwilligen Wechsel der Mode unterworfen sei, sondern ihre unvernderliche Regel hat.

 

** Man wird finden, da ein vollkommen regelmiges Gesicht, welches der Maler ihm zum Modell zu sitzen bitten mchte, gemeiniglich nichts sagt : weil es nichts Charakteristisches enthlt, also mehr die Idee der Gattung, als das Spezifische einer Person ausdrckt. Das Charakteristische von dieser Art, was bertrieben ist, d. i. welches der Normalidee (der Zweckmigkeit der Gattung) selbst Abbruch tut, heit Karikatur. Auch zeigt die Erfahrung : da jene ganz regelmigen Gesichter im Innern gemeiniglich auch nur einen mittelmigen Menschen verraten ; vermutlich (wenn angenommen werden darf, da die Natur im ueren die Proportionen des Inneren ausdrcke) deswegen : weil, wenn keine von den Gemtsanlagen ber diejenige Proportion hervorstechend ist, die erfordert wird, blo einen fehlerfreien Menschen auszumachen, nichts von dem, was man Genie nennt, erwartet werden darf, in welchem die Natur von ihren gewhnlichen Verhltnissen der Gemtskrfte zum Vorteil einer einzigen abzugehen scheint.

 

*** Man knnte wider diese Erklrung als Instanz anfhren : da es Dinge gibt, an denen man eine zweckmige Form sieht, ohne an ihnen einen Zweck zu erkennen ; z. B. die fter aus alten Grabhgeln gezogenen, mit einem Loche, als zu einem Hefte, versehenen steinernen Gerte, die, ob sie zwar in ihrer Gestalt eine Zweckmigkeit deutlich verraten, fr die man den Zweck nicht kennt, darum gleichwohl nicht fr schn erklrt werden. Allein, da man sie fr ein Kunstwerk ansieht, ist schon genug, um gestehen zu mssen, da man ihre Figur auf irgendeine Absicht und einen bestimmten Zweck bezieht. Daher auch gar kein unmittelbares Wohlgefallen an ihrer Anschauung. Ein Blume hingegen, z. B. ein Tulpe, wird fr schn gehalten, weil eine gewisse Zweckmigkeit, die so, wie wir sie beurteilen, auf gar keinen Zweck bezogen wird, in ihrer Wahrnehmung angetroffen wird.

 

 

Viertes Moment des Geschmacksurteils nach der Modalitt des Wohlgefallens an dem Gegenstande.

 

18

Was die Modalitt eines Geschmacksurteils sei

Von einer jeden Vorstellung kann ich sagen : wenigstens es sei mglich, da sie (als Erkenntnis) mit einer Lust verbunden sei. Von dem, was ich angenehm nenne, sage ich, da es in mir wirklich Lust bewirke. Vom Schnen aber denkt man sich, da es eine notwendige Beziehung auf das Wohlgefallen habe. Diese Notwendigkeit nun ist von besonderer Art : nicht eine theoretische objektive Notwendigkeit, wo a priori erkannt werden kann, da jedermann dieses Wohlgefallen an dem von mir schn genannten Gegenstande fhlen werde ; auch nicht eine praktische, wo durch Begriffe eines reinen Vernunftwillens, welcher freihandelnden Wesen zur Regel dient, dieses Wohlgefallen die notwendige Folge eines objektiven Gesetzes ist, und nichts anders bedeutet, als da man schlechterdings (ohne weitere Absicht) auf gewisse Art handeln solle. Sondern sie kann als Notwendigkeit, die in einem sthetischen Urteile gedacht wird, nur exemplarisch genannt werden, d. i. eine Notwendigkeit der Beistimmung aller zu einem Urteil, was wie Beispiel einer allgemeinen Regel, die man nicht angeben kann, angesehen wird. Da ein sthetisches Urteil kein objektives und Erkenntnisurteil ist, so kann diese Notwendigkeit nicht aus bestimmten Begriffen abgeleitet werden, und ist also nicht apodiktisch. Viel weniger kann sie aus der Allgemeinheit der Erfahrung (von einer durchgngigen Einhelligkeit der Urteile ber die Schnheit eines gewissen Gegenstandes) geschlossen werden. Denn nicht allein da die Erfahrung hiezu schwerlich hinreichend viele Belege schaffen wrde, so lt sich auf empirische Urteile kein Begriff der Notwendigkeit dieser Urteile grnden.

 

19

Die subjektive Notwendigkeit, die wir dem Geschmacksurteile beilegen, ist bedingt

Das Geschmacksurteil sinnet jedermann Beistimmung an ; und, wer etwas fr schn erklrt, will, da jedermann dem vorliegenden Gegenstande Beifall geben und ihn gleichfalls fr schn erklren solle. Das Sollen im sthetischen Urteile wird also selbst nach allen Datis, die zur Beurteilung erfordert werden, doch nur bedingt ausgesprochen. Man wirbt um jedes andern Beistimmung, weil man dazu einen Grund hat, der allen gemein ist ; auf welche Beistimmung man auch rechnen knnte, wenn man nur immer sicher wre, da der Fall unter jenem Grunde als Regel des Beifalls richtig subsumiert wre.

 

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Die Bedingung der Notwendigkeit, die ein Geschmacksurteil vorgibt, ist die Idee eines Gemeinsinnes

Wenn Geschmacksurteile (gleich den Erkenntnisurteilen) ein bestimmtes objektives Prinzip htten, so wrde der, welcher sie nach dem letztem fllet, auf unbedingte Notwendigkeit seines Urteils Anspruch machen. Wren sie ohne alles Prinzip, wie die des bloen Sinnengeschmacks, so wrde man sich gar keine Notwendigkeit derselben in die Gedanken kommen lassen. Also mssen sie ein subjektives Prinzip haben, welches nur durch Gefhl und nicht durch Begriffe, doch aber allgemeingltig bestimme, was gefalle oder mifalle. Ein solches Prinzip aber knnte nur als ein Gemeinsinn angesehen werden ; welcher vom gemeinen Verstande, den man bisweilen auch Gemeinsinn (sensus communis) nennt, wesentlich unterschieden ist : indem letzterer nicht nach Gefhl, sondern jederzeit nach Begriffen, wiewohl gemeiniglich nur als nach dunkel vorgestellten Prinzipien, urteilt.

Also nur unter der Voraussetzung, da es einen Gemeinsinn gebe (wodurch wir aber keinen uern Sinn, sondern die Wirkung aus dem freien Spiel unsrer Erkenntniskrfte verstehen), nur unter Voraussetzung, sage ich, eines solchen Gemeinsinns kann das Geschmacksurteil gefllt werden.

 

21

Ob man mit Grunde einen Gemeinsinn voraussetzen knne

Erkenntnisse und Urteile mssen sich, samt der berzeugung, die sie begleitet, allgemein mitteilen lassen ; denn sonst kme ihnen keine bereinstimmung mit dem Objekt zu : sie wren insgesamt ein blo subjektives Spiel der Vorstellungskrfte, geradeso, wie es der Skeptizism verlangt. Sollen sich aber Erkenntnisse mitteilen lassen, so mu sich auch der Gemtszustand, d. i. die Stimmung der Erkenntniskrfte zu einer Erkenntnis berhaupt, und zwar diejenige Proportion, welche sich fr eine Vorstellung (wodurch uns ein Gegenstand gegeben wird) gebhrt, um daraus Erkenntnis zu machen, allgemein mitteilen lassen : weil ohne diese, als subjektive Bedingung des Erkennens, das Erkenntnis, als Wirkung, nicht entspringen knnte. Dieses geschieht auch wirklich jederzeit, wenn ein gegebener Gegenstand vermittelst der Sinne die Einbildungskraft zur Zusammensetzung des Mannigfaltigen, diese aber den Verstand zur Einheit desselben in Begriffen, in Ttigkeit bringt. Aber diese Stimmung der Erkenntniskrfte hat, nach Verschiedenheit der Objekte, die gegeben werden, eine verschiedene Proportion. Gleichwohl aber mu es eine geben, in welcher dieses innere Verhltnis zur Belebung (einer durch die andere) die zutrglichste fr beide Gemtskrfte in Absicht auf Erkenntnis (gegebener Gegenstnde) berhaupt ist ; und diese Stimmung kann nicht anders als durch das Gefhl (nicht nach Begriffen) bestimmt werden. Da sich nun diese Stimmung selbst mu allgemein mitteilen lassen, mithin auch das Gefhl derselben (bei einer gegebenen Vorstellung) ; die allgemeine Mitteilbarkeit eines Gefhls aber einen Gemeinsinn voraussetzt : so wird dieser mit Grunde angenommen werden knnen, und zwar ohne sich desfalls auf psychologische Beobachtungen zu fuen, sondern als die notwendige Bedingung der allgemeinen Mitteilbarkeit unserer Erkenntnis, welche in jeder Logik und jedem Prinzip der Erkenntnisse, das nicht skeptisch ist, vorausgesetzt werden mu.

 

22

Die Notwendigkeit der allgemeinen Beistimmung, die in einem Geschmacksurteil gedacht wird, ist eine subjektive Notwendigkeit, die unter der Voraussetzung eines Gemeinsinns als objektiv vorgestellt wird

In allen Urteilen, wodurch wir etwas fr schn erklren, verstatten wir keinem anderer Meinung zu sein ; ohne gleichwohl unser Urteil auf Begriffe, sondern nur auf unser Gefhl zu grnden : welches wir also nicht als Privatgefhl, sondern als ein gemeinschaftliches zum Grunde legen. Nun kann dieser Gemeinsinn zu diesem Behuf nicht auf der Erfahrung gegrndet werden ; denn er will zu Urteilen berechtigen, die ein Sollen enthalten : er sagt nicht, da jedermann mit unserm Urteile bereinstimmen werde, sondern damit zusammenstimmen solle. Also ist der Gemeinsinn, von dessen Urteil ich mein Geschmacksurteil hier als ein Beispiel angebe und weswegen ich ihm exemplarische Gltigkeit beilege, eine bloe idealische Norm, unter deren Voraussetzung man ein Urteil, welches mit ihr zusammenstimmte, und das in demselben ausgedrckte Wohlgefallen an einem Objekt, fr jedermann mit Recht zur Regel machen knnte : weil zwar das Prinzip nur subjektiv, dennoch aber, fr subjektiv-allgemein (eine jedermann notwendige Idee) angenommen, was die Einhelligkeit verschiedener Urteilenden betrifft, gleich einem objektiven, allgemeine Beistimmung fordern knnte ; wenn man nur sicher wre, darunter richtig subsumiert zu haben.

Diese unbestimmte Norm eines Gemeinsinns wird von uns wirklich vorausgesetzt : das beweiset unsere Anmaung Geschmacksurteile zu fllen. Ob es in der Tat einen solchen Gemeinsinn, als konstitutives Prinzip der Mglichkeit der Erfahrung gebe, oder ein noch hheres Prinzip der Vernunft es uns nur zum regulativen Prinzip mache, allererst einen Gemeinsinn zu hhern Zwecken in uns hervorzubringen ; ob also Geschmack ein ursprngliches und natrliches, oder nur die Idee von einem noch zu erwerbenden und knstlichen Vermgen sei, so da ein Geschmacksurteil, mit seiner Zumutung einer allgemeinen Beistimmung, in der Tat nur eine Vernunftforderung sei eine solche Einhelligkeit der Sinnesart hervorzubringen, und das Sollen, d. i. die objektive Notwendigkeit des Zusammenflieens des Gefhls von jedermann mit jedes seinem besondern, nur die Mglichkeit hierin eintrchtig zu werden, bedeute, und das Geschmacksurteil nur von Anwendung dieses Prinzips ein Beispiel aufstelle : das wollen und knnen wir hier noch nicht untersuchen, sondern haben fr jetzt nur das Geschmacksvermgen in seine Elemente aufzulsen, und sie zuletzt in der Idee eines Gemeinsinns zu vereinigen.

 

Aus dem vierten Moment gefolgerte Erklrung vom Schnen

Schn ist, was ohne Begriff als Gegenstand eines notwendigen Wohlgefallens erkannt wird.

 

 

Allgemeine Anmerkung zum ersten Abschnitte der Analytik

 

Wenn man das Resultat aus den obigen Zergliederungen zieht, so findet sich, da alles auf den Begriff des Geschmacks herauslaufe, da er ein Beurteilungsvermgen eines Gegenstandes in Beziehung auf die freie Gesetzmigkeit der Einbildungskraft sei. Wenn nun im Geschmacksurteile die Einbildungskraft in ihrer Freiheit betrachtet werden mu, so wird sie erstlich nicht reproduktiv, wie sie den Assoziationsgesetzen unterworfen ist, sondern als produktiv und selbstttig (als Urheberin willkrlicher Formen mglicher Anschauungen) angenommen ; und, ob sie zwar bei der Auffassung eines gegebenen Gegenstandes der Sinne an eine bestimmte Form dieses Objekts gebunden ist und sofern kein freies Spiel (wie im Dichten) hat, so lt sich doch noch wohl begreifen : da der Gegenstand ihr gerade eine solche Form an die Hand geben knne, die eine Zusammensetzung des Mannigfaltigen enthlt, wie sie die Einbildungskraft, wenn sie sich selbst frei berlassen wre, in Einstimmung mit der Verstandesgesetzmigkeit berhaupt entwerfen wrde. Allein da die Einbildungskraft frei und doch von selbst gesetzmig sei, d. i. da sie eine Autonomie bei sich fhre, ist ein Widerspruch. Der Verstand allein gibt das Gesetz. Wenn aber die Einbildungskraft nach einem bestimmten Gesetze zu verfahren gentigt wird, so wird ihr Produkt, der Form nach, durch Begriffe bestimmt, wie es sein soll ; aber alsdann ist das Wohlgefallen, wie oben gezeigt, nicht das am Schnen, sondern am Guten (der Vollkommenheit, allenfalls blo der formalen), und das Urteil ist kein Urteil durch Geschmack. Es wird also eine Gesetzmigkeit ohne Gesetz, und eine subjektive bereinstimmung der Einbildungskraft zum Verstande, ohne eine objektive, da die Vorstellung auf einen bestimmten Begriff von einem Gegenstande bezogen wird, mit der freien Gesetzmigkeit des Verstandes (welche auch Zweckmigkeit ohne Zweck genannt worden) und mit der Eigentmlichkeit eines Geschmacksurteils allein zusammen bestehen knnen.

Nun werden geometrisch-regelmige Gestalten, eine Zirkelfigur, ein Quadrat, ein Wrfel usw., von Kritikern des Geschmacks gemeiniglich als die einfachsten und unzweifelhaftesten Beispiele der Schnheit angefhrt ; und dennoch werden sie eben darum regelmig genannt, weil man sie nicht anders vorstellen kann als so, da sie fr bloe Darstellungen eines bestimmten Begriffs, der jener Gestalt die Regel vorschreibt (nach der sie allein mglich ist), angesehen werden. Eines von beiden mu also irrig sein : entweder jenes Urteil der Kritiker, gedachten Gestalten Schnheit beizulegen ; oder das unsrige, welches Zweckmigkeit ohne Begriff zur Schnheit ntig findet.

Niemand wird leichtlich einen Menschen von Geschmack dazu ntig finden, um an einer Zirkelgestalt mehr Wohlgefallen, als an einem kritzlichen Umrisse, an einem gleichseitigen und gleicheckigen Viereck mehr, als an einem schiefen, ungleichseitigen, gleichsam verkrppelten, zu finden ; denn dazu gehrt nur gemeiner Verstand und gar kein Geschmack. Wo eine Absicht, z. B. die Gre eines Platzes zu beurteilen, oder das Verhltnis der Teile zueinander und zum Ganzen in einer Einteilung falich zu machen, wahrgenommen wird : da sind regelmige Gestalten, und zwar die von der einfachsten Art, ntig ; und das Wohlgefallen ruht nicht unmittelbar auf dem Anblicke der Gestalt, sondern der Brauchbarkeit derselben zu allerlei mglicher Absicht. Ein Zimmer, dessen Wnde schiefe Winkel machen, ein Gartenplatz von solcher Art, selbst alle Verletzung der Symmetrie sowohl in der Gestalt der Tiere (z. B. einugig zu sein), als der Gebude, oder der Blumenstcke, mifllt, weil es zweckwidrig ist, nicht allein praktisch in Ansehung eines bestimmten Gebrauchs dieser Dinge, sondern auch fr die Beurteilung in allerlei mglicher Absicht ; welches der Fall im Geschmacksurteile nicht ist, welches wenn es rein ist, Wohlgefallen oder Mifallen, ohne Rcksicht auf den Gebrauch oder einen Zweck, mit der bloen Betrachtung des Gegenstandes unmittelbar verbindet.

Die Regelmigkeit, die zum Begriffe von einem Gegenstande fhrt, ist zwar die unentbehrliche Bedingung (conditio sine qua non), den Gegenstand in eine einzige Vorstellung zu fassen und das Mannigfaltige in der Form desselben zu bestimmen. Diese Bestimmung ist ein Zweck in Ansehung der Erkenntnis ; und in Beziehung auf diese ist sie auch jederzeit mit Wohlgefallen (welches die Bewirkung einer jeden auch blo problematischen Absicht begleitet) verbunden. Es ist aber alsdann blo die Billigung der Auflsung, die einer Aufgabe Gnge tut, und nicht eine freie und unbestimmt-zweckmige Unterhaltung der Gemtskrfte mit dem, was wir schn nennen, und wobei der Verstand der Einbildungskraft und nicht diese jenem zu Diensten ist.

An einem Dinge, das nur durch eine Absicht mglich ist, einem Gebude, selbst einem Tier, mu die Regelmigkeit, die in der Symmetrie besteht, die Einheit der Anschauung ausdrcken, welche den Begriff des Zwecks begleitet, und gehrt mit zum Erkenntnisse. Aber wo nur ein freies Spiel der Vorstellungskrfte (doch unter der Bedingung, da der Verstand dabei keinen Ansto leide) unterhalten werden soll, in Lustgrten, Stubenverzierung, allerlei geschmackvollem Gerte u. dgl., wird die Regelmigkeit, die sich als Zwang ankndigt, so viel mglich vermieden ; daher der englische Geschmack in Grten, der Barockgeschmack an Mbeln, die Freiheit der Einbildungskraft wohl eher bis zur Annherung zum Grotesken treibt, und in dieser Absonderung von allem Zwange der Regel eben den Fall setzt, wo der Geschmack in Entwrfen der Einbildungskraft seine grte Vollkommenheit zeigen kann.

Alles Steif-Regelmige (was der mathematischen Regelmigkeit nahe kommt) hat das Geschmackwidrige an sich : da es keine lange Unterhaltung mit der Betrachtung desselben gewhrt, sondern, sofern es nicht ausdrcklich das Erkenntnis, oder einen bestimmten praktischen Zweck zur Absicht hat, Langeweile macht. Dagegen ist das, womit Einbildungskraft ungesucht und zweckmig spielen kann, uns jederzeit neu, und man wird seines Anblicks nicht berdrssig. Marsden in seiner Beschreibung von Sumatra macht die Anmerkung, da die freien Schnheiten der Natur den Zuschauer daselbst berall umgeben und daher wenig Anziehendes mehr fr ihn haben : dagegen ein Pfeffergarten, wo die Stangen, an denen sich dieses Gewchs rankt, in Parallellinien Alleen zwischen sich bilden, wenn er ihn mitten in einem Walde antraf, fr ihn viel Reiz hatte ; und schliet daraus da wilde, dem Anscheine nach regellose Schnheit nur dem zur Abwechselung gefalle, der sich an der regelmigen satt gesehen hat. Allein er durfte nur den Versuch machen, sich einen Tag bei seinem Pfeffergarten aufzuhalten, um innezuwerden, da, wenn der Verstand durch die Regelmigkeit sich in die Stimmung zur Ordnung, die er allerwrts bedarf, versetzt hat, ihn der Gegenstand nicht lnger unterhalte, vielmehr der Einbildungskraft einen lstigen Zwang antue : wogegen die dort an Mannigfaltigkeiten bis zur ppigkeit verschwenderische Natur, die keinem Zwange knstlicher Regeln unterworfen ist, seinem Geschmacke fr bestndig Nahrung geben knne. Selbst der Gesang der Vgel, den wir unter keine musikalische Regel bringen knnen, scheint mehr Freiheit und darum mehr fr den Geschmack zu enthalten, als selbst ein menschlicher Gesang, der nach allen Regeln der Tonkunst gefhrt wird : weil man des letztern, wenn er oft und lange Zeit wiederholt wird, weit eher berdrssig wird. Allein hier vertauschen wir vermutlich unsere Teilnehmung an der Lustigkeit eines kleinen beliebten Tierchens mit der Schnheit seines Gesanges, der, wenn er vom Menschen (wie dies mit dem Schlagen der Nachtigall bisweilen geschieht) ganz genau nachgeahmet wird, unserm Ohre ganz geschmacklos zu sein dnkt.

Noch sind schne Gegenstnde von schnen Aussichten auf Gegenstnde (die fter der Entfernung wegen nicht mehr deutlich erkannt werden knnen) zu unterscheiden. In den letztern scheint der Geschmack nicht sowohl an dem, was die Einbildungskraft in diesem Felde auffat, als vielmehr an dem, was sie hiebei zu dichten Anla bekommt, d. i. an den eigentlichen Phantasien, womit sich das Gemt unterhlt, indessen da es durch die Mannigfaltigkeit, auf die das Auge stt, kontinuierlich erweckt wird, zu haften ; so wie etwa bei dem Anblick der vernderlichen Gestalten eines Kaminfeuers, oder eines rieselnden Baches, welche beide keine Schnheiten sind, aber doch fr die Einbildungskraft einen Reiz bei sich fhren, weil sie ihr freies Spiel unterhalten.

 

 

Zweites Buch

Analytik des Erhabenen

 

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bergang von dem Beurteilungsvermgen des Schnen zu dem des Erhabenen

Das Schne kommt darin mit dem Erhabenen berein, da beides fr sich selbst gefllt. Ferner darin, da beides kein Sinnes- noch ein logisch-bestimmendes, sondern ein Reflexionsurteil voraussetzt : folglich das Wohlgefallen nicht an einer Empfindung, wie die des Angenehmen, noch an einem bestimmten Begriffe, wie das Wohlgefallen am Guten, hngt ; gleichwohl aber doch auf Begriffe, obzwar unbestimmt welche, bezogen wird, mithin das Wohlgefallen an der bloen Darstellung oder dem Vermgen derselben geknpft ist, wodurch das Vermgen der Darstellung, oder die Einbildungskraft, bei einer gegebenen Anschauung mit dem Vermgen der Begriffe des Verstandes oder der Vernunft, als Befrderung der letztern, in Einstimmung betrachtet wird. Daher sind auch beiderlei Urteile einzelne, und doch sich fr allgemeingltig in Ansehung jedes Subjekts ankndigende Urteile, ob sie zwar blo auf das Gefhl der Lust und auf kein Erkenntnis des Gegenstandes Anspruch machen.

Allein es sind auch namhafte Unterschiede zwischen beiden in die Augen fallend. Das Schne der Natur betrifft die Form des Gegenstandes, die in der Begrenzung besteht ; das Erhabene ist dagegen auch an einem formlosen Gegenstande zu finden, sofern Unbegrenztheit an ihm, oder durch dessen Veranlassung, vorgestellt und doch Totalitt derselben hinzugedacht wird : so da das Schne fr die Darstellung eines unbestimmten Verstandesbegriffs, das Erhabene aber eines dergleichen Vernunftbegriffs, genommen zu werden scheint. Also ist das Wohlgefallen dort mit der Vorstellung der Qualitt, hier aber der Quantitt verbunden. Auch ist das letztere der Art nach von dem ersteren Wohlgefallen gar sehr unterschieden : indem dieses (das Schne) direkt ein Gefhl der Befrderung des Lebens bei sich fhrt, und daher mit Reizen und einer spielenden Einbildungskraft vereinbar ist ; jenes aber (das Gefhl des Erhabenen) eine Lust ist, welche nur indirekt entspringt, nmlich so da sie durch das Gefhl einer augenblicklichen Hemmung der Lebenskrfte und darauf sogleich folgenden desto strkern Ergieung derselben erzeugt wird, mithin als Rhrung kein Spiel, sondern Ernst in der Beschftigung der Einbildungskraft zu sein scheint. Daher es auch mit Reizen unvereinbar ist ; und, indem das Gemt von dem Gegenstande nicht blo angezogen, sondern wechselsweise auch immer wieder abgestoen wird, das Wohlgefallen am Erhabenen nicht sowohl positive Lust als vielmehr Bewunderung oder Achtung enthlt, d. i. negative Lust genannt zu werden verdient.

Der wichtigste und innere Unterschied aber des Erhabenen vom Schnen ist wohl dieser : da, wenn wir, wie billig, hier zuvrderst nur das Erhabene an Naturobjekten in Betrachtung ziehen (das der Kunst wird nmlich immer auf die Bedingungen der bereinstimmung mit der Natur eingeschrnkt) die Naturschnheit (die selbststndige) eine Zweckmigkeit in ihrer Form, wodurch der Gegenstand fr unsere Urteilskraft gleichsam vorherbestimmt zu sein scheint, bei sich fhrt, und so an sich einen Gegenstand des Wohlgefallens ausmacht ; hingegen das, was in uns, ohne zu vernnfteln, blo in der Auffassung, das Gefhl des Erhabenen erregt, der Form nach zwar zweckwidrig fr unsere Urteilskraft, unangemessen unserm Darstellungsvermgen, und gleichsam gewaltttig fr die Einbildungskraft erscheinen mag, aber dennoch nur um desto erhabener zu sein geurteilt wird.

Man sieht aber hieraus sofort, da wir uns berhaupt unrichtig ausdrcken, wenn wir irgendeinen Gegenstand der Natur erhaben nennen, ob wir zwar ganz richtig sehr viele derselben schn nennen knnen ; denn wie kann das mit einem Ausdrucke des Beifalls bezeichnet werden, was an sich als zweckwidrig aufgefat wird ? Wir knnen nicht mehr sagen, als da der Gegenstand zur Darstellung einer Erhabenheit tauglich sei, die im Gemte angetroffen werden kann ; denn das eigentliche Erhabene kann in keiner sinnlichen Form enthalten sein, sondern trifft nur Ideen der Vernunft : welche, obgleich keine ihnen angemessene Darstellung mglich ist, eben durch diese Unangemessenheit, welche sich sinnlich darstellen lt, rege gemacht und ins Gemt gerufen werden. So kann der weite, durch Strme emprte Ozean nicht erhaben genannt werden. Sein Anblick ist grlich ; und man mu das Gemt schon mit mancherlei Ideen angefllt haben, wenn es durch eine solche Anschauung zu einem Gefhl gestimmt werden soll, welches selbst erhaben ist, indem das Gemt die Sinnlichkeit zu verlassen und sich mit Ideen, die hhere Zweckmigkeit enthalten, zu beschftigen angereizt wird.

Die selbststndige Naturschnheit entdeckt uns eine Technik der Natur, welche sie als ein System nach Gesetzen, deren Prinzip wir in unserm ganzen Verstandesvermgen nicht antreffen, vorstellig macht, nmlich dem einer Zweckmigkeit respektiv auf den Gebrauch der Urteilskraft in Ansehung der Erscheinungen, so da diese nicht blo als zur Natur in ihrem zwecklosen Mechanism, sondern auch als zur Analogie mit der Kunst gehrige, beurteilt werden mssen. Sie erweitert also wirklich zwar nicht unsere Erkenntnis der Naturobjekte, aber doch unsern Begriff von der Natur, nmlich als bloem Mechanism, zu dem Begriff von eben derselben als Kunst : welches zu tiefen Untersuchungen ber die Mglichkeit einer solchen Form einladet. Aber in dem, was wir an ihr erhaben zu nennen pflegen, ist so gar nichts, was auf besondere objektive Prinzipien und diesen geme Formen der Natur fhrte, da diese vielmehr in ihrem Chaos oder in ihrer wildesten, regellosesten Unordnung und Verwstung, wenn sich nur Gre und Macht blicken lt, die Ideen des Erhabenen am meisten erregt. Daraus sehen wir, da der Begriff des Erhabenen der Natur bei weitem nicht so wichtig und an Folgerungen reichhaltig sei, als der des Schnen in derselben ; und da er berhaupt nichts Zweckmiges in der Natur selbst, sondern nur in dem mglichen Gebrauche ihrer Anschauungen, um eine von der Natur ganz unabhngige Zweckmigkeit in uns selbst fhlbar zu machen, anzeige. Zum Schnen der Natur mssen wir einen Grund auer uns suchen, zum Erhabenen aber blo in uns und der Denkungsart, die in die Vorstellung der ersteren Erhabenheit hineinbringt ; eine sehr ntige vorlufige Bemerkung, welche die Ideen des Erhabenen von der einer Zweckmigkeit der Natur ganz abtrennt, und aus der Theorie desselben einen bloen Anhang zur sthetischen Beurteilung der Zweckmigkeit der Natur macht, weil dadurch keine besondere Form in dieser vorgestellt, sondern nur ein zweckmiger Gebrauch, den die Einbildungskraft von ihrer Vorstellung macht, entwickelt wird.

 

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Von der Einteilung einer Untersuchung des Gefhls des Erhabenen

Was die Einteilung der Momente der sthetischen Beurteilung der Gegenstnde, in Beziehung auf das Gefhl des Erhabenen, betrifft, so wird die Analytik nach demselben Prinzip fortlaufen knnen, wie in der Zergliederung der Geschmacksurteile geschehen ist. Denn, als Urteil der sthetischen reflektierenden Urteilskraft mu das Wohlgefallen am Erhabenen ebensowohl, als am Schnen, der Quantitt nach allgemeingltig, der Qualitt nach ohne Interesse, der Relation nach subjektive Zweckmigkeit, und der Modalitt nach die letztere als notwendig, vorstellig machen. Hierin wird also die Methode von der im vorigen Abschnitte nicht abweichen : man mte denn das fr etwas rechnen, da wir dort, wo das sthetische Urteil die Form des Objekts betraf, von der Untersuchung der Qualitt anfingen ; hier aber, bei der Formlosigkeit, welche dem, was wir erhaben nennen, zukommen kann, von der Quantitt, als dem ersten Moment des sthetischen Urteils ber das Erhabene, anfangen werden : wozu aber der Grund aus dem vorhergehenden zu ersehen ist.

Aber eine Einteilung hat die Analysis des Erhabenen ntig, welche die des Schnen nicht bedarf, nmlich die in das mathematisch- und in das dynamisch-Erhabene.

Denn da das Gefhl des Erhabenen eine mit der Beurteilung des Gegenstandes verbundene Bewegung des Gemts, als seinen Charakter bei sich fhrt, anstatt da der Geschmack am Schnen das Gemt in ruhiger Kontemplation voraussetzt und erhlt ; diese Bewegung aber als subjektiv zweckmig beurteilt werden soll (weil das Erhabene gefllt) : so wird sie durch die Einbildungskraft entweder auf das Erkenntnis- oder auf das Begehrungsvermgen bezogen ; in beiderlei Beziehung aber die Zweckmigkeit der gegebenen Vorstellung nur in Ansehung dieser Vermgen (ohne Zweck oder Interesse) beurteilt werden : da dann die erste, als eine mathematische, die zweite als dynamische Stimmung der Einbildungskraft dem Objekte beigelegt, und daher dieses auf gedachte zwiefache Art als erhaben vorgestellt wird.

 

 

A. Vom Mathematisch-Erhabenen

 

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Namenerklrung des Erhabenen

Erhaben nennen wir das, was schlechthin gro ist. Gro-sein aber, und eine Gre sein, sind ganz verschiedene Begriffe (magnitudo und quantitas). Imgleichen schlechtweg (simpliciter) sagen, da etwas gro sei, ist auch ganz was anderes als sagen, da es schlechthin gro (absolute, non comparative magnum) sei. Das letztere ist das, was ber alle Vergleichung gro ist. Was will nun aber der Ausdruck, da etwas gro, oder klein, oder mittelmig sei, sagen ? Ein reiner Verstandesbegriff ist es nicht, was dadurch bezeichnet wird ; noch weniger eine Sinnenanschauung ; und ebensowenig ein Vernunftbegriff, weil es gar kein Prinzip der Erkenntnis bei sich fhrt. Es mu also ein Begriff der Urteilskraft sein, oder von einem solchen abstammen und eine subjektive Zweckmigkeit der Vorstellung in Beziehung auf die Urteilskraft zum Grunde legen. Da etwas eine Gre (quantum) sei, lt sich aus dem Dinge selbst, ohne alle Vergleichung mit andern, erkennen ; wenn nmlich Vielheit des Gleichartigen zusammen Eines ausmacht. Wie gro es aber sei, erfordert jederzeit etwas anderes, welches auch Gre ist, zu seinem Mae. Weil es aber in der Beurteilung der Gre nicht blo auf die Vielheit (Zahl), sondern auch auf die Gre der Einheit (des Maes) ankommt, und die Gre dieser letztern immer wiederum etwas anderes als Ma bedarf, womit sie verglichen werden knne ; so sehen wir : da alle Grenbestimmung der Erscheinungen schlechterdings keinen absoluten Begriff von einer Gre, sondern allemal nur einen Vergleichungsbegriff liefern knne.

Wenn ich nun schlechtweg sage, da etwas gro sei, so scheint es, da ich gar keine Vergleichung im Sinne habe, wenigstens mit keinem objektiven Mae, weil dadurch gar nicht bestimmt wird, wie gro der Gegenstand sei. Ob aber gleich der Mastab der Vergleichung blo subjektiv ist, so macht das Urteil nichtdestoweniger auf allgemeine Beistimmung Anspruch ; die Urteile. der Mann ist schn und er ist gro, schrnken sich nicht blo auf das urteilende Subjekt ein, sondern verlangen, gleich theoretischen Urteilen, jedermanns Beistimmung.

Weil aber in einem Urteile, wodurch etwas schlechtweg als gro bezeichnet wird, nicht blo gesagt werden will, da der Gegenstand eine Gre habe, sondern diese ihm zugleich vorzugsweise vor vielen andern gleicher Art beigelegt wird, ohne doch diesen Vorzug bestimmt anzugeben ; so wird demselben allerdings ein Mastab zum Grunde gelegt, den man fr jedermann, als ebendenselben, annehmen zu knnen voraussetzt, der aber zu keiner logischen (mathematisch-bestimmten), sondern nur sthetischen Beurteilung der Gre brauchbar ist, weil er ein blo subjektiv dem ber Gre reflektierenden Urteile zum Grunde liegender Mastab ist. Er mag brigens empirisch sein, wie etwa die mittlere Gre der uns bekannten Menschen, Tiere von gewisser Art, Bume, Huser, Berge, u. dgl. ; oder ein a priori gegebener Mastab, der durch die Mngel des beurteilenden Subjekts auf subjektive Bedingungen der Darstellung in concreto eingeschrnkt ist : als im Praktischen, die Gre einer gewissen Tugend, oder der ffentlichen Freiheit und Gerechtigkeit in einem Lande ; oder im Theoretischen : die Gre der Richtigkeit oder Unrichtigkeit einer gemachten Observation oder Messung u. dgl.

Hier ist nun merkwrdig : da, wenn wir gleich am Objekte gar kein Interesse haben, d. i. die Existenz desselben uns gleichgltig ist, doch die bloe Gre desselben, selbst wenn es als formlos betrachtet wird, ein Wohlgefallen bei sich fhren knne, das allgemein mitteilbar ist, mithin Bewutsein einer subjektiven Zweckmigkeit im Gebrauche unsrer Erkenntnisvermgen enthalte ; aber nicht etwa ein Wohlgefallen am Objekte, wie beim Schnen (weil es formlos sein kann), wo die reflektierende Urteilskraft sich in Beziehung auf das Erkenntnis berhaupt zweckmig gestimmt findet : sondern an der Erweiterung der Einbildungskraft an sich selbst.

Wenn wir (unter der obgenannten Einschrnkung) von einem Gegenstande schlechtweg sagen, er sei gro ; so ist dies kein mathematisch-bestimmendes, sondern ein bloes Reflexionsurteil ber die Vorstellung desselben, die fr einen gewissen Gebrauch unserer Erkenntniskrfte in der Grenschtzung subjektiv zweckmig ist ; und wir verbinden alsdann mit der Vorstellung jederzeit eine Art von Achtung, so wie mit dem, was wir schlechtweg klein nennen, eine Verachtung. brigens geht die Beurteilung der Dinge als gro oder klein auf alles, selbst auf alle Beschaffenheiten derselben ; daher wir selbst die Schnheit gro oder klein nennen : wovon der Grund darin zu suchen ist, da, was wir nach Vorschrift der Urteilskraft in der Anschauung nur immer darstellen (mithin sthetisch vorstellen) mgen, insgesamt Erscheinung, mithin auch ein Quantum ist.

Wenn wir aber etwas nicht allein gro, sondern schlechthin- absolut- in aller Absicht- (ber alle Vergleichung) gro, d. i. erhaben, nennen, so sieht man bald ein : da wir fr dasselbe keinen ihm angemessenen Mastab auer ihm, sondern blo in ihm zu suchen verstatten. Es ist eine Gre, die blo sich selber gleich ist. Da das Erhabene also nicht in den Dingen der Natur, sondern allein in unsern Ideen zu suchen sei, folgt hieraus ; in welchen es aber liege, mu fr die Deduktion aufbehalten werden.

Die obige Erklrung kann auch so ausgedrckt werden : Erhaben ist das, mit welchem in Vergleichung alles andere klein ist. Hier sieht man leicht : da nichts in der Natur gegeben werden knne, so gro als es auch von uns beurteilt werde, was nicht in einem andern Verhltnisse betrachtet bis zum Unendlich-Kleinen abgewrdigt werden knnte ; und umgekehrt, nichts so klein, was sich nicht in Vergleichung mit noch kleinern Mastben fr unsere Einbildungskraft bis zu einer Weltgre erweitern liee. Die Teleskope haben uns die erstere, die Mikroskope die letztere Bemerkung zu machen reichlichen Stoff an die Hand gegeben. Nichts also, was Gegenstand der Sinnen sein kann, ist, auf diesen Fu betrachtet, erhaben zu nennen. Aber eben darum, da in unserer Einbildungskraft ein Bestreben zum Fortschritte ins Unendliche, in unserer Vernunft aber ein Anspruch auf absolute Totalitt als auf eine reelle Idee liegt : ist selbst jene Unangemessenheit unseres Vermgens der Grenschtzung der Dinge der Sinnenwelt fr diese Idee, die Erweckung des Gefhls eines bersinnlichen Vermgens in uns ; und der Gebrauch, den die Urteilskraft von gewissen Gegenstnden zum Behuf des letzteren (Gefhls) natrlicherweise macht, nicht aber der Gegenstand der Sinne, ist schlechthin gro, gegen ihn aber jeder andere Gebrauch klein. Mithin ist die Geistesstimmung, durch eine gewisse die reflektierende Urteilskraft beschftigende Vorstellung, nicht aber das Objekt, erhaben zu nennen.

Wir knnen also zu den vorigen Formeln der Erklrung des Erhabenen noch diese hinzutun : Erhaben ist, was auch nur denken zu knnen ein Vermgen des Gemts beweiset, das jeden Mastab der Sinne bertrifft.

 

26

Von der Grenschtzung der Naturdinge, die zur Idee des Erhabenen erforderlich ist

Die Grenschtzung durch Zahlbegriffe (oder deren Zeichen in der Algebra) ist mathematisch, die aber in der bloen Anschauung (nach dem Augenmae) ist sthetisch. Nun knnen wir zwar bestimmte Begriffe davon, wie gro etwas sei, nur durch Zahlen (allenfalls Annherungen durch ins Unendliche fortgehende Zahlreihen) bekommen, deren Einheit das Ma ist ; und sofern ist alle logische Grenschtzung mathematisch. Allein da die Gre des Maes doch als bekannt angenommen werden mu, so wrden, wenn diese nun wiederum nur durch Zahlen, deren Einheit ein anderes Ma sein mte, mithin mathematisch geschtzt werden sollte, wir niemals ein erstes oder Grundma, mithin auch keinen bestimmten Begriff von einer gegebenen Gre haben knnen. Also mu die Schtzung der Gre des Grundmaes blo darin bestehen, da man sie in einer Anschauung unmittelbar fassen und durch Einbildungskraft zur Darstellung der Zahlbegriffe brauchen kann : d. i. alle Grenschtzung der Gegenstnde der Natur ist zuletzt sthetisch (d. i. subjektiv und nicht objektiv bestimmt).

Nun gibt es zwar fr die mathematische Grenschtzung kein Grtes (denn die Macht der Zahlen geht ins Unendliche) ; aber fr die sthetische Grenschtzung gibt es allerdings ein Grtes ; und von diesem sage ich : da, wenn es als absolutes Ma, ber das kein greres subjektiv (dem beurteilenden Subjekt) mglich sei, beurteilt wird, es die Idee des Erhabenen bei sich fhre, und diejenige Rhrung, welche keine mathematische Schtzung der Gren durch Zahlen (es sei denn, so weit jenes sthetische Grundma dabei in der Einbildungskraft lebendig erhalten wird) bewirken kann, hervorbringe : weil die letztere immer nur die relative Gre durch Vergleichung mit andern gleicher Art, die erstere aber die Gre schlechthin, so weit das Gemt sie in einer Anschauung fassen kann, darstellt.

Anschaulich ein Quantum in die Einbildungskraft aufzunehmen, um es zum Mae, oder, als Einheit, zur Grenschtzung durch Zahlen brauchen zu knnen, dazu gehren zwei Handlungen dieses Vermgens : Auffassung (apprehensio), und Zusammenfassung (comprehensio aesthetica). Mit der Auffassung hat es keine Not : denn damit kann es ins Unendliche gehen ; aber die Zusammenfassung wird immer schwerer, je weiter die Auffassung fortrckt, und gelangt bald zu ihrem Maximum, nmlich dem sthetisch-grten Grundmae der Grenschtzung. Denn, wenn die Auffassung so weit gelanget ist, da die zuerst aufgefaten Teilvorstellungen der Sinnenanschauung in der Einbildungskraft schon zu erlschen anheben, indes da diese zu Auffassung mehrerer fortrckt ; so verliert sie auf einer Seite ebensoviel, als sie auf der anderen gewinnt, und in der Zusammenfassung ist ein Grtes, ber welches sie nicht hinauskommen kann.

Daraus lt sich erklren, was Savary in seinen Nachrichten von gypten anmerkt : da man den Pyramiden nicht sehr nahe kommen, ebensowenig als zu weit davon entfernt sein msse, um die ganze Rhrung von ihrer Gre zu bekommen. Denn ist das letztere, so sind die Teile, die aufgefat werden (die Steine derselben bereinander) nur dunkel vorgestellt, und ihre Vorstellung tut keine Wirkung auf das sthetische Urteil des Subjekts. Ist aber das erstere, so bedarf das Auge einige Zeit, um die Auffassung von der Grundflche bis zur Spitze zu vollenden ; in dieser aber erlschen immer zum Teil die ersteren, ehe die Einbildungskraft die letzteren aufgenommen hat, und die Zusammenfassung ist nie vollstndig. Ebendasselbe kann auch hinreichen, die Bestrzung, oder Art von Verlegenheit, die, wie man erzhlt, den Zuschauer in der St. Peterskirche in Rom beim ersten Eintritt anwandelt, zu erklren. Denn es ist hier ein Gefhl der Unangemessenheit seiner Einbildungskraft fr die Idee eines Ganzen, um sie darzustellen, worin die Einbildungskraft ihr Maximum erreicht, und, bei der Bestrebung, es zu erweitern, in sich selbst zurcksinkt, dadurch aber in ein rhrendes Wohlgefallen versetzt wird.

Ich will jetzt noch nichts von dem Grunde dieses Wohlgefallens anfhren, welches mit einer Vorstellung, wovon man es am wenigsten erwarten sollte, die nmlich uns die Unangemessenheit, folglich auch subjektive Unzweckmigkeit der Vorstellung fr die Urteilskraft in der Grenschtzung merken lt, verbunden ist ; sondern bemerke nur, da, wenn das sthetische Urteil rein (mit keinem teleologischen als Vernunfturteile vermischt) und daran ein der Kritik der sthetischen Urteilskraft vllig anpassendes Beispiel gegeben werden soll, man nicht das Erhabene an Kunstprodukten (z. B. Gebuden, Sulen, usw.), wo ein menschlicher Zweck die Form sowohl als die Gre bestimmt, noch an Naturdingen, deren Begriff schon einen bestimmten Zweck bei sich fhrt (z. B. Tieren von bekannter Naturbestimmung), sondern an der rohen Natur (und an dieser sogar nur, sofern sie fr sich keinen Reiz, oder Rhrung aus wirklicher Gefahr, bei sich fhrt), blo sofern sie Gre enthlt, aufzeigen msse. Denn in dieser Art der Vorstellung enthlt die Natur nichts, was ungeheuer (noch was prchtig oder grlich) wre ; die Gre, die aufgefat wird, mag so weit angewachsen sein, als man will, wenn sie nur durch Einbildungskraft in ein Ganzes zusammengefat werden kann. Ungeheuer ist ein Gegenstand, wenn er durch seine Gre den Zweck, der den Begriff desselben ausmacht, vernichtet. Kolossalisch aber wird die bloe Darstellung eines Begriffs genannt, der fr alle Darstellung beinahe zu gro ist (an das relativ Ungeheure grenzt) ; weil der Zweck der Darstellung eines Begriffs dadurch, da die Anschauung des Gegenstandes fr unser Auffassungsvermgen beinahe zu gro ist, erschwert wird. Ein reines Urteil ber das Erhabene aber mu gar keinen Zweck des Objekts zum Beistimmungsgrunde haben, wenn es sthetisch und nicht mit irgendeinem Verstandes- oder Vernunfturteile vermengt sein soll.

 

***

 

Weil alles, was der blo reflektierenden Urteilskraft ohne Interesse gefallen soll, in seiner Vorstellung subjektive und als solche allgemein-gltige Zweckmigkeit bei sich fhren mu, gleichwohl aber hier keine Zweckmigkeit der Form des Gegenstandes (wie beim Schnen) der Beurteilung zum Grunde liegt ; so fragt sich : welches ist diese subjektive Zweckmigkeit ? und wodurch wird sie als Norm vorgeschrieben, um in der bloen Grenschtzung, und zwar der, welche gar bis zur Unangemessenheit unseres Vermgens der Einbildungskraft in Darstellung des Begriffs von einer Gre getrieben worden, einen Grund zum allgemeingltigen Wohlgefallen abzugeben ?

Die Einbildungskraft schreitet in der Zusammensetzung, die zur Grenvorstellung erforderlich ist, von selbst, ohne da ihr etwas hinderlich wre, ins Unendliche fort ; der Verstand aber leitet sie durch Zahlbegriffe, wozu jene das Schema hergeben mu : und in diesem Verfahren, als zur logischen Grenschtzung gehrig, ist zwar etwas objektiv Zweckmiges nach dem Begriffe von einem Zwecke (dergleichen jede Ausmessung ist), aber nichts fr die sthetische Urteilskraft Zweckmiges und Gefallendes. Es ist auch in dieser absichtlichen Zweckmigkeit nichts, was die Gre des Maes, mithin der Zusammenfassung des vielen in eine Anschauung bis zur Grenze des Vermgens der Einbildungskraft, und so weit, wie diese in Darstellungen nur immer reichen mag, zu treiben ntigte. Denn in der Verstandesschtzung der Gren (der Arithmetik) kommt man ebensoweit, ob man die Zusammenfassung der Einheiten bis zur Zahl 10 (in der Dekadik), oder nur bis 4 (in der Tetraktik) treibt ; die weitere Grenerzeugung aber im Zusammensetzen, oder, wenn das Quantum in der Anschauung gegeben ist, im Auffassen, blo progressiv (nicht komprehensiv) nach einem angenommenen Progressionsprinzip verrichtet. Der Verstand wird in dieser mathematischen Grenschtzung ebensogut bedient und befriedigt, ob die Einbildungskraft zur Einheit eine Gre, die man in einem Blick fassen kann, z. B. einen Fu oder Rute, oder ob sie eine deutsche Meile, oder gar einen Erddurchmesser, deren Auffassung zwar, aber nicht die Zusammenfassung in eine Anschauung der Einbildungskraft (nicht durch die comprehensio aesthetica, obzwar gar wohl durch comprehensio logica in einen Zahlbegriff) mglich ist, whle. In beiden Fllen geht die logische Grenschtzung ungehindert ins Unendliche.

Nun aber hrt das Gemt in sich auf die Stimme der Vernunft, welche zu allen gegebenen Gren, selbst denen, die zwar niemals ganz aufgefat werden knnen, gleichwohl aber (in der sinnlichen Vorstellung) als ganz gegeben beurteilt werden, Totalitt fordert, mithin Zusammenfassung in eine Anschauung, und fr alle jene Glieder einer fortschreitend-wachsenden Zahlreihe Darstellung verlangt, und selbst das Unendliche (Raum und verflossene Zeit) von dieser Forderung nicht ausnimmt, vielmehr es unvermeidlich macht, sich dasselbe (in dem Urteile der gemeinen Vernunft) als ganz (seiner Totalitt nach) gegeben zu denken.

Das Unendliche aber ist schlechthin (nicht blo komparativ) gro. Mit diesem verglichen, ist alles andere (von derselben Art Gren) klein. Aber, was das Vornehmste ist, es als ein Ganzes auch nur denken zu knnen, zeigt ein Vermgen des Gemts an, welches allen Mastab der Sinne bertrifft. Denn dazu wrde eine Zusammenfassung erfordert werden, welche einen Mastab als Einheit lieferte, der zum Unendlichen ein bestimmtes, in Zahlen angebliches Verhltnis htte : welches unmglich ist. Das gegebene Unendliche aber dennoch ohne Widerspruch auch nur denken zu knnen, dazu wird ein Vermgen, das selbst bersinnlich ist, im menschlichen Gemte erfordert. Denn nur durch dieses und dessen Idee eines Noumenons, welches selbst keine Anschauung verstattet, aber doch der Weltanschauung, als bloer Erscheinung, zum Substrat untergelegt wird, wird das Unendliche der Sinnenwelt in der reinen intellektuellen Grenschtzung unter einem Begriffe ganz zusammengefat, obzwar es in der mathematischen durch Zahlenbegriffe nie ganz gedacht werden kann. Selbst ein Vermgen, sich das Unendliche der bersinnlichen Anschauung, als (in seinem intelligibelen Substrat) gegeben, denken zu knnen, bertrifft allen Mastab der Sinnlichkeit, und ist ber alle Vergleichung selbst mit dem Vermgen der mathematischen Schtzung gro ; freilich wohl nicht in theoretischer Absicht zum Behuf des Erkenntnisvermgens, aber doch als Erweiterung des Gemts, welches die Schranken der Sinnlichkeit in anderer (der praktischen) Absicht zu berschreiten sich vermgend fhlt.

Erhaben ist also die Natur in derjenigen ihrer Erscheinungen, deren Anschauung die Idee ihrer Unendlichkeit bei sich fhrt. Dieses letztere kann nun nicht anders geschehen, als durch die Unangemessenheit selbst der grten Bestrebung unserer Einbildungskraft in der Grenschtzung eines Gegenstandes. Nun ist aber fr die mathematische Grenschtzung die Einbildungskraft jedem Gegenstande gewachsen, um fr dieselbe ein hinlngliches Ma zu geben, weil die Zahlbegriffe des Verstandes, durch Progression, jedes Ma einer jeden gegebenen Gre angemessen machen knnen. Also mu es die sthetische Grenschtzung sein, in welcher die Bestrebung zur Zusammenfassung, die das Vermgen der Einbildungskraft berschreitet, die progressive Auffassung in ein Ganzes der Anschauung zu begreifen gefhlt, und dabei zugleich die Unangemessenheit dieses im Fortschreiten unbegrenzten Vermgens wahrgenommen wird, ein mit dem mindesten Aufwande des Verstandes zur Grenschtzung taugliches Grundma zu fassen und zur Grenschtzung zu gebrauchen. Nun ist das eigentliche unvernderliche Grundma der Natur das absolute Ganze derselben, welches, bei ihr als Erscheinung, zusammengefate Unendlichkeit ist. Da aber dieses Grundma ein sich selbst widersprechender Begriff ist (wegen der Unmglichkeit der absoluten Totalitt eines Progressus ohne Ende) ; so mu diejenige Gre eines Naturobjekts, an welcher die Einbildungskraft ihr ganzes Vermgen der Zusammenfassung fruchtlos verwendet, den Begriff der Natur auf ein bersinnliches Substrat (welches ihr und zugleich unserm Vermgen zu denken zum Grunde liegt) fhren, welches ber allen Mastab der Sinne gro ist, und daher nicht sowohl den Gegenstand, als vielmehr die Gemtsstimmung in Schtzung desselben, als erhaben beurteilen lt.

Also, gleichwie die sthetische Urteilskraft in Beurteilung des Schnen die Einbildungskraft in ihrem freien Spiele auf den Verstand bezieht, um mit dessen Begriffen berhaupt (ohne Bestimmung derselben) zusammenzustimmen ; so bezieht sich dasselbe Vermgen in Beurteilung eines Dinges als erhabenen auf die Vernunft, um zu deren Ideen (unbestimmt welchen) subjektiv bereinzustimmen, d. i. eine Gemtsstimmung hervorzubringen, welche derjenigen gem und mit ihr vertrglich ist, die der Einflu bestimmter Ideen (praktischer) auf das Gefhl bewirken wrde.

Man sieht hieraus auch, da die wahre Erhabenheit nur im Gemte des Urteilenden, nicht in dem Naturobjekte, dessen Beurteilung diese Stimmung desselben veranlat, msse gesucht werden. Wer wollte auch ungestalte Gebirgsmassen, in wilder Unordnung bereinander getrmt, mit ihren Eispyramiden, oder die dstere tobende See, usw. erhaben nennen ? Aber das Gemt fhlt sich in seiner eigenen Beurteilung gehoben, wenn es, indem es sich in der Betrachtung derselben, ohne Rcksicht auf ihre Form, der Einbildungskraft, und einer obschon ganz ohne bestimmten Zweck damit in Verbindung gesetzten, jene blo erweiternden Vernunft, berlt, die ganze Macht der Einbildungskraft dennoch ihren Ideen unangemessen findet.

Beispiele vom Mathematisch-Erhabenen der Natur in der bloen Anschauung liefern uns alle die Flle, wo uns nicht sowohl ein grerer Zahlbegriff, als vielmehr groe Einheit als Ma (zu Verkrzung der Zahlreihen) fr die Einbildungskraft gegeben wird. Ein Baum, den wir nach Mannshhe schtzen, gibt allenfalls einen Mastab fr einen Berg ; und, wenn dieser etwa eine Meile hoch wre, kann er zur Einheit fr die Zahl, welche den Erddurchmesser ausdrckt, dienen, um den letzteren anschaulich zu machen ; der Erddurchmesser, fr das uns bekannte Planetensystem, dieses fr das der Milchstrae ; und die unermeliche Menge solcher Milchstraensysteme unter dem Namen der Nebelsterne, welche vermutlich wiederum ein dergleichen System unter sich ausmachen, lassen uns hier keine Grenzen erwarten. Nun liegt das Erhabene, bei der sthetischen Beurteilung eines so unermelichen Ganzen, nicht sowohl in der Gre der Zahl, als darin, da wir im Fortschritte immer auf desto grere Einheiten gelangen ; wozu die systematische Abteilung des Weltgebudes beitrgt, die uns alles Groe in der Natur immer wiederum als klein, eigentlich aber unsere Einbildungskraft in ihrer ganzen Grenzlosigkeit, und mit ihr die Natur als gegen die Ideen der Vernunft, wenn sie eine ihnen angemessene Darstellung verschaffen soll, verschwindend vorstellt.

 

27

Von der Qualitt des Wohlgefallens in der Beurteilung des Erhabenen

Das Gefhl der Unangemessenheit unseres Vermgens zur Erreichung einer Idee, die fr uns Gesetz ist, ist Achtung. Nun ist die Idee der Zusammenfassung einer jeden Erscheinung, die uns gegeben werden mag, in die Anschauung eines Ganzen, eine solche welche uns durch ein Gesetz der Vernunft auferlegt ist, die kein anderes bestimmtes fr jedermann gltiges und unvernderliches Ma erkennt, als das Absolut-Ganze. Unsere Einbildungskraft aber beweiset, selbst in ihrer grten Anstrengung, in Ansehung der von ihr verlangten Zusammenfassung eines gegebenen Gegenstandes in ein Ganzes der Anschauung (mithin zur Darstellung der Idee der Vernunft) ihre Schranken und Unangemessenheit, doch aber zugleich ihre Bestimmung zur Bewirkung der Angemessenheit mit derselben als einem Gesetze. Also ist das Gefhl des Erhabenen in der Natur Achtung fr unsere eigene Bestimmung, die wir einem Objekte der Natur durch eine gewisse Subreption (Verwechselung einer Achtung fr das Objekt statt der fr die Idee der Menschheit in unserm Subjekte) beweisen, welches uns die berlegenheit der Vernunftbestimmung unserer Erkenntnisvermgen ber das grte Vermgen der Sinnlichkeit gleichsam anschaulich macht.

Das Gefhl des Erhabenen ist also ein Gefhl der Unlust, aus der Unangemessenheit der Einbildungskraft in der sthetischen Grenschtzung, zu der Schtzung durch die Vernunft, und eine dabei zugleich erweckte Lust, aus der bereinstimmung eben dieses Urteils der Unangemessenheit des grten sinnlichen Vermgens mit Vernunftideen, sofern die Bestrebung zu denselben doch fr uns Gesetz ist. Es ist nmlich fr uns Gesetz (der Vernunft) und gehrt zu unserer Bestimmung, alles, was die Natur als Gegenstand der Sinne fr uns Groes enthlt, in Vergleichung mit Ideen der Vernunft fr klein zu schtzen ; und, was das Gefhl dieser bersinnlichen Bestimmung in uns rege macht, stimmt zu jenem Gesetze zusammen. Nun ist die grte Bestrebung der Einbildungskraft in Darstellung der Einheit fr die Grenschtzung eine Beziehung auf etwas Absolut-Groes, folglich auch eine Beziehung auf das Gesetz der Vernunft, dieses allein zum obersten Mae der Gren anzunehmen. Also ist die innere Wahrnehmung der Unangemessenheit alles sinnlichen Mastabes zur Grenschtzung der Vernunft eine bereinstimmung mit Gesetzen derselben, und eine Unlust, welche das Gefhl unserer bersinnlichen Bestimmung in uns rege macht, nach welcher es zweckmig, mithin Lust ist, jeden Mastab der Sinnlichkeit den Ideen der Vernunft unangemessen zu finden.

Das Gemt fhlt sich in der Vorstellung des Erhabenen in der Natur bewegt : da es in dem sthetischen Urteile ber das Schne derselben in ruhiger Kontemplation ist. Diese Bewegung kann (vornehmlich in ihrem Anfange) mit einer Erschtterung verglichen werden, d. i. mit einem schnellwechselnden Abstoen und Anziehen ebendesselben Objekts. Das berschwengliche fr die Einbildungskraft (bis zu welchem sie in der Auffassung der Anschauung getrieben wird) ist gleichsam ein Abgrund, worin sie sich selbst zu verlieren frchtet ; aber doch auch fr die Idee der Vernunft vom bersinnlichen nicht berschwenglich, sondern gesetzmig, eine solche Bestrebung der Einbildungskraft hervorzubringen : mithin in eben dem Mae wiederum anziehend, als es fr die bloe Sinnlichkeit abstoend war. Das Urteil selber bleibt aber hiebei immer nur sthetisch, weil es, ohne einen bestimmten Begriff vom Objekte zum Grunde zu haben, blo das subjektive Spiel der Gemtskrfte (Einbildungskraft und Vernunft) selbst durch ihren Kontrast als harmonisch vorstellt. Denn, so wie Einbildungskraft und Verstand in der Beurteilung des Schnen durch ihre Einhelligkeit, so bringen Einbildungskraft und Vernunft hier durch ihren Widerstreit, subjektive Zweckmigkeit der Gemtskrfte hervor : nmlich ein Gefhl, da wir reine selbstndige Vernunft haben, oder ein Vermgen der Grenschtzung, dessen Vorzglichkeit durch nichts anschaulich gemacht werden kann, als durch die Unzulnglichkeit desjenigen Vermgens, welches in Darstellung der Gren (sinnlicher Gegenstnde) selbst unbegrenzt ist.

Messung eines Raums (als Auffassung) ist zugleich Beschreibung desselben, mithin objektive Bewegung in der Einbildung und ein Progressus ; die Zusammenfassung der Vielheit in die Einheit, nicht des Gedankens, sondern der Anschauung, mithin des Sukzessiv-Aufgefaten in einen Augenblick, ist dagegen ein Regressus, der die Zeitbedingung im Progressus der Einbildungskraft wieder aufhebt und das Zugleichsein anschaulich macht. Sie ist also (da die Zeitfolge eine Bedingung des innern Sinnes und einer Anschauung ist) eine subjektive Bewegung der Einbildungskraft, wodurch sie dem innern Sinne Gewalt antut, die desto merklicher sein mu, je grer das Quantum ist, welches die Einbildungskraft in eine Anschauung zusammenfat. Die Bestrebung also, ein Ma fr Gren in eine einzelne Anschauung aufzunehmen, welches aufzufassen merkliche Zeit erfordert, ist eine Vorstellungsart, welche, subjektiv betrachtet, zweckwidrig ; objektiv aber zur Grenschtzung erforderlich, mithin zweckmig ist : wobei aber doch eben dieselbe Gewalt, die dem Subjekte durch die Einbildungskraft widerfhrt, fr die ganze Bestimmung des Gemts als zweckmig beurteilt wird.

Die Qualitt des Gefhls des Erhabenen ist : da sie ein Gefhl der Unlust ber das sthetische Beurteilungsvermgen an einem Gegenstande ist, die darin doch zugleich als zweckmig vorgestellt wird ; welches dadurch mglich ist, da das eigne Unvermgen das Bewutsein eines unbeschrnkten Vermgens desselben Subjekts entdeckt, und das Gemt das letztere nur durch das erstere sthetisch beurteilen kann.

In der logischen Grenschtzung ward die Unmglichkeit, durch den Progressus der Messung der Dinge der Sinnenwelt in Zeit und Raum jemals zur absoluten Totalitt zu gelangen, fr objektiv, d. i. eine Unmglichkeit, das Unendliche als blo gegeben zu denken, und nicht als blo subjektiv, d. i. als Unvermgen, es zu fassen, erkannt : weil da auf den Grad der Zusammenfassung in eine Anschauung, als Ma, gar nicht gesehen wird, sondern alles auf einen Zahlbegriff ankommt. Allein in einer sthetischen Grenschtzung mu der Zahlbegriff wegfallen oder verndert werden, und die Komprehension der Einbildungskraft zur Einheit des Maes (mithin mit Vermeidung der Begriffe von einem Gesetze der sukzessiven Erzeugung der Grenbegriffe) ist allein fr sie zweckmig. Wenn nun eine Gre beinahe das uerste unseres Vermgens der Zusammenfassung in eine Anschauung erreicht, und die Einbildungskraft doch durch Zahlgren (fr die wir uns unseres Vermgens als unbegrenzt bewut sind) zur sthetischen Zusammenfassung in eine grere Einheit aufgefordert wird, so fhlen wir uns im Gemt als sthetisch in Grenzen eingeschlossen ; aber die Unlust wird doch, in Hinsicht auf die notwendige Erweiterung der Einbildungskraft zur Angemessenheit mit dem, was in unserm Vermgen der Vernunft unbegrenzt ist, nmlich der Idee des absoluten Ganzen, mithin die Unzweckmigkeit des Vermgens der Einbildungskraft doch fr Vernunftideen und deren Erweckung als zweckmig vorgestellt. Eben dadurch wird aber das sthetische Urteil selbst subjektiv-zweckmig fr die Vernunft, als Quell der Ideen, d. i. einer solchen intellektuellen Zusammenfassung, fr die alle sthetische klein ist ; und der Gegenstand wird als erhaben mit einer Lust aufgenommen, die nur vermittelst einer Unlust mglich ist.

 

 

B. Vom Dynamisch-Erhabenen der Natur

 

28

Von der Natur als einer Macht

Macht ist ein Vermgen, welches groen Hindernissen berlegen ist. Ebendieselbe heit eine Gewalt, wenn sie auch dem Widerstande dessen, was selbst Macht besitzt, berlegen ist. Die Natur im sthetischen Urteile als Macht, die ber uns keine Gewalt hat, betrachtet, ist dynamisch-erhaben.

Wenn von uns die Natur dynamisch als erhaben beurteilt werden soll, so mu sie als Furcht erregend vorgestellt werden (obgleich nicht umgekehrt, jeder Furcht erregende Gegenstand in unserm sthetischen Urteile erhaben gefunden wird). Denn in der sthetischen Beurteilung (ohne Begriff) kann die berlegenheit ber Hindernisse nur nach der Gre des Widerstandes beurteilt werden. Nun ist aber das, dem wir zu widerstehen bestrebt sind, ein bel, und, wenn wir unser Vermgen demselben nicht gewachsen finden, ein Gegenstand der Furcht. Also kann fr die sthetische Urteilskraft die Natur nur sofern als Macht, mithin dynamisch-erhaben gelten, sofern sie als Gegenstand der Furcht betrachtet wird.

Man kann aber einen Gegenstand als furchtbar betrachten, ohne sich vor ihm zu frchten, wenn wir ihn nmlich so beurteilen, da wir uns blo den Fall denken, da wir ihm etwa Widerstand tun wollten, und da alsdann aller Widerstand bei weitem vergeblich sein wrde. So frchtet der Tugendhafte Gott, ohne sich vor ihm zu frchten, weil er ihm und seinen Geboten widerstehen zu wollen, sich als keinen von ihm besorglichen Fall denkt. Aber auf jeden solchen Fall, den er als an sich nicht unmglich denkt, erkennt er ihn als furchtbar.

Wer sich frchtet, kann ber das Erhabene der Natur gar nicht urteilen, so wenig als der, welcher durch Neigung und Appetit eingenommen ist, ber das Schne. Jener fliehet den Anblick eines Gegenstandes, der ihm Scheu einjagt ; und es ist unmglich, an einem Schrecken, der ernstlich gemeint wre, Wohlgefallen zu finden. Daher ist die Annehmlichkeit aus dem Aufhren einer Beschwerde das Frohsein. Dieses aber, wegen der Befreiung von einer Gefahr, ist ein Frohsein mit dem Vorsatze, sich derselben nie mehr auszusetzen ; ja man mag an jene Empfindung nicht einmal gerne zurckdenken, weit gefehlt, da man die Gelegenheit dazu selbst aufsuchen sollte.

Khne berhangende gleichsam drohende Felsen, am Himmel sich auftrmende Donnerwolken, mit Blitzen und Krachen einherziehend, Vulkane in ihrer ganzen zerstrenden Gewalt, Orkane mit ihrer zurckgelassenen Verwstung, der grenzenlose Ozean, in Emprung gesetzt, ein hoher Wasserfall eines mchtigen Flusses u. dgl. machen unser Vermgen zu widerstehen, in Vergleichung mit ihrer Macht, zur unbedeutenden Kleinigkeit. Aber ihr Anblick wird nur um desto anziehender, je furchtbarer er ist, wenn wir uns nur in Sicherheit befinden ; und wir nennen diese Gegenstnde gern erhaben, weil sie die Seelenstrke ber ihr gewhnliches Mittelma erhhen, und ein Vermgen zu widerstehen von ganz anderer Art in uns entdecken lassen, welches uns Mut macht, uns mit der scheinbaren Allgewalt der Natur messen zu knnen.

Denn, so wie wir zwar an der Unermelichkeit der Natur, und der Unzulnglichkeit unseres Vermgens einen der sthetischen Grenschtzung ihres Gebiets proportionierten Mastab zu nehmen, unsere eigene Einschrnkung, gleichwohl aber doch auch an unserm Vernunftvermgen zugleich einen andern nicht-sinnlichen Mastab, welcher jene Unendlichkeit selbst als Einheit unter sich hat, gegen den alles in der Natur klein ist, mithin in unserm Gemte eine berlegenheit ber die Natur selbst in ihrer Unermelichkeit fanden : so gibt auch die Unwiderstehlichkeit ihrer Macht uns, als Naturwesen betrachtet, zwar unsere physische Ohnmacht zu erkennen, aber entdeckt zugleich ein Vermgen, uns als von ihr unabhngig zu beurteilen, und eine berlegenheit ber die Natur, worauf sich eine Selbsterhaltung von ganz andrer Art grndet, als diejenige ist, die von der Natur auer uns angefochten und in Gefahr gebracht werden kann, wobei die Menschheit in unserer Person unerniedrigt bleibt, obgleich der Mensch jener Gewalt unterliegen mte. Auf solche Weise wird die Natur in unserm sthetischen Urteile nicht, sofern sie furchterregend ist, als erhaben beurteilt, sondern weil sie unsere Kraft (die nicht Natur ist) in uns aufruft, um das, wofr wir besorgt sind (Gter Gesundheit und Leben) als klein, und daher ihre Macht (der wir in Ansehung dieser Stcke allerdings unterworfen sind) fr uns und unsere Persnlichkeit demungeachtet doch fr keine solche Gewalt anzusehen, unter die wir uns zu beugen htten, wenn es auf unsre hchste Grundstze und deren Behauptung oder Verlassung ankme. Also heit die Natur hier erhaben, blo weil sie die Einbildungskraft zu Darstellung derjenigen Flle erhebt, in welchen das Gemt die eigene Erhabenheit seiner Bestimmung, selbst ber die Natur, sich fhlbar machen kann.

Diese Selbstschtzung verliert dadurch nichts, da wir uns sicher sehen mssen, um dieses begeisternde Wohlgefallen zu empfinden ; mithin, weil es mit der Gefahr nicht Ernst ist, es auch (wie es scheinen mchte) mit der Erhabenheit unseres Geistesvermgens ebensowenig Ernst sein mchte. Denn das Wohlgefallen betrifft hier nur die sich in solchem Falle entdeckende Bestimmung unseres Vermgens, so wie die Anlage zu demselben in unserer Natur ist ; indessen da die Entwickelung und bung desselben uns berlassen und abliegend bleibt. Und hierin ist Wahrheit ; so sehr sich auch der Mensch, wenn er seine Reflexion bis dahin erstreckt, seiner gegenwrtigen wirklichen Ohnmacht bewut sein mag.

Dieses Prinzip scheint zwar zu weit hergeholt und vernnftelt, mithin fr ein sthetisches Urteil berschwenglich zu sein ; allein die Beobachtung des Menschen beweiset das Gegenteil, und da es den gemeinsten Beurteilungen zum Grunde liegen kann, ob man sich gleich desselben nicht immer bewut ist. Denn was ist das, was selbst dem Wilden ein Gegenstand der grten Bewunderung ist ? Ein Mensch, der nicht erschrickt, der sich nicht frchtet, also der Gefahr nicht weicht, zugleich aber mit vlliger berlegung rstig zu Werke geht. Auch im aller-gesittetsten Zustande bleibt diese vorzgliche Hochachtung fr den Krieger ; nur da man noch dazu verlangt, da er zugleich alle Tugenden des Friedens, Sanftmut, Mitleid, und selbst geziemende Sorgfalt fr seine eigne Person beweise : eben darum, weil daran die Unbezwinglichkeit seines Gemts durch Gefahr erkannt wird. Daher mag man noch so viel in der Vergleichung des Staatsmanns mit dem Feldherrn ber die Vorzglichkeit der Achtung, die einer vor dem andern verdient, streiten ; das sthetische Urteil entscheidet fr den letztern. Selbst der Krieg, wenn er mit Ordnung und Heiligachtung der brgerlichen Rechte gefhrt wird, hat etwas Erhabenes an sich, und macht zugleich die Denkungsart des Volks, welches ihn auf diese Art fhrt, nur um desto erhabener, je mehreren Gefahren es ausgesetzt war, und sich mutig darunter hat behaupten knnen : da hingegen ein langer Frieden den bloen Handelsgeist, mit ihm aber den niedrigen Eigennutz, Feigheit und Weichlichkeit herrschend zu machen, und die Denkungsart des Volks zu erniedrigen pflegt.

Wider diese Auflsung des Begriffs des Erhabenen, sofern dieses der Macht beigelegt wird, scheint zu streiten : da wir Gott im Ungewitter, im Sturm, im Erdbeben u. dgl. als im Zorn, zugleich aber auch in seiner Erhabenheit sich darstellend vorstellig zu machen pflegen, wobei doch die Einbildung einer berlegenheit unseres Gemts ber die Wirkungen, und, wie es scheint, gar ber die Absichten einer solchen Macht, Torheit und Frevel zugleich sein wrde. Hier scheint kein Gefhl der Erhabenheit unserer eigenen Natur, sondern vielmehr Unterwerfung, Niedergeschlagenheit und Gefhl der gnzlichen Ohnmacht die Gemtsstimmung zu sein, die sich fr die Erscheinung eines solchen Gegenstandes schickt, und auch gewhnlichermaen mit der Idee desselben bei dergleichen Naturbegebenheit verbunden zu sein pflegt. In der Religion berhaupt scheint Niederwerfen, Anbetung mit niederhngendem Haupte, mit zerknirschten, angstvollen Gebrden und Stimmen, das einzig schickliche Benehmen in Gegenwart der Gottheit zu sein, welches daher auch die meisten Vlker angenommen haben und noch beobachten. Allein diese Gemtsstimmung ist auch bei weitem nicht mit der Idee der Erhabenheit einer Religion und ihres Gegenstandes an sich und notwendig verbunden. Der Mensch, der sich wirklich frchtet, weil er dazu in sich Ursache findet, indem er sich bewut ist, mit seiner verwerflichen Gesinnung wider eine Macht zu verstoen, deren Wille unwiderstehlich und zugleich gerecht ist, befindet sich gar nicht in der Gemtsverfassung, um die gttliche Gre zu bewundern, wozu eine Stimmung zur ruhigen Kontemplation und ganz freies Urteil erforderlich ist. Nur alsdann, wenn er sich seiner aufrichtigen gottgeflligen Gesinnung bewut ist, dienen jene Wirkungen der Macht, in ihm die Idee der Erhabenheit dieses Wesens zu erwecken, sofern er eine dessen Willen geme Erhabenheit der Gesinnung bei sich selbst erkennt, und dadurch ber die Furcht vor solchen Wirkungen der Natur, die er nicht als Ausbrche seines Zorns ansieht, erhoben wird. Selbst die Demut, als unnachsichtliche Beurteilung seiner Mngel, die sonst, beim Bewutsein guter Gesinnungen, leicht mit der Gebrechlichkeit der menschlichen Natur bemntelt werden knnten, ist eine erhabene Gemtsstimmung, sich willkrlich dem Schmerze der Selbstverweise zu unterwerfen, um die Ursache dazu nach und nach zu vertilgen. Auf solche Weise allein unterscheidet sich innerlich Religion von Superstition ; welche letztere nicht Ehrfurcht fr das Erhabene, sondern Furcht und Angst vor dem bermchtigen Wesen, dessen Willen der erschreckte Mensch sich unterworfen sieht, ohne ihn doch hochzuschtzen, im Gemte grndet : woraus denn freilich nichts als Gunstbewerbung und Einschmeichelung, statt einer Religion des guten Lebenswandels entspringen kann.

Also ist die Erhabenheit in keinem Dinge der Natur, sondern nur in unserm Gemte enthalten, sofern wir der Natur in uns, und dadurch auch der Natur (sofern sie auf uns einfliet) auer uns, berlegen zu sein uns bewut werden knnen. Alles, was dieses Gefhl in uns erregt, wozu die Macht der Natur gehrt, welche unsere Krfte auffordert, heit alsdenn (obzwar uneigentlich) erhaben ; und nur unter der Voraussetzung dieser Idee in uns, und in Beziehung auf sie, sind wir fhig, zur Idee der Erhabenheit desjenigen Wesens zu gelangen, welches nicht blo durch seine Macht, die es in der Natur beweiset, innige Achtung in uns wirkt, sondern noch mehr durch das Vermgen, welches in uns gelegt ist, jene ohne Furcht zu beurteilen, und unsere Bestimmung als ber dieselbe erhaben zu denken.

 

29

Von der Modalitt des Urteils ber das Erhabene der Natur

Es gibt unzhlige Dinge der schnen Natur, worber wir Einstimmigkeit des Urteils mit dem unsrigen jedermann geradezu ansinnen, und auch, ohne sonderlich zu fehlen, erwarten knnen ; aber mit unserm Urteile ber das Erhabene in der Natur knnen wir uns nicht so leicht Eingang bei andern versprechen. Denn es scheint eine bei weitem grere Kultur, nicht blo der sthetischen Urteilskraft, sondern auch der Erkenntnisvermgen, die ihr zum Grunde liegen, erforderlich zu sein, um ber diese Vorzglichkeit der Naturgegenstnde ein Urteil fllen zu knnen.

Die Stimmung des Gemts zum Gefhl des Erhabenen erfordert eine Empfnglichkeit desselben fr Ideen ; denn eben in der Unangemessenheit der Natur zu den letztern, mithin nur unter der Voraussetzung derselben und der Anspannung der Einbildungskraft, die Natur als ein Schema fr die letztern zu behandeln, besteht das Abschreckende fr die Sinnlichkeit, welches doch zugleich anziehend ist : weil es eine Gewalt ist, welche die Vernunft auf jene ausbt, nur um sie ihrem eigentlichen Gebiete (dem praktischen) angemessen zu erweitern, und sie auf das Unendliche hinausgehen zu lassen, welches fr jene ein Abgrund ist. In der Tat wird ohne Entwickelung sittlicher Ideen das, was wir, durch Kultur vorbereitet, erhaben nennen, dem rohen Menschen blo abschreckend vorkommen. Er wird an den Beweistmern der Gewalt der Natur in ihrer Zerstrung und dem groen Mastabe ihrer Macht, wogegen die seinige in nichts verschwindet, lauter Mhseligkeit, Gefahr und Not sehen, die den Menschen umgeben wrden, der dahin gebannt wre. So nannte der gute, brigens verstndige savoyische Bauer (wie Hr. v. Saussure erzhlt), alle Liebhaber der Eisgebirge ohne Bedenken Narren. Wer wei auch, ob er so ganz Unrecht gehabt htte, wenn jener Beobachter die Gefahren, denen er sich hier aussetzte, blo, wie die meisten Reisenden pflegen, aus Liebhaberei, oder um dereinst pathetische Beschreibungen davon geben zu knnen, bernommen htte ? So aber war seine Absicht, Belehrung der Menschen ; und die seelenerhebende Empfindung hatte und gab der vortreffliche Mann den Lesern seiner Reisen in ihren Kauf obenein.

Darum aber, weil das Urteil ber das Erhabene der Natur Kultur bedarf (mehr als das ber das Schne), ist es doch dadurch nicht eben von der Kultur zuerst erzeugt, und etwa blo konventionsmig in der Gesellschaft eingefhrt ; sondern es hat seine Grundlage in der menschlichen Natur, und zwar demjenigen, was man mit dem gesunden Verstande zugleich jedermann ansinnen und von ihm fordern kann, nmlich in der Anlage zum Gefhl fr (praktische) Ideen, d. i. zu dem moralischen.

Hierauf grndet sich nun die Notwendigkeit der Beistimmung des Urteils anderer vom Erhabenen zu dem unsrigen, welche wir in diesem zugleich mit einschlieen. Denn, so wie wir dem, der in der Beurteilung eines Gegenstandes der Natur, welchen wir schn finden, gleichgltig ist, Mangel des Geschmacks vorwerfen ; so sagen wir von dem, der bei dem, was wir erhaben zu sein urteilen, unbewegt bleibt, er habe kein Gefhl. Beides aber fordern wir von jedem Menschen, und setzen es auch, wenn er einige Kultur hat, an ihm voraus : nur mit dem Unterschiede, da wir das erstere, weil die Urteilskraft darin die Einbildung blo auf den Verstand, als Vermgen der Begriffe, bezieht, geradezu von jedermann ; das zweite aber, weil sie darin die Einbildungskraft auf Vernunft, als Vermgen der Ideen, bezieht, nur unter einer subjektiven Voraussetzung (die wir aber jedermann ansinnen zu drfen uns berechtigt glauben), fordern, nmlich der des moralischen Gefhls im Menschen, und hiemit auch diesem sthetischen Urteile Notwendigkeit beilegen.

In dieser Modalitt der sthetischen Urteile, nmlich der angematen Notwendigkeit derselben, liegt ein Hauptmoment fr die Kritik der Urteilskraft. Denn die macht eben an ihnen ein Prinzip a priori kenntlich, und erhebt sie aus der empirischen Psychologie, in welcher sie sonst unter den Gefhlen des Vergngens und Schmerzens (nur mit dem nichtssagenden Beiwort eines feinern Gefhls) begraben bleiben wrden, um sie, und vermittelst ihrer die Urteilskraft, in die Klasse derer zu stellen, welche Prinzipien a priori zum Grunde haben, als solche aber sie in die Transzendentalphilosophie hinberzuziehen.

 

 

Allgemeine Anmerkung zur Exposition der sthetischen reflektierenden Urteile

 

In Beziehung auf das Gefhl der Lust ist ein Gegenstand entweder zum Angenehmen, oder Schnen, oder Erhabenen, oder Guten (schlechthin) zu zhlen (iucundum, pulchrum, sublime, honestum).

Das Angenehme ist, als Triebfeder der Begierden, durchgngig von einerlei Art, woher es auch kommen, und wie spezifisch-verschieden auch die Vorstellung (des Sinnes und der Empfindung, objektiv betrachtet) sein mag. Daher kommt es bei der Beurteilung des Einflusses desselben auf das Gemt nur auf die Menge der Reize (zugleich und nacheinander), und gleichsam nur auf die Masse der angenehmen Empfindung an ; und diese lt sich also durch nichts als die Quantitt verstndlich machen. Es kultiviert auch nicht, sondern gehrt zum bloen Genusse. Das Schne erfordert dagegen die Vorstellung einer gewissen Qualitt des Objekts, die sich auch verstndlich machen, und auf Begriffe bringen lt (wiewohl es im sthetischen Urteile darauf nicht gebracht wird) ; und kultiviert, indem es zugleich auf Zweckmigkeit im Gefhle der Lust acht zu haben lehrt. Das Erhabene besteht blo in der Relation, worin das Sinnliche in der Vorstellung der Natur fr einen mglichen bersinnlichen Gebrauch desselben als tauglich beurteilt wird. Das Schlechthin-Gute, subjektiv nach dem Gefhle, welches es einflt, beurteilt (das Objekt des moralischen Gefhls), als die Bestimmbarkeit der Krfte des Subjekts, durch die Vorstellung eines schlechthin-ntigenden Gesetzes, unterscheidet sich vornehmlich durch die Modalitt einer auf Begriffen a priori beruhenden Notwendigkeit, die nicht blo Anspruch, sondern auch Gebot des Beifalls fr jedermann in sich enthlt, und gehrt an sich zwar nicht fr die sthetische, sondern die reine intellektuelle Urteilskraft ; wird auch nicht in einem blo reflektierenden, sondern bestimmenden Urteile, nicht der Natur, sondern der Freiheit beigelegt. Aber die Bestimmbarkeit des Subjekts durch diese Idee, und zwar eines Subjekts, welches in sich an der Sinnlichkeit Hindernisse, zugleich aber berlegenheit aber dieselbe durch die berwindung derselben als Modifikation seines Zustandes empfinden kann, d. i. das moralische Gefhl, ist doch mit der sthetischen Urteilskraft und deren formalen Bedingungen sofern verwandt, da es dazu dienen kann, die Gesetzmigkeit der Handlung aus Pflicht zugleich als sthetisch, d. i. als erhaben, oder auch als schn vorstellig zu machen, ohne an seiner Reinigkeit einzuben : welches nicht stattfindet, wenn man es mit dem Gefhl des Angenehmen in natrliche Verbindung setzen wollte.

Wenn man das Resultat aus der bisherigen Exposition beiderlei Arten sthetischer Urteile zieht, so wrden sich daraus folgende kurze Erklrungen ergeben :

Schn ist das, was in der bloen Beurteilung (also nicht vermittelst der Empfindung des Sinnes nach einem Begriffe des Verstandes) gefllt. Hieraus folgt von selbst, da es ohne alles Interesse gefallen msse.

Erhaben ist das, was durch seinen Widerstand gegen das Interesse der Sinne unmittelbar gefllt.

Beide, als Erklrungen sthetischer allgemeingltiger Beurteilung, beziehen sich auf subjektive Grnde, nmlich einerseits der Sinnlichkeit, so wie sie zu Gunsten des kontemplativen Verstandes ; andererseits wie sie wider dieselbe, dagegen fr die Zwecke der praktischen Vernunft, und doch beide in demselben Subjekte vereinigt, in Beziehung auf das moralische Gefhl zweckmig sind. Das Schne bereitet uns vor, etwas, selbst die Natur, ohne Interesse zu lieben ; das Erhabene, es, selbst wider unser (sinnliches) Interesse, hochzuschtzen.

Man kann des Erhabene so beschreiben : es ist ein Gegenstand (der Natur), dessen Vorstellung das Gemt bestimmt, sich die Unerreichbarkeit der Natur als Darstellung von Ideen zu denken.

Buchstblich genommen, und logisch betrachtet, knnen Ideen nicht dargestellt werden. Aber, wenn wir unser empirisches Vorstellungsvermgen (mathematisch, oder dynamisch) fr die Anschauung der Natur erweitern ; so tritt unausbleiblich die Vernunft hinzu, als Vermgen der Independenz der absoluten Totalitt, und bringt die, obzwar vergebliche, Bestrebung des Gemts hervor, die Vorstellung der Sinne dieser angemessen zu machen. Diese Bestrebung, und das Gefhl der Unerreichbarkeit der Idee durch die Einbildungskraft, ist selbst eine Darstellung der subjektiven Zweckmigkeit unseres Gemts im Gebrauche der Einbildungskraft fr dessen bersinnliche Bestimmung, und ntigt uns, subjektiv die Natur selbst in ihrer Totalitt, als Darstellung von etwas bersinnlichem, zu denken, ohne diese Darstellung objektiv zustande bringen zu knnen.

Denn das werden wir bald inne, da der Natur im Raume und der Zeit das Unbedingte, mithin auch die absolute Gre, ganz abgehe, die doch von der gemeinsten Vernunft verlangt wird. Eben dadurch werden wir auch erinnert, da wir es nur mit einer Natur als Erscheinung zu tun haben, und diese selbst noch als bloe Darstellung einer Natur an sich (welche die Vernunft in der Idee hat) msse angesehen werden. Diese Idee des bersinnlichen aber, die wir zwar nicht weiter bestimmen, mithin die Natur als Darstellung derselben nicht erkennen, sondern nur denken knnen, wird in uns durch einen Gegenstand erweckt, dessen sthetische Beurteilung die Einbildungskraft bis zu ihrer Grenze, es sei der Erweiterung (mathematisch), oder ihrer Macht ber das Gemt (dynamisch), anspannt, indem sie sich auf dem Gefhle einer Bestimmung desselben grndet, welche das Gebiet der ersteren gnzlich berschreitet (dem moralischen Gefhl), in Ansehung dessen die Vorstellung des Gegenstandes als subjektiv-zweckmig beurteilt wird.

In der Tat lt sich ein Gefhl fr das Erhabene der Natur nicht wohl denken, ohne eine Stimmung des Gemts, die der zum moralischen hnlich ist, damit zu verbinden ; und, obgleich die unmittelbare Lust am Schnen der Natur gleichfalls eine gewisse Liberalitt der Denkungsart, d. i. Unabhngigkeit des Wohlgefallens vom bloen Sinnengenusse, voraussetzt und kultiviert, so wird dadurch noch mehr die Freiheit im Spiele, als unter einem gesetzlichen Geschfte vorgestellt : welches die echte Beschaffenheit der Sittlichkeit des Menschen ist, wo die Vernunft der Sinnlichkeit Gewalt antun mu ; nur da im sthetischen Urteile ber das Erhabene diese Gewalt durch die Einbildungskraft selbst, als durch ein Werkzeug der Vernunft, ausgebt vorgestellt wird.

Das Wohlgefallen am Erhabenen der Natur ist daher auch nur negativ (statt dessen das am Schnen positiv ist), nmlich ein Gefhl der Beraubung der Freiheit der Einbildungskraft durch sie selbst, indem sie nach einem andern Gesetze, als dem des empirischen Gebrauchs, zweckmig bestimmt wird. Dadurch bekommt sie eine Erweiterung und Macht, welche grer ist, als die, welche sie aufopfert, deren Grund aber ihr selbst verborgen ist, statt dessen sie die Aufopferung oder die Beraubung, und zugleich die Ursache fhlt, der sie unterworfen wird. Die Verwunderung, die an Schreck grenzt, das Grausen und der heilige Schauer, welcher den Zuschauer bei dem Anblicke himmelansteigender Gebirgsmassen, tiefer Schlnde und darin tobender Gewsser, tiefbeschatteter, zum schwermtigen Nachdenken einladender Einden usw. ergreift, ist, bei der Sicherheit, worin er sich wei, nicht wirkliche Furcht, sondern nur ein Versuch, uns mit der Einbildungskraft darauf einzulassen, um die Macht ebendesselben Vermgens zu fhlen, die dadurch erregte Bewegung des Gemts mit dem Ruhestande desselben zu verbinden, und so der Natur in uns selbst, mithin auch der auer uns, sofern sie auf das Gefhl unseres Wohlbefindens Einflu haben kann, berlegen zu sein. Denn die Einbildungskraft nach dem Assoziationsgesetze macht unseren Zustand der Zufriedenheit physisch abhngig ; aber ebendieselbe nach Prinzipien des Schematisms der Urteilskraft (folglich sofern der Freiheit untergeordnet), ist Werkzeug der Vernunft und ihrer Ideen, als solches aber eine Macht, unsere Unabhngigkeit gegen die Natureinflsse zu behaupten, das, was nach der ersteren gro ist, als klein abzuwrdigen, und so das Schlechthin-Groe nur in seiner (des Subjekts) eigenen Bestimmung zu setzen. Diese Reflexion der sthetischen Urteilskraft, sich zur Angemessenheit mit der Vernunft (doch ohne einen bestimmten Begriff derselben) zu erheben, stellt den Gegenstand, selbst durch die objektive Unangemessenheit der Einbildungskraft, in ihrer grten Erweiterung fr die Vernunft (als Vermgen der Ideen) doch als subjektiv-zweckmig vor.

Man mu hier berhaupt darauf acht haben, was oben schon erinnert worden ist, da in der transzendentalen sthetik der Urteilskraft lediglich von reinen sthetischen Urteilen die Rede sein msse, folglich die Beispiele nicht von solchen schnen oder erhabenen Gegenstnden der Natur hergenommen werden drfen, die den Begriff von einem Zwecke voraussetzen ; denn alsdann wrde es entweder teleologische, oder sich auf bloen Empfindungen eines Gegenstandes (Vergngen oder Schmerz) grndende, mithin im ersteren Falle nicht sthetische, im zweiten nicht bloe formale Zweckmigkeit sein. Wenn man also den Anblick des bestirnten Himmels erhaben nennt, so mu man der Beurteilung desselben nicht Begriffe von Welten, von vernnftigen Wesen bewohnt, und nun die hellen Punkte, womit wir den Raum ber uns erfllt sehen, als ihre Sonnen, in sehr zweckmig fr sie gestellten Kreisen bewegt, zum Grunde legen, sondern blo, wie man ihn sieht, als ein weites Gewlbe, was alles befat ; und blo unter dieser Vorstellung mssen wir die Erhabenheit setzen, die ein reines sthetisches Urteil diesem Gegenstande beilegt. Ebenso den Anblick des Ozeans nicht so, wie wir, mit allerlei Kenntnissen (die aber nicht in der unmittelbaren Anschauung enthalten sind) bereichert, ihn denken ; etwa als ein weites Reich von Wassergeschpfen, als den groen Wasserschatz fr die Ausdnstungen, welche die Luft mit Wolken zum Behuf der Lnder beschwngern, oder auch als ein Element, das zwar Weltteile voneinander trennt, gleichwohl aber die grte Gemeinschaft unter ihnen mglich macht : denn das gibt lauter teleologische Urteile ; sondern man mu den Ozean blo, wie die Dichter es tun, nach dem, was der Augenschein zeigt, etwa, wenn er in Ruhe betrachtet wird, als einen klaren Wasserspiegel, der blo vom Himmel begrenzt ist, aber ist er unruhig, wie einen alles zu verschlingen drohenden Abgrund, dennoch erhaben finden knnen. Ebendas ist von dem Erhabenen und Schnen in der Menschengestalt zu sagen, wo wir nicht auf Begriffe der Zwecke, wozu alle seine Gliedmaen da sind, als Bestimmungsgrnde des Urteils zurcksehen, und die Zusammenstimmung mit ihnen auf unser (alsdann nicht mehr reines) sthetisches Urteil nicht einflieen lassen mssen, obgleich, da sie jenen nicht widerstreiten, freilich eine notwendige Bedingung auch des sthetischen Wohlgefallens ist. Die sthetische Zweckmigkeit ist die Gesetzmigkeit der Urteilskraft in ihrer Freiheit. Das Wohlgefallen an dem Gegenstande hngt von der Beziehung ab, in welcher wir die Einbildungskraft setzen wollen : nur da sie fr sich selbst das Gemt in freier Beschftigung unterhalte. Wenn dagegen etwas anderes, es sei Sinnenempfindung, oder Verstandesbegriff, das Urteil bestimmt ; so ist es zwar gesetzmig, aber nicht das Urteil einer freien Urteilskraft.

Wenn man also von intellektueller Schnheit oder Erhabenheit spricht, so sind erstlich diese Ausdrcke nicht ganz richtig, weil es sthetische Vorstellungsarten sind, die, wenn wir bloe reine Intelligenzen wren (oder uns auch in Gedanken in diese Qualitt versetzen), in uns gar nicht anzutreffen sein wrden ; zweitens, obgleich beide, als Gegenstnde eines intellektuellen (moralischen) Wohlgefallens, zwar sofern mit dem sthetischen vereinbar sind, als sie auf keinem Interesse beruhen : so sind sie doch darin wiederum mit diesem schwer zu vereinigen, weil sie ein Interesse bewirken sollen, welches, wenn die Darstellung zum Wohlgefallen in der sthetischen Beurteilung zusammenstimmen soll, in dieser niemals anders als durch ein Sinneninteresse, welches man damit in der Darstellung verbindet, geschehen wrde, wodurch aber der intellektuellen Zweckmigkeit Abbruch geschieht, und sie verunreinigt wird.

Der Gegenstand eines reinen und unbedingten intellektuellen Wohlgefallens ist das moralische Gesetz in seiner Macht, die es in uns ber alle und jede vor ihm vorhergehende Triebfedern des Gemts ausbt ; und, da diese Macht sich eigentlich nur durch Aufopferungen sthetisch-kenntlich macht (welches eine Beraubung, obgleich zum Behuf der innern Freiheit, ist, dagegen eine unergrndliche Tiefe dieses bersinnlichen Vermgens, mit ihren ins Unabsehliche sich erstreckenden Folgen, in uns aufdeckt) : so ist das Wohlgefallen von der sthetischen Seite (in Beziehung auf Sinnlichkeit) negativ, d. i. wider dieses Interesse, von der intellektuellen aber betrachtet, positiv, und mit einem Interesse verbunden. Hieraus folgt : da das intellektuelle, an sich selbst zweckmige (das Moralisch-) Gute, sthetisch beurteilt, nicht sowohl schn, als vielmehr erhaben vorgestellt werden msse, so da es mehr das Gefhl der Achtung (welches den Reiz verschmht), als der Liebe und vertraulichen Zuneigung erwecke ; weil die menschliche Natur nicht so von selbst, sondern nur durch Gewalt, welche die Vernunft der Sinnlichkeit antut, zu jenem Guten zusammenstimmt. Umgekehrt, wird auch das, was wir in der Natur auer uns, oder auch in uns (z. B. gewisse Affekten), erhaben nennen, nur als eine Macht des Gemts, sich ber gewisse Hindernisse der Sinnlichkeit durch moralische Grundstze zu schwingen, vorgestellt, und dadurch interessant werden.

Ich will bei dem letztern etwas verweilen. Die Idee des Guten mit Affekt heit der Enthusiasm. Dieser Gemtszustand scheint erhaben zu sein, dermaen, da man gemeiniglich vorgibt : ohne ihn knne nichts Groes ausgerichtet werden. Nun ist aber jeder Affekt* blind, entweder in der Wahl seines Zwecks, oder, wenn dieser auch durch Vernunft gegeben worden, in der Ausfhrung desselben ; denn er ist diejenige Bewegung des Gemts, welche es unvermgend macht, freie berlegung der Grundstze anzustellen, um sich darnach zu bestimmen. Also kann er auf keinerlei Weise ein Wohlgefallen der Vernunft verdienen. sthetisch gleichwohl ist der Enthusiasm erhaben, weil er eine Anspannung der Krfte durch Ideen ist, welche dem Gemte einen Schwung geben, der weit mchtiger und dauerhafter wirkt, als der Antrieb durch Sinnenvorstellungen. Aber (welches befremdlich scheint) selbst Affektlosigkeit (Apatheia, Phlegma in significatu bono) eines seinen unwandelbaren Grundstzen nachdrcklich nachgehenden Gemts ist, und zwar auf weit vorzglichere Art, erhaben, weil sie zugleich das Wohlgefallen der reinen Vernunft auf ihrer Seite hat. Eine dergleichen Gemtsart heit allein edel : welcher Ausdruck nachher auch auf Sachen, z. B. Gebude, ein Kleid, Schreibart, krperlichen Anstand u. dgl., angewandt wird, wenn diese nicht sowohl Verwunderung (Affekt in der Vorstellung der Neuigkeit, welche die Erwartung bersteigt), als Bewunderung (eine Verwunderung, die beim Verlust der Neuigkeit nicht aufhrt) erregt, welches geschieht, wenn Ideen in ihrer Darstellung unabsichtlich und ohne Kunst zum sthetischen Wohlgefallen zusammenstimmen.

Ein jeder Affekt von der wackern Art (der nmlich das Bewutsein unserer Krfte, jeden Widerstand zu berwinden (animi strenui) rege macht) ist sthetisch erhaben, z. B. der Zorn, sogar die Verzweiflung (nmlich die entrstete, nicht aber die verzagte). Der Affekt von der schmelzenden Art aber (welcher die Bestrebung zu widerstehen selbst zum Gegenstande der Unlust (animum languidum) macht) hat nichts Edeles an sich, kann aber zum Schnen der Sinnesart gezhlt werden. Daher sind die Rhrungen, welche bis zum Affekt stark werden knnen, auch sehr verschieden. Man hat mutige, man hat zrtliche Rhrungen. Die letztern, wenn sie bis zum Affekt steigen, taugen gar nichts ; der Hang dazu heit die Empfindelei. Ein teilnehmender Schmerz, der sich nicht will trsten lassen, oder auf den wir uns, wenn er erdichtete bel betrifft, bis zur Tuschung durch die Phantasie, als ob es wirkliche wren, vorstzlich einlassen, beweiset und macht eine weiche aber zugleich schwache Seele, die eine schne Seite zeigt, und zwar phantastisch, aber nicht einmal enthusiastisch genannt werden kann. Romane, weinerliche Schauspiele, schale Sittenvorschriften, die mit (obzwar flschlich) sogenannten edlen Gesinnungen tndeln, in der Tat aber das Herz welk, und fr die strenge Vorschrift der Pflicht unempfindlich, aller Achtung fr die Wrde der Menschheit in unserer Person und das Recht der Menschen (welches ganz etwas anderes als ihre Glckseligkeit ist) und berhaupt aller festen Grundstze unfhig machen ; selbst ein Religionsvortrag, welcher kriechende, niedrige Gunstbewerbung und Einschmeichelung empfiehlt, die alles Vertrauen auf eigenes Vermgen zum Widerstande gegen das Bse in uns aufgibt, statt der rstigen Entschlossenheit, die Krfte, die uns bei aller unserer Gebrechlichkeit doch noch brigbleiben, zu berwindung der Neigungen zu versuchen ; die falsche Demut, welche in der Selbstverachtung, in der winselnden erheuchelten Reue, und einer blo leidenden Gemtsfassung die Art setzt, wie man allein dem hchsten Wesen gefllig werden knne : vertragen sich nicht einmal mit dem, was zur Schnheit, weit weniger aber noch mit dem, was zur Erhabenheit der Gemtsart gezhlt werden knnte.

Aber auch strmische Gemtsbewegungen, sie mgen nun unter dem Namen der Erbauung, mit Ideen der Religion, oder als blo zur Kultur gehrig, mit Ideen, die ein gesellschaftliches Interesse enthalten, verbunden werden, knnen, so sehr sie auch die Einbildungskraft spannen, keinesweges auf die Ehre einer erhabenen Darstellung Anspruch machen, wenn sie nicht eine Gemtsstimmung zurcklassen, die, wenngleich nur indirekt, auf das Bewutsein seiner Strke und Entschlossenheit zu dem, was reine intellektuelle Zweckmigkeit bei sich fhrt (dem bersinnlichen), Einflu hat. Denn sonst gehren alle diese Rhrungen nur zur Motion, welche man der Gesundheit wegen gerne hat. Die angenehme Mattigkeit, welche auf eine solche Rttelung durch das Spiel der Affekten folgt, ist ein Genu des Wohlbefindens aus dem hergestellten Gleichgewichte der mancherlei Lebenskrfte in uns : welcher am Ende auf dasselbe hinausluft, als derjenige, den die Wollstlinge des Orients so behaglich finden, wenn sie ihren Krper gleichsam durchkneten, und alle ihre Muskeln und Gelenke sanft drcken und biegen lassen ; nur da dort das bewegende Prinzip grtenteils in uns, hier hingegen gnzlich auer uns ist. Da glaubt sich nun mancher durch eine Predigt erbaut, in dem doch nichts aufgebauet (kein System guter Maximen) ist ; oder durch ein Trauerspiel gebessert, der blo ber glcklich vertriebne Langeweile froh ist. Also mu das Erhabene jederzeit Beziehung auf die Denkungsart haben, d. i. auf Maximen, dem Intellektuellen und den Vernunftideen ber die Sinnlichkeit Obermacht zu verschaffen.

Man darf nicht besorgen, da das Gefhl des Erhabenen durch eine dergleichen abgezogene Darstellungsart, die in Ansehung des Sinnlichen gnzlich negativ wird, verlieren werde ; denn die Einbildungskraft, ob sie zwar ber das Sinnliche hinaus nichts findet, woran sie sich halten kann, fhlt sich doch auch eben durch diese Wegschaffung der Schranken derselben unbegrenzt : und jene Absonderung ist also eine Darstellung des Unendlichen, welche zwar ebendarum niemals anders als blo negative Darstellung sein kann, die aber doch die Seele erweitert. Vielleicht gibt es keine erhabenere Stelle im Gesetzbuche der Juden, als das Gebot : Du sollst dir kein Bildnis machen, noch irgendein Gleichnis, weder dessen was im Himmel, noch auf der Erden, noch unter der Erden ist usw. Dieses Gebot allein kann den Enthusiasm erklren, den das jdische Volk in seiner gesitteten Epoche fr seine Religion fhlte, wenn es sich mit andern Vlkern verglich, oder denjenigen Stolz, den der Mohammedanism einflt. Ebendasselbe gilt auch von der Vorstellung des moralischen Gesetzes und der Anlage zur Moralitt in uns. Es ist eine ganz irrige Besorgnis, da, wenn man sie alles dessen beraubt, was sie den Sinnen empfehlen kann, sie alsdann keine andere, als kalte, leblose Billigung und keine bewegende Kraft oder Rhrung bei sich fhren wrde. Es ist gerade umgekehrt ; denn da, wo nun die Sinne nichts mehr vor sich sehen, und die unverkennliche und unauslschliche Idee der Sittlichkeit dennoch brigbleibt, wrde es eher ntig sein, den Schwung einer unbegrenzten Einbildungskraft zu migen, um ihn nicht bis zum Enthusiasm steigen zu lassen, als, aus Furcht vor Kraftlosigkeit dieser Ideen, fr sie in Bildern und kindischem Apparat Hlfe zu suchen. Daher haben auch Regierungen gerne erlaubt, die Religion mit dem letztern Zubehr reichlich versorgen zu lassen, und so dem Untertan die Mhe, zugleich aber auch das Vermgen zu benehmen gesucht, seine Seelenkrfte ber die Schranken auszudehnen, die man ihm willkrlich setzen, und wodurch man ihn, als blo passiv, leichter behandeln kann.

Diese reine, seelenerhebende, blo negative Darstellung der Sittlichkeit, bringt dagegen keine Gefahr der Schwrmerei, welche ein Wahn ist, ber alle Grenze der Sinnlichkeit hinaus etwas sehen, d. i. nach Grundstzen trumen (mit Vernunft rasen) zu wollen ; eben darum, weil die Darstellung bei jener blo negativ ist. Denn die Unerforschlichkeit der Idee der Freiheit schneidet aller positiven Darstellung gnzlich den Weg ab : das moralische Gesetz aber ist an sich selbst in uns hinreichend und ursprnglich bestimmend, so da es nicht einmal erlaubt, uns nach einem Bestimmungsgrunde auer demselben umzusehen. Wenn der Enthusiasm mit dem Wahnsinn, so ist die Schwrmerei mit dem Wahnwitz zu vergleichen, wovon der letztere sich unter allen am wenigsten mit dem Erhabenen vertrgt, weil er grblerisch lcherlich ist. Im Enthusiasm, als Affekt, ist die Einbildungskraft zgellos ; in der Schwrmerei, als eingewurzelter brtender Leidenschaft, regellos. Der erstere ist vorbergehender Zufall, der den gesundesten Verstand bisweilen wohl betrifft ; der zweite eine Krankheit, die ihn zerrttet.

Einfalt (kunstlose Zweckmigkeit) ist gleichsam der Stil der Natur im Erhabenen, und so auch der Sittlichkeit, welche eine zweite (bersinnliche) Natur ist, wovon wir nur die Gesetze kennen, ohne das bersinnliche Vermgen in uns selbst, was den Grund dieser Gesetzgebung enthlt, durch Anschauen erreichen zu knnen.

Noch ist anzumerken, da, obgleich das Wohlgefallen am Schnen ebensowohl, als das am Erhabenen, nicht allein durch allgemeine Mitteilbarkeit unter den andern sthetischen Beurteilungen kenntlich unterschieden ist, sondern auch durch diese Eigenschaft, in Beziehung auf Gesellschaft (in der es sich mitteilen lt), ein Interesse bekommt, gleichwohl doch auch die Absonderung von aller Gesellschaft als etwas Erhabenes angesehen werde, wenn sie auf Ideen beruht, welche ber alles sinnliche Interesse hinweg sehen. Sich selbst genug sein, mithin Gesellschaft nicht bedrfen, ohne doch ungesellig zu sein, d. i. sie zu fliehen, ist etwas dem Erhabenen sich Nherndes, so wie jede berhebung von Bedrfnissen. Dagegen ist Menschen zu fliehen, aus Misanthropie, weil man sie anfeindet, oder aus Anthropophobie (Menschenscheu), weil man sie als seine Feinde frchtet, teils hlich, teils verchtlich. Gleichwohl gibt es eine (sehr uneigentlich sogenannte) Misanthropie, wozu die Anlage sich mit dem Alter in vieler wohldenkenden Menschen Gemt einzufinden pflegt, welche zwar, was das Wohlwollen betrifft, philanthropisch genug ist, aber vom Wohlgefallen an Menschen durch eine lange traurige Erfahrung weit abgebracht ist : wovon der Hang zur Eingezogenheit, der phantastische Wunsch auf einem entlegenen Landsitze, oder auch (bei jungen Personen) die ertrumte Glckseligkeit auf einem der brigen Welt unbekannten Eilande, mit einer kleinen Familie, seine Lebenszeit zubringen zu knnen, welche die Romanschreiber, oder Dichter der Robinsonaden, so gut zu nutzen wissen, Zeugnis gibt. Falschheit, Undankbarkeit, Ungerechtigkeit, das Kindische in den von uns selbst fr wichtig und gro gehaltenen Zwecken, in deren Verfolgung sich Menschen selbst untereinander alle erdenkliche bel antun, stehen mit der Idee dessen, was sie sein knnten, wenn sie wollten, so im Widerspruch, und sind dem lebhaften Wunsche, sie besser zu sehen, so sehr entgegen : da, um sie nicht zu hassen, da man sie nicht lieben kann, die Verzichtung auf alle gesellschaftliche Freuden nur ein kleines Opfer zu sein scheint. Diese Traurigkeit, nicht ber die bel, welche das Schicksal ber andere Menschen verhngt (wovon die Sympathie Ursache ist), sondern die sie sich selbst antun (welche auf der Antipathie in Grundstzen beruht), ist, weil sie auf Ideen beruht, erhaben, indessen da die erstere allenfalls nur fr schn gelten kann. Der ebenso geistreiche als grndliche Saussure sagt in der Beschreibung seiner Alpenreisen von Bonhomme, einem der savoyischen Gebirge : Es herrscht daselbst eine gewisse abgeschmackte Traurigkeit. Er kannte daher doch auch eine interessante Traurigkeit, welche der Anblick einer Einde einflt, in die sich Menschen wohl versetzen mchten, um von der Welt nichts weiter zu hren, noch zu erfahren, die denn doch nicht so ganz unwirtbar sein mu, da sie nur einen hchst mhseligen Aufenthalt fr Menschen darbte. Ich mache diese Anmerkung nur in der Absicht, um zu erinnern, da auch Betrbnis (nicht niedergeschlagene Traurigkeit) zu den rstigen Affekten gezhlt werden knne, wenn sie in moralischen Ideen ihren Grund hat ; wenn sie aber auf Sympathie gegrndet, und, als solche, auch liebenswrdig ist, sie blo zu den schmelzenden Affekten gehre : um dadurch auf die Gemtsstimmung, die nur im ersteren Falle erhaben ist, aufmerksam zu machen.

 

***

 

Man kann mit der jetzt durchgefhrten transzendentalen Exposition der sthetischen Urteile nun auch die physiologische, wie sie ein Burke und viele scharfsinnige Mnner unter uns bearbeitet haben, vergleichen, um zu sehen, wohin eine blo empirische Exposition des Erhabenen und Schnen fhre. Burke**, der in dieser Art der Behandlung als der vornehmste Verfasser genannt zu werden verdient, bringt auf diesem Wege (S. 223 seines Werks) heraus : da das Gefhl des Erhabenen sich auf dem Triebe zur Selbsterhaltung und auf Furcht, d. i. einem Schmerze, grnde, der, weil er nicht bis zur wirklichen Zerrttung der krperlichen Teile geht, Bewegungen hervorbringt, die, da sie die feineren oder grberen Gefe von gefhrlichen und beschwerlichen Verstopfungen reinigen, imstande sind, angenehme Empfindungen zu erregen, zwar nicht Lust, sondern eine Art von wohlgeflligem Schauer, eine gewisse Ruhe, die mit Schrecken vermischt ist. Das Schne, welches er auf Liebe grndet (wovon er doch die Begierde abgesondert wissen will), fhrt er (S. 251-252)auf die Nachlassung, Losspannung und Erschlaffung der Fibern des Krpers, mithin eine Erweichung, Auflsung, Ermattung, ein Hinsinken, Hinsterben, Wegschmelzen vor Vergngen, hinaus. Und nun besttigt er diese Erklrungsart nicht allein durch Flle, in denen die Einbildungskraft in Verbindung mit dem Verstande, sondern sogar mit Sinnesempfindung in uns das Gefhl des Schnen sowohl als des Erhabenen erregen knne. Als psychologische Bemerkungen sind diese Zergliederungen der Phnomene unseres Gemts beraus schn, und geben reichen Stoff zu den beliebtesten Nachforschungen der empirischen Anthropologie. Es ist auch nicht zu leugnen, da alle Vorstellungen in uns, sie mgen objektiv blo sinnlich, oder ganz intellektuell sein, doch subjektiv mit Vergngen oder Schmerz, so unmerklich beides auch sein mag, verbunden werden knnen (weil sie insgesamt das Gefhl des Lebens affizieren, und keine derselben, sofern als sie Modifikation des Subjekts ist, indifferent sein kann) ; sogar, da, wie Epikur behauptete, immer Vergngen und Schmerz zuletzt doch krperlich sei, es mag nun von der Einbildung, oder gar von Verstandesvorstellungen anfangen : weil das Leben ohne das Gefhl des krperlichen Organs blo Bewutsein seiner Existenz, aber kein Gefhl des Wohl- oder belbefindens, d. i. der Befrderung oder Hemmung der Lebenskrfte, sei ; weil das Gemt fr sich allein ganz Leben (das Lebensprinzip selbst) ist, und Hindernisse oder Befrderungen auer demselben und doch im Menschen selbst, mithin in der Verbindung mit seinem Krper, gesucht werden mssen.

Setzt man aber das Wohlgefallen am Gegenstande ganz und gar darin, da dieser durch Reiz oder durch Rhrung vergngt : so mu man auch keinem andern zumuten, zu dem sthetischen Urteile, was wir fllen, beizustimmen ; denn darber befragt ein jeder mit Recht nur seinen Privatsinn. Alsdann aber hrt auch alle Zensur des Geschmacks gnzlich auf ; man mte denn das Beispiel, welches andere, durch die zufllige bereinstimmung ihrer Urteile, geben, zum Gebot des Beifalls fr uns machen, wider welches Prinzip wir uns doch vermutlich struben und auf das natrliche Recht berufen wrden, das Urteil, welches auf dem unmittelbaren Gefhle des eigenen Wohlbefindens beruht, seinem eigenen Sinne, und nicht anderer ihrem, zu unterwerfen.

Wenn also das Geschmacksurteil nicht fr egoistisch, sondern seiner inneren Natur nach, d. i. um sein selbst, nicht um der Beispiele willen, die andere von ihrem Geschmack geben, notwendig als pluralistisch gelten mu, wenn man es als ein solches wrdigt, welches zugleich verlangen darf, da jedermann ihm beipflichten soll ; so mu ihm irgendein (es sei objektives oder subjektives) Prinzip a priori zum Grunde liegen, zu welchem man durch Aufsphung empirischer Gesetze der Gemtsvernderungen niemals gelangen kann : weil diese nur zu erkennen geben, wie geurteilt wird, nicht aber gebieten, wie geurteilt werden soll, und zwar gar so, da das Gebot unbedingt ist ; dergleichen die Geschmacksurteile voraussetzen, indem sie das Wohlgefallen mit einer Vorstellung unmittelbar verknpft wissen wollen. Also mag die empirische Exposition der sthetischen Urteile immer den Anfang machen, um den Stoff zu einer hhern Untersuchung herbeizuschaffen ; eine transzendentale Errterung dieses Vermgens ist doch mglich, und zur Kritik des Geschmacks wesentlich gehrig. Denn, ohne da derselbe Prinzipien a priori habe, knnte er unmglich die Urteile anderer richten, und ber sie, auch nur mit einigem Scheine des Rechts, Billigungs- oder Verwerfungsaussprche fllen.

 

* Affekten sind von Leidenschaften spezifisch unterschieden. Jene beziehen sich blo auf das Gefhl ; diese gehren dem Begehrungsvermgen an, und sind Neigungen, welche alle Bestimmbarkeit der Willkr durch Grundstze erschweren oder unmglich machen. Jene sind strmisch und unvorstzlich, diese anhaltend und berlegt : so ist der Unwille, als Zorn, ein Affekt ; aber als Ha (Rachgier) eine Leidenschaft. Die letztere kann niemals und in keinem Verhltnis erhaben genannt werden ; weil im Affekt die Freiheit des Gemts zwar gehemmt, in der Leidenschaft aber aufgehoben wird.

 

** Nach der deutschen bersetzung seiner Schrift : Philosophische Untersuchungen ber den Ursprung unserer Begriffe vom Schnen und Erhabenen. Riga, bei Hartknoch 1773.

 

Das brige zur Analytik der sthetischen Urteilskraft Gehrige enthlt zuvrderst die

 

 

Deduktion der reinen sthetischen Urteile

 

30

Die Deduktion der sthetischen Urteile ber die Gegenstnde der Natur darf nicht auf das, was wir in dieser erhaben nennen, sondern nur auf das Schne, gerichtet werden

Der Anspruch eines sthetischen Urteils auf allgemeine Gltigkeit fr jedes Subjekt bedarf, als ein Urteil, welches sich auf irgendein Prinzip a priori fuen mu, einer Deduktion (d. i. Legitimation seiner Anmaung) ; welche ber die Exposition desselben noch hinzukommen mu, wenn es nmlich ein Wohlgefallen oder Mifallen an der Form des Objekts betrifft. Dergleichen sind die Geschmacksurteile ber das Schne der Natur. Denn die Zweckmigkeit hat alsdann doch im Objekte und seiner Gestalt ihren Grund, wenn sie gleich nicht die Beziehung desselben auf andere Gegenstnde nach Begriffen (zum Erkenntnisurteile) anzeigt ; sondern blo die Auffassung dieser Form, sofern sie dem Vermgen sowohl der Begriffe, als dem der Darstellung derselben (welches mit dem der Auffassung eines und dasselbe ist) im Gemt sich gem zeigt, berhaupt betrifft. Man kann daher auch in Ansehung des Schnen der Natur mancherlei Fragen aufwerfen, welche die Ursache dieser Zweckmigkeit ihrer Formen betreffen : z. B. wie man erklren wolle, warum die Natur so verschwenderisch allerwrts Schnheit verbreitet habe, selbst im Grunde des Ozeans, wo nur selten das menschliche Auge (fr welches jene doch allein zweckmig ist) hingelangt ? u. dgl. m.

Allein das Erhabene der Natur wenn wir darber ein reines sthetisches Urteil fllen, welches nicht mit Begriffen von Vollkommenheit, als objektiver Zweckmigkeit, vermengt ist ; in welchem Falle es ein teleologisches Urteil sein wrde kann ganz als formlos oder ungestalt, dennoch aber als Gegenstand eines reinen Wohlgefallens betrachtet werden, und subjektive Zweckmigkeit der gegebenen Vorstellung zeigen ; und da fragt es sich nun : ob zu dem sthetischen Urteile dieser Art auch, auer der Exposition dessen, was in ihm gedacht wird, noch eine Deduktion seines Anspruchs auf irgendein (subjektives) Prinzip a priori verlangt werden knne.

Hierauf dient zur Antwort : da das Erhabene der Natur nur uneigentlich so genannt werde, und eigentlich blo der Denkungsart, oder vielmehr der Grundlage zu derselben in der menschlichen Natur, beigelegt werden msse. Dieser sich bewut zu werden, gibt die Auffassung eines sonst formlosen und unzweckmigen Gegenstandes blo die Veranlassung ; welcher auf solche Weise subjektiv-zweckmig gebraucht, aber nicht als ein solcher fr sich und seiner Form wegen beurteilt wird (gleichsam species finalis accepta, non data). Daher war unsere Exposition der Urteile ber das Erhabene der Natur zugleich ihre Deduktion. Denn, wenn wir die Reflexion der Urteilskraft in denselben zerlegten, so fanden wir in ihnen ein zweckmiges Verhltnis der Erkenntnisvermgen, welches dem Vermgen der Zwecke (dem Willen) a priori zum Grunde gelegt werden mu, und daher selbst a priori zweckmig ist : welches denn sofort die Deduktion, d. i. die Rechtfertigung des Anspruchs eines dergleichen Urteils auf allgemein-notwendige Gltigkeit, enthlt.

Wir werden also nur die Deduktion der Geschmacksurteile, d. i. der Urteile ber die Schnheit der Naturdinge, zu suchen haben und so der Aufgabe fr die gesamte sthetische Urteilskraft im Ganzen ein Genge tun.

 

31

Von der Methode der Deduktion der Geschmacksurteile

Die Obliegenheit einer Deduktion, d. i. der Gewhrleistung der Rechtmigkeit, einer Art Urteile tritt nur ein, wenn das Urteil Anspruch auf Notwendigkeit macht ; welches der Fall auch alsdann ist, wenn es subjektive Allgemeinheit, d. i. jedermanns Beistimmung, fordert : indes es doch kein Erkenntnisurteil, sondern nur der Lust oder Unlust an einem gegebenen Gegenstande, d. i. Anmaung einer durchgngig fr jedermann geltenden subjektiven Zweckmigkeit ist, die sich auf keine Begriffe von der Sache grnden soll, weil es Geschmacksurteil ist.

Da wir im letztern Falle kein Erkenntnisurteil, weder ein theoretisches, welches den Begriff einer Natur berhaupt durch den Verstand, noch ein (reines) praktisches, welches die Idee der Freiheit, als a priori durch die Vernunft gegeben, zum Grunde legt, vor uns haben ; und also weder ein Urteil, welches vorstellt, was eine Sache ist, noch da ich, um sie hervorzubringen, etwas verrichten soll, nach seiner Gltigkeit a priori zu rechtfertigen haben : So wird blo die allgemeine Gltigkeit eines einzelnen Urteils, welches die subjektive Zweckmigkeit einer empirischen Vorstellung der Form eines Gegenstandes ausdrckt, fr die Urteilskraft berhaupt darzutun sein, um zu erklren, wie es mglich sei, da etwas blo in der Beurteilung (ohne Sinnenempfindung oder Begriff) gefallen knne, und, so wie die Beurteilung eines Gegenstandes zum Behuf einer Erkenntnis berhaupt, allgemeine Regeln hatte, auch das Wohlgefallen eines jeden fr jeden andern als Regel drfe angekndigt werden.

Wenn nun diese Allgemeingltigkeit sich nicht auf Stimmensammlung und Herumfragen bei andern, wegen ihrer Art zu empfinden, grnden, sondern gleichsam auf einer Autonomie des ber das Gefhl der Lust (an der gegebenen Vorstellung) urteilenden Subjekts, d. i. auf seinem eigenen Geschmacke, beruhen, gleichwohl aber doch auch nicht von Begriffen abgeleitet werden soll ; so hat ein solches Urteil wie das Geschmacksurteil in der Tat ist eine zwiefache und zwar logische Eigentmlichkeit : nmlich erstlich die Allgemeingltigkeit a priori, und doch nicht eine logische Allgemeinheit nach Begriffen, sondern die Allgemeinheit eines einzelnen Urteils ; zweitens eine Notwendigkeit (die jederzeit auf Grnden a priori beruhen mu), die aber doch von keinen Beweisgrnden a priori abhngt, durch deren Vorstellung der Beifall, den das Geschmacksurteil jedermann ansinnt, erzwungen werden knnte.

Die Auflsung dieser logischen Eigentmlichkeiten, worin sich ein Geschmacksurteil von allen Erkenntnisurteilen unterscheidet, wenn wir hier anfnglich von allem Inhalte desselben, nmlich dem Gefhle der Lust abstrahieren, und blo die sthetische Form mit der Form der objektiven Urteile, wie sie die Logik vorschreibt, vergleichen, wird allein zur Deduktion dieses sonderbaren Vermgens hinreichend sein. Wir wollen also diese charakteristischen Eigenschaften des Geschmacks zuvor, durch Beispiele erlutert, vorstellig machen.

 

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Erste Eigentmlichkeit des Geschmacksurteils

Das Geschmacksurteil bestimmt seinen Gegenstand in Ansehung des Wohlgefallens (als Schnheit) mit einem Anspruche auf jedermanns Beistimmung, als ob es objektiv wre.

Sagen : diese Blume ist schn, heit ebensoviel, als ihren eigenen Anspruch auf jedermanns Wohlgefallen ihr nur nachsagen. Durch die Annehmlichkeit ihres Geruchs hat sie gar keine Ansprche. Den einen ergtzt dieser Geruch, dem andern benimmt er den Kopf. Was sollte man nun anders daraus vermuten, als da die Schnheit fr eine Eigenschaft der Blume selbst gehalten werden msse, die sich nicht nach der Verschiedenheit der Kpfe und so vieler Sinne richtet, sondern wornach sich diese richten mssen, wenn sie darber urteilen wollen ? Und doch verhlt es sich nicht so. Denn darin besteht eben das Geschmacksurteil, da es eine Sache nur nach derjenigen Beschaffenheit schn nennt, in welcher sie sich nach unserer Art sie aufzunehmen richtet.

berdies wird von jedem Urteil, welches den Geschmack des Subjekts beweisen soll, verlangt : da das Subjekt fr sich, ohne ntig zu haben, durch Erfahrung unter den Urteilen anderer herumzutappen, und sich von ihrem Wohlgefallen oder Mifallen an demselben Gegenstande vorher zu belehren, urteilen, mithin sein Urteil nicht als Nachahmung, weil ein Ding etwa wirklich allgemein gefllt, sondern a priori aussprechen solle. Man sollte aber denken, da ein Urteil a priori einen Begriff vom Objekt enthalten msse, zu dessen Erkenntnis es das Prinzip enthlt ; das Geschmacksurteil aber grndet sich gar nicht auf Begriffe, und ist berall nicht Erkenntnis, sondern nur ein sthetisches Urteil.

Daher lt sich ein junger Dichter von der berredung, da sein Gedicht schn sei, nicht durch das Urteil des Publikums, noch seiner Freunde abbringen ; und, wenn er ihnen Gehr gibt, so geschieht es nicht darum, weil er es nun anders beurteilt, sondern weil er, wenngleich (wenigstens in Absicht seiner) das ganze Publikum einen falschen Geschmack htte, sich doch (selbst wider sein Urteil) dem gemeinen Wahne zu bequemen, in seiner Begierde nach Beifall Ursache findet. Nur spterhin, wenn seine Urteilskraft durch Ausbung mehr geschrft worden, geht er freiwillig von seinem vorigen Urteile ab ; so wie er es auch mit seinen Urteilen hlt, die ganz auf der Vernunft beruhen. Der Geschmack macht blo auf Autonomie Anspruch. Fremde Urteile sich zum Bestimmungsgrunde des seinigen zu machen, wre Heteronomie. Da man die Werke der Alten mit Recht zu

Mustern anpreiset, und die Verfasser derselben klassisch nennt, gleich einem gewissen Adel unter den Schriftstellern, der dem Volke durch seinen Vorgang Gesetze gibt : scheint Quellen des Geschmacks a posteriori anzuzeigen, und die Autonomie desselben in jedem Subjekte zu widerlegen. Allein man knnte ebensogut sagen, da die alten Mathematiker, die bis jetzt fr nicht wohl zu entbehrende Muster der hchsten Grndlichkeit und Eleganz der synthetischen Methode gehalten werden, auch eine nachahmende Vernunft auf unserer Seite bewiesen, und ein Unvermgen derselben, aus sich selbst strenge Beweise mit der grten Intuition durch Konstruktion der Begriffe hervorzubringen. Es gibt gar keinen Gebrauch unserer Krfte, so frei er auch sein mag, und selbst der Vernunft (die alle ihre Urteile aus der gemeinschaftlichen Quelle a priori schpfen mu), welcher, wenn jedes Subjekt immer gnzlich von der rohen Anlage seines Naturells anfangen sollte, nicht in fehlerhafte Versuche geraten wrde, wenn nicht andere mit den ihrigen ihm vorgegangen wren, nicht um die Nachfolgenden zu bloen Nachahmern zu machen, sondern durch ihr Verfahren andere auf die Spur zu bringen, um die Prinzipien in sich selbst zu suchen, und so ihren eigenen, oft besseren, Gang zu nehmen. Selbst in der Religion, wo gewi ein jeder die Regel seines Verhaltens aus sich selbst hernehmen mu, weil er dafr auch selbst verantwortlich bleibt, und die Schuld seiner Vergehungen nicht auf andre, als Lehrer oder Vorgnger, schieben kann, wird doch nie durch allgemeine Vorschriften, die man entweder von Priestern oder Philosophen bekommen, oder auch aus sich selbst genommen haben mag, so viel ausgerichtet werden, als durch ein Beispiel der Tugend oder Heiligkeit, welches, in der Geschichte aufgestellt, die Autonomie der Tugend, aus der eigenen und ursprnglichen Idee der Sittlichkeit (a priori) nicht entbehrlich macht, oder diese in einen Mechanism der Nachahmung verwandelt. Nachfolge, die sich auf einen Vorgang bezieht, nicht Nachahmung, ist der rechte Ausdruck fr allen Einflu, welchen Produkte eines exemplarischen Urhebers auf andere haben knnen ; welches nur so viel bedeutet, als : aus denselben Quellen schpfen, woraus jener selbst schpfte, und seinem Vorgnger nur die Art, sich dabei zu benehmen, ablernen. Aber unter allen Vermgen und Talenten ist der Geschmack gerade dasjenige, welches, weil sein Urteil nicht durch Begriffe und Vorschriften bestimmbar ist, am meisten der Beispiele dessen, was sich im Fortgange der Kultur am lngsten in Beifall erhalten hat, bedrftig ist, um nicht bald wieder ungeschlacht zu werden, und in die Rohigkeit der ersten Versuche zurckzufallen.

 

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Zweite Eigentmlichkeit des Geschmacksurteils

Das Geschmacksurteil ist gar nicht durch Beweisgrnde bestimmbar, gleich als ob es blo subjektiv wre.

Wenn jemand ein Gebude, eine Aussicht, ein Gedicht nicht schn findet, so lt er sich erstlich den Beifall nicht durch hundert Stimmen, die es alle hoch preisen, innerlich aufdringen. Er mag sich zwar stellen, als ob es ihm auch gefalle, um nicht fr geschmacklos angesehen zu werden ; er kann sogar zu zweifeln anfangen, ob er seinen Geschmack, durch Kenntnis einer genugsamen Menge von Gegenstnden einer gewissen Art, auch genug gebildet habe (wie einer, der in der Entfernung etwas fr einen Wald zu erkennen glaubt, was alle andere fr eine Stadt ansehen, an dem Urteile seines eigenen Gesichts zweifelt). Das sieht er aber doch klar ein : da der Beifall anderer gar keinen fr die Beurteilung der Schnheit gltigen Beweis abgebe ; da andere allenfalls fr ihn sehen und beobachten mgen, und was viele auf einerlei Art gesehen haben, als ein hinreichender Beweisgrund fr ihn, der es anders gesehen zu haben glaubt, zum theoretischen, mithin logischen, niemals aber das, was andern gefallen hat, zum Grunde eines sthetischen Urteils dienen knne. Das uns ungnstige Urteil anderer kann uns zwar mit Recht in Ansehung des unsrigen bedenklich machen, niemals aber von der Unrichtigkeit desselben berzeugen. Also gibt es keinen empirischen Beweisgrund, das Geschmacksurteil jemanden abzuntigen.

Zweitens kann noch weniger ein Beweis a priori nach bestimmten Regeln das Urteil ber Schnheit bestimmen. Wenn mir jemand sein Gedicht vorliest, oder mich in ein Schauspiel fhrt, welches am Ende meinem Geschmacke nicht behagen will, so mag er den Batteux oder Lessing, oder noch ltere und berhmtere Kritiker des Geschmacks, und alle von ihnen aufgestellten Regeln zum Beweise anfhren, da sein Gedicht schn sei ; auch mgen gewisse Stellen, die mir eben mifallen, mit Regeln der Schnheit (so wie sie dort gegeben und allgemein anerkannt sind) gar wohl zusammenstimmen : ich stopfe mir die Ohren zu, mag keine Grnde und kein Vernnfteln hren, und werde eher annehmen, da jene Regeln der Kritiker falsch seien, oder wenigstens hier nicht der Fall ihrer Anwendung sei, als da ich mein Urteil durch Beweisgrnde a priori sollte bestimmen lassen, da es ein Urteil des Geschmacks und nicht des Verstandes oder der Vernunft sein soll.

Es scheint, da dieses eine der Hauptursachen sei, weswegen man dieses sthetische Beurteilungsvermgen gerade mit dem Namen des Geschmacks belegt hat. Denn es mag mir jemand alle Ingredienzien eines Gerichts herzhlen, und von jedem bemerken, da jedes derselben mir sonst angenehm sei, auch obenein die Gesundheit dieses Essens mit Recht rhmen ; so bin ich gegen alle diese Grnde taub, versuche das Gericht an meiner Zunge und meinem Gaumen : und darnach (nicht nach allgemeinen Prinzipien) flle ich mein Urteil.

In der Tat wird das Geschmacksurteil durchaus immer, als ein einzelnes Urteil vom Objekt, gefllt. Der Verstand kann durch die Vergleichung des Objekts im Punkte des Wohlgeflligen mit dem Urteile anderer ein allgemeines Urteil machen : z. B. alle Tulpen sind schn ; aber das ist alsdann kein Geschmacks-, sondern ein logisches Urteil, welches die Beziehung eines Objekts auf den Geschmack zum Prdikate der Dinge von einer gewissen Art berhaupt macht ; dasjenige aber, wodurch ich eine einzelne gegebene Tulpe schn, d. i. mein Wohlgefallen an derselben allgemeingltig finde, ist allein das Geschmacksurteil. Dessen Eigentmlichkeit besteht aber darin : da, ob es gleich blo subjektive Gltigkeit hat, es dennoch alle Subjekte so in Anspruch nimmt, als es nur immer geschehen knnte, wenn es ein objektives Urteil wre, das auf Erkenntnisgrnden beruht, und durch einen Beweis knnte erzwungen werden.

 

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Es ist kein objektives Prinzip des Geschmacks mglich

Unter einem Prinzip des Geschmacks wrde man einen Grundsatz verstehen, unter dessen Bedingung man den Begriff eines Gegenstandes subsumieren, und alsdann durch einen Schlu herausbringen knnte, da er schn sei. Das ist aber schlechterdings unmglich. Denn ich mu unmittelbar an der Vorstellung desselben die Lust empfinden, und sie kann mir durch keine Beweisgrnde angeschwatzt werden. Obgleich also Kritiker, wie Hume sagt, scheinbarer vernnfteln knnen als Kche, so haben sie doch mit diesen einerlei Schicksal. Den Bestimmungsgrund ihres Urteils knnen sie nicht von der Kraft der Beweisgrnde, sondern nur von der Reflexion des Subjekts ber seinen eigenen Zustand (der Lust oder Unlust), mit Abweisung aller Vorschriften und Regeln, erwarten.

Worber aber Kritiker dennoch vernnfteln knnen und sollen, so da es zur Berichtigung und Erweiterung unserer Geschmacksurteile gereiche : das ist nicht, den Bestimmungsgrund dieser Art sthetischer Urteile in einer allgemeinen brauchbaren Formel darzulegen, welches unmglich ist ; sondern ber die Erkenntnisvermgen und deren Geschfte in diesen Urteilen Nachforschung zu tun, und die wechselseitige subjektive Zweckmigkeit, von welcher oben gezeigt ist, da ihre Form in einer gegebenen Vorstellung die Schnheit des Gegenstandes derselben sei, in Beispielen auseinanderzusetzen. Also ist die Kritik des Geschmacks selbst nur subjektiv, in Ansehung der Vorstellung, wodurch uns ein Objekt gegeben wird : nmlich sie ist die Kunst oder Wissenschaft, das wechselseitige Verhltnis des Verstandes und der Einbildungskraft zueinander in der gegebenen Vorstellung (ohne Beziehung auf vorhergehende Empfindung oder Begriff), mithin die Einhelligkeit oder Mihelligkeit derselben, unter Regeln zu bringen und sie in Ansehung ihrer Bedingungen zu bestimmen. Sie ist Kunst, wenn sie dieses nur an Beispielen zeigt ; sie ist Wissenschaft, wenn sie die Mglichkeit einer solchen Beurteilung von der Natur dieser Vermgen, als Erkenntnisvermgen berhaupt, ableitet. Mit der letzteren, als transzendentalen Kritik, haben wir es hier berall allein zu tun. Sie soll das subjektive Prinzip des Geschmacks, als ein Prinzip a priori der Urteilskraft, entwickeln und rechtfertigen. Die Kritik, als Kunst, sucht blo die physiologischen (hier psychologischen), mithin empirischen Regeln, nach denen der Geschmack wirklich verfhrt, (ohne ber ihre Mglichkeit nachzudenken) auf die Beurteilung seiner Gegenstnde anzuwenden, und kritisiert die Produkte der schnen Kunst ; so wie jene das Vermgen selbst, sie zu beurteilen.

 

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Das Prinzip des Geschmacks ist das subjektive Prinzip der Urteilskraft berhaupt

Das Geschmacksurteil unterscheidet sich darin von dem logischen : da das letztere eine Vorstellung unter Begriffe vom Objekt, das erstere aber gar nicht unter einen Begriff subsumiert, weil sonst der notwendige allgemeine Beifall durch Beweise wrde erzwungen werden knnen. Gleichwohl aber ist es darin dem letztern hnlich, da es eine Allgemeinheit und Notwendigkeit, aber nicht nach Begriffen vom Objekt, folglich eine blo subjektive vorgibt. Weil nun die Begriffe in einem Urteile den Inhalt desselben (das zum Erkenntnis des Objekts Gehrige) ausmachen, das Geschmacksurteil aber nicht durch Begriffe bestimmbar ist, so grndet es sich nur auf der subjektiven formalen Bedingung eines Urteils berhaupt. Die subjektive Bedingung aller Urteile ist das Vermgen zu urteilen selbst, oder die Urteilskraft. Diese, in Ansehung einer Vorstellung, wodurch ein Gegenstand gegeben wird, gebraucht, erfordert zweier Vorstellungskrfte Zusammenstimmung : nmlich der Einbildungskraft (fr die Anschauung und die Zusammensetzung des Mannigfaltigen derselben), und des Verstandes (fr den Begriff als Vorstellung der Einheit dieser Zusammensetzung). Weil nun dem Urteile hier kein Begriff vom Objekte zum Grunde liegt, so kann es nur in der Subsumtion der Einbildungskraft selbst (bei einer Vorstellung, wodurch ein Gegenstand gegeben wird) unter die Bedingungen, da der Verstand berhaupt von der Anschauung zu Begriffen gelangt, bestehen. D. i. weil eben darin, da die Einbildungskraft ohne Begriff schematisiert, die Freiheit derselben besteht ; so mu das Geschmacksurteil auf einer bloen Empfindung der sich wechselseitig belebenden Einbildungskraft in ihrer Freiheit, und des Verstandes mit seiner Gesetzmigkeit, also auf einem Gefhle beruhen, das den Gegenstand nach der Zweckmigkeit der Vorstellung (wodurch ein Gegenstand gegeben wird) auf die Befrderung des Erkenntnisvermgens in ihrem freien Spiele beurteilen lt ; und der Geschmack, als subjektive Urteilskraft, enthlt ein Prinzip der Subsumtion, aber nicht der Anschauungen unter Begriffe, sondern des Vermgens der Anschauungen oder Darstellungen (d. i. der Einbildungskraft) unter das Vermgen der Begriffe (d. i. den Verstand), sofern das erstere in seiner Freiheit zum letzteren in seiner Gesetzmigkeit zusammenstimmt.

Um diesen Rechtsgrund nun durch eine Deduktion der Geschmacksurteile ausfindig zu machen, knnen nur die formalen Eigentmlichkeiten dieser Art Urteile, mithin sofern an ihnen blo die logische Form betrachtet wird, uns zum Leitfaden dienen.

 

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Von der Aufgabe einer Deduktion der Geschmacksurteile

Mit der Wahrnehmung eines Gegenstandes kann unmittelbar der Begriff von einem Objekte berhaupt, von welchem jene die empirischen Prdikate enthlt, zu einem Erkenntnisurteile verbunden, und dadurch ein Erfahrungsurteil erzeugt werden. Diesem liegen nun Begriffe a priori von der synthetischen Einheit des Mannigfaltigen der Anschauung, um es als Bestimmung eines Objekts zu denken, zum Grunde ; und diese Begriffe (die Kategorien) erfordern eine Deduktion, die auch in der Kritik der r. V. gegeben worden, wodurch denn auch die Auflsung der Aufgabe zustande kommen konnte : Wie sind synthetische Erkenntnisurteile a priori mglich ? Diese Aufgabe betraf also die Prinzipien a priori des reinen Verstandes, und seiner theoretischen Urteile.

Mit einer Wahrnehmung kann aber auch unmittelbar ein Gefhl der Lust (oder Unlust) und ein Wohlgefallen verbunden werden, welches die Vorstellung des Objekts begleitet und derselben statt Prdikats dient, und so ein sthetisches Urteil, welches kein Erkenntnisurteil ist, entspringen. Einem solchen, wenn es nicht bloes Empfindungs-, sondern ein formales Reflexions-Urteil ist, welches dieses Wohlgefallen jedermann als notwendig ansinnet, mu etwas als Prinzip a priori zum Grunde liegen, welches allenfalls ein blo subjektives sein mag (wenn ein objektives zu solcher Art Urteile unmglich sein sollte), aber auch als ein solches einer Deduktion bedarf, damit begriffen werde, wie ein sthetisches Urteil auf Notwendigkeit Anspruch machen knne. Hierauf grndet sich nun die Aufgabe, mit der wir uns jetzt beschftigen : Wie sind Geschmacksurteile mglich ? Welche Aufgabe also die Prinzipien a priori der reinen Urteilskraft in sthetischen Urteilen betrifft, d. i. in solchen, wo sie nicht (wie in den theoretischen) unter objektiven Verstandesbegriffen blo zu subsumieren hat und unter einem Gesetze steht, sondern wo sie sich selbst, subjektiv, Gegenstand sowohl als Gesetz ist.

Diese Aufgabe kann auch so vorgestellt werden : Wie ist ein Urteil mglich, das blo aus dem eigenen Gefhl der Lust an einem Gegenstande, unabhngig von dessen Begriffe, diese Lust, als der Vorstellung desselben Objekts in jedem andern Subjekte anhngig, a priori, d. i. ohne fremde Beistimmung abwarten zu drfen, beurteilte ?

Da Geschmacksurteile synthetische sind, ist leicht einzusehen, weil sie ber den Begriff, und selbst die Anschauung des Objekts, hinausgehen, und etwas, das gar nicht einmal Erkenntnis ist, nmlich Gefhl der Lust (oder Unlust) zu jener als Prdikat hinzutun. Da sie aber, obgleich das Prdikat (der mit der Vorstellung verbundenen eigenen Lust) empirisch ist, gleichwohl, was die geforderte Beistimmung von jedermann betrifft, Urteile a priori sind, oder dafr gehalten werden wollen, ist gleichfalls schon in den Ausdrcken ihres Anspruchs enthalten ; und so gehrt diese Aufgabe der Kritik der Urteilskraft unter das allgemeine Problem der Transzendentalphilosophie : Wie sind synthetische Urteile a priori mglich ?

 

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Was wird eigentlich in einem Geschmacksurteile von einem Gegenstande a priori behauptet ?

Da die Vorstellung von einem Gegenstande unmittelbar mit einer Lust verbunden sei, kann nur innerlich wahrgenommen werden, und wrde, wenn man nichts weiter als dieses anzeigen wollte, ein blo empirisches Urteil geben. Denn a priori kann ich mit keiner Vorstellung ein bestimmtes Gefhl (der Lust oder Unlust) verbinden, auer wo ein den Willen bestimmendes Prinzip a priori in der Vernunft zum Grunde liegt ; da denn die Lust (im moralischen Gefhl) die Folge davon ist, ebendarum aber mit der Lust im Geschmacke gar nicht verglichen werden kann, weil sie einen bestimmten Begriff von einem Gesetze erfordert : da hingegen jene unmittelbar mit der bloen Beurteilung, vor allem Begriffe, verbunden sein soll. Daher sind auch alle Geschmacksurteile einzelne Urteile, weil sie ihr Prdikat des Wohlgefallens nicht mit einem Begriffe, sondern mit einer gegebenen einzelnen empirischen Vorstellung verbinden.

Also ist es nicht die Lust, sondern die Allgemeingltigkeit dieser Lust, die mit der bloen Beurteilung eines Gegenstandes im Gemte als verbunden wahrgenommen wird, welche a priori als allgemeine Regel fr die Urteilskraft, fr jedermann gltig, in einem Geschmacksurteile vorgestellt wird. Es ist ein empirisches Urteil : da ich einen Gegenstand mit Lust wahrnehme und beurteile. Es ist aber ein Urteil a priori : da ich ihn schn finde, d. i. jenes Wohlgefallen jedermann als notwendig ansinnen darf.

 

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Deduktion der Geschmacksurteile

Wenn eingerumt wird : da in einem reinen Geschmacksurteile das Wohlgefallen an dem Gegenstande mit der bloen Beurteilung seiner Form verbunden sei ; so ist es nichts anders, als die subjektive Zweckmigkeit derselben fr die Urteilskraft, welche wir mit der Vorstellung des Gegenstandes im Gemte verbunden empfinden. Da nun die Urteilskraft in Ansehung der formalen Regeln der Beurteilung, ohne alle Materie (weder Sinnenempfindung noch Begriff), nur auf die subjektiven Bedingungen des Gebrauchs der Urteilskraft berhaupt (die weder auf die besondere Sinnesart, noch einen besondern Verstandesbegriff eingeschrnkt ist), gerichtet sein kann ; folglich auf dasjenige Subjektive, welches man in allen Menschen (als zum mglichen Erkenntnisse berhaupt erforderlich) voraussetzen kann : so mu die bereinstimmung einer Vorstellung mit diesen Bedingungen der Urteilskraft als fr jedermann gltig a priori angenommen werden knnen. D. i. die Lust oder subjektive Zweckmigkeit der Vorstellung fr das Verhltnis der Erkenntnisvermgen in der Beurteilung eines sinnlichen Gegenstandes berhaupt, wird jedermann mit Recht angesonnen werden knnen*.

 

Anmerkung

Diese Deduktion ist darum so leicht, weil sie keine objektive Realitt eines Begriffs zu rechtfertigen ntig hat ; denn Schnheit ist kein Begriff vom Objekt, und das Geschmacksurteil ist kein Erkenntnisurteil. Es behauptet nur : da wir berechtigt sind, dieselben subjektiven Bedingungen der Urteilskraft allgemein bei jedem Menschen vorauszusetzen, die wir in uns antreffen ; und nur noch, da wir unter diese Bedingungen das gegebene Objekt richtig subsumiert haben. Obgleich nun dies letztere unvermeidliche, der logischen Urteilskraft nicht anhngende, Schwierigkeiten hat (weil man in dieser unter Begriffe, in der sthetischen aber unter ein blo empfindbares Verhltnis, der an der vorgestellten Form des Objekts wechselseitig unter einander stimmenden Einbildungskraft und des Verstandes, subsumiert, wo die Subsumtion leicht trgen kann) ; so wird dadurch doch der Rechtmigkeit des Anspruchs der Urteilskraft, auf allgemeine Beistimmung zu rechnen, nichts benommen, welcher nur darauf hinausluft : die Richtigkeit des Prinzips, aus subjektiven Grnden fr jedermann gltig zu urteilen. Denn was die Schwierigkeit und den Zweifel wegen der Richtigkeit der Subsumtion unter jenes Prinzip betrifft, so macht sie die Rechtmigkeit des Anspruchs auf diese Gltigkeit eines sthetischen Urteils berhaupt, mithin das Prinzip selber, so wenig zweifelhaft, als die eben sowohl (obgleich nicht so oft und leicht) fehlerhafte Subsumtion der logischen Urteilskraft unter ihr Prinzip das letztere, welches objektiv ist, zweifelhaft machen kann. Wrde aber die Frage sein : Wie ist es mglich, die Natur als einen Inbegriff von Gegenstnden des Geschmacks a priori anzunehmen ? so hat diese Aufgabe Beziehung auf die Teleologie, weil es als ein Zweck der Natur angesehen werden mte, der ihrem Begriffe wesentlich anhinge, fr unsere Urteilskraft zweckmige Formen aufzustellen. Aber die Richtigkeit dieser Annahme ist noch sehr zu bezweifeln, indes die Wirklichkeit der Naturschnheiten der Erfahrung offen liegt.

 

* Um berechtigt zu sein, auf allgemeine Beistimmung zu einem blo auf subjektiven Grnden beruhenden Urteile der sthetischen Urteilskraft Anspruch zu machen, ist genug, da man einrume : 1) Bei allen Menschen seien die subjektiven Bedingungen dieses Vermgens, was das Verhltnis der darin in Ttigkeit gesetzten Erkenntniskrfte zu einem Erkenntnis berhaupt betrifft, einerlei ; welches wahr sein mu, weil sich sonst Menschen ihre Vorstellungen und selbst das Erkenntnis nicht mitteilen knnten. 2) Das Urteil habe blo auf dieses Verhltnis (mithin die formale Bedingung der Urteilskraft) Rcksicht genommen, und sei rein, d. i. weder mit Begriffen vom Objekt noch Empfindungen, als Bestimmungsgrnden, vermengt. Wenn in Ansehung dieses letztern auch gefehlt worden, so betrifft das nur die unrichtige Anwendung der Befugnis, die ein Gesetz uns gibt, auf einen besondern Fall, wodurch die Befugnis berhaupt nicht aufgehoben wird.

 

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Von der Mitteilbarkeit einer Empfindung

Wenn Empfindung, als das Reale der Wahrnehmung, auf Erkenntnis bezogen wird, so heit sie Sinnenempfindung ; und das Spezifische ihrer Qualitt lt sich nur als durchgngig auf gleiche Art mitteilbar vorstellen, wenn man annimmt, da jedermann einen gleichen Sinn mit dem unsrigen habe : dieses lt sich aber von einer Sinnesempfindung schlechterdings nicht voraussetzen. So kann dem, welchem der Sinn des Geruchs fehlt, diese Art der Empfindung nicht mitgeteilt werden ; und, selbst wenn er ihm nicht mangelt, kann man doch nicht sicher sein, ob er gerade die nmliche Empfindung von einer Blume habe, die wir davon haben. Noch mehr unterschieden mssen wir uns aber die Menschen in Ansehung der Annehmlichkeit oder Unannehmlichkeit bei der Empfindung ebendesselben Gegenstandes der Sinne vorstellen ; und es ist schlechterdings nicht zu verlangen, da die Lust an dergleichen Gegenstnden von jedermann zugestanden werde. Man kann die Lust von dieser Art, weil sie durch den Sinn in das Gemt kommt und wir dabei also passiv sind, die Lust des Genusses nennen.

Das Wohlgefallen an einer Handlung um ihrer moralischen Beschaffenheit willen ist dagegen keine Lust des Genusses, sondern der Selbstttigkeit, und deren Gemheit mit der Idee seiner Bestimmung. Dieses Gefhl, welches das sittliche heit, erfordert aber Begriffe ; und stellt keine freie, sondern gesetzliche Zweckmigkeit dar, lt sich also auch nicht anders, als vermittelst der Vernunft, und, soll die Lust bei jedermann gleichartig sein, durch sehr bestimmte praktische Vernunftbegriffe, allgemein mitteilen.

Die Lust am Erhabenen der Natur, als Lust der vernnftelnden Kontemplation, macht zwar auch auf allgemeine Teilnehmung Anspruch, setzt aber doch schon ein anderes Gefhl, nmlich das seiner bersinnlichen Bestimmung, voraus : welches, so dunkel es auch sein mag, eine moralische Grundlage hat. Da aber andere Menschen darauf Rcksicht nehmen und in der Betrachtung der rauhen Gre der Natur ein Wohlgefallen finden werden (welches wahrhaftig dem Anblicke derselben, der eher abschreckend ist, nicht zugeschrieben werden kann), bin ich nicht schlechthin vorauszusetzen berechtigt. Dem ungeachtet kann ich doch, in Betracht dessen, da auf jene moralischen Anlagen bei jeder schicklichen Veranlassung Rcksicht genommen werden sollte, auch jenes Wohlgefallen jedermann ansinnen, aber nur vermittelst des moralischen Gesetzes, welches seinerseits wiederum auf Begriffen der Vernunft gegrndet ist.

Dagegen ist die Lust am Schnen weder eine Lust des Genusses, noch einer gesetzlichen Ttigkeit, auch nicht der vernnftelnden Kontemplation nach Ideen, sondern der bloen Reflexion. Ohne irgendeinen Zweck oder Grundsatz zur Richtschnur zu haben, begleitet diese Lust die gemeine Auffassung eines Gegenstandes durch die Einbildungskraft, als Vermgen der Anschauung, in Beziehung auf den Verstand, als Vermgen der Begriffe, vermittelst eines Verfahrens der Urteilskraft, welches sie auch zum Behuf der gemeinsten Erfahrung ausben mu : nur da sie es hier, um einen empirischen objektiven Begriff, dort aber (in der sthetischen Beurteilung) blo um die Angemessenheit der Vorstellung zur harmonischen (subjektiv-zweckmigen) Beschftigung beider Erkenntnisvermgen in ihrer Freiheit wahrzunehmen, d. i. den Vorstellungszustand mit Lust zu empfinden, zu tun gentigt ist. Diese Lust mu notwendig bei jedermann auf den nmlichen Bedingungen beruhen, weil sie subjektive Bedingungen der Mglichkeit einer Erkenntnis berhaupt sind, und die Proportion dieser Erkenntnisvermgen, welche zum Geschmack erfordert wird, auch zum gemeinen und gesunden Verstande erforderlich ist, den man bei jedermann voraussetzen darf. Eben darum darf auch der mit Geschmack Urteilende (wenn er nur in diesem Bewutsein nicht irrt, und nicht die Materie fr die Form, Reiz fr Schnheit nimmt) die subjektive Zweckmigkeit, d. i. sein Wohlgefallen am Objekte jedem andern ansinnen, und sein Gefhl als allgemein mitteilbar, und zwar ohne Vermittelung der Begriffe, annehmen.

 

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Vom Geschmacke als einer Art von sensus communis

Man gibt oft der Urteilskraft, wenn nicht sowohl ihre Reflexion als vielmehr blo das Resultat derselben bemerklich ist, den Namen eines Sinnes, und redet von einem Wahrheitssinne, von einem Sinne fr Anstndigkeit, Gerechtigkeit usw. ; ob man zwar wei, wenigstens billig wissen sollte, da es nicht ein Sinn ist, in welchem diese Begriffe ihren Sitz haben knnen, noch weniger, da dieser zu einem Ausspruche allgemeiner Regeln die mindeste Fhigkeit habe : sondern da uns von Wahrheit, Schicklichkeit, Schnheit oder Gerechtigkeit nie eine Vorstellung dieser Art in Gedanken kommen knnte, wenn wir uns nicht ber die Sinne zu hhern Erkenntnisvermgen erheben knnten. Der gemeine Menschenverstand, den man, als blo gesunden (noch nicht kultivierten) Verstand, fr das geringste ansieht, dessen man nur immer sich von dem, welcher auf den Namen eines Menschen Anspruch macht, gewrtigen kann, hat daher auch die krnkende Ehre, mit dem Namen des Gemeinsinnes (sensus communis) belegt zu werden ; und zwar so, da man unter dem Worte gemein (nicht blo in unserer Sprache, die hierin wirklich eine Zweideutigkeit enthlt, sondern auch in mancher andern) so viel als das vulgre, was man allenthalben antrifft, versteht, welches zu besitzen schlechterdings kein Verdienst oder Vorzug ist.

Unter dem sensus communis aber mu man die Idee eines gemeinschaftlichen Sinnes, d. i. eines Beurteilungsvermgens verstehen, welches in seiner Reflexion auf die Vorstellungsart jedes andern in Gedanken (a priori) Rcksicht nimmt, um gleichsam an die gesamte Menschenvernunft sein Urteil zu halten, und dadurch der Illusion zu entgehen, die aus subjektiven Privatbedingungen, welche leicht fr objektiv gehalten werden knnten, auf das Urteil nachteiligen Einflu haben wrde. Dieses geschieht nun dadurch, da man sein Urteil an anderer, nicht sowohl wirkliche als vielmehr blo mgliche Urteile hlt, und sich in die Stelle jedes andern versetzt, indem man blo von den Beschrnkungen, die unserer eigenen Beurteilung zuflligerweise anhngen, abstrahiert : welches wiederum dadurch bewirkt wird, da man das, was in dem Vorstellungszustande Materie d. i. Empfindung ist, so viel mglich weglt, und lediglich auf die formalen Eigentmlichkeiten seiner Vorstellung, oder seines Vorstellungszustandes, acht hat. Nun scheint diese Operation der Reflexion vielleicht allzu knstlich zu sein, um sie dem Vermgen, welches wir den gemeinen Sinn nennen, beizulegen ; allein sie sieht auch nur so aus, wenn man sie in abstrakten Formeln ausdrckt ; an sich ist nichts natrlicher, als von Reiz und Rhrung zu abstrahieren, wenn man ein Urteil sucht, welches zur allgemeinen Regel dienen soll.

Folgende Maximen des gemeinen Menschenverstandes gehren zwar nicht hieher, als Teile der Geschmackskritik, knnen aber doch zur Erluterung ihrer Grundstze dienen. Es sind folgende : 1. Selbstdenken ; 2. An der Stelle jedes andern denken ; 3. Jederzeit mit sich selbst einstimmig denken. Die erste ist die Maxime der vorurteilfreien, die zweite der erweiterten, die dritte der konsequenten Denkungsart. Die erste ist die Maxime einer niemals passiven Vernunft. Der Hang zur letztern, mithin zur Heteronomie der Vernunft, heit das Vorurteil ; und das grte unter allen ist, sich die Natur Regeln, welche der Verstand ihr durch sein eigenes wesentliches Gesetz zum Grunde legt, als nicht unterworfen vorzustellen : d. i. der Aberglaube. Befreiung vom Aberglauben heit Aufklrung* ; weil, obschon diese Benennung auch der Befreiung von Vorurteilen berhaupt zukommt, jener doch vorzugsweise (in sensu eminenti) ein Vorurteil genannt zu werden verdient, indem die Blindheit, worin der Aberglaube versetzt, ja sie wohl gar als Obliegenheit fordert, das Bedrfnis von andern geleitet zu werden, mithin den Zustand einer passiven Vernunft vorzglich kenntlich macht. Was die zweite Maxime der Denkungsart betrifft, so sind wir sonst wohl gewohnt, denjenigen eingeschrnkt (borniert, das Gegenteil von erweitert) zu nennen, dessen Talente zu keinem groen Gebrauche (vornehmlich dem intensiven) zulangen. Allein hier ist nicht die Rede vom Vermgen des Erkenntnisses, sondern von der Denkungsart, einen zweckmigen Gebrauch davon zu machen : welche, so klein auch der Umfang und der Grad sei, wohin die Naturgabe des Menschen reicht, dennoch einen Mann von erweiterter Denkungsart anzeigt, wenn er sich ber die subjektiven Privatbedingungen des Urteils, wozwischen so viele andere wie eingeklammert sind, wegsetzt, und aus einem allgemeinen Standpunkte (den er dadurch nur bestimmen kann, da er sich in den Standpunkt anderer versetzt) ber sein eigenes Urteil reflektiert. Die dritte Maxime, nmlich die der konsequenten Denkungsart, ist am schwersten zu erreichen, und kann auch nur durch die Verbindung beider ersten, und nach einer zur Fertigung gewordenen fteren Befolgung derselben, erreicht werden. Man kann sagen : die erste dieser Maximen ist die Maxime des Verstandes, die zweite der Urteilskraft, die dritte der Vernunft.

Ich nehme den durch diese Episode verlassenen Faden wieder auf, und sage : da der Geschmack mit mehrerem Rechte sensus communis genannt werden knne, als der gesunde Verstand ; und da die sthetische Urteilskraft eher als die intellektuelle den Namen eines gemeinschaftlichen Sinnes** fhren knne, wenn man ja das Wort Sinn von einer Wirkung der bloen Reflexion auf das Gemt brauchen will : denn da versteht man unter Sinn das Gefhl der Lust. Man knnte sogar den Geschmack durch das Beurteilungsvermgen desjenigen, was unser Gefhl an einer gegebenen Vorstellung ohne Vermittelung eines Begriffs allgemein mitteilbar macht, definieren.

Die Geschicklichkeit der Menschen sich ihre Gedanken mitzuteilen, erfordert auch ein Verhltnis der Einbildungskraft und des Verstandes, um den Begriffen Anschauungen und diesen wiederum Begriffe zuzugesellen, die in ein Erkenntnis zusammenflieen ; aber alsdann ist die Zusammenstimmung beider Gemtskrfte gesetzlich, unter dem Zwange bestimmter Begriffe. Nur da, wo Einbildungskraft in ihrer Freiheit den Verstand erweckt, und dieser ohne Begriffe die Einbildungskraft in ein regelmiges Spiel versetzt : da teilt sich die Vorstellung, nicht als Gedanke, sondern als inneres Gefhl eines zweckmigen Zustandes des Gemts, mit.

Der Geschmack ist also das Vermgen, die Mitteilbarkeit der Gefhle, welche mit gegebener Vorstellung (ohne Vermittelung eines Begriffs) verbunden sind, a priori zu beurteilen.

Wenn man annehmen drfte, da die bloe allgemeine Mitteilbarkeit seines Gefhls an sich schon ein Interesse fr uns bei sich fhren msse (welches man aber aus der Beschaffenheit einer blo reflektierenden Urteilskraft zu schlieen nicht berechtigt ist) ; so wrde man sich erklren knnen, woher das Gefhl im Geschmacksurteile gleichsam als Pflicht jedermann zugemutet werde.

 

* Man sieht bald, da Aufklrung zwar in Thesi leicht, in Hypothesi aber eine schwere und langsam auszufhrende Sache sei ; weil mit seiner Vernunft nicht passiv, sondern jederzeit sich selbst gesetzgebend zu sein, zwar etwas ganz Leichtes fr den Menschen ist, der nur seinem wesentlichen Zwecke angemessen sein will, und das, was ber seinen Verstand ist, nicht zu wissen verlangt ; aber, da die Bestrebung zum letzteren kaum zu verhten ist, und es an andern, welche diese Wibegierde befriedigen zu knnen mit vieler Zuversicht versprechen, nie fehlen wird : so mu das blo Negative (welches die eigentliche Aufklrung ausmacht) in der Denkungsart (zumal der ffentlichen) zu erhalten, oder herzustellen, sehr schwer sein.

 

** Man knnte den Geschmack durch sensus communis aestheticus, den gemeinen Menschenverstand durch sensus communis logicus bezeichnen.

 

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Vom empirischen Interesse am Schnen

Da das Geschmacksurteil, wodurch etwas fr schn erklrt wird, kein Interesse zum Bestimmungsgrunde haben msse, ist oben hinreichend dargetan worden. Aber daraus folgt nicht, da, nachdem es, als reines sthetische Urteil, gegeben worden, kein Interesse damit verbunden werden knne. Diese Verbindung wird aber immer nur indirekt sein knnen, d. i. der Geschmack mu allererst mit etwas anderem verbunden vorgestellt werden, um mit dem Wohlgefallen der bloen Reflexion ber einen Gegenstand noch eine Lust an der Existenz desselben (als worin alles Interesse besteht) verknpfen zu knnen. Denn es gilt hier im sthetischen Urteile, was im Erkenntnisurteile (von Dingen berhaupt) gesagt wird, a posse ad esse non valet consequentia. Dieses andere kann nun etwas Empirisches sein, nmlich eine Neigung, die der menschlichen Natur eigen ist ; oder etwas Intellektuelles als Eigenschaft des Willens, a priori durch Vernunft bestimmt werden zu knnen : welche beide ein Wohlgefallen am Dasein eines Objekts enthalten, und so den Grund zu einem Interesse an demjenigen legen knnen, was schon fr sich und ohne Rcksicht auf irgendein Interesse gefallen hat.

Empirisch interessiert das Schne nur in der Gesellschaft ; und, wenn man den Trieb zur Gesellschaft als dem Menschen natrlich, die Tauglichkeit aber und den Hang dazu, d. i. die Geselligkeit, zur Erfordernis des Menschen, als fr die Gesellschaft bestimmten Geschpfs, also als zur Humanitt gehrige Eigenschaft einrumt : so kann es nicht fehlen, da man nicht auch den Geschmack als ein Beurteilungsvermgen alles dessen, wodurch man sogar sein Gefhl jedem andern mitteilen kann, mithin als Befrderungsmittel dessen, was eines jeden natrliche Neigung verlangt, ansehen sollte.

Fr sich allein wrde ein verlassener Mensch auf einer wsten Insel weder seine Htte, noch sich selbst ausputzen, oder Blumen aufsuchen, noch weniger sie pflanzen, um sich damit auszuschmcken ; sondern nur in Gesellschaft kommt es ihm ein, nicht blo Mensch, sondern auch nach seiner Art ein feiner Mensch zu sein (der Anfang der Zivilisierung) : denn als einen solchen beurteilt man denjenigen, welcher seine Lust andern mitzuteilen geneigt und geschickt ist, und den ein Objekt nicht befriedigt, wenn er das Wohlgefallen an demselben nicht in Gemeinschaft mit andern fhlen kann. Auch erwartet und fordert ein jeder die Rcksicht auf allgemeine Mitteilung von jedermann, gleichsam als aus einem ursprnglichen Vertrage, der durch die Menschheit selbst diktiert ist ; und so werden freilich anfangs nur Reize, z. B. Farben, um sich zu bemalen (Rocou bei den Karaiben und Zinnober bei den Irokesen), oder Blumen, Muschelschalen, schnfarbige Vogelfedern, mit der Zeit aber auch schne Formen (als an Kanus, Kleidern, usw.), die gar kein Vergngen, d. i. Wohlgefallen des Genusses bei sich fhren, in der Gesellschaft wichtig und mit groem Interesse verbunden : bis endlich die auf den hchsten Punkt gekommene Zivilisierung daraus beinahe das Hauptwerk der verfeinerten Neigung macht, und Empfindungen nur so viel wert gehalten werden, als sie sich allgemein mitteilen lassen ; wo denn, wenngleich die Lust, die jeder an einem solchen Gegenstande hat, nur unbetrchtlich und fr sich ohne merkliches Interesse ist, doch die Idee von ihrer allgemeinen Mitteilbarkeit ihren Wert beinahe unendlich vergrert.

Dieses indirekt dem Schnen, durch Neigung zur Gesellschaft, angehngte, mithin empirische Interesse, ist aber fr uns hier von keiner Wichtigkeit, die wir nur darauf zu sehen haben, was auf das Geschmacksurteil a priori, wenngleich nur indirekt, Beziehung haben mag. Denn, wenn auch in dieser Form sich ein damit verbundenes Interesse entdecken sollte, so wrde Geschmack einen bergang unseres Beurteilungsvermgens von dem Sinnengenu zum Sittengefhl entdecken ; und nicht allein, da man dadurch den Geschmack zweckmig zu beschftigen besser geleitet werden wrde, es wrde auch ein Mittelglied der Kette der menschlichen Vermgen a priori, von denen alle Gesetzgebung abhngen mu, als ein solches dargestellt werden. So viel kann man von dem empirischen Interesse an Gegenstnden des Geschmacks und am Geschmack selbst wohl sagen, da es, da dieser der Neigung frnt, obgleich sie noch so verfeinert sein mag, sich doch auch mit allen Neigungen und Leidenschaften, die in der Gesellschaft ihre grte Mannigfaltigkeit und hchste Stufe erreichen, gern zusammenschmelzen lt, und das Interesse am Schnen, wenn es darauf gegrndet ist, einen nur sehr zweideutigen bergang vom Angenehmen zum Guten abgeben knne. Ob aber dieser nicht etwa doch durch den Geschmack, wenn er in seiner Reinigkeit genommen wird, befrdert werden knne, haben wir zu untersuchen Ursache.

 

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Vom intellektuellen Interesse am Schnen

Es geschah in gutmtiger Absicht, da diejenigen, welche alle Beschftigungen der Menschen, wozu diese die innere Naturanlage antreibt, gerne auf den letzten Zweck der Menschheit, nmlich das Moralisch-Gute richten wollten, es fr ein Zeichen eines guten moralischen Charakters hielten, am Schnen berhaupt ein Interesse zu nehmen. Ihnen ist aber nicht ohne Grund von anderen widersprochen worden, die sich auf die Erfahrung berufen, da Virtuosen des Geschmacks nicht allein fter, sondern wohl gar gewhnlich, eitel, eigensinnig, und verderblichen Leidenschaften ergeben, vielleicht noch weniger wie andere auf den Vorzug der Anhnglichkeit an sittliche Grundstze Anspruch machen knnten ; und so scheint es, da das Gefhl fr das Schne, nicht allein (wie es auch wirklich ist) vom moralischen Gefhl spezifisch unterschieden, sondern auch das Interesse, welches man damit verbinden kann, mit dem moralischen schwer, keinesweges aber durch innere Affinitt, vereinbar sei.

Ich rume nun zwar gerne ein, da das Interesse am Schnen der Kunst (wozu ich auch den knstlichen Gebrauch der Naturschnheiten zum Putze, mithin zur Eitelkeit, rechne) gar keinen Beweis einer dem Moralisch-Guten anhnglichen, oder auch nur dazu geneigten Denkungsart abgebe. Dagegen aber behaupte ich, da ein unmittelbares Interesse an der Schnheit der Natur zu nehmen (nicht blo Geschmack haben, um sie zu beurteilen) jederzeit ein Kennzeichen einer guten Seele sei ; und da, wenn dieses Interesse habituell ist, es wenigstens eine dem moralischen Gefhl gnstige Gemtsstimmung anzeige, wenn es sich mit der Beschauung der Natur gerne verbindet. Man mu sich aber wohl erinnern, da ich hier eigentlich die schnen Formen der Natur meine, die Reize dagegen, welche sie so reichlich auch mit jenen zu verbinden pflegt, noch zur Seite setze, weil das Interesse daran zwar auch unmittelbar, aber doch empirisch ist.

Der, welcher einsam (und ohne Absicht, seine Bemerkungen andern mitteilen zu wollen) die schne Gestalt einer wilden Blume, eines Vogels, eines Insekts usw. betrachtet, um sie zu bewundern, zu lieben und sie nicht gerne in der Natur berhaupt vermissen zu wollen, ob ihm gleich dadurch einiger Schaden geschhe, viel weniger ein Nutzen daraus fr ihn hervorleuchtete, nimmt ein unmittelbares und zwar intellektuelles Interesse an der Schnheit der Natur. D. i. nicht allein ihr Produkt der Form nach, sondern auch das Dasein desselben gefllt ihm, ohne da ein Sinnenreiz daran Anteil htte, oder er auch irgendeinen Zweck damit verbnde.

Es ist aber hiebei merkwrdig, da, wenn man diesen Liebhaber des Schnen insgeheim hintergangen und knstliche Blumen (die man den natrlichen ganz hnlich verfertigen kann) in die Erde gesteckt, oder knstlich geschnitzte Vgel auf Zweige von Bumen gesetzt htte, und er darauf den Betrug entdeckte, das unmittelbare Interesse, was er vorher daran nahm, alsbald verschwinden, vielleicht aber ein anderes, nmlich das Interesse der Eitelkeit, sein Zimmer fr fremde Augen damit auszuschmcken, an dessen Stelle sich einfinden wrde. Da die Natur jene Schnheit hervorgebracht hat : dieser Gedanke mu die Anschauung und Reflexion begleiten ; und auf diesem grndet sich allein das unmittelbare Interesse, was man daran nimmt. Sonst bleibt entweder ein bloes Geschmacksurteil ohne alles Interesse, oder nur ein mit einem mittelbaren, nmlich auf die Gesellschaft bezogenen verbundenes brig : welches letztere keine sichere Anzeige auf moralisch-gute Denkungsart abgibt.

Dieser Vorzug der Naturschnheit vor der Kunstschnheit, wenn jene gleich durch diese der Form nach sogar bertroffen wrde, dennoch allein ein unmittelbares Interesse zu erwecken, stimmt mit der geluterten und grndlichen Denkungsart aller Menschen berein, die ihr sittliches Gefhl kultiviert haben. Wenn ein Mann, der Geschmack genug hat, um ber Produkte der schnen Kunst mit der grten Richtigkeit und Feinheit zu urteilen, das Zimmer gern verlt, in welchem jene, die Eitelkeit und allenfalls gesellschaftlichen Freuden unterhaltenden, Schnheiten anzutreffen sind, und sich zum Schnen der Natur wendet, um hier gleichsam Wollust fr seinen Geist in einem Gedankengange zu finden, den er sich nie vllig entwickeln kann ; so werden wir diese seine Wahl selber mit Hochachtung betrachten, und in ihm eine schne Seele voraussetzen, auf die kein Kunstkenner und Liebhaber, um des Interesse willen, das er an seinen Gegenstnden nimmt, Anspruch machen kann. Was ist nun der Unterschied der so verschiedenen Schtzung zweierlei Objekte, die im Urteile des bloen Geschmacks einander kaum den Vorzug streitig machen wrden ?

Wir haben ein Vermgen der blo sthetischen Urteilskraft, ohne Begriffe ber Formen zu urteilen, und an der bloen Beurteilung derselben ein Wohlgefallen zu finden, welches wir zugleich jedermann zur Regel machen, ohne da dieses Urteil sich auf einem Interesse grndet, noch ein solches hervorbringt. Andererseits haben wir auch ein Vermgen einer intellektuellen Urteilskraft, fr bloe Formen praktischer Maximen (sofern sie sich zur allgemeinen Gesetzgebung von selbst qualifizieren) ein Wohlgefallen a priori zu bestimmen, welches wir jedermann zum Gesetze machen, ohne da unser Urteil sich auf irgendeinem Interesse grndet, aber doch ein solches hervorbringt. Die Lust oder Unlust im ersteren Urteile heit die des Geschmacks, die zweite des moralischen Gefhls.

Da es aber die Vernunft auch interessiert, da die Ideen (fr die sie im moralischen Gefhle ein unmittelbares Interesse bewirkt) auch objektive Realitt haben, d. i. da die Natur wenigstens eine Spur zeige, oder einen Wink gebe, sie enthalte in sich irgendeinen Grund, eine gesetzmige bereinstimmung ihrer Produkte zu unserm von allem Interesse unabhngigen Wohlgefallen (welches wir a priori fr jedermann als Gesetz erkennen, ohne dieses auf Beweisen grnden zu knnen) anzunehmen : so mu die Vernunft an jeder uerung der Natur von einer dieser hnlichen bereinstimmung ein Interesse nehmen ; folglich kann das Gemt ber die Schnheit der Natur nicht nachdenken, ohne sich dabei zugleich interessiert zu finden. Dieses Interesse aber ist der Verwandtschaft nach moralisch ; und der, welcher es im Schnen der Natur nimmt, kann es nur sofern an demselben nehmen, als er vorher schon sein Interesse am Sittlich-Guten wohlgegrndet hat. Wen also die Schnheit der Natur unmittelbar interessiert, bei dem hat man Ursache, wenigstens eine Anlage zu guter moralischer Gesinnung zu vermuten.

Man wird sagen : diese Deutung sthetischer Urteile auf Verwandtschaft mit dem moralischen Gefhl sehe gar zu studiert aus, um sie fr die wahre Auslegung der Chiffreschrift zu halten, wodurch die Natur in ihren schnen Formen figrlich zu uns spricht. Allein erstlich ist dieses unmittelbare Interesse am Schnen Tier Natur wirklich nicht gemein, sondern nur denen eigen, deren Denkungsart entweder zum Guten schon ausgebildet, oder dieser Ausbildung vorzglich empfnglich ist ; und dann fhrt die Analogie zwischen dem reinen Geschmacksurteile, welches, ohne von irgendeinem Interesse abzuhngen, ein Wohlgefallen fhlen lt ; und es zugleich a priori als der Menschheit berhaupt anstndig vorstellt, und dem moralischen Urteile, welches ebendasselbe aus Begriffen tut, auch ohne deutliches, subtiles und vorstzliches Nachdenken, auf ein gleichmiges unmittelbares Interesse an dem Gegenstande des ersteren, so wie an dem des letzteren : nur da jenes ein freies, dieses ein auf objektive Gesetze gegrndetes Interesse ist. Dazu kommt noch die Bewunderung der Natur, die sich an ihren schnen Produkten als Kunst, nicht blo durch Zufall, sondern gleichsam absichtlich, nach gesetzmiger Anordnung und als Zweckmigkeit ohne Zweck, zeigt : welchen letzteren, da wir ihn uerlich nirgend antreffen, wir natrlicherweise in uns selbst, und zwar in demjenigen, was den letzten Zweck unseres Daseins ausmacht, nmlich der moralischen Bestimmung, suchen (von welcher Nachfrage nach dem Grunde der Mglichkeit einer solchen Naturzweckmigkeit aber allererst in der Teleologie die Rede sein wird).

Da das Wohlgefallen an der schnen Kunst im reinen Geschmacksurteile nicht ebenso mit einem unmittelbaren Interesse verbunden ist, als das an der schnen Natur, ist auch leicht zu erklren. Denn jene ist entweder eine solche Nachahmung von dieser, die bis zur Tuschung geht : und alsdann tut sie die Wirkung als (dafr gehaltene) Naturschnheit ; oder sie ist eine absichtlich auf unser Wohlgefallen sichtbarlich gerichtete Kunst : alsdann aber wrde das Wohlgefallen an diesem Produkte zwar unmittelbar durch Geschmack stattfinden, aber kein anderes als mittelbares Interesse an der zum Grunde liegenden Ursache erwecken, nmlich einer Kunst, welche nur durch ihren Zweck, niemals an sich selbst, interessieren kann. Man wird vielleicht sagen, da dieses auch der Fall sei, wenn ein Objekt der Natur durch seine Schnheit nur insofern interessiert, als ihr eine moralische Idee beigesellet wird ; aber nicht dieses, sondern die Beschaffenheit derselben an sich selbst, da sie sich zu einer solchen Beigesellung qualifiziert, die ihr also innerlich zukommt, interessiert unmittelbar.

Die Reize in der schnen Natur, welche so hufig mit der schnen Form gleichsam zusammenschmelzend angetroffen werden, sind entweder zu den Modifikationen des Lichts (in der Farbengebung) oder des Schalles (in Tnen) gehrig. Denn diese sind die einzigen Empfindungen, welche nicht blo Sinnengefhl, sondern auch Reflexion ber die Form dieser Modifikationen der Sinne verstatten, und so gleichsam eine Sprache, die die Natur zu uns fhrt, und die einen hhern Sinn zu haben scheint, in sich enthalten. So scheint die weie Farbe der Lilie das Gemt zu Ideen der Unschuld, und nach der Ordnung der sieben Farben, von der roten an bis zur violetten, 1) zur Idee der Erhabenheit, 2) der Khnheit, 3) der Freimtigkeit, 4) der Freundlichkeit, 5) der Bescheidenheit, 6) der Standhaftigkeit, und 7) der Zrtlichkeit zu stimmen. Der Gesang der Vgel verkndet Frhlichkeit und Zufriedenheit mit seiner Existenz. Wenigstens so deuten wir die Natur aus, es mag dergleichen ihre Absicht sein oder nicht. Aber dieses Interesse, welches wir hier an Schnheit nehmen, bedarf durchaus, da es Schnheit der Natur sei ; und es verschwindet ganz, sobald man bemerkt, man sei getuscht, und es sei nur Kunst : sogar, da auch der Geschmack alsdann nichts Schnes, oder das Gesicht etwas Reizendes mehr daran finden kann. Was wird von Dichtern hher gepriesen, als der bezaubernd schne Schlag der Nachtigall in einsamen Gebschen, an einem stillen Sommerabende, bei dem sanften Lichte des Mondes ? Indessen hat man Beispiele, da, wo kein solcher Snger angetroffen wird, irgendein lustiger Wirt seine zum Genu der Landluft bei ihm eingekehrten Gste dadurch zu ihrer grten Zufriedenheit hintergangen hatte, da er einen mutwilligen Burschen, welcher diesen Schlag (mit Schilf oder Rohr im Munde) ganz der Natur hnlich nachzumachen wute, in einem Gebsche verbarg. Sobald man aber inne wird, da es Betrug sei, so wird niemand es lange aushalten, diesem vorher fr so reizend gehaltenen Gesange zuzuhren ; und so ist es mit jedem anderen Singvogel beschaffen. Es mu Natur sein, oder von uns dafr gehalten werden, damit wir an dem Schnen als einem solchen ein unmittelbares Interesse nehmen knnen ; noch mehr aber, wenn wir gar andern zumuten drfen, da sie es daran nehmen sollen : welches in der Tat geschieht, indem wir die Denkungsart derer fr grob und unedel halten, die kein Gefhl fr die schne Natur haben (denn so nennen wir die Empfnglichkeit eines Interesse an ihrer Betrachtung), und sich bei der Mahlzeit oder der Bouteille am Genusse bloer Sinnesempfindungen halten.

 

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Von der Kunst berhaupt

1) Kunst wird von der Natur, wie Tun (facere) vom Handeln oder Wirken berhaupt (agere), und das Produkt, oder die Folge der erstern, als Werk (opus) von der letztern als Wirkung (effectus) unterschieden.

Von Rechts wegen sollte man nur die Hervorbringung durch Freiheit, d. i. durch eine Willkr, die ihren Handlungen Vernunft zum Grunde legt, Kunst nennen. Denn, ob man gleich das Produkt der Bienen (die regelmig gebaueten Wachsscheiben) ein Kunstwerk zu nennen beliebt, so geschieht dieses doch nur wegen der Analogie mit der letzteren ; sobald man sich nmlich besinnt, da sie ihre Arbeit auf keine eigene Vernunftberlegung grnden, so sagt man alsbald, es ist ein Produkt ihrer Natur (des Instinkts), und als Kunst wird es nur ihrem Schpfer zugeschrieben.

Wenn man bei Durchsuchung eines Moorbruches, wie es bisweilen geschehen ist, ein Stck behauenes Holz antrifft, so sagt man nicht, es ist ein Produkt der Natur, sondern der Kunst ; die hervorbringende Ursache desselben hat sich einen Zweck gedacht, dem dieses seine Form zu danken hat. Sonst sieht man wohl auch an allem eine Kunst, was so beschaffen ist, da eine Vorstellung desselben in ihrer Ursache vor ihrer Wirklichkeit vorhergegangen sein mu (wie selbst bei Bienen), ohne da doch die Wirkung von ihr eben gedacht sein drfe ; wenn man aber etwas schlechthin ein Kunstwerk nennt, um es von einer Naturwirkung zu unterscheiden, so versteht man allemal darunter ein Werk der Menschen.

2) Kunst als Geschicklichkeit des Menschen wird auch von der Wissenschaft unterschieden (Knnen vom Wissen), als praktisches vom theoretischen Vermgen, als Technik von der Theorie (wie die Feldmekunst von der Geometrie). Und da wird auch das, was man kann, sobald man nur wei, was getan werden soll, und also nur die begehrte Wirkung genugsam kennt, nicht eben Kunst genannt. Nur das, was man, wenn man es auch auf das vollstndigste kennt, dennoch darum zu machen noch nicht sofort die Geschicklichkeit hat, gehrt in so weit zur Kunst. Camper beschreibt sehr genau, wie der beste Schuh beschaffen sein mte, aber er konnte gewi keinen machen*.

3) Wird auch Kunst vom Handwerke unterschieden ; die erste heit freie, die andere kann auch Lohnkunst heien. Man sieht die erste so an, als ob sie nur als Spiel, d. i. Beschftigung, die fr sich selbst angenehm ist, zweckmig ausfallen (gelingen) knne ; die zweite so, da sie als Arbeit, d. i. Beschftigung, die fr sich selbst unangenehm (beschwerlich), und nur durch ihre Wirkung (z. B. den Lohn) anlockend ist, mithin zwangsmig auferlegt werden kann. Ob in der Rangliste der Znfte Uhrmacher fr Knstler, dagegen Schmiede fr Handwerker gelten sollen : das bedarf eines andern Gesichtspunkts der Beurteilung, als derjenige ist, den wir hier nehmen ; nmlich die Proportion der Talente, die dem einen oder anderen dieser Geschfte zum Grunde liegen mssen. Ob auch unter den sogenannten sieben freien Knsten nicht einige, die den Wissenschaften beizuzhlen, manche auch, die mit Handwerken zu vergleichen sind, aufgefhrt worden sein mchten : davon will ich hier nicht reden. Da aber in allen freien Knsten dennoch etwas Zwangsmiges, oder, wie man es nennt, ein Mechanismus erforderlich sei, ohne welchen der Geist, der in der Kunst frei sein mu und allein das Werk belebt, gar keinen Krper haben und gnzlich verdunsten wrde : ist nicht unratsam zu erinnern (z. B. in der Dichtkunst, die Sprachrichtigkeit und der Sprachreichtum, imgleichen die Prosodie und das Silbenma), da manche neuere Erzieher eine freie Kunst im besten zu befrdern glauben, wenn sie allen Zwang von ihr wegnehmen, und sie aus Arbeit in bloes Spiel verwandeln.

 

* In meinen Gegenden sagt der gemeine Mann, wenn man ihm etwa eine solche Aufgabe vorlegt, wie Kolumbus mit seinem Ei : das ist keine Kunst, es ist nur eine Wissenschaft. D. i. wenn man es wei, so kann man es ; und ebendieses sagt er von allen vorgeblichen Knsten des Taschenspielers. Die des Seiltnzers dagegen wird er gar nicht in Abrede sein, Kunst zu nennen.

 

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Von der schnen Kunst

Es gibt weder eine Wissenschaft des Schnen, sondern nur Kritik, noch schne Wissenschaft, sondern nur schne Kunst. Denn was die erstere betrifft, so wrde in ihr wissenschaftlich, d. i. durch Beweisgrnde ausgemacht werden sollen, ob etwas fr schn zu halten sei oder nicht ; das Urteil ber Schnheit wrde also, wenn es zur Wissenschaft gehrte, kein Geschmacksurteil sein. Was das zweite anlangt, so ist eine Wissenschaft, die, als solche, schn sein soll, ein Unding. Denn wenn man in ihr als Wissenschaft nach Grnden und Beweisen fragte, so wrde man durch geschmackvolle Aussprche (Bonmots) abgefertigt. Was den gewhnlichen Ausdruck, schne Wissenschaften, veranlat hat, ist ohne Zweifel nichts anders, als da man ganz richtig bemerkt hat, es werde zur schnen Kunst in ihrer ganzen Vollkommenheit viel Wissenschaft, als z. B. Kenntnis alter Sprachen, Belesenheit der Autoren die fr Klassiker gelten, Geschichte, Kenntnis der Altertmer usw., erfordert, und deshalb diese historischen Wissenschaften, weil sie zur schnen Kunst die notwendige Vorbereitung und Grundlage ausmachen, zum Teil auch weil darunter selbst die Kenntnis der Produkte der schnen Kunst (Beredsamkeit und Dichtkunst) begriffen worden, durch eine Wortverwechselung, selbst schne Wissenschaften genannt hat.

Wenn die Kunst, dem Erkenntnisse eines mglichen Gegenstandes angemessen, blo ihn wirklich zu machen die dazu erforderlichen Handlungen verrichtet, so ist sie mechanische ; hat sie aber das Gefhl der Lust zur unmittelbaren Absicht, so heit sie sthetische Kunst. Diese ist entweder angenehme oder schne Kunst. Das erste ist sie, wenn der Zweck derselben ist, da die Lust die Vorstellungen als bloe Empfindungen, das zweite, da sie dieselben als Erkenntnisarten begleite.

Angenehme Knste sind die, welche blo zum Genusse abgezweckt werden ; dergleichen alle die Reize sind, welche die Gesellschaft an einer Tafel vergngen knnen : als unterhaltend zu erzhlen, die Gesellschaft in freimtige und lebhafte Gesprchigkeit zu versetzen, durch Scherz und Lachen sie zu einem gewissen Tone der Lustigkeit zu stimmen, wo, wie man sagt, manches ins Gelag hinein geschwatzt werden kann, und niemand ber das, was er spricht, verantwortlich sein will, weil es nur auf die augenblickliche Unterhaltung, nicht auf einen bleibenden Stoff zum Nachdenken oder Nachsagen, angelegt ist. (Hiezu gehrt denn auch die Art, wie der Tisch zum Genusse ausgerstet ist, oder wohl gar bei groen Gelagen die Tafelmusik : ein wunderliches Ding, welches nur als ein angenehmes Gerusch die Stimmung der Gemter zur Frhlichkeit unterhalten soll, und, ohne da jemand auf die Komposition derselben die mindeste Aufmerksamkeit verwendet, die freie Gesprchigkeit eines Nachbars mit dem andern begnstigt.) Dazu gehren ferner alle Spiele, die weiter kein Interesse bei sich fhren, als die Zeit unvermerkt verlaufen zu machen.

Schne Kunst dagegen ist eine Vorstellungsart, die fr sich selbst zweckmig ist, und obgleich ohne Zweck, dennoch die Kultur der Gemtskrfte zur geselligen Mitteilung befrdert.

Die allgemeine Mitteilbarkeit einer Lust fhrt es schon in ihrem Begriffe mit sich, da diese nicht eine Lust des Genusses, aus bloer Empfindung, sondern der Reflexion sein msse ; und so ist sthetische Kunst, als schne Kunst, eine solche, die die reflektierende Urteilskraft und nicht die Sinnenempfindung zum Richtmae hat.

 

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Schne Kunst ist eine Kunst, sofern sie zugleich Natur zu sein scheint

An einem Produkte der schnen Kunst mu man sich bewut werden, da es Kunst sei, und nicht Natur ; aber doch mu die Zweckmigkeit in der Form desselben von allem Zwange willkrlicher Regeln so frei scheinen, als ob es ein Produkt der bloen Natur sei. Auf diesem Gefhle der Freiheit im Spiele unserer Erkenntnisvermgen, welches doch zugleich zweckmig sein mu, beruht diejenige Lust, welche allein allgemein mitteilbar ist, ohne sich doch auf Begriffe zu grnden. Die Natur war schn, wenn sie zugleich als Kunst aussah ; und die Kunst kann nur schn genannt werden, wenn wir uns bewut sind, sie sei Kunst, und sie uns doch als Natur aussieht.

Denn wir knnen allgemein sagen, es mag die Natur- oder die Kunstschnheit betreffen : schn ist das, was in der bloen Beurteilung (nicht in der Sinnenempfindung, noch durch einen Begriff) gefllt. Nun hat Kunst jederzeit eine bestimmte Absicht, etwas hervorzubringen. Wenn dieses aber bloe Empfindung (etwas blo Subjektives) wre, die mit Lust begleitet sein sollte, so wrde dies Produkt, in der Beurteilung, nur vermittelst des Sinnengefhls gefallen. Wre die Absicht auf die Hervorbringung eines bestimmten Objekts gerichtet, so wrde, wenn sie durch die Kunst erreicht wird, das Objekt nur durch Begriffe gefallen. In beiden Fllen aber wrde die Kunst nicht in der bloen Beurteilung d. i. nicht als schne, sondern mechanische Kunst gefallen.

Also mu die Zweckmigkeit im Produkte der schnen Kunst, ob sie zwar absichtlich ist, doch nicht absichtlich scheinen ; d. i. schne Kunst mu als Natur anzusehen sein, ob man sich ihrer zwar als Kunst bewut ist. Als Natur aber erscheint ein Produkt der Kunst dadurch, da zwar alle Pnktlichkeit in der bereinkunft mit Regeln, nach denen allein das Produkt das werden kann, was es sein soll, angetroffen wird ; aber ohne Peinlichkeit, ohne da die Schulform durchblickt, d. i. ohne eine Spur zu zeigen, da die Regel dem Knstler vor Augen geschwebt, und seinen Gemtskrften Fesseln angelegt habe.

 

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Schne Kunst ist Kunst des Genies

Genie ist das Talent (Naturgabe), welches der Kunst die Regel gibt. Da das Talent, als angebornes produktives Vermgen des Knstlers, selbst zur Natur gehrt, so knnte man sich auch so ausdrcken : Genie ist die angeborne Gemtsanlage (ingenium), durch welche die Natur der Kunst die Regel gibt.

Was es auch mit dieser Definition fr eine Bewandtnis habe, und ob sie blo willkrlich, oder dem Begriffe, welchen man mit dem Worte Genie zu verbinden gewohnt ist, angemessen sei, oder nicht (welches in dem folgenden errtert werden soll) : so kann man doch schon zum voraus beweisen, da, nach der hier angenommenen Bedeutung des Worts, schne Knste notwendig als Knste des Genies betrachtet werden mssen.

Denn eine jede Kunst setzt Regeln voraus, durch deren Grundlegung allererst ein Produkt, wenn es knstlich heien soll, als mglich vorgestellt wird. Der Begriff der schnen Kunst aber verstattet nicht, da das Urteil ber die Schnheit ihres Produkts von irgendeiner Regel abgeleitet werde, die einen Begriff zum Bestimmungsgrunde habe, mithin einen Begriff von der Art, wie es mglich sei, zum Grunde lege. Also kann die schne Kunst sich selbst nicht die Regel ausdenken, nach der sie ihr Produkt zustande bringen soll. Da nun gleichwohl ohne vorhergehende Regel ein Produkt niemals Kunst heien kann, so mu die Natur im Subjekte (und durch die Stimmung der Vermgen desselben) der Kunst die Regel geben, d. i. die schne Kunst ist nur als Produkt des Genies mglich.

Man sieht hieraus, da Genie 1) ein Talent sei, dasjenige, wozu sich keine bestimmte Regel geben lt, hervorzubringen : nicht Geschicklichkeitsanlage zu dem, was nach irgendeiner Regel gelernt werden kann ; folglich da Originalitt seine erste Eigenschaft sein msse. 2) Da, da es auch originalen Unsinn geben kann, seine Produkte zugleich Muster, d. i. exemplarisch sein mssen ; mithin, selbst nicht durch Nachahmung entsprungen, anderen doch dazu, d. i. zum Richtmae oder Regel der Beurteilung, dienen mssen. 3) Da es, wie es sein Produkt zustande bringe, selbst nicht beschreiben, oder wissenschaftlich anzeigen knne, sondern da es als Natur die Regel gebe ; und daher der Urheber eines Produkts, welches er seinem Genie verdankt, selbst nicht wei, wie sich in ihm die Ideen dazu herbei finden, auch es nicht in seiner Gewalt hat, dergleichen nach Belieben oder planmig auszudenken, und anderen in solchen Vorschriften mitzuteilen, die sie in Stand setzen, gleichmige Produkte hervorzubringen. (Daher denn auch vermutlich das Wort Genie von genius, dem eigentmlichen einem Menschen bei der Geburt mitgegebenen, schtzenden und leitenden Geist, von dessen Eingebung jene originale Ideen herrhrten, abgeleitet ist.) 4) Da die Natur durch das Genie nicht der Wissenschaft, sondern der Kunst die Regel vorschreibe ; und auch dieses nur, insofern diese letztere schne Kunst sein soll.

 

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Erluterung und Besttigung obiger Erklrung vom Genie

Darin ist jedermann einig, da Genie dem Nachahmungsgeiste gnzlich entgegen zu setzen sei. Da nun Lernen nichts als Nachahmen ist, so kann die grte Fhigkeit, Gelehrigkeit (Kapazitt) als Gelehrigkeit, doch nicht fr Genie gelten. Wenn man aber auch selbst denkt oder dichtet, und nicht blo was andere gedacht haben, auffat, ja sogar fr Kunst und Wissenschaft manches erfindet ; so ist doch dieses auch noch nicht der rechte Grund, um einen solchen (oftmals groen) Kopf (im Gegensatze mit dem, welcher, weil er niemals etwas mehr als blo lernen und nachahmen kann, ein Pinsel heit) ein Genie zu nennen : weil eben das auch htte knnen gelernt werden, also doch auf dem natrlichen Wege des Forschens und Nachdenkens nach Regeln liegt, und von dem, was durch Flei vermittelst der Nachahmung erworben werden kann, nicht spezifisch unterschieden ist. So kann man alles, was Newton in seinem unsterblichen Werke der Prinzipien der Naturphilosophie, so ein groer Kopf auch erforderlich war, dergleichen zu erfinden, vorgetragen hat, gar wohl lernen ; aber man kann nicht geistreich dichten lernen, so ausfhrlich auch alle Vorschriften fr die Dichtkunst, und so vortrefflich auch die Muster derselben sein mgen. Die Ursache ist, da Newton alle seine Schritte, die er von den ersten Elementen der Geometrie an, bis zu seinen groen und tiefen Erfindungen, zu tun hatte, nicht allein sich selbst, sondern jedem andern, ganz anschaulich und zur Nachfolge bestimmt vormachen knnte ; kein Homer aber oder Wieland anzeigen kann, wie sich seine phantasiereichen und doch zugleich gedankenvollen Ideen in seinem Kopfe hervor und zusammen finden, darum weil er es selbst nicht wei und es also auch keinen andern lehren kann. Im Wissenschaftlichen also ist der grte Erfinder vom mhseligsten Nachahmer und Lehrlinge nur dem Grade nach, dagegen von dem, welchen die Natur fr die schne Kunst begabt hat, spezifisch unterschieden. Indes liegt hierin keine Herabsetzung jener groen Mnner, denen das menschliche Geschlecht so viel zu verdanken hat, gegen die Gnstlinge der Natur in Ansehung ihres Talents fr die schne Kunst. Eben darin, da jener Talent zur immer fortschreitenden greren Vollkommenheit der Erkenntnisse und alles Nutzens, der davon abhngig ist, imgleichen zur Belehrung anderer in ebendenselben Kenntnissen gemacht ist, besteht ein groer Vorzug derselben vor denen, welche die Ehre verdienen, Genies zu heien : weil fr diese die Kunst irgendwo stillsteht, indem ihr eine Grenze gesetzt ist, ber die sie nicht weitergehen kann, die vermutlich auch schon seit lange her erreicht ist und nicht mehr erweitert werden kann ; und berdem eine solche Geschicklichkeit sich auch nicht mitteilen lt, sondern jedem unmittelbar von der Hand der Natur erteilt sein will, mit ihm also stirbt, bis die Natur einmal einen andern wiederum ebenso begabt, der nichts weiter als eines Beispiels bedarf, um das Talent, dessen er sich bewut ist, auf hnliche Art wirken zu lassen.

Da die Naturgabe der Kunst (als schnen Kunst) die Regel geben mu ; welcherlei Art ist denn diese Regel ? Sie kann in keiner Formel abgefat zur Vorschrift dienen ; denn sonst wrde das Urteil ber das Schne nach Begriffen bestimmbar sein ; sondern die Regel mu von der Tat, d. i. vom Produkt abstrahiert werden, an welchem andere ihr eigenes Talent prfen mgen, um sich jenes zum Muster, nicht der Nachmachung, sondern der Nachahmung, dienen zu lassen. Wie dieses mglich sei, ist schwer zu erklren. Die Ideen des Knstlers erregen hnliche Ideen seines Lehrlings, wenn ihn die Natur mit einer hnlichen Proportion der Gemtskrfte versehen hat. Die Muster der schnen Kunst sind daher die einzigen Leitungsmittel, diese auf die Nachkommenschaft zu bringen : welches durch bloe Beschreibungen nicht geschehen knnte (vornehmlich nicht im Fache der redenden Knste) ; und auch in diesen knnen nur die in alten, toten, und jetzt nur als gelehrte aufbehaltenen Sprachen klassisch werden.

Obzwar mechanische und schne Kunst, die erste, als bloe Kunst des Fleies und der Erlernung, die zweite als die des Genies, sehr von einander unterschieden sind ; so gibt es doch keine schne Kunst, in welcher nicht etwas Mechanisches, welches nach Regeln gefat und befolgt werden kann, und also etwas Schulgerechtes die wesentliche Bedingung der Kunst ausmachte. Denn etwas mu dabei als Zweck gedacht werden, sonst kann man ihr Produkt gar keiner Kunst zuschreiben ; es wre ein bloes Produkt des Zufalls. Um aber einen Zweck ins Werk zu richten, dazu werden bestimmte Regeln erfordert, von denen man sich nicht freisprechen darf. Da nun die Originalitt des Talents ein (aber nicht das einzige) wesentliches Stck vom Charakter des Genies ausmacht ; so glauben seichte Kpfe, da sie nicht besser zeigen knnen, sie wren aufblhende Genies, als wenn sie sich vom Schulzwange aller Regeln lossagen, und glauben, man paradiere besser auf einem kollerichten Pferde, als auf einem Schulpferde. Das Genie kann nur reichen Stoff zu Produkten der schnen Kunst hergeben ; die Verarbeitung desselben und die Form erfordert ein durch die Schule gebildetes Talent, um einen Gebrauch davon zu machen, der vor der Urteilskraft bestehen kann. Wenn aber jemand sogar in Sachen der sorgfltigsten Vernunftuntersuchung wie ein Genie spricht und entscheidet, so ist es vollends lcherlich ; man wei nicht recht, ob man mehr ber den Gaukler, der um sich so viel Dunst verbreitet, wobei man nichts deutlich beurteilen, aber desto mehr sich einbilden kann, oder mehr ber das Publikum lachen soll, welches sich treuherzig einbildet, da sein Unvermgen, das Meisterstck der Einsicht deutlich erkennen und fassen zu knnen, daher komme, weil ihm neue Wahrheiten in ganzen Massen zugeworfen werden, wogegen ihm das Detail (durch abgemessene Erklrungen und schulgerechte Prfung der Grundstze) nur Stmperwerk zu sein scheint.

 

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Vom Verhltnisse des Genies zum Geschmack

Zur Beurteilung schner Gegenstnde, als solcher, wird Geschmack ; zur schnen Kunst selbst aber, d. i. der Hervorbringung solcher Gegenstnde, wird Genie erfordert.

Wenn man das Genie als Talent zur schnen Kunst betrachtet (welches die eigentmliche Bedeutung des Worts mit sich bringt), und es in dieser Absicht in die Vermgen zergliedern will, die ein solches Talent auszumachen zusammen kommen mssen ; so ist ntig, zuvor den Unterschied zwischen der Naturschnheit, deren Beurteilung nur Geschmack, und der Kunstschnheit, deren Mglichkeit (worauf in der Beurteilung eines dergleichen Gegenstandes auch Rcksicht genommen werden mu) Genie erfordert, genau zu bestimmen.

Eine Naturschnheit ist ein schnes Ding ; die Kunstschnheit ist eine schne Vorstellung von einem Dinge.

Um eine Naturschnheit als eine solche zu beurteilen, brauche ich nicht vorher einen Begriff davon zu haben, was der Gegenstand fr ein Ding sein solle ; d. i. ich habe nicht ntig, die materiale Zweckmigkeit (den Zweck) zu kennen, sondern die bloe Form ohne Kenntnis des Zwecks gefllt in der Beurteilung fr sich selbst. Wenn aber der Gegenstand fr ein Produkt der Kunst gegeben ist, und als solches fr schn erklrt werden soll ; so mu, weil Kunst immer einen Zweck in der Ursache (und deren Kausalitt) voraussetzt, zuerst ein Begriff von dem zum Grunde gelegt werden, was das Ding sein soll ; und, da die Zusammenstimmung des Mannigfaltigen in einem Dinge, zu einer innern Bestimmung desselben als Zweck, die Vollkommenheit des Dinges ist, so wird in der Beurteilung der Kunstschnheit zugleich die Vollkommenheit des Dinges in Anschlag gebracht werden mssen, wornach in der Beurteilung einer Naturschnheit (als einer solchen) gar nicht die Frage ist. Zwar wird in der Beurteilung vornehmlich der belebten Gegenstnde der Natur, z. B. des Menschen oder eines Pferdes, auch die objektive Zweckmigkeit gemeiniglich mit in Betracht gezogen, um ber die Schnheit derselben zu urteilen ; alsdann ist aber auch das Urteil nicht mehr rein-sthetisch, d. i. bloes Geschmacksurteil. Die Natur wird nicht mehr beurteilt, wie sie als Kunst erscheint, sondern sofern sie wirklich (obzwar bermenschliche) Kunst ist ; und das teleologische Urteil dient dem sthetischen zur Grundlage und Bedingung, worauf dieses Rcksicht nehmen mu. In einem solchen Falle denkt man auch, wenn z. B. gesagt wird : das ist ein schnes Weib, in der Tat nichts anders, als : die Natur stellt in ihrer Gestalt die Zwecke im weiblichen Baue schn vor ; denn man mu noch ber die bloe Form auf einen Begriff hinausgehen, damit der Gegenstand auf solche Art durch ein logisch-bedingtes sthetisches Urteil gedacht werde.

Die schne Kunst zeigt darin eben ihre Vorzglichkeit, da sie Dinge, die in der Natur hlich oder mifllig sein wrden, schn beschreibt. Die Furien, Krankheiten, Verwstungen des Krieges, u. dgl. knnen, als Schdlichkeiten, sehr schn beschrieben, ja sogar im Gemlde vorgestellt werden ; nur eine Art Hlichkeit kann nicht der Natur gem vorgestellt werden, ohne alles sthetische Wohlgefallen, mithin die Kunstschnheit, zugrunde zu richten : nmlich diejenige, welche Ekel erweckt. Denn, weil in dieser sonderbaren, auf lauter Einbildung beruhenden Empfindung, der Gegenstand gleichsam, als ob er sich zum Genusse aufdrnge, wider den wir doch mit Gewalt streben, vorgestellt wird ; so wird die knstliche Vorstellung des Gegenstandes von der Natur dieses Gegenstandes selbst in unserer Empfindung nicht mehr unterschieden, und jene kann alsdann unmglich fr schn gehalten werden. Auch hat die Bildhauerkunst, weil an ihren Produkten die Kunst mit der Natur beinahe verwechselt wird, die unmittelbare Vorstellung hlicher Gegenstnde von ihren Bildungen ausgeschlossen und dafr z. B. den Tod (in einem schnen Genius), den Kriegsmut (am Mars), durch eine Allegorie oder Attribute, die sich gefllig ausnehmen, mithin nur indirekt vermittelst einer Auslegung der Vernunft, und nicht blo fr sthetische Urteilskraft, vorzustellen erlaubt.

So viel von der schnen Vorstellung eines Gegenstandes, die eigentlich nur die Form der Darstellung eines Begriffs ist, durch welche dieser allgemein mitgeteilt wird. Diese Form aber dem Produkte der schnen Kunst zu geben, dazu wird blo Geschmack erfordert, an welchem der Knstler, nachdem er ihn durch mancherlei Beispiele der Kunst, oder der Natur, gebt und berichtigt hat, sein Werk hlt, und, nach manchen oft mhsamen Versuchen denselben zu befriedigen, diejenige Form findet, die ihm Genge tut : daher diese nicht gleichsam eine Sache der Eingebung, oder eines freien Schwunges der Gemtskrfte, sondern einer langsamen und gar peinlichen Nachbesserung ist, um sie dem Gedanken angemessen und doch der Freiheit im Spiele derselben nicht nachteilig werden zu lassen.

Geschmack ist aber blo ein Beurteilungs-, nicht ein produktives Vermgen ; und, was ihm gem ist, ist darum eben nicht ein Werk der schnen Kunst : es kann ein zur ntzlichen und mechanischen Kunst, oder gar zur Wissenschaft gehriges Produkt nach bestimmten Regeln sein, die gelernt werden knnen und genau befolgt werden mssen. Die gefllige Form aber, die man ihm gibt, ist nur das Vehikel der Mitteilung und eine Manier gleichsam des Vortrages, in Ansehung dessen man noch in gewissem Mae frei bleibt, wenn er doch brigens an einen bestimmten Zweck gebunden ist. So verlangt man, da das Tischgerte, oder auch eine moralische Abhandlung, sogar eine Predigt, diese Form der schnen Kunst, ohne doch gesucht zu scheinen, an sich haben msse ; man wird sie aber darum nicht Werke der schnen Kunst nennen. Zu der letzteren aber wird ein Gedicht, eine Musik, eine Bildergalerie u. dgl. gezhlt ; und da kann man an einem seinsollenden Werke der schnen Kunst oftmals Genie ohne Geschmack, an einem andern Geschmack ohne Genie, wahrnehmen.

 

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Von den Vermgen des Gemts, welche das Genie ausmachen

Man sagt von gewissen Produkten, von welchen man erwartet, da sie sich, zum Teil wenigstens, als schne Kunst zeigen sollten : sie sind ohne Geist ; ob man gleich an ihnen, was den Geschmack betrifft, nichts zu tadeln findet. Ein Gedicht kann recht nett und elegant sein, aber es ist ohne Geist. Eine Geschichte ist genau und ordentlich, aber ohne Geist. Eine feierliche Rede ist grndlich und zugleich zierlich, aber ohne Geist. Manche Konversation ist nicht ohne Unterhaltung, aber doch ohne Geist ; selbst von einem Frauenzimmer sagt man wohl, sie ist hbsch, gesprchig und artig, aber ohne Geist. Was ist denn das, was man hier unter Geist versteht ?

Geist, in sthetischer Bedeutung, heit das belebende Prinzip im Gemte. Dasjenige aber, wodurch dieses Prinzip die Seele belebt, der Stoff, den es dazu anwendet, ist das, was die Gemtskrfte zweckmig in Schwung versetzt, d. i. in ein solches Spiel, welches sich von selbst erhlt und selbst die Krfte dazu strkt.

Nun behaupte ich, dieses Prinzip sei nichts anders, als das Vermgen der Darstellung sthetischer Ideen ; unter einer sthetischen Idee aber verstehe ich diejenige Vorstellung der Einbildungskraft, die viel zu denken veranlat, ohne da ihr doch irgendein bestimmter Gedanke, d. i. Begriff, adquat sein kann, die folglich keine Sprache vllig erreicht und verstndlich machen kann. Man sieht leicht, da sie das Gegenstck (Pendant) von einer Vernunftidee sei, welche umgekehrt ein Begriff ist, dem keine Anschauung (Vorstellung der Einbildungskraft) adquat sein kann.

Die Einbildungskraft (als produktives Erkenntnisvermgen) ist nmlich sehr mchtig in Schaffung gleichsam einer andern Natur, aus dem Stoffe, den ihr die wirkliche gibt. Wir unterhalten uns mit ihr, wo uns die Erfahrung zu alltglich vorkommt ; bilden diese auch wohl um : zwar noch immer nach analogischen Gesetzen, aber doch auch nach Prinzipien, die hher hinauf in der Vernunft liegen (und die uns eben sowohl natrlich sind, als die, nach welchen der Verstand die empirische Natur auffat) ; wobei wir unsere Freiheit vom Gesetze der Assoziation (welches dem empirischen Gebrauche jenes Vermgens anhngt) fhlen, nach welchem uns von der Natur zwar Stoff geliehen, dieser aber von uns zu etwas ganz anderem, nmlich dem, was die Natur bertrifft, verarbeitet werden kann.

Man kann dergleichen Vorstellungen der Einbildungskraft Ideen nennen : einesteils darum, weil sie zu etwas ber die Erfahrungsgrenze hinaus Liegendem wenigstens streben, und so einer Darstellung der Vernunftbegriffe (der intellektuellen Ideen) nahe zu kommen suchen, welches ihnen den Anschein einer objektiven Realitt gibt ; andrerseits, und zwar hauptschlich, weil ihnen, als innern Anschauungen, kein Begriff vllig adquat sein kann. Der Dichter wagt es, Vernunftideen von unsichtbaren Wesen, das Reich der Seligen, das Hllenreich, die Ewigkeit, die Schpfung u. dgl. zu versinnlichen ; oder auch das, was zwar Beispiele in der Erfahrung findet, z. B. den Tod, den Neid und alle Laster, imgleichen die Liebe, den Ruhm u. dgl. ber die Schranken der Erfahrung hinaus, vermittelst einer Einbildungskraft, die dem Vernunft-Vorspiele in Erreichung eines Grten nacheifert, in einer Vollstndigkeit sinnlich zu machen, fr die sich in der Natur kein Beispiel findet ; und es ist eigentlich die Dichtkunst, in welcher sich das Vermgen sthetischer Ideen in seinem ganzen Mae zeigen kann. Dieses Vermgen aber, fr sich allein betrachtet, ist eigentlich nur ein Talent (der Einbildungskraft).

Wenn nun einem Begriffe eine Vorstellung der Einbildungskraft untergelegt wird, die zu seiner Darstellung gehrt, aber fr sich allein so viel zu denken veranlat, als sich niemals in einem bestimmten Begriff zusammenfassen lt, mithin den Begriff selbst auf unbegrenzte Art sthetisch erweitert ; so ist die Einbildungskraft hiebei schpferisch, und bringt das Vermgen intellektueller Ideen (die Vernunft) in Bewegung, mehr nmlich bei Veranlassung einer Vorstellung zu denken (was zwar zu dem Begriffe des Gegenstandes gehrt), als in ihr aufgefat und deutlich gemacht werden kann.

Man nennt diejenigen Formen, welche nicht die Darstellung eines gegebenen Begriffs selber ausmachen, sondern nur, als Nebenvorstellungen der Einbildungskraft, die damit verknpften Folgen und die Verwandtschaft desselben mit andern ausdrcken, Attribute (sthetische) eines Gegenstandes, dessen Begriff, als Vernunftidee, nicht adquat dargestellt werden kann. So ist der Adler Jupiters, mit dem Blitze in den Klauen, ein Attribut des mchtigen Himmelsknigs, und der Pfau der prchtigen Himmelsknigin. Sie stellen nicht wie die logischen Attribute, das was in unsern Begriffen von der Erhabenheit und Majestt der Schpfung liegt, sondern etwas anderes vor, was der Einbildungskraft Anla gibt, sich ber eine Menge von verwandten Vorstellungen zu verbreiten, die mehr denken lassen, als man in einem durch Worte bestimmten Begriff ausdrcken kann ; und geben eine sthetische Idee, die jener Vernunftidee statt logischer Darstellung dient, eigentlich aber um das Gemt zu beleben, indem sie ihm die Aussicht in ein unabsehliches Feld verwandter Vorstellungen erffnet. Die schne Kunst aber tut dieses nicht allein in der Malerei oder Bildhauerkunst (wo der Namen der Attribute gewhnlich gebraucht wird) ; sondern die Dichtkunst und Beredsamkeit nehmen den Geist, der ihre Werke belebt, auch lediglich von den sthetischen Attributen der Gegenstnde her, welche den logischen zur Seite gehen, und der Einbildungskraft einen Schwung geben, mehr dabei, obzwar auf unentwickelte Art, zu denken, als sich in einem Begriffe, mithin in einem bestimmten Sprachausdrucke, zusammenfassen lt. Ich mu mich der Krze wegen nur auf wenige Beispiele einschrnken.

Wenn der groe Knig sich in einem seiner Gedichte so ausdrckt :

 Lat uns aus dem Leben ohne Murren weichen und ohne etwas zu bedauern, indem wir die Welt noch alsdann mit Wohltaten berhuft zurcklassen. So verbreitet die Sonne, nachdem sie ihren Tageslauf vollendet hat, noch ein mildes Licht im Himmel ; und die letzten Strahlen, die sie in die Lfte schickt, sind ihre letzten Seufzer fr das Wohl der Welt  ; so belebt er seine Vernunftidee von weltbrgerlicher Gesinnung noch am Ende des Lebens, durch ein Attribut, welches die Einbildungskraft (in der Erinnerung an alle Annnehmlichkeiten eines vollbrachten schnen Sommertages, die uns ein heiterer Abend ins Gemt ruft) jener Vorstellung beigesellt, und welches eine Menge von Empfindungen und Nebenvorstellungen rege macht, fr die sich kein Ausdruck findet. Andererseits kann sogar ein intellektueller Begriff umgekehrt zum Attribut einer Vorstellung der Sinne dienen, und so diese letztere durch die Idee des bersinnlichen beleben ; aber nur, indem das sthetische, was dem Bewutsein des letztern subjektiv anhnglich ist, hiezu gebraucht wird. So sagt z. B. ein gewisser Dichter in der Beschreibung eines schnen Morgens : Die Sonne quoll hervor, wie Ruh aus Tugend quillt. Das Bewutsein der Tugend, wenn man sich auch nur in Gedanken in die Stelle eines Tugendhaften versetzt, verbreitet im Gemte eine Menge erhabener und beruhigender Gefhle, und eine grenzenlose Aussicht in eine frohe Zukunft, die kein Ausdruck, welcher einem bestimmten Begriffe angemessen ist, vllig erreicht.*

Mit einem Worte, die sthetische Idee ist eine einem gegebenen Begriffe beigesellte Vorstellung der Einbildungskraft, welche mit einer solchen Mannigfaltigkeit der Teilvorstellungen in dem freien Gebrauche derselben verbunden ist, da fr sie kein Ausdruck, der einen bestimmten Begriff bezeichnet, gefunden werden kann, die also zu einem Begriffe viel Unnennbares hinzu denken lt, dessen Gefhl die Erkenntnisvermgen belebt und mit der Sprache, als bloem Buchstaben, Geist verbindet.

Die Gemtskrfte also, deren Vereinigung (in gewissem Verhltnisse) das Genie ausmacht, sind Einbildungskraft und Verstand. Nur, da, im Gebrauch der Einbildungskraft zum Erkenntnisse, die Einbildungskraft unter dem Zwange des Verstandes und der Beschrnkung unterworfen ist, dem Begriffe desselben angemessen zu sein ; in sthetischer Absicht aber die Einbildungskraft frei ist, um noch ber jene Einstimmung zum Begriffe, doch ungesucht, reichhaltigen unentwickelten Stoff fr den Verstand, worauf dieser in seinem Begriffe nicht Rcksicht nahm, zu liefern, welchen dieser aber nicht sowohl objektiv zum Erkenntnisse, als subjektiv zur Belebung der Erkenntniskrfte, indirekt also doch auch zu Erkenntnissen, anwendet : so besteht das Genie eigentlich in dem glcklichen Verhltnisse, welches keine Wissenschaft lehren und kein Flei erlernen kann, zu einem gegebenen Begriffe Ideen aufzufinden, und andrerseits zu diesen den Ausdruck zu treffen, durch den die dadurch bewirkte subjektive Gemtsstimmung, als Begleitung eines Begriffs, anderen mitgeteilt werden kann. Das letztere Talent ist eigentlich dasjenige, was man Geist nennt ; denn das Unnennbare in dem Gemtszustande bei einer gewissen Vorstellung auszudrcken und allgemein mitteilbar zu machen, der Ausdruck mag nun in Sprache, oder Malerei, oder Plastik bestehen : das erfordert ein Vermgen, das schnell vorbergehende Spiel der Einbildungskraft aufzufassen und in einen Begriff (der eben darum original ist, und zugleich eine neue Regel erffnet, die aus keinen vorhergehenden Prinzipien oder Beispielen hat gefolgert werden knnen) zu vereinigen, der sich ohne Zwang der Regeln mitteilen lt.

 

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Wenn wir nach diesen Zergliederungen auf die oben gegebene Erklrung dessen, was man Genie nennt, zurcksehen, so finden wir : erstlich, da es ein Talent zur Kunst sei, nicht zur Wissenschaft, in welcher deutlich gekannte Regeln vorangehen und das Verfahren in derselben bestimmen mssen ; zweitens, da es, als Kunsttalent, einen bestimmten Begriff von dem Produkte, als Zweck, mithin Verstand, aber auch eine (wenn gleich unbestimmte) Vorstellung von dem Stoff, d. i. der Anschauung, zur Darstellung dieses Begriffs, mithin ein Verhltnis der Einbildungskraft zum Verstande voraussetze ; da es sich drittens nicht sowohl in der Ausfhrung des vorgesetzten Zwecks in Darstellung eines bestimmten Begriffs, als vielmehr im Vortrage, oder dem Ausdrucke sthetischer Ideen, welche zu jener Absicht reichen Stoff enthalten, zeige, mithin die Einbildungskraft, in ihrer Freiheit von aller Anleitung der Regeln, dennoch als zweckmig zur Darstellung des gegebenen Begriffs vorstellig mache ; da endlich viertens die ungesuchte unabsichtliche subjektive Zweckmigkeit in der freien bereinstimmung der Einbildungskraft zur Gesetzlichkeit des Verstandes eine solche Proportion und Stimmung dieser Vermgen voraussetze, als keine Befolgung von Regeln, es sei der Wissenschaft oder mechanischen Nachahmung, bewirken, sondern blo die Natur des Subjekts hervorbringen kann.

Nach diesen Voraussetzungen ist Genie : die musterhafte Originalitt der Naturgabe eines Subjekts im freien Gebrauche seiner Erkenntnisvermgen. Auf solche Weise ist das Produkt eines Genies (nach demjenigen, was in demselben dem Genie, nicht der mglichen Erlernung oder der Schule, zuzuschreiben ist) ein Beispiel nicht der Nachahmung (denn da wrde das, was daran Genie ist und den Geist des Werks ausmacht, verlorengehen), sondern der Nachfolge fr ein anderes Genie, welches dadurch zum Gefhl seiner eigenen Originalitt aufgeweckt wird, Zwangsfreiheit von Regeln so in der Kunst auszuben, da diese dadurch selbst eine neue Regel bekommt, wodurch das Talent sich als musterhaft zeigt. Weil aber das Genie ein Gnstling der Natur ist, dergleichen man nur als seltene Erscheinung anzusehen hat ; so bringt sein Beispiel fr andere gute Kpfe eine Schule hervor, d. i. eine methodische Unterweisung nach Regeln, soweit man sie aus jenen Geistesprodukten und ihrer Eigentmlichkeit hat ziehen knnen : und fr diese ist die schne Kunst sofern Nachahmung, der die Natur durch ein Genie die Regel gab.

Aber diese Nachahmung wird Nachffung, wenn der Schler alles nachmacht bis auf das, was das Genie als Migestalt nur hat zulassen mssen, weil es sich, ohne die Idee zu schwchen, nicht wohl wegschaffen lie. Dieser Mut ist an einem Genie allein Verdienst ; und eine gewisse Khnheit im Ausdrucke und berhaupt manche Abweichung von der gemeinen Regel steht demselben wohl an, ist aber keinesweges nachahmungswrdig, sondern bleibt immer an sich ein Fehler, den man wegzuschaffen suchen mu, fr welchen aber das Genie gleichsam privilegiert ist, da das Unnachahmliche seines Geistesschwunges durch ngstliche Behutsamkeit leiden wrde. Das Manierieren ist eine andere Art von Nachffung, nmlich der bloen Eigentmlichkeit (Originalitt) berhaupt, um sich ja von Nachahmern so weit als mglich zu entfernen, ohne doch das Talent zu besitzen, dabei zugleich musterhaft zu sein. Zwar gibt es zweierlei Art (modus) berhaupt der Zusammenstellung seiner Gedanken des Vortrages, deren die eine Manier (modus aestheticus), die andere Methode (modus logicus) heit, die sich darin voneinander unterscheiden : da die erstere kein anderes Richtma hat, als das Gefhl der Einheit in der Darstellung, die andere aber hierin bestimmte Prinzipien befolgt ; fr die schne Kunst gilt also nur die erstere. Allein manieriert heit ein Kunstprodukt nur alsdann, wenn der Vortrag seiner Idee in demselben auf die Sonderbarkeit angelegt und nicht der Idee angemessen gemacht wird. Prangende (Prezise), das Geschrobene und Affektierte, um sich nur vom Gemeinen (aber ohne Geist) zu unterscheiden, sind dem Benehmen desjenigen hnlich, von dem man sagt, da er sich sprechen hre, oder welcher steht und geht, als ob er auf einer Bhne wre, um angegafft zu werden, welches jederzeit einen Stmper verrt.

 

* Vielleicht ist nie etwas Erhabneres gesagt, oder ein Gedanke erhabener ausgedrckt worden, als in jener Aufschrift ber dem Tempel der Isis (der Mutter Natur) : Ich bin alles, was da ist, was da war, und was da sein wird, und meinen Schleier hat kein Sterblicher aufgedeckt. Segner benutzte diese Idee durch eine sinnreiche seiner Naturlehre vorgesetzte Vignette, um seinen Lehrling, den er in diesen Tempel zu fhren bereit war, vorher mit dem heiligen Schauer zu erfllen, der das Gemt zu feierlicher Aufmerksamkeit stimmen soll.

 

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Von der Verbindung des Geschmacks mit Genie in Produkten der schnen Kunst

Wenn die Frage ist, woran in Sachen der schnen Kunst mehr gelegen sei, ob daran, da sich an ihnen Genie, oder ob, da sich Geschmack zeige, so ist das ebensoviel, als wenn gefragt wrde, ob es darin mehr auf Einbildung, als auf Urteilskraft ankomme. Da nun eine Kunst in Ansehung des ersteren eher eine geistreiche, in Ansehung des zweiten aber allein eine schne Kunst genannt zu werden verdient ; so ist das letztere wenigstens als unumgngliche Bedingung (conditio sine qua non) das Vornehmste, worauf man in Beurteilung der Kunst als schne Kunst zu sehen hat. Reich und original an Ideen zu sein, bedarf es nicht so notwendig zum Behuf der Schnheit, aber wohl der Angemessenheit jener Einbildungskraft in ihrer Freiheit zu der Gesetzmigkeit des Verstandes. Denn aller Reichtum der ersteren bringt in ihrer gesetzlosen Freiheit nichts als Unsinn hervor ; die Urteilskraft ist aber das Vermgen, sie dem Verstande anzupassen.

Der Geschmack ist so wie die Urteilskraft berhaupt die Disziplin (oder Zucht) des Genies, beschneidet diesem sehr die Flgel und macht es gesittet oder geschliffen ; zugleich aber gibt er diesem eine Leitung, worber und bis wie weit es sich verbreiten soll, um zweckmig zu bleiben ; und, indem er Klarheit und Ordnung in die Gedankenflle hineinbringt, macht er die Ideen haltbar, eines daurenden zugleich auch allgemeinen Beifalls, der Nachfolge anderer und einer immer fortschreitenden Kultur, fhig. Wenn also im Widerstreite beiderlei Eigenschaften an einem Produkte etwas aufgeopfert werden soll, so mte es eher auf der Seite des Genies geschehen : und die Urteilskraft, welche in Sachen der schnen Kunst aus eigenen Prinzipien den Ausspruch tut, wird eher der Freiheit und dem Reichtum der Einbildungskraft, als dem Verstande Abbruch zu tun, erlauben.

Zur schnen Kunst wrden also Einbi1dungskraft, Verstand, Geist und Geschmack erforderlich sein*.

 

* Die drei ersteren Vermgen bekommen durch das vierte allererst ihre Vereinigung. Hume gibt in seiner Geschichte den Englndern zu verstehen, da, obzwar sie in ihren Werken keinem Volke in der Welt in Ansehung der Beweistmer der drei ersteren Eigenschaften, abgesondert betrachtet, etwas nachgben, sie doch in der, welche sie vereinigt, ihren Nachbaren, den Franzosen, nachstehen mten.

 

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Von der Einteilung der schnen Knste

Man kann berhaupt Schnheit (sie mag Natur- oder Kunstschnheit sein) den Ausdruck sthetischer Ideen nennen : nur da in der schnen Kunst diese Idee durch einen Begriff vom Objekt veranlat werden mu, in der schnen Natur aber die bloe Reflexion ber eine gegebene Anschauung, ohne Begriff von dem, was der Gegenstand sein soll, zur Erweckung und Mitteilung der Idee, von welcher jenes Objekt als der Ausdruck betrachtet wird, hinreichend ist.

Wenn wir also die schnen Knste einteilen wollen : so knnen wir, wenigstens zum Versuche, kein bequemeres Prinzip dazu whlen, als die Analogie der Kunst mit der Art des Ausdrucks, dessen sich Menschen im Sprechen bedienen, um sich, so vollkommen als mglich ist, einander, d. i. nicht blo ihren Begriffen, sondern auch Empfindungen nach, mitzuteilen*. Dieser besteht in dem Worte, der Gebrdung und dem Tone (Artikulation, Gestikulation, und Modulation). Nur die Verbindung dieser drei Arten des Ausdrucks macht die vollstndige Mitteilung des Sprechenden aus. Denn Gedanke, Anschauung und Empfindung werden dadurch zugleich und vereinigt auf den andern bergetragen.

Es gibt also nur dreierlei Arten schner Knste : die redende, die bildende und die Kunst des Spiels der Empfindungen (als uerer Sinneneindrcke). Man knnte diese Einteilung auch dichotomisch einrichten, so da die schne Kunst in die des Ausdrucks der Gedanken, oder der Anschauungen und diese wiederum blo nach ihrer Form, oder ihrer Materie (der Empfindung), eingeteilt wrde. Allein sie wrde alsdann zu abstrakt und nicht so angemessen den gemeinen Begriffen aussehen.

1) Die redenden Knste sind Beredsamkeit und Dichtkunst. Beredsamkeit ist die Kunst, ein Geschft des Verstandes als ein freies Spiel der Einbildungskraft zu betreiben ; Dichtkunst, ein freies Spiel der Einbildungskraft als ein Geschft des Verstandes auszufhren.

Der Redner also kndigt ein Geschft an und fhrt es so aus, als ob es blo ein Spiel mit Ideen sei, um die Zuhrer zu unterhalten. Der Dichter kndigt blo ein unterhaltendes Spiel mit Ideen an, und es kommt doch so viel fr den Verstand heraus, als ob er blo dessen Geschft zu treiben die Absicht gehabt htte. Die Verbindung und Harmonie beider Erkenntnisvermgen, der Sinnlichkeit und des Verstandes, die einander zwar nicht entbehren knnen, aber doch auch ohne Zwang und wechselseitigen Abbruch sich nicht wohl vereinigen lassen, mu unabsichtlich zu sein und sich von selbst so zu fgen scheinen ; sonst ist es nicht schne Kunst. Daher alles Gesuchte und Peinliche darin vermieden werden mu ; denn schne Kunst mu in doppelter Bedeutung freie Kunst sein : sowohl da sie nicht als Lohngeschft, eine Arbeit sei, deren Gre sich nach einem bestimmten Mastabe beurteilen, erzwingen oder bezahlen lt ; sondern auch, da das Gemt sich zwar beschftigt, aber dabei doch, ohne auf einen andern Zweck hinauszusehen (unabhngig vom Lohne) befriedigt und erweckt fhlt.

Der Redner gibt also zwar etwas, was er nicht verspricht, nmlich ein unterhaltendes Spiel der Einbildungskraft ; aber er bricht auch dem etwas ab, was er verspricht, und was doch sein angekndigtes Geschft ist, nmlich den Verstand zweckmig zu beschftigen. Der Dichter dagegen verspricht wenig und kndigt ein bloes Spiel mit Ideen an, leistet aber etwas, was eines Geschftes wrdig ist, nmlich dem Verstande spielend Nahrung zu verschaffen, und seinen Begriffen durch Einbildungskraft Leben zu geben : mithin jener im Grunde weniger, dieser mehr, als er verspricht.

2) Die bildenden Knste oder die des Ausdrucks fr Ideen in der Sinnenanschauung (nicht durch Vorstellungen der bloen Einbildungskraft, die durch Worte aufgeregt werden) sind entweder die der Sinnenwahrheit oder des Sinnenscheins. Die erste heit die Plastik, die zweite die Malerei. Beide machen Gestalten im Raume zum Ausdrucke fr Ideen : jene macht Gestalten fr zwei Sinne kennbar, dem Gesichte und Gefhl (obzwar dem letzteren nicht in Absicht auf Schnheit), diese nur fr den erstern. Die sthetische Idee (Archetypon, Urbild) liegt zu beiden in der Einbildungskraft zum Grunde ; die Gestalt aber, welche den Ausdruck derselben ausmacht (Ektypon, Nachbild), wird entweder in ihrer krperlichen Ausdehnung (wie der Gegenstand selbst existiert) oder nach der Art, wie diese sich im Auge malt (nach ihrer Apparenz in einer Flche) gegeben ; oder, was auch das erstere ist, entweder die Beziehung auf einen wirklichen Zweck, oder nur der Anschein desselben, der Reflexion zur Bedingung gemacht.

Zur Plastik, als der ersten Art schner bildender Knste, gehrt die Bildhauerkunst und Baukunst. Die erste ist diejenige, welche Begriffe von Dingen, so wie sie in der Natur existieren knnten, krperlich darstellt (doch als schne Kunst mit Rcksicht auf sthetische Zweckmigkeit) ; die zweite ist die Kunst, Begriffe von Dingen, die nur durch Kunst mglich sind, und deren Form nicht die Natur, sondern einen willkrlichen Zweck zum Bestimmungsgrunde hat, zu dieser Absicht, doch auch zugleich sthetisch-zweckmig, darzustellen. Bei der letzteren ist ein gewisser Gebrauch des knstlichen Gegenstandes die Hauptsache, worauf als Bedingung, die sthetischen Ideen eingeschrnkt werden. Bei der ersteren ist der bloe Ausdruck sthetischer Ideen die Hauptabsicht. So sind Bildsulen von Menschen, Gttern, Tieren u. dgl. von der erstern Art ; aber Tempel, oder Prachtgebude zum Behuf ffentlicher Versammlungen, oder auch Wohnungen, Ehrenbogen, Sulen, Kenotaphien u. dgl., zum Ehrengedchtnis errichtet, zur Baukunst gehrig. Ja alles Hausgerte (die Arbeit des Tischlers u. dgl. Dinge zum Gebrauche) knnen dazu gezhlt werden : weil die Angemessenheit des Produkts zu einem gewissen Gebrauche das Wesentliche eines Bauwerks ausmacht ; dagegen ein bloes Bildwerk, das lediglich zum Anschauen gemacht ist und fr sich selbst gefallen soll, als krperliche Darstellung bloe Nachahmung der Natur ist, doch mit Rcksicht auf sthetische Ideen : wobei denn die Sinnenwahrheit nicht so weit gehen darf, da es aufhre als Kunst und Produkt der Willkr zu erscheinen.

Die Malerkunst, als die zweite Art bildender Knste, welche den Sinnenschein knstlich mit Ideen verbunden darstellt, wrde ich in die der schnen Schilderung der Natur, und in die der schnen Zusammenstellung ihrer Produkte einteilen. Die erste wre die eigentliche Malerei, die zweite die Lustgrtnerei. Denn die erste gibt nur den Schein der krperlichen Ausdehnung ; die zweite zwar diese nach der Wahrheit, aber nur den Schein von Benutzung und Gebrauch zu anderen Zwecken, als blo fr das Spiel der Einbildung in Beschauung ihrer Formen**. Die letztere ist nichts anders, als die Schmckung des Bodens mit derselben Mannigfaltigkeit (Grsern, Blumen, Struchen und Bumen, selbst Gewssern, Hgeln und Tlern), womit ihn die Natur dem Anschauen darstellt, nur anders und angemessen gewissen Ideen, zusammengestellt. Die schne Zusammenstellung aber krperlicher Dinge ist auch nur fr das Auge gegeben, wie die Malerei ; der Sinn des Gefhls aber kann keine anschauliche Vorstellung von einer solchen Form verschaffen. Zu der Malerei im weiten Sinne wrde ich noch die Verzierung der Zimmer durch Tapeten, Aufstze und alles schne Ameublement, welches blo zur Ansicht dient, zhlen ; imgleichen die Kunst der Kleidung nach Geschmack (Ringe, Dosen, usw.). Denn ein Parterre von allerlei Blumen, ein Zimmer mit allerlei Zieraten (selbst den Putz der Damen darunter begriffen), machen an einem Prachtfeste eine Art von Gemlde aus, welches, so wie die eigentlich sogenannten (die nicht etwa Geschichte, oder Naturkenntnis zu lehren die Absicht haben), blo zum Ansehen da ist, um die Einbildungskraft im freien Spiele mit Ideen zu unterhalten, und ohne bestimmten Zweck die sthetische Urteilskraft zu beschftigen. Das Machwerk an allem diesen Schmucke mag immer, mechanisch, sehr unterschieden sein, und ganz verschiedene Knstler erfordern ; das Geschmacksurteil ist doch ber das, was in dieser Kunst schn ist, sofern auf einerlei Art bestimmt : nmlich nur die Formen (ohne Rcksicht auf einen Zweck) so, wie sie sich dem Auge darbieten, einzeln oder in ihrer Zusammensetzung, nach der Wirkung die sie auf die Einbildungskraft tun, zu beurteilen. Wie aber bildende Kunst zur Gebrdung in einer Sprache (der Analogie nach) gezhlt werden knne, wird dadurch gerechtfertigt, da der Geist des Knstlers durch diese Gestalten von dem, was und wie er gedacht hat, einen krperlichen Ausdruck gibt, und die Sache selbst gleichsam mimisch sprechen macht : ein sehr gewhnliches Spiel unserer Phantasie, welche leblosen Dingen, ihrer Form gem, einen Geist unterlegt, der aus ihnen spricht.

3) Die Kunst des schnen Spiels der Empfindungen (die von auen erzeugt werden), und das sich gleichwohl doch mu allgemein mitteilen lassen, kann nichts anders, als die Proportion der verschiedenen Grade der Stimmung (Spannung) des Sinns, dem die Empfindung angehrt, d. i. den Ton desselben, betreffen ; und in dieser weitluftigen Bedeutung des Worts kann sie in das knstliche Spiel der Empfindungen des Gehrs und der des Gesichts, mithin in Musik und Farbenkunst eingeteilt werden. Es ist merkwrdig : da diese zwei Sinne, auer der Empfnglichkeit fr Eindrcke, soviel davon erforderlich ist, um von uern Gegenstnden, vermittelst ihrer, Begriffe zu bekommen, noch einer besondern damit verbundenen Empfindung fhig sind, von welcher man nicht recht ausmachen kann, ob sie den Sinn, oder die Reflexion zum Grunde habe ; und da diese Affektibilitt doch bisweilen mangeln kann, obgleich der Sinn brigens, was seinen Gebrauch zum Erkenntnis der Objekte betrifft, gar nicht mangelhaft, sondern wohl gar vorzglich fein ist. Das heit, man kann nicht mit Gewiheit sagen : ob eine Farbe oder ein Ton (Klang) blo angenehme Empfindungen, oder an sich schon ein schnes Spiel von Empfindungen sei, und als ein solches ein Wohlgefallen an der Form in der sthetischen Beurteilung bei sich fhre. Wenn man die Schnelligkeit der Licht- oder in der zweiten Art, der Luftbebungen, die alles unser Vermgen, die Proportion der Zeiteinteilung durch dieselben unmittelbar bei der Wahrnehmung zu beurteilen, wahrscheinlicherweise bei weitem bertrifft, bedenkt ; so sollte man glauben, nur die Wirkung dieser Zitterungen auf die elastischen Teile unsers Krpers werde empfunden, die Zeiteinteilung durch dieselben aber nicht bemerkt und in Beurteilung gezogen, mithin mit Farben und Tnen nur Annehmlichkeit, nicht Schnheit ihrer Komposition, verbunden. Bedenkt man aber dagegen erstlich das Mathematische, welches sich ber die Proportion dieser Schwingungen in der Musik und ihre Beurteilung sagen lt, und beurteilt die Farbenabstechung, wie billig, nach der Analogie mit der letztern ; zieht man zweitens die, obzwar seltenen Beispiele von Menschen, die mit dem besten Gesichte von der Welt nicht haben Farben, und mit dem schrfsten Gehre nicht Tne unterscheiden knnen, zu Rat, imgleichen fr die, welche dieses knnen, die Wahrnehmung einer vernderten Qualitt (nicht blo des Grades der Empfindung) bei den verschiedenen Anspannungen auf der Farben- oder Tonleiter, imgleichen da die Zahl derselben fr begreifliche Unterschiede bestimmt ist : so mchte man sich gentigt sehen, die Empfindungen von beiden nicht als bloen Sinneneindruck, sondern als die Wirkung einer Beurteilung der Form im Spiele vieler Empfindungen anzusehen. Der Unterschied, den die eine oder die andere Meinung in der Beurteilung des Grundes der Musik gibt, wrde aber nur die Definition dahin verndern, da man sie entweder, wie wir getan haben, fr das schne Spiel der Empfindungen (durch das Gehr), oder angenehmer Empfindungen erklrte. Nur nach der erstern Erklrungsart wird Musik gnzlich als schne, nach der zweiten aber als angenehme Kunst (wenigstens zum Teil) vorgestellt werden.

 

* Der Leser wird diesen Entwurf zu einer mglichen Einteilung der schnen Knste nicht als beabsichtigte Theorie beurteilen. Es ist nur einer von den mancherlei Versuchen, die man noch anstellen kann und soll.

 

** Da die Lustgrtnerei als eine Art von Malerkunst betrachtet werden knne, ob sie zwar ihre Formen krperlich darstellt, scheint befremdlich ; da sie aber ihre Formen wirklich aus der Natur nimmt (die Bume, Gestruche, Grser und Blumen aus Wald und Feld, wenigstens uranfnglich), und sofern nicht, etwa wie die Plastik, Kunst ist, auch keinen Begriff von dem Gegenstande und seinem Zwecke (wie etwa die Baukunst) zur Bedingung ihrer Zusammenstellung hat, sondern blo das freie Spiel der Einbildungskraft in der Beschauung : so kommt sie mit der blo sthetischen Malerei, die kein bestimmtes Thema hat (Luft, Land und Wasser durch Licht und Schatten unterhaltend zusammenstellt), sofern berein. berhaupt wird der Leser dieses nur als einen Versuch, die Verbindung der schnen Knste unter einem Prinzip, welches diesmal das des Ausdrucks sthetischer Ideen (nach der Analogie einer Sprache) sein soll, beurteilen, und nicht als fr entschieden gehaltene Ableitung derselben ansehen.

 

52

Von der Verbindung der schnen Knste in einem und demselben Produkte

Die Beredsamkeit kann mit einer malerischen Darstellung, ihrer Subjekte sowohl, als Gegenstnde, in einem Schauspiele ; die Poesie mit Musik, im Gesange ; dieser aber zugleich mit malerischer (theatralischer) Darstellung, in einer Oper ; das Spiel der Empfindungen in einer Musik mit dem Spiele der Gestalten, im Tanz usw. verbunden werden. Auch kann die Darstellung des Erhabenen, sofern sie zur schnen Kunst gehrt, in einem gereimten Trauerspiele, einem Lehrgedichte, einem Oratorium sich mit der Schnheit vereinigen ; und in diesen Verbindungen ist die schne Kunst noch knstlicher : ob aber auch schner (da sich so mannigfaltige verschiedene Arten des Wohlgefallens einander durchkreuzen), kann in einigen dieser Flle bezweifelt werden. Doch in aller schnen Kunst besteht das Wesentliche in der Form, welche fr die Beobachtung und Beurteilung zweckmig ist, wo die Lust zugleich Kultur ist und den Geist zu Ideen stimmt, mithin ihn mehrerer solcher Lust und Unterhaltung empfnglich macht ; nicht in der Materie der Empfindung (dem Reize oder der Rhrung), wo es blo auf Genu angelegt ist, welcher nichts in der Idee zurcklt, den Geist stumpf, den Gegenstand nach und nach anekelnd, und das Gemt, durch das Bewutsein seiner im Urteile der Vernunft zweckwidrigen Stimmung, mit sich selbst unzufrieden und launisch macht.

Wenn die schnen Knste nicht, nahe oder fern, mit moralischen Ideen in Verbindung gebracht werden, die allein ein selbststndiges Wohlgefallen bei sich fhren, so ist das letztere ihr endliches Schicksal. Sie dienen alsdann nur zur Zerstreuung, deren man immer desto mehr bedrftig wird, als man sich ihrer bedient, um die Unzufriedenheit des Gemts mit sich selbst dadurch zu vertreiben, da man sich immer noch unntzlicher und mit sich selbst unzufriedener macht. berhaupt sind die Schnheiten der Natur zu der ersteren Absicht am zutrglichsten, wenn man frh dazu gewhnt wird, sie zu beobachten, zu beurteilen und zu bewundern.

 

53

Vergleichung des sthetischen Werts der schnen Knste untereinander

Unter allen behauptet die Dichtkunst (die fast gnzlich dem Genie ihren Ursprung verdankt, und am wenigsten durch Vorschrift, oder durch Beispiele geleitet sein will) den obersten Rang. Sie erweitert das Gemt dadurch, da sie die Einbildungskraft in Freiheit setzt und innerhalb den Schranken eines gegebenen Begriffs, unter der unbegrenzten Mannigfaltigkeit mglicher damit zusammenstimmender Formen, diejenige darbietet, welche die Darstellung desselben mit einer Gedankenflle verknpft, der kein Sprachausdruck vllig adquat ist, und sich also sthetisch zu Ideen erhebt. Sie strkt das Gemt, indem sie es sein freies, selbstttiges und von der Naturbestimmung unabhngiges Vermgen fhlen lt, die Natur, als Erscheinung, nach Ansichten zu betrachten und zu beurteilen, die sie nicht von selbst, weder fr den Sinn noch den Verstand in der Erfahrung darbietet, und sie also zum Behuf und gleichsam zum Schema des bersinnlichen zu gebrauchen. Sie spielt mit dem Schein, den sie nach Belieben bewirkt, ohne doch dadurch zu betrgen ; denn sie erklrt ihre Beschftigung selbst fr bloes Spiel, welches gleichwohl vom Verstande und zu dessen Geschfte zweckmig gebraucht werden kann. Die Beredsamkeit, sofern darunter die Kunst zu berreden, d. i. durch den schnen Schein zu hintergehen (als ars oratoria), und nicht bloe Wohlredenheit (Eloquenz und Stil) verstanden wird, ist eine Dialektik, die von der Dichtkunst nur soviel entlehnt, als ntig ist, die Gemter, vor der Beurteilung, fr den Redner zu dessen Vorteil zu gewinnen, und dieser die Freiheit zu benehmen ; kann also weder fr die Gerichtsschranken, noch fr die Kanzeln angeraten werden. Denn wenn es um brgerliche Gesetze, um das Recht einzelner Personen, oder um dauerhafte Belehrung und Bestimmung der Gemter zur richtigen Kenntnis und gewissenhaften Beobachtung ihrer Pflicht, zu tun ist : so ist es unter der Wrde eines so wichtigen Geschftes, auch nur eine Spur von ppigkeit des Witzes und der Einbildungskraft, noch mehr aber von der Kunst zu berreden und zu irgend jemandes Vorteil einzunehmen, blicken zu lassen. Denn, wenn sie gleich bisweilen zu an sich rechtmigen und lobenswrdigen Absichten angewandt werden kann, so wird sie doch dadurch verwerflich, da auf diese Art die Maximen und Gesinnungen subjektiv verderbt werden, wenngleich die Tat objektiv gesetzmig ist : indem es nicht genug ist, das, was Recht ist, zu tun, sondern es auch aus dem Grunde allein, ,weil es Recht ist, auszuben. Auch hat der bloe deutliche Begriff dieser Arten von menschlicher Angelegenheit, mit einer lebhaften Darstellung in Beispielen verbunden, und ohne Versto wider die Regeln des Wohllauts der Sprache, oder der Wohlanstndigkeit des Ausdrucks, fr Ideen der Vernunft (die zusammen die Wohlredenheit ausmachen), schon an sich hinreichenden Einflu auf menschliche Gemter, als da es ntig wre noch die Maschinen der berredung hiebei anzulegen ; welche, da sie ebensowohl auch zur Beschnigung oder Verdeckung des Lasters und Irrtums gebraucht werden knnen, den geheimen Verdacht wegen einer knstlichen berlistung nicht ganz vertilgen knnen. In der Dichtkunst geht alles ehrlich und aufrichtig zu. Sie erklrt sich, ein bloes unterhaltendes Spiel mit der Einbildungskraft, und zwar der Form nach, einstimmig mit Verstandesgesetzen treiben zu wollen ; und verlangt nicht, den Verstand durch sinnliche Darstellung zu berschleichen und zu verstricken.*

Nach der Dichtkunst wrde ich, wenn es um Reiz und Bewegung des Gemts zu tun ist, diejenige, welche ihr unter den redenden am nchsten kommt und sich damit auch sehr natrlich vereinigen lt, nmlich die Tonkunst, setzen. Denn, ob sie zwar durch lauter Empfindungen ohne Begriffe spricht, mithin nicht, wie die Poesie, etwas zum Nachdenken brigbleiben lt, so bewegt sie doch das Gemt mannigfaltiger und, obgleich blo vorbergehend, doch inniglicher ; ist aber freilich mehr Genu als Kultur (das Gedankenspiel, was nebenbei dadurch erregt wird, ist blo die Wirkung einer gleichsam mechanischen Assoziation) ; und hat, durch Vernunft beurteilt, weniger Wert, als jede andere der schnen Knste. Daher verlangt sie, wie jeder Genu, ftern Wechsel, und hlt die mehrmalige Wiederholung nicht aus, ohne berdru zu erzeugen. Der Reiz derselben, der sich so allgemein mitteilen lt, scheint darauf zu beruhen : da jeder Ausdruck der Sprache im Zusammenhange einen Ton hat, der dem Sinne desselben angemessen ist ; da dieser Ton mehr oder weniger einen Affekt des Sprechenden bezeichnet und gegenseitig auch im Hrenden hervorbringt , der denn in diesem umgekehrt auch die Idee erregt, die in der Sprache mit solchem Tone ausgedrckt wird ; und da, so wie die Modulation gleichsam eine allgemeine jedem Menschen verstndliche Sprache der Empfindungen ist, die Tonkunst diese fr sich allein in ihrem ganzen Nachdrucke, nmlich als Sprache der Affekten ausbe, und so, nach dem Gesetze der Assoziation die damit natrlicher Weise verbundenen sthetischen Ideen allgemein mitteile ; da aber, weil jene sthetischen Ideen keine Begriffe und bestimmte Gedanken sind, die Form der Zusammensetzung dieser Empfindungen (Harmonie und Melodie) nur, statt der Form einer Sprache, dazu diene, vermittelst einer proportionierten Stimmung derselben (welche, weil sie bei Tnen auf dem Verhltnis der Zahl der Luftbebungen in derselben Zeit, sofern die Tne zugleich oder auch nacheinander verbunden werden, beruht, mathematisch unter gewisse Regeln gebracht werden kann), die sthetische Idee eines zusammenhngenden Ganzen einer unnennbaren Gedankenflle, einem gewissen Thema gem, welches den in dem Stcke herrschenden Affekt ausmacht, auszudrcken. An dieser mathematischen Form, obgleich nicht durch bestimmte Begriffe vorgestellt, hngt allein das Wohlgefallen, welches die bloe Reflexion ber eine solche Menge einander begleitender oder folgender Empfindungen mit diesem Spiele derselben als fr jedermann gltige Bedingung seiner Schnheit verknpft ; und sie ist es allein, nach welcher der Geschmack sich ein Recht ber das Urteil von jedermann zum voraus auszusprechen, anmaen darf.

Aber an dem Reize und der Gemtsbewegung, welche die Musik hervorbringt, hat die Mathematik sicherlich nicht den mindesten Anteil ; sondern sie ist nur die unumgngliche Bedingung (conditio sine qua non) derjenigen Proportion der Eindrcke, in ihrer Verbindung sowohl als ihrem Wechsel, wodurch es mglich wird sie zusammenzufassen, und zu verhindern, da diese einander nicht zerstren, sondern zu einer kontinuierlichen Bewegung und Belebung des Gemts durch damit konsonierende Affekten und hiemit zu einem behaglichen Selbstgenusse zusammenstimmen.

Wenn man dagegen den Wert der schnen Knste nach der Kultur schtzt, die sie dem Gemt verschaffen, und die Erweiterung der Vermgen, welche in der Urteilskraft zum Erkenntnisse zusammenkommen mssen, zum Mastabe nimmt ; so hat Musik unter den schnen Knsten sofern den untersten (so wie unter denen, die zugleich nach ihrer Annehmlichkeit geschtzt werden, vielleicht den obersten) Platz, weil sie blo mit Empfindungen spielt. Die bildenden Knste gehen ihr also in diesem Betracht weit vor ; denn, indem sie die Einbildungskraft in ein freies und doch zugleich dem Verstande angemessenes Spiel versetzen, so treiben sie zugleich ein Geschft, indem sie ein Produkt zustande bringen, welches den Verstandesbegriffen zu einem dauerhaften und fr sich selbst sich empfehlenden Vehikel dient, die Vereinigung derselben mit der Sinnlichkeit und so gleichsam die Urbanitt der obern Erkenntniskrfte zu befrdern. Beiderlei Art Knste nehmen einen ganz verschiedenen Gang : die erstere von Empfindungen zu unbestimmten Ideen ; die zweite Art aber von bestimmten Ideen zu Empfindungen. Die letztern sind von bleibendem, die erstern nur von transitorischem Eindrucke. Die Einbildungskraft kann jene zurckrufen und sich damit angenehm unterhalten ; diese aber erlschen entweder gnzlich, oder, wenn sie unwillkrlich von der Einbildungskraft wiederholt werden, sind sie uns eher lstig als angenehm. Auerdem hngt der Musik ein gewisser Mangel der Urbanitt an, da sie, vornehmlich nach Beschaffenheit ihrer Instrumente, ihren Einflu weiter, als man ihn verlangt (auf die Nachbarschaft), ausbreitet, und so sich gleichsam aufdringt, mithin der Freiheit andrer, auer der musikalischen Gesellschaft, Abbruch tut ; welches die Knste, die zu den Augen reden, nicht tun, indem man seine Augen nur wegwenden darf, wenn man ihren Eindruck nicht einlassen will. Es ist hiemit fast so, wie mit der Ergtzung durch einen sich weit ausbreitenden Geruch bewandt. Der, welcher sein parfmiertes Schnupftuch aus der Tasche zieht, traktiert alle um und neben sich wider ihren Willen, und ntigt sie, wenn sie atmen wollen, zugleich zu genieen ; daher es auch aus der Mode gekommen ist.** Unter den bildenden Knsten wrde ich der Malerei den Vorzug geben : teils weil sie, als Zeichnungskunst, allen brigen bildenden zum Grunde liegt ; teils weil sie weit mehr in die Region der Ideen eindringen und auch das Feld der Anschauung, diesen gem, mehr erweitern kann, als den brigen verstattet ist.

 

* Ich mu gestehen : da ein schnes Gedicht mir immer ein reines Vergngen gemacht hat, anstatt da die Lesung der besten Rede eines rmischen Volks- oder jetzigen Parlaments- oder Kanzelredners jederzeit mit dem unangenehmen Gefhl der Mibilligung einer hinterlistigen Kunst vermengt war, welche die Menschen als Maschinen in wichtigen Dingen zu einem Urteile zu bewegen versteht, das im ruhigen Nachdenken alles Gewicht bei ihnen verlieren mu. Beredtheit und Wohlredenheit (zusammen Rhetorik) gehren zur schnen Kunst ; aber Rednerkunst (ars oratoria) ist, als Kunst sich der Schwchen der Menschen zu seinen Absichten zu bedienen (diese mgen immer so gut gemeint, oder auch wirklich gut sein, als sie wollen), gar keiner Achtung wrdig. Auch erhob sie sich nur, sowohl in Athen als in Rom, zur hchsten Stufe zu einer Zeit, da der Staat seinem Verderben zueilte und wahre patriotische Denkungsart erloschen war. Wer, bei klarer Einsicht in Sachen, die Sprache nach deren Reichtum und Reinigkeit in seiner Gewalt hat, und, bei einer fruchtbaren zur Darstellung seiner Ideen tchtigen Einbildungskraft, lebhaften Herzensanteil am wahren Guten nimmt, ist der vir bonus dicendi peritus, der Redner ohne Kunst, aber voll Nachdruck, wie ihn Cicero haben will, ohne doch diesem Ideal selbst immer treu geblieben zu sein.

 

** Diejenigen, welche zu den huslichen Andachtsbungen auch das Singen geistlicher Lieder empfohlen haben, bedachten nicht, da sie dem Publikum durch eine solche lrmende (eben dadurch gemeiniglich pharisische) Andacht eine groe Beschwerde auflegen, indem sie die Nachbarschaft entweder mit zu singen oder ihr Gedankengeschft niederzulegen ntigen.

 

54

Anmerkung

Zwischen dem, was blo in der Beurteilung gefllt, und dem, was vergngt (in der Empfindung gefllt), ist, wie wir oft gezeigt haben, ein wesentlicher Unterschied. Das letztere ist etwas, welches man nicht so, wie das erstere, jedermann ansinnen kann. Vergngen (die Ursache desselben mag immerhin auch in Ideen liegen) scheint jederzeit in einem Gefhl der Befrderung des gesamten Lebens des Menschen, mithin auch des krperlichen Wohlbefindens, d. i. der Gesundheit, zu bestehen ; so da Epikur, der alles Vergngen im Grunde fr krperliche Empfindung ausgab, sofern vielleicht nicht Unrecht haben mag, und sich nur selbst miverstand, wenn er das intellektuelle und selbst praktische Wohlgefallen zu den Vergngen zhlte. Wenn man den letztern Unterschied vor Augen hat, so kann man sich erklren, wie ein Vergngen dem, der es empfindet, selbst mifallen knne (wie die Freude eines drftigen, aber wohldenkenden Menschen ber die Erbschaft von seinem ihn liebenden aber kargen Vater), oder wie ein tiefer Schmerz dem, der ihn leidet, doch gefallen knne (die Traurigkeit einer Witwe ber ihres verdienstvollen Mannes Tod), oder wie ein Vergngen obenein noch gefallen knne (wie das an Wissenschaften, die wir treiben), oder ein Schmerz (z. B. Ha, Neid und Rachgierde) uns noch dazu mifallen knne. Das Wohlgefallen oder Mifallen beruht hier auf der Vernunft, und ist mit der Billigung oder Mibilligung einerlei ; Vergngen und Schmerz aber knnen nur auf dem Gefhl oder der Aussicht auf ein (aus welchem Grunde es auch sei) mgliches Wohl- oder belbefinden beruhen.

Alles wechselnde freie Spiel der Empfindungen (die keine Absicht zum Grunde haben) vergngt ; weil es das Gefhl der Gesundheit befrdert : wir mgen nun in der Vernunftbeurteilung an seinem Gegenstande und selbst an diesem Vergngen ein Wohlgefallen haben oder nicht ; und dieses Vergngen kann bis zum Affekt steigen, obgleich wir an dem Gegenstande selbst kein Interesse, wenigstens kein solches nehmen, was dem Grad des letztern proportioniert wre. Wir knnen sie ins Glcksspiel, Tonspiel und Gedankenspiel einteilen. Das erste fordert ein Interesse, es sei der Eitelkeit oder des Eigennutzes, welches aber bei weitem nicht so gro ist, als das Interesse an der Art, wie wir es uns zu verschaffen suchen ; das zweite blo den Wechsel der Empfindungen, deren jede ihre Beziehung auf Affekt, aber ohne den Grad eines Affekts hat, und sthetische Ideen rege macht ; das dritte entspringt blo aus dem Wechsel der Vorstellungen, in der Urteilskraft, wodurch zwar kein Gedanke, der irgendein Interesse bei sich fhrte, erzeugt, das Gemt aber doch belebt wird.

Wie vergngend die Spiele sein mssen, ohne da man ntig htte interessierte Absicht dabei zum Grunde zu legen, zeigen alle unsere Abendgesellschaften ; denn ohne Spiel kann sich beinahe keine unterhalten. Aber die Affekten der Hoffnung, der Furcht, der Freude, des Zorns, des Hohns, spielen dabei, indem sie jeden Augenblick ihre Rolle wechseln, und sind so lebhaft, da dadurch, als eine innere Motion, das ganze Lebensgeschft im Krper befrdert zu sein scheint, wie eine dadurch erzeugte Munterkeit des Gemts es beweist, obgleich weder etwas gewonnen noch gelernt worden. Aber da das Glcksspiel kein schnes Spiel ist, so wollen wir es hier beiseite setzen. Hingegen Musik und Stoff zum Lachen sind zweierlei Arten des Spiels mit sthetischen Ideen, oder auch Verstandesvorstellungen, wodurch am Ende nichts gedacht wird, und die blo durch ihren Wechsel, und dennoch lebhaft vergngen knnen ; wodurch sie ziemlich klar zu erkennen geben, da die Belebung in beiden blo krperlich sei, ob sie gleich von Ideen des Gemts erregt wird, und da das Gefhl der Gesundheit, durch eine jenem Spiele korrespondierende Bewegung der Eingeweide, das ganze, fr so fein und geistvoll gepriesene, Vergngen einer aufgeweckten Gesellschaft ausmacht. Nicht die Beurteilung der Harmonie in Tnen oder Witzeinfllen, die mit ihrer Schnheit nur zum notwendigen Vehikel dient, sondern das befrderte Lebensgeschft im Krper, der Affekt, der die Eingeweide und das Zwerchfell bewegt, mit einem Worte das Gefhl der Gesundheit (welche sich ohne solche Veranlassung sonst nicht fhlen lt), machen das Vergngen aus, welches man daran findet, da man dem Krper auch durch die Seele beikommen und diese zum Arzt von jenem brauchen kann.

In der Musik geht dieses Spiel von der Empfindung des Krpers zu sthetischen Ideen (der Objekte fr Affekten), von diesen alsdann wieder zurck, aber mit vereinigter Kraft, auf den Krper. Im Scherze (der ebensowohl wie jene eher zur angenehmen, als schnen Kunst gezhlt zu werden verdient) hebt das Spiel von Gedanken an, die insgesamt, sofern sie sich sinnlich ausdrcken wollen, auch den Krper beschftigen ; und, indem der Verstand in dieser Darstellung, worin er das Erwartete nicht findet, pltzlich nachlt, so fhlt man die Wirkung dieser Nachlassung im Krper durch die Schwingung der Organen, welche die Herstellung ihres Gleichgewichts befrdert und auf die Gesundheit einen wohlttigen Einflu hat.

Es mu in allem, was ein lebhaftes, erschtterndes Lachen erregen soll, etwas Widersinniges sein (woran also der Verstand an sich kein Wohlgefallen finden kann). Das Lachen ist ein Affekt aus der pltzlichen Verwandlung einer gespannten Erwartung in nichts. Ebendiese Verwandlung, die fr den Verstand gewi nicht erfreulich ist, erfreuet doch indirekt auf einen Augenblick sehr lebhaft. Also mu die Ursache in dem Einflusse der Vorstellung auf den Krper und dessen Wechselwirkung auf das Gemt bestehen ; und zwar nicht, sofern die Vorstellung objektiv ein Gegenstand des Vergngens ist (denn wie kann eine getuschte Erwartung vergngen ?), sondern lediglich dadurch, da sie, als bloes Spiel der Vorstellungen, ein Gleichgewicht der Lebenskrfte im Krper hervorbringt.

Wenn jemand erzhlt : da ein Indianer, der an der Tafel eines Englnders in Surate eine Bouteille mit Ale ffnen und alles dies Bier, in Schaum verwandelt, herausdringen sah, mit vielen Ausrufungen seine groe Verwunderung anzeigte, und auf die Frage des Englnders : was ist denn hier sich so sehr zu verwundern ? antwortete : Ich wundere mich auch nicht darber, da es herausgeht, sondern wie ihrs habt hereinkriegen knnen ; so lachen wir, und es macht uns eine herzliche Lust : nicht, weil wir uns etwa klger finden als diesen Unwissenden, oder sonst ber etwas, was uns der Verstand hierin Wohlgeflliges bemerken liee ; sondern unsre Erwartung war gespannt, und verschwindet pltzlich in nichts. Oder wenn der Erbe eines reichen Verwandten diesem sein Leichenbegngnis recht feierlich veranstalten will, aber klagt, da es ihm hiemit nicht recht gelingen wolle ; denn (sagt er) : je mehr ich meinen Trauerleuten Geld gebe betrbt auszusehen, desto lustiger sehen sie aus ; so lachen wir laut, und der Grund liegt darin, da eine Erwartung sich pltzlich in nichts verwandelt. Man mu bemerken : da sie sich nicht in das positive Gegenteil eines erwarteten Gegenstandes denn das ist immer etwas, und kann oft betrben -, sondern in nichts verwandeln msse. Denn wenn jemand uns mit der Erzhlung einer Geschichte groe Erwartung erregt, und wir beim Schlusse die Unwahrheit derselben sofort einsehen, so macht es uns Mifallen ; wie z. B. die von Leuten, welche vor groem Gram in einer Nacht graue Haare bekommen haben sollen. Dagegen, wenn auf eine dergleichen Erzhlung zur Erwiderung, ein anderer Schalk sehr umstndlich den Gram eines Kaufmanns erzhlt, der, aus Indien mit allem seinem Vermgen in Waren nach Europa zurckkehrend, in einem schweren Sturm alles ber Bord zu werfen gentigt wurde, und sich dermaen grmte, da ihm darber in derselben Nacht die Percke grau ward ; so lachen wir, und es macht uns Vergngen, weil wir unsern eignen Migriff nach einem fr uns brigens gleichgltigen Gegenstande, oder vielmehr unsere verfolgte Idee, wie einen Ball, noch eine Zeitlang hin- und herschlagen, indem wir blo gemeint sind ihn zu greifen und festzuhalten. Es ist hier nicht die Abfertigung eines Lgners oder Dummkopfs, welche das Vergngen erweckt : denn auch fr sich wrde die letztere mit angenommenem Ernst erzhlte Geschichte eine Gesellschaft in ein helles Lachen versetzen ; und jenes wre gewhnlichermaen auch der Aufmerksamkeit nicht wert.

Merkwrdig ist : da in allen solchen Fllen der Spa immer etwas in sich enthalten mu, welches auf einen Augenblick tuschen kann ; daher, wenn der Schein in Nichts verschwindet, das Gemt wieder zurcksieht, um es mit ihm noch einmal zu versuchen, und so durch schnell hintereinander folgende Anspannung und Abspannung hin- und zurckgeschnellt und in Schwankung gesetzt wird : die, weil der Absprung von dem, was gleichsam die Saite anzog, pltzlich (nicht durch ein allmhliches Nachlassen) geschah, eine Gemtsbewegung und mit ihr harmonierende inwendige krperliche Bewegung verursachen mu, die unwillkrlich fortdauert, und Ermdung, dabei aber auch Aufheiterung (die Wirkungen einer zur Gesundheit gereichenden Motion), hervorbringt.

Denn, wenn man annimmt, da mit allen unsern Gedanken zugleich irgendeine Bewegung in den Organen des Krpers harmonisch verbunden sei : so wird man so ziemlich begreifen, wie jener pltzlichen Versetzung des Gemts bald in einen bald in den andern Standpunkt, um seinen Gegenstand zu betrachten, eine wechselseitige Anspannung und Loslassung der elastischen Teile unserer Eingeweide, die sich dem Zwerchfell mitteilt, korrespondieren knne (gleich derjenigen, welche kitzlige Leute fhlen) : wobei die Lunge die Luft mit schnell einander folgenden Abstzen ausstt, und so eine der Gesundheit zutrgliche Bewegung bewirkt, welche allein und nicht das was im Gemte vorgeht, die eigentliche Ursache der Vergngens an einem Gedanken ist, der im Grunde nichts vorstellt. Voltaire sagte, der Himmel habe uns zum Gegengewicht gegen die vielen Mhseligkeiten des Lebens zwei Dinge gegeben : die Hoffnung und den Schlaf. Er htte noch das Lachen dazu rechnen knnen ; wenn die Mittel es bei Vernnftigen zu erregen nur so leicht bei der Hand wren, und der Witz oder die Originalitt der Laune, die dazu erforderlich sind, nicht ebenso selten wren, als hufig das Talent ist, kopfbrechend, wie mystische Grbler, halsbrechend, wie Genies, oder herzbrechend, wie empfindsame Romanschreiber (auch wohl dergleichen Moralisten), zu dichten.

Man kann also, wie mich dnkt, dem Epikur wohl einrumen : da alles Vergngen, wenn es gleich durch Begriffe veranlat wird, welche sthetische Ideen erwecken, animalische, d. i. krperliche Empfindung, sei ; ohne dadurch dem geistigen Gefhl der Achtung fr moralische Ideen, welches kein Vergngen ist, sondern eine Selbstschtzung (der Menschheit in uns), die uns ber das Bedrfnis desselben erhebt, ja selbst nicht einmal dem minder edlen des Geschmacks, im mindesten Abbruch zu tun.

Etwas aus beiden Zusammengesetztes findet sich in der Naivitt, die der Ausbruch der der Menschheit ursprnglich natrlichen Aufrichtigkeit wider die zur andern Natur gewordene Verstellungskunst ist. Man lacht ber die Einfalt, die es noch nicht versteht, sich zu verstellen ; und erfreut sich doch auch ber die Einfalt der Natur, die jener Kunst hier einen Querstrich spielt. Man erwartete die alltgliche Sitte der geknstelten und auf den schnen Schein vorsichtig angelegten uerung ; und siehe ! es ist die unverdorbne schuldlose Natur, die man anzutreffen gar nicht gewrtig, und die der, welcher sie blicken lie, zu entblen auch nicht gemeint war. Da der schne, aber falsche Schein, der gewhnlich in unserem Urteile sehr viel bedeutet, hier pltzlich in nichts verwandelt, da gleichsam der Schalk in uns selbst blogestellt wird, bringt die Bewegung des Gemts nach zwei entgegengesetzten Richtungen nacheinander hervor, die zugleich den Krper heilsam schttelt. Da aber etwas, was unendlich besser als alle angenommene Sitte ist, die Lauterkeit der Denkungsart (wenigstens die Anlage dazu) doch nicht ganz in der menschlichen Natur erloschen ist, mischt Ernst und Hochschtzung in dieses Spiel der Urteilskraft. Weil es aber nur eine auf kurze Zeit sich hervortuende Erscheinung ist, und die Decke der Verstellungskunst bald wieder vorgezogen wird ; so mengt sich zugleich ein Bedauren darunter, welches eine Rhrung der Zrtlichkeit ist, die sich als Spiel mit einem solchen gutherzigen Lachen sehr wohl verbinden lt, und auch wirklich damit gewhnlich verbindet, zugleich auch demjenigen, der den Stoff dazu hergibt, die Verlegenheit darber, da er noch nicht nach Menschenweise gewitzigt ist, zu vergten pflegt. Eine Kunst, naiv zu sein, ist daher ein Widerspruch ; allein die Naivitt in einer erdichteten Person vorzustellen, ist wohl mglich, und schne obzwar auch seltene Kunst. Mit der Naivitt mu offenherzige Einfalt, welche die Natur nur darum nicht verknstelt, weil sie sich darauf nicht versteht, was Kunst des Umganges sei, nicht verwechselt werden.

Zu dem, was aufmunternd, mit dem Vergngen aus dem Lachen nahe verwandt, und zur Originalitt des Geistes, aber eben nicht zum Talent der schnen Kunst gehrig ist, kann auch die launichte Manier gezhlt werden. Laune im guten Verstande bedeutet nmlich das Talent, sich willkrlich in eine gewisse Gemtsdisposition versetzen zu knnen, in der alle Dinge ganz anders als gewhnlich (sogar umgekehrt), und doch gewissen Vernunftprinzipien in einer solchen Gemtsstimmung gem, beurteilt werden. Wer solchen Vernderungen unwillkrlich unterworfen ist, ist launisch ; wer sie aber willkrlich und zweckmig (zum Behuf einer lebhaften Darstellung vermittelst eines Lachen erregenden Kontrastes) anzunehmen vermag, der und sein Vortrag heit launicht. Diese Manier gehrt indes mehr zur angenehmen als schnen Kunst, weil der Gegenstand der letztern immer einige Wrde an sich zeigen mu, und daher einen gewissen Ernst in der Darstellung, so wie der Geschmack in der Beurteilung, erfordert.

 

 

 

Zweiter Abschnitt

Die Dialektik der sthetischen Urteilskraft

 

55

Eine Urteilskraft, die dialektisch sein soll, mu zuvrderst vernnftelnd sein ; d. i. die Urteile derselben mssen auf Allgemeinheit, und zwar a priori, Anspruch machen* : denn in solcher Urteile Entgegensetzung besteht die Dialektik. Daher ist die Unvereinbarkeit sthetischer Sinnesurteile (ber das Angenehme und Unangenehme) nicht dialektisch. Auch der Widerstreit der Geschmacksurteile, sofern sich ein jeder blo auf seinen eignen Geschmack beruft, macht keine Dialektik des Geschmacks aus : weil niemand sein Urteil zur allgemeinen Regel zu machen gedenkt. Es bleibt also kein Begriff von einer Dialektik brig, welche den Geschmack angehen knnte, als der einer Dialektik der Kritik des Geschmacks (nicht des Geschmacks selbst) in Ansehung ihrer Prinzipien : da nmlich ber den Grund der Mglichkeit der Geschmacksurteile berhaupt einander widerstreitende Begriffe natrlicher und unvermeidlicher Weise auftreten. Transzendentale Kritik des Geschmacks wird also nur sofern einen Teil enthalten, der den Namen einer Dialektik der sthetischen Urteilskraft fhren kann, wenn sich eine Antinomie der Prinzipien dieses Vermgens findet, welche die Gesetzmigkeit desselben, mithin auch seine innere Mglichkeit, zweifelhaft macht.

 

* Ein vernnftelndes Urteil (iudicium ratiocinans) kann ein jedes heien, das sich als allgemein ankndigt ; denn sofern kann es zum Obersatze in einem Vernunftschlusse dienen. Ein Vernunfturteil (iudicium ratiocinatum) kann dagegen nur ein solches genannt werden, welches, als der Schlusatz von einem Vernunftschlusse, folglich als a priori gegrndet, gedacht wird.

 

56

Vorstellung der Antinomie des Geschmacks

Der erste Gemeinort des Geschmacks ist in dem Satze, womit sich jeder Geschmacklose gegen Tadel zu verwahren denkt, enthalten : ein jeder hat seinen eignen Geschmack. Das heit soviel, als der Bestimmungsgrund dieses Urteils ist blo subjektiv (Vergngen oder Schmerz) ; und das Urteil hat kein Recht auf die notwendige Beistimmung anderer.

Der zweite Gemeinort desselben, der auch von denen sogar gebraucht wird, die dem Geschmacksurteile das Recht einrumen, fr jedermann gltig auszusprechen, ist : ber den Geschmack lt sich nicht disputieren. Das heit soviel, als : der Bestimmungsgrund eines Geschmacksurteils mag zwar auch objektiv sein, aber er lt sich nicht auf bestimmte Begriffe bringen ; mithin kann ber das Urteil selbst durch Beweise nichts entschieden werden, obgleich darber gar wohl und mit Recht gestritten werden kann. Denn Streiten und Disputieren sind zwar darin einerlei, da sie durch wechselseitigen Widerstand der Urteile Einhelligkeit derselben hervorzubringen suchen, darin aber verschieden, da das letztere dieses nach bestimmten Begriffen als Beweisgrnden zu bewirken hofft, mithin objektive Begriffe als Grnde des Urteils annimmt. Wo dieses aber als untunlich betrachtet wird, da wird das Disputieren ebensowohl als untunlich beurteilt.

Man sieht leicht, da zwischen diesen zweien Gemeinrtern ein Satz fehlt, der zwar nicht sprichwrtlich im Umlaufe, aber doch in jedermanns Sinne enthalten ist, nmlich : ber den Geschmack lt sich streiten (obgleich nicht disputieren). Dieser Satz aber enthlt das Gegenteil des obersten Satzes. Denn worber es erlaubt sein soll zu streiten, da mu Hoffnung sein untereinander bereinzukommen ; mithin mu man auf Grnde des Urteils, die nicht blo Privatgltigkeit haben und also nicht blo subjektiv sind, rechnen knnen ; welchem gleichwohl jener Grundsatz : ein jeder hat seinen eignen Geschmack, gerade entgegen ist.

Es zeigt sich also in Ansehung des Prinzips des Geschmacks folgende Antinomie :

1) Thesis. Das Geschmacksurteil grndet sich nicht auf Begriffen ; denn sonst liee sich darber disputieren (durch Beweise entscheiden).

2) Antithesis. Das Geschmacksurteil grndet sich auf Begriffen ; denn sonst liee sich, ungeachtet der Verschiedenheit desselben, darber auch nicht einmal streiten (auf die notwendige Einstimmung anderer mit diesem Urteile Anspruch machen).

 

57

Auflsung der Antinomie des Geschmacks

Es ist keine Mglichkeit, den Widerstreit jener jedem Geschmacksurteil unterlegten Prinzipien (welche nichts anders sind, als die oben in der Analytik vorgestellten zwei Eigentmlichkeiten des Geschmacksurteils) zu heben, als da man zeigt : der Begriff, worauf man das Objekt in dieser Art Urteile bezieht, werde in beiden Maximen der sthetischen Urteilskraft nicht in einerlei Sinn genommen ; dieser zwiefache Sinn, oder Gesichtspunkt, der Beurteilung sei unserer transzendentalen Urteilskraft notwendig ; aber auch der Schein, in der Vermengung des einen mit dem andern, als natrliche Illusion, unvermeidlich.

Auf irgendeinen Begriff mu sich das Geschmacksurteil beziehen ; denn sonst knnte es schlechterdings nicht auf notwendige Gltigkeit fr jedermann Anspruch machen. Aber aus einem Begriffe darf es darum eben nicht erweislich sein, weil ein Begriff entweder bestimmbar, oder auch an sich unbestimmt und zugleich unbestimmbar, sein kann. Von der erstern Art ist der Verstandesbegriff, der durch Prdikate der sinnlichen Anschauung, die ihm korrespondieren kann, bestimmbar ist ; von der zweiten aber der transzendentale Vernunftbegriff von dem bersinnlichen, was aller jener Anschauung zum Grunde liegt, der also weiter nicht theoretisch bestimmte werden kann.

Nun geht das Geschmacksurteil auf Gegenstnde der Sinne, aber nicht um einen Begriff derselben fr den Verstand zu bestimmen ; denn es ist kein Erkenntnisurteil. Es ist daher, als auf das Gefhl der Lust bezogene anschauliche einzelne Vorstellung, nur ein Privaturteil : und sofern wrde es seiner Gltigkeit nach auf das urteilende Individuum allein beschrnkt sein : der Gegenstand ist fr mich ein Gegenstand des Wohlgefallens, fr andre mag es sich anders verhalten ; ein jeder hat seinen Geschmack.

Gleichwohl ist ohne Zweifel im Geschmacksurteile eine erweiterte Beziehung der Vorstellung des Objekts (zugleich auch des Subjekts) enthalten, worauf wir eine Ausdehnung dieser Art Urteile, als notwendig fr jedermann, grnden : welcher daher notwendig irgendein Begriff zum Grunde liegen mu ; aber ein Begriff, der sich gar nicht durch Anschauung bestimmen, durch den sich nichts erkennen, mithin auch kein Beweis fr das Geschmacksurteil fhren lt. Ein dergleichen Begriff aber ist der bloe reine Vernunftbegriff von dem bersinnlichen, was dem Gegenstande (und auch dem urteilenden Subjekte) als Sinnenobjekte, mithin als Erscheinung, zum Grunde liegt. Denn nhme man eine solche Rcksicht nicht an, so wre der Anspruch des Geschmacksurteils auf allgemeine Gltigkeit nicht zu retten ; wre der Begriff, worauf es sich grndet, ein nur blo verworrener Verstandesbegriff, etwa von Vollkommenheit, dem man korrespondierend die sinnliche Anschauung des Schnen beigeben knnte : so wrde es wenigstens an sich mglich sein, das Geschmacksurteil auf Beweise zu grnden, welches der Thesis widerspricht.

Nun fllt aber aller Widerspruch weg, wenn ich sage : das Geschmacksurteil grndet sich auf einem Begriffe (eines Grundes berhaupt von der subjektiven Zweckmigkeit der Natur fr die Urteilskraft), aus dem aber nichts in Ansehung des Objekts erkannt und bewiesen werden kann, weil er an sich unbestimmbar und zum Erkenntnis untauglich ist ; es bekommt aber durch eben denselben doch zugleich Gltigkeit fr jedermann (bei jedem zwar als einzelnes, die Anschauung unmittelbar begleitendes, Urteil) : weil der Bestimmungsgrund desselben vielleicht im Begriffe von demjenigen liegt, was als das bersinnliche Substrat der Menschheit angesehen werden kann.

Es kommt bei der Auflsung einer Antinomie nur auf die Mglichkeit an, da zwei einander dem Scheine nach widerstreitende Stze einander in der Tat nicht widersprechen, sondern nebeneinander bestehen knnen, wenngleich die Erklrung der Mglichkeit ihres Begriffs unser Erkenntnisvermgen bersteigt. Da dieser Schein auch natrlich und der menschlichen Vernunft unvermeidlich sei, imgleichen warum er es sei und bleibe, ob er gleich nach der Auflsung des Scheinwiderspruchs nicht betrgt, kann hieraus auch begreiflich gemacht werden.

Wir nehmen nmlich den Begriff, worauf die Allgemeingltigkeit eines Urteils sich grnden mu, in beiden widerstreitenden Urteilen in einerlei Bedeutung, und sagen doch von ihm zwei entgegengesetzte Prdikate aus. In der Thesis sollte es daher heien : Das Geschmacksurteil grndet sich nicht auf bestimmten Begriffen ; in der Antithesis aber : Das Geschmacksurteil grndet sich doch auf einem, obzwar unbestimmten, Begriffe (nmlich vom bersinnlichen Substrat der Erscheinungen) ; und alsdann wre zwischen ihnen kein Widerstreit.

Mehr, als diesen Widerstreit in den Ansprchen und Gegenansprchen des Geschmacks zu heben, knnen wir nicht leisten. Ein bestimmtes objektives Prinzip des Geschmacks, wornach die Urteile desselben geleitet, geprft und bewiesen werden knnten, zu geben, ist schlechterdings unmglich ; denn es wre alsdann kein Geschmacksurteil. Das subjektive Prinzip, nmlich die unbestimmte Idee des bersinnlichen in uns, kann nur als der einzige Schlssel der Entrtselung dieses uns selbst seinen Quellen nach verborgenen Vermgens angezeigt, aber durch nichts weiter begreiflich gemacht werden.

Der hier aufgestellten und ausgeglichenen Antinomie liegt der richtige Begriff des Geschmacks, nmlich als einer blo reflektierenden sthetischen Urteilskraft, zum Grunde ; und da wurden beide dem Scheine nach widerstreitende Grundstze miteinander vereinigt, indem beide wahr sein knnen, welches auch genug ist. Wrde dagegen zum Bestimmungsgrunde des Geschmacks (wegen der Einzelnheit der Vorstellung, die dem Geschmacksurteil zum Grunde liegt), wie von einigen geschieht, die Annehmlichkeit, oder, wie andere (wegen der Allgemeingltigkeit desselben) wollen, das Prinzip der Vollkommenheit angenommen, und die Definition des Geschmacks darnach eingerichtet ; so entspringt daraus eine Antinomie, die schlechterdings nicht auszugleichen ist, als so, da man zeigt, da beide einander (aber nicht blo kontradiktorisch) entgegenstehende Stze falsch sind : welches dann beweiset, da der Begriff, worauf ein jeder gegrndet ist, sich selbst widerspreche. Man sieht also, da die Hebung der Antinomie der sthetischen Urteilskraft einen hnlichen Gang nehme mit dem, welchen die Kritik in Auflsung der Antinomien der reinen theoretischen Vernunft befolgte ; und da, ebenso hier und auch in der Kritik der praktischen Vernunft, die Antinomien wider Willen ntigen, ber das Sinnliche hinaus zu sehen, und im bersinnlichen den Vereinigungspunkt aller unserer Vermgen a priori zu suchen : weil kein anderer Ausweg brigbleibt, die Vernunft mit sich selbst einstimmig zu machen.

 

Anmerkung I

Da wir in der Transzendental-Philosophie so oft Veranlassung finden, Ideen von Verstandesbegriffen zu unterscheiden, so kann es von Nutzen sein, ihrem Unterschiede angemessene Kunstausdrcke einzufhren. Ich glaube, man werde nichts dawider haben, wenn ich einige in Vorschlag bringe. Ideen in der allgemeinsten Bedeutung sind nach einem gewissen (subjektiven oder objektiven) Prinzip, auf einen Gegenstand bezogene Vorstellungen, sofern sie doch nie eine Erkenntnis desselben werden knnen. Sie sind entweder nach einem blo subjektiven Prinzip der bereinstimmung der Erkenntnisvermgen untereinander (der Einbildungskraft und des Verstandes) auf eine Anschauung bezogen : und heien alsdann sthetische ; oder nach einem objektiven Prinzip auf einen Begriff bezogen, knnen aber doch nie eine Erkenntnis des Gegenstandes abgeben : und heien Vernunftideen ; in welchem Falle der Begriff ein transzendenter Begriff ist, welcher vom Verstandesbegriffe, dem jederzeit eine adquat korrespondierende Erfahrung untergelegt werden kann, und der darum immanent heit, unterschieden ist.

Eine sthetische Idee kann keine Erkenntnis werden, weil sie eine Anschauung (der Einbildungskraft) ist, der niemals ein Begriff adquat gefunden werden kann. Eine Vernunftidee kann nie Erkenntnis werden, weil sie einen Begriff (vom bersinnlichen) enthlt, dem niemals eine Anschauung angemessen gegeben werden kann.

Nun glaube ich, man knne die sthetische Idee eine inexponible Vorstellung der Einbildungskraft, die Vernunftidee aber einen indemonstrabeln Begriff der Vernunft nennen. Von beiden wird vorausgesetzt, da sie nicht etwa gar grundlos, sondern (nach der obigen Erklrung einer Idee berhaupt) gewissen Prinzipien der Erkenntnisvermgen, wozu sie gehren (jene den subjektiven, diese objektiven Prinzipien), gem erzeugt seien.

Verstandesbegriffe mssen, als solche, jederzeit demonstrabel sein (wenn unter demonstrieren, wie in der Anatomie, blo das Darstellen verstanden wird) ; d. i. der ihnen korrespondierende Gegenstand mu jederzeit in der Anschauung (reinen oder empirischen) gegeben werden knnen : denn dadurch allein knnen sie Erkenntnisse werden. Der Begriff der Gre kann in der Raumesanschauung a priori, z. B. einer geraden Linie usw., gegeben werden ; der Begriff der Ursache an der Undurchdringlichkeit, dem Stoe der Krper, usw. Mithin knnen beide durch eine empirische Anschauung belegt, d. i. der Gedanke davon an einem Beispiele gewiesen (demonstriert, aufgezeigt) werden ; und dieses mu geschehen knnen : widrigenfalls man nicht gewi ist, ob der Gedanke nicht leer, d. i. ohne alles Objekt sei.

Man bedient sich in der Logik der Ausdrcke des Demonstrabeln oder Indemonstrabeln gemeiniglich nur in Ansehung der Stze : da die ersteren besser durch die Benennung der nur mittelbar, die zweiten der unmittelbar-gewissen Stze knnten bezeichnet werden : denn die reine Philosophie hat auch Stze von beiden Arten, wenn darunter beweisfhige und beweisunfhige wahre Stze verstanden werden. Allein aus Grnden a priori kann sie, als Philosophie, zwar beweisen, aber nicht demonstrieren ; wenn man nicht ganz und gar von der Wortbedeutung abgehen will, nach welcher demonstrieren (ostendere, exhibere) soviel heit, als (es sei im Beweisen oder auch blo im Definieren) seinen Begriff zugleich in der Anschauung darstellen : welche, wenn sie Anschauung a priori ist, das Konstruieren desselben heit, wenn sie aber auch empirisch ist, gleichwohl die Vorzeigung des Objekts bleibt, durch welche dem Begriffe die objektive Realitt gesichert wird. So sagt man von einem Anatomiker : er demonstriere das menschliche Auge, wenn er den Begriff, den er vorher diskursiv vorgetragen hat, vermittelst der Zergliederung dieses Organs anschaulich macht.

Diesem zufolge ist der Vernunftbegriff vom bersinnlichen Substrat aller Erscheinungen berhaupt, oder auch von dem, was unserer Willkr in Beziehung auf moralische Gesetze zum Grunde gelegt werden mu, nmlich von der transzendentalen Freiheit, schon der Spezies nach ein indemonstrabler Begriff und Vernunftidee, Tugend aber ist dies dem Grade nach : weil dem ersteren an sich gar nichts der Qualitt nach in der Erfahrung Korrespondierendes gegeben werden kann, in der zweiten aber kein Erfahrungsprodukt jener Kausalitt den Grad erreicht, den die Vernunftidee zur Regel vorschreibt.

So wie an einer Vernunftidee die Einbildungskraft, mit ihren Anschauungen, den gegebenen Begriff nicht erreicht ; so erreicht bei einer sthetischen Idee der Verstand, durch seine Begriffe, nie die ganze innere Anschauung der Einbildungskraft, welche sie mit einer gegebenen Vorstellung verbindet. Da nun eine Vorstellung der Einbildungskraft auf Begriffe bringen so viel heit, als sie exponieren : so kann die sthetische Idee eine inexponible Vorstellung derselben (in ihrem freien Spiele) genannt werden. Ich werde von dieser Art Ideen in der Folge noch einiges auszufhren Gelegenheit haben ; jetzt bemerke ich nur : da beide Arten von Ideen, die Vernunftideen sowohl als die sthetischen, ihre Prinzipien haben mssen ; und zwar beide in der Vernunft, jene in den objektiven, diese in den subjektiven Prinzipien ihres Gebrauchs.

Man kann diesem zufolge Genie auch durch das Vermgen sthetischer Ideen erklren : wodurch zugleich der Grund angezeigt wird, warum in Produkten des Genies die Natur (des Subjekts), nicht ein berlegter Zweck, der Kunst (der Hervorbringung des Schnen) die Regel gibt. Denn da das Schne nicht nach Begriffen beurteilt werden mu, sondern nach der zweckmigen Stimmung der Einbildungskraft zur bereinstimmung mit dem Vermgen der Begriffe berhaupt ; so kann nicht Regel und Vorschrift, sondern nur das, was blo Natur im Subjekte ist, aber nicht unter Regeln oder Begriffe gefat werden kann, d. i. das bersinnliche Substrat aller seiner Vermgen (welches kein Verstandesbegriff erreicht), folglich das, auf welches in Beziehung alle unsere Erkenntnisvermgen zusammenstimmend zu machen, der letzte durch das Intelligible unserer Natur gegebene Zweck ist, jener sthetischen aber unbedingten Zweckmigkeit in der schnen Kunst, die jedermann gefallen zu mssen rechtmigen Anspruch machen soll, zum subjektiven Richtmae dienen. So ist es auch allein mglich, da dieser, der man kein objektives Prinzip vorschreiben kann, ein subjektives und doch allgemeingltiges Prinzip a priori zum Grunde liege.

 

Anmerkung II

Folgende wichtige Bemerkung bietet sich hier von selbst dar : da es nmlich dreierlei Arten der Antinomie der reinen Vernunft gebe, die aber alle darin bereinkommen, da sie dieselbe zwingen, von der sonst sehr natrlichen Voraussetzung, die Gegenstnde der Sinne fr die Dinge an sich selbst zu halten, abzugehen, sie vielmehr blo fr Erscheinungen gelten zu lassen, und ihnen ein intelligibles Substrat (etwas bersinnliches, wovon der Begriff nur Idee ist und keine eigentliche Erkenntnis zult) unterzulegen. Ohne eine solche Antinomie wrde die Vernunft sich niemals zu Annehmung eines solchen das Feld ihrer Spekulation so sehr verengenden Prinzips, und zu Aufopferungen, wobei so viele sonst sehr schimmernde Hoffnungen gnzlich verschwinden mssen, entschlieen knnen ; denn selbst jetzt, da sich ihr zur Vergtung dieser Einbue ein um desto grerer Gebrauch in praktischer Rcksicht erffnet, scheint sie sich nicht ohne Schmerz von jenen Hoffnungen trennen und von der alten Anhnglichkeit losmachen zu knnen.

Da es drei Arten der Antinomie gibt, hat seinen Grund darin, da es drei Erkenntnisvermgen : Verstand, Urteilskraft und Vernunft gibt, deren jedes (als oberes Erkenntnisvermgen) seine Prinzipien a priori haben mu ; da denn die Vernunft, sofern sie ber diese Prinzipien selbst und ihren Gebrauch urteilt, in Ansehung ihrer aller zu dem gegebenen Bedingten unnachlalich das Unbedingte fordert, welches sich doch nie finden lt, wenn man das Sinnliche, als zu den Dingen an sich selbst gehrig betrachtet, und ihm nicht vielmehr, als bloer Erscheinung, etwas bersinnliches (das intelligible Substrat der Natur auer uns und in uns) als Sache an sich selbst unterlegt. Da gibt es dann 1) eine Antinomie der Vernunft in Ansehung des theoretischen Gebrauchs des Verstandes bis zum Unbedingten hinauf fr das Erkenntnisvermgen ; 2) eine Antinomie der Vernunft in Ansehung des sthetischen Gebrauchs der Urteilskraft fr das Gefhl der Lust und Unlust ; 3) eine Antinomie in Ansehung des praktischen Gebrauchs der an sich selbst gesetzgebenden Vernunft fr das Begehrungsvermgen : sofern alle diese Vermgen ihre obere Prinzipien a priori haben, und, gem einer unumgnglichen Forderung der Vernunft, nach diesen Prinzipien auch unbedingt mssen urteilen und ihr Objekt bestimmen knnen.

In Ansehung zweier Antinomien, der des theoretischen und der des praktischen Gebrauchs, jener obern Erkenntnisvermgen haben wir die Unvermeidlichkeit derselben, wenn dergleichen Urteile nicht auf ein bersinnliches Substrat der gegebenen Objekte, als Erscheinungen, zurcksehen, dagegen aber auch die Auflslichkeit derselben, sobald das letztere geschieht, schon anderwrts gezeigt. Was nun die Antinomie im Gebrauch der Urteilskraft, gem der Forderung der Vernunft und deren hier gegebene Auflsung betrifft : so gibt es kein anderes Mittel, derselben auszuweichen, als entweder zu leugnen, da dem sthetischen Geschmacksurteile irgendein Prinzip a priori zum Grunde liege, so da aller Anspruch auf Notwendigkeit allgemeiner Beistimmung grundloser leerer Wahn sei, und ein Geschmacksurteil nur sofern fr richtig gehalten zu werden verdiene, weil es sich trifft, da viele in Ansehung desselben bereinkommen, und auch dieses eigentlich nicht um deswillen, weil man hinter dieser Einstimmung ein Prinzip a priori vermutet, sondern (wie im Gaumengeschmack), weil die Subjekte zuflligerweise gleichfrmig organisiert seien ; oder man mte annehmen, da das Geschmacksurteil eigentlich ein verstecktes Vernunfturteil ber die an einem Dinge und die Beziehung des Mannigfaltigen in ihm zu einem Zwecke entdeckte Vollkommenheit sei, mithin nur um der Verworrenheit willen, die dieser unserer Reflexion anhngt, sthetisch genannt werde, ob es gleich im Grunde teleologisch sei : in welchem Falle man die Auflsung der Antinomie durch transzendentale Ideen fr unntig und nichtig erklren, und so mit den Objekten der Sinne nicht als bloen Erscheinungen, sondern auch als Dingen an sich selbst, jene Geschmacksgesetze vereinigen knnte. Wie wenig aber die eine sowohl als die andere Ausflucht verschlage, ist an mehrern Orten in der Exposition der Geschmacksurteile gezeigt worden.

Rumt man aber unserer Deduktion wenigstens so viel ein, da sie auf dem rechten Wege geschehe, wenn gleich noch nicht in allen Stcken hell genug gemacht sei, so zeigen sich drei Ideen : erstlich des bersinnlichen berhaupt, ohne weitere Bestimmung, als Substrats der Natur ; zweitens ebendesselben, als Prinzips der subjektiven Zweckmigkeit der Natur fr unser Erkenntnisvermgen ; drittens ebendesselben, als Prinzips der Zwecke der Freiheit und Prinzips der bereinstimmung derselben mit jener im Sittlichen.

 

58

Vom Idealismus der Zweckmigkeit der Natur sowohl als Kunst, als dem alleinigen Prinzip der sthetischen Urteilskraft

Man kann zuvrderst das Prinzip des Geschmacks entweder darin setzen, da dieser jederzeit nach empirischen Bestimmungsgrnden, und also nach solchen, die nur a posteriori durch Sinne gegeben werden, oder man kann einrumen, da er aus einem Grunde a priori urteile. Das erstere wre der Empirism der Kritik des Geschmacks, das zweite der Rationalism derselben. Nach dem ersten wre das Objekt unseres Wohlgefallens nicht vom Angenehmen, nach dem zweiten, wenn das Urteil auf bestimmten Begriffen beruhete, nicht vom Guten unterschieden ; und so wrde alle Schnheit aus der Welt weggeleugnet, und nur ein besonderer Name, vielleicht fr eine gewisse Mischung von beiden vorgenannten Arten des Wohlgefallens, an dessen Statt brigbleiben. Allein wir haben gezeigt, da es auch Grnde des Wohlgefallens a priori gebe, die also mit dem Prinzip des Rationalisms zusammen bestehen knnen, ungeachtet sie nicht in bestimmte Begriffe gefat werden knnen.

Der Rationalism des Prinzips des Geschmacks ist dagegen entweder der des Realisms der Zweckmigkeit, oder des Idealisms derselben. Weil nun ein Geschmacksurteil kein Erkenntnisurteil, und Schnheit keine Beschaffenheit des Objekts, fr sich betrachtet, ist ; so kann der Rationalism des Prinzips des Geschmacks niemals darin gesetzt werden, da die Zweckmigkeit in diesem Urteile als objektiv gedacht werde, d. i. da das Urteil theoretisch, mithin auch logisch (wenngleich nur in einer verworrenen Beurteilung), auf die Vollkommenheit des Objekts, sondern nur sthetisch, auf die bereinstimmung seiner Vorstellung in der Einbildungskraft mit den wesentlichen Prinzipien der Urteilskraft berhaupt, im Subjekte gehe. Folglich kann, selbst nach dem Prinzip des Rationalisms das Geschmacksurteil und der Unterschied des Realisms und Idealisms desselben nur darin gesetzt werden, da entweder jene subjektive Zweckmigkeit im erstern Falle als wirklicher (absichtlicher) Zweck der Natur (oder der Kunst) mit unserer Urteilskraft bereinzustimmen, oder im zweiten Falle nur als eine, ohne Zweck, von selbst und zuflligerweise sich hervortuende zweckmige bereinstimmung zu dem Bedrfnis der Urteilskraft, in Ansehung der Natur und ihrer nach besondern Gesetzen erzeugten Formen, angenommen werde.

Dem Realism der sthetischen Zweckmigkeit der Natur, da man nmlich annehmen mchte : da der Hervorbringung des Schnen eine Idee desselben in der hervorbringenden Ursache, nmlich ein Zweck zu Gunsten unserer Einbildungskraft, zum Grunde gelegen habe, reden die schnen Bildungen im Reiche der organisierten Natur gar sehr das Wort. Die Blumen, Blten, ja die Gestalten ganzer Gewchse, die fr ihren eigenen Gebrauch unntige, aber fr unsern Geschmack gleichsam ausgewhlte Zierlichkeit der tierischen Bildungen von allerlei Gattungen ; vornehmlich die unsern Augen so wohlgefllige und reizende Mannigfaltigkeit und harmonische Zusammensetzung der Farben (am Fasan, an Schaltieren, Insekten, bis zu den gemeinsten Blumen), die, indem sie blo die Oberflche, und auch an dieser nicht einmal die Figur der Geschpfe, welche doch noch zu den innern Zwecken derselben erforderlich sein knnte, betreffen, gnzlich auf uere Beschauung abgezweckt zu sein scheinen : geben der Erklrungsart durch Annehmung wirklicher Zwecke der Natur fr unsere sthetische Urteilskraft ein groes Gewicht.

Dagegen widersetzt sich dieser Annahme nicht allein die Vernunft durch ihre Maximen, allerwrts die unntige Vervielfltigung der Prinzipien nach aller Mglichkeit zu verhten ; sondern die Natur zeigt in ihren freien Bildungen berall so viel mechanischen Hang zu Erzeugung von Formen, die fr den sthetischen Gebrauch unserer Urteilskraft gleichsam gemacht zu sein scheinen, ohne den geringsten Grund zur Vermutung an die Hand zu geben, da es dazu noch etwas mehr, als ihres Mechanisms, blo als Natur, bedrfe, wornach sie, auch ohne alle ihnen zum Grunde liegende Idee, fr unsere Beurteilung zweckmig sein knnen. Ich verstehe aber unter einer freien Bildung der Natur diejenige, wodurch aus einem Flssigen in Ruhe, durch Verflchtigung oder Absonderung eines Teils desselben (bisweilen blo der Wrmmaterie) das brige bei dem Festwerden eine bestimmte Gestalt, oder Gewebe (Figur oder Textur), annimmt, die, nach der spezifischen Verschiedenheit der Materien, verschieden, in ebenderselben aber genau dieselbe ist. Hiezu aber wird, was man unter einer wahren Fligkeit jederzeit versteht, nmlich da die Materie in ihr vllig aufgelset, d. i. nicht als ein bloes Gemenge fester und darin blo schwebender Teile anzusehen sei, vorausgesetzt.

Die Bildung geschieht alsdann durch Anschieen, d. i. durch ein pltzliches Festwerden, nicht durch einen allmhlichen bergang aus dem flssigen in den festen Zustand, sondern gleichsam durch einen Sprung, welcher bergang auch das Kristallisieren genannt wird. Das gemeinste Beispiel von dieser Art Bildung ist das gefrierende Wasser, in welchem sich zuerst gerade Eisstrhlchen erzeugen, die in Winkeln von 60 Grad sich zusammenfgen, indes sich andere an jedem Punkt derselben ebenso ansetzen, bis alles zu Eis geworden ist : so da whrend dieser Zeit, das Wasser zwischen den Eisstrhlchen nicht allmhlich zher wird, sondern so vollkommen flssig ist, als es bei weit grerer Wrme sein wrde, und doch die vllige Eisklte hat. Die sich absondernde Materie, die im Augenblicke des Festwerdens pltzlich entwischt, ist ein ansehnliches Quantum von Wrmestoff, dessen Abgang, da es blo zum Flssigsein erfordert ward, dieses nunmehrige Eis nicht im mindesten klter, als das kurz vorher in ihm flssige Wasser zurcklt.

Viele Salze, imgleichen Steine, die eine kristallinische Figur haben, werden ebenso von einer im Wasser, wer wei durch was fr Vermittelung, aufgelseten Erdart erzeugt. Ebenso bilden sich die drusichten Konfigurationen vieler Mineralien, des wrflichten Bleiglanzes, des Rotgldenerzes u. dgl., allem Vermuten nach auch im Wasser, und durch Anschieen der Teile : indem sie durch irgendeine Ursache gentigt werden, dieses Vehikel zu verlassen, und sich untereinander in bestimmte uere Gestalten zu vereinigen.

Aber auch innerlich zeigen alle Materien, welche blo durch Hitze flssig waren und durch Erkalten Festigkeit angenommen haben, im Bruche eine bestimmte Textur, und lassen daraus urteilen, da, wenn nicht ihr eigenes Gewicht oder die Luftberhrung es gehindert htte, sie auch uerlich ihre spezifisch eigentmliche Gestalt wrden gewiesen haben : dergleichen man an einigen Metallen, die nach der Schmelzung uerlich erhrtet, inwendig aber noch flssig waren, durch Abzapfen des innern noch flssigen Teils und nunmehriges ruhiges Anschieen des brigen inwendig zurckgebliebenen, beobachtet hat. Viele von jenen mineralischen Kristallisationen, als die Spatdrusen, der Glaskopf, die Eisenblte, geben oft beraus schne Gestalten, wie sie die Kunst nur immer ausdenken mchte ; und die Glorie in der Hhle von Antiparos ist blo das Produkt eines sich durch Gipslager durchsickernden Wassers.

Das Flssige ist, allem Ansehen nach, berhaupt lter als das Feste, und sowohl die Pflanzen als tierische Krper werden aus flssiger Nahrungsmaterie gebildet, sofern sie sich in Ruhe formt : freilich zwar in der letztern zuvrderst nach einer gewissen ursprnglichen auf Zwecke gerichteten Anlage (die, wie im zweiten Teile gewiesen werden wird, nicht sthetisch, sondern teleologisch, nach dem Prinzip des Realisms beurteilt werden mu) ; aber nebenbei doch auch vielleicht als, dem allgemeinen Gesetze der Verwandtschaft der Materien gem, anschieend und sich in Freiheit bildend. So wie nun die in einer Atmosphre, welche ein Gemisch verschiedener Luftarten ist, aufgelseten wrigen Flssigkeiten, wenn sich die letzteren, durch Abgang der Wrme von jener scheidend, Schneefiguren erzeugen, die nach Verschiedenheit der dermaligen Luftmischung von oft sehr knstlich scheinender und beraus schner Figur sind ; so lt sich, ohne dem teleologischen Prinzip der Beurteilung der Organisation etwas zu entziehen, wohl denken : da, was die Schnheit der Blumen, der Vogelfedern, der Muscheln, ihrer Gestalt sowohl als Farbe nach, betrifft, diese der Natur und ihrem Vermgen, sich in ihrer Freiheit ohne besondere darauf gerichtete Zwecke, nach chemischen Gesetzen, durch Absetzung der zur Organisation erforderlichen Materie, auch sthetisch-zweckmig zu bilden, zugeschrieben werden knne.

Was aber das Prinzip der Idealitt der Zweckmigkeit im Schnen der Natur, als dasjenige, welches wir im sthetischen Urteile selbst jederzeit zum Grunde legen, und welches uns keinen Realism eines Zwecks derselben fr unsere Vorstellungskraft zum Erklrungsgrunde zu brauchen erlaubt, geradezu beweiset : ist, da wir in der Beurteilung der Schnheit berhaupt das Richtma derselben a priori in uns selbst suchen, und die sthetische Urteilskraft in Ansehung des Urteils, ob etwas schn sei oder nicht, selbst gesetzgebend ist, welches bei Annehmung des Realisms der Zweckmigkeit der Natur nicht stattfinden kann ; weil wir da von der Natur lernen mten, was wir schn zu finden htten, und das Geschmacksurteil empirischen Prinzipien unterworfen sein wrde. Denn in einer solchen Beurteilung kommt es nicht darauf an, was die Natur ist, oder auch fr uns als Zweck ist, sondern wie wir sie aufnehmen. Es wrde immer eine objektive Zweckmigkeit der Natur sein, wenn sie fr unser Wohlgefallen ihre Formen gebildet htte ; und nicht eine subjektive Zweckmigkeit, welche auf dem Spiele der Einbildungskraft in ihrer Freiheit beruhete, wo es Gunst ist, womit wir die Natur aufnehmen, nicht Gunst, die sie uns erzeigt. Die Eigenschaft der Natur, da sie fr uns Gelegenheit enthlt, die innere Zweckmigkeit in dem Verhltnisse unserer Gemtskrfte in Beurteilung gewisser Produkte derselben wahrzunehmen, und zwar als eine solche, die aus einem bersinnlichen Grunde fr notwendig und allgemeingltig erklrt werden soll, kann nicht Naturzweck sein, oder vielmehr von uns als ein solcher beurteilt werden : weil sonst das Urteil, das dadurch bestimmt wrde, Heteronomie, aber nicht, wie es einem Geschmacksurteile geziemt, frei sein, und Autonomie zum Grunde haben wrde.

In der schnen Kunst ist das Prinzip des Idealisms der Zweckmigkeit noch deutlicher zu erkennen. Denn, da hier nicht ein sthetischer Realism derselben, durch Empfindungen (wobei sie statt schner blo angenehme Kunst sein wrde), angenommen werden knne : das hat sie mit der schnen Natur gemein. Allein da das Wohlgefallen durch sthetische Ideen nicht von der Erreichung bestimmter Zwecke (als mechanisch absichtliche Kunst) abhngen msse, folglich, selbst im Rationalism des Prinzips, Idealitt der Zwecke, nicht Realitt derselben, zum Grunde liege : leuchtet auch schon dadurch ein, da schne Kunst, als solche, nicht als ein Produkt des Verstandes und der Wissenschaft, sondern des Genies betrachtet werden mu und also durch sthetische Ideen, welche von Vernunftideen bestimmter Zwecke wesentlich unterschieden sind, ihre Regel bekomme.

So wie die Idealitt der Gegenstnde der Sinne als Erscheinungen die einzige Art ist, die Mglichkeit zu erklren, da ihre Formen a priori bestimmt werden knnen ; so ist auch der Idealism der Zweckmigkeit, in Beurteilung des Schnen der Natur und der Kunst, die einzige Voraussetzung, unter der allein die Kritik die Mglichkeit eines Geschmacksurteils, welches a priori Gltigkeit fr jedermann fordert (ohne doch die Zweckmigkeit, die am Objekte vorgestellt wird, auf Begriffe zu grnden), erklren kann.

 

59

Von der Schnheit als Symbol der Sittlichkeit

Die Realitt unserer Begriffe darzutun, werden immer Anschauungen erfordert. Sind es empirische Begriffe, so heien die letzteren Beispiele. Sind jene reine Verstandesbegriffe, so werden die letzteren Schemate genannt. Verlangt man gar, da die objektive Realitt der Vernunftbegriffe, d. i. der Ideen, und zwar zum Behuf des theoretischen Erkenntnisses derselben dargetan werde, so begehrt man etwas Unmgliches, weil ihnen schlechterdings keine Anschauung angemessen gegeben werden kann.

Alle Hypotypose (Darstellung, subiectio sub adspectum) als Versinnlichung, ist zwiefach : entweder schematisch, da einem Begriffe, den der Verstand fat, die korrespondierende Anschauung a priori gegeben wird ; oder symbolisch, da einem Begriffe, den nur die Vernunft denken und dem keine sinnliche Anschauung angemessen sein kann, eine solche untergelegt wird, mit welcher das Verfahren der Urteilskraft demjenigen, was sie im Schematisieren beobachtet, blo analogisch ist, d. i. mit ihm blo der Regel dieses Verfahrens, nicht der Anschauung selbst, mithin blo der Form der Reflexion, nicht dem Inhalte nach, bereinkommt.

Es ist ein von den neuern Logikern zwar angenommener, aber sinnverkehrender, unrechter Gebrauch des Worts symbolisch, wenn man es der intuitiven Vorstellungsart entgegensetzt ; denn die symbolische ist nur eine Art der intuitiven. Die letztere (die intuitive) kann nmlich in die schematische und in die symbolische Vorstellungsart eingeteilt werden. Beide sind Hypotyposen, d. i. Darstellungen (exhibitiones) : nicht bloe Charakterismen, d. i. Bezeichnungen der Begriffe durch begleitende sinnliche Zeichen, die gar nichts zu der Anschauung des Objekts Gehriges enthalten, sondern nur jenen, nach dem Gesetze der Assoziation der Einbildungskraft, mithin in subjektiver Absicht, zum Mittel der Reproduktion dienen ; dergleichen sind entweder Worte, oder sichtbare (algebraische, selbst mimische) Zeichen, als bloe Ausdrcke fr Begriffe*.

Alle Anschauungen, die man Begriffen a priori unterlegt, sind also entweder Schemate oder Symbole, wovon die erstern direkte, die zweiten indirekte Darstellungen des Begriffs enthalten. Die erstern tun dieses demonstrativ, die zweiten vermittelst einer Analogie (zu welcher man sich auch empirischer Anschauungen bedient), in welcher die Urteilskraft ein doppeltes Geschft verrichtet, erstlich den Begriff auf den Gegenstand einer sinnlichen Anschauung, und dann zweitens die bloe Regel der Reflexion ber jene Anschauung auf einen ganz andern Gegenstand, von dem der erstere nur das Symbol ist, anzuwenden. So wird ein monarchischer Staat durch einen beseelten Krper, wenn er nach inneren Volksgesetzen, durch eine bloe Maschine aber (wie etwa eine Handmhle), wenn er durch einen einzelnen absoluten Willen beherrscht wird, in beiden Fllen aber nur symbolisch vorgestellt. Denn, zwischen einem despotischen Staate und einer Handmhle ist zwar keine hnlichkeit, wohl aber zwischen den Regeln, ber beide und ihre Kausalitt zu reflektieren. Dies Geschft ist bis jetzt noch wenig auseinandergesetzt worden, so sehr es auch eine tiefere Untersuchung verdient ; allein hier ist nicht der Ort, sich dabei aufzuhalten. Unsere Sprache ist voll von dergleichen indirekten Darstellungen, nach einer Analogie, wodurch der Ausdruck nicht das eigentliche Schema fr den Begriff, sondern blo ein Symbol fr die Reflexion enthlt. So sind die Wrter Grund (Sttze, Basis), abhngen (von oben gehalten werden), woraus flieen (statt folgen), Substanz (wie Locke sich ausdrckt : der Trger der Akzidenzen), und unzhlige andere nicht schematische, sondern symbolische Hypotyposen, und Ausdrcke fr Begriffe nicht vermittelst einer direkten Anschauung, sondern nur nach einer Analogie mit derselben, d. i. der bertragung der Reflexion ber einen Gegenstand der Anschauung auf einen ganz andern Begriff, dem vielleicht nie eine Anschauung direkt korrespondieren kann. Wenn man eine bloe Vorstellungsart schon Erkenntnis nennen darf (welches, wenn sie ein Prinzip nicht der theoretischen Bestimmung des Gegenstandes ist, was er an sich sei, sondern der praktischen, was die Idee von ihm fr uns und den zweckmigen Gebrauch derselben werden soll, wohl erlaubt ist) : so ist alle unsere Erkenntnis von Gott blo symbolisch ; und der, welcher sie mit den Eigenschaften Verstand, Wille, usw., die allein an Weltwesen ihre objektive Realitt beweisen, fr schematisch nimmt, gert in den Anthropomorphism, so wie, wenn er alles Intuitive weglt, in den Deism, wodurch berall nichts, auch nicht in praktischer Absicht, erkannt wird.

Nun sage ich : das Schne ist das Symbol des Sittlich-Guten ; und auch nur in dieser Rcksicht (einer Beziehung, die jedermann natrlich ist, und die auch jedermann andern als Pflicht zumutet) gefllt es, mit einem Anspruche auf jedes andern Beistimmung, wobei sich das Gemt zugleich einer gewissen Veredlung und Erhebung ber die bloe Empfnglichkeit einer Lust durch Sinneneindrcke bewut ist, und anderer Wert auch nach einer hnlichen Maxime ihrer Urteilskraft schtzet. Das ist das Intelligibele, worauf, wie der vorige Paragraph Anzeige tat, der Geschmack hinaussieht, wozu nmlich selbst unsere oberen Erkenntnisvermgen zusammenstimmen, und ohne welches zwischen ihrer Natur, verglichen mit den Ansprchen, die der Geschmack macht, lauter Widersprche erwachsen wrden. In diesem Vermgen sieht sich die Urteilskraft nicht, wie sonst in empirischer Beurteilung, einer Heteronomie der Erfahrungsgesetze unterworfen : sie gibt in Ansehung der Gegenstnde eines so reinen Wohlgefallens ihr selbst das Gesetz, so wie die Vernunft es in Ansehung des Begehrungsvermgens tut ; und sieht sich, sowohl wegen dieser innern Mglichkeit im Subjekte, als wegen der uern Mglichkeit einer damit bereinstimmenden Natur, auf etwas im Subjekte selbst und auer ihm, was nicht Natur, auch nicht Freiheit, doch aber mit dem Grunde der letzteren, nmlich dem bersinnlichen verknpft ist, bezogen, in welchem das theoretische Vermgen mit dem praktischen auf gemeinschaftliche und unbekannte Art, zur Einheit verbunden wird. Wir wollen einige Stcke dieser Analogie anfhren, indem wir zugleich die Verschiedenheit derselben nicht unbemerkt lassen.

1) Das Schne gefllt unmittelbar (aber nur in der reflektierenden Anschauung, nicht, wie Sittlichkeit, im Begriffe). 2) Es gefllt ohne alles Interesse (das Sittlich-Gute zwar notwendig mit einem Interesse, aber nicht einem solchen, was vor dem Urteile ber das Wohlgefallen vorhergeht, verbunden, sondern was dadurch allererst bewirkt wird). 3) Die Freiheit der Einbildungskraft (also der Sinnlichkeit unseres Vermgens) wird in der Beurteilung des Schnen mit der Gesetzmigkeit des Verstandes als einstimmig vorgestellt (im moralischen Urteile wird die Freiheit des Willens als Zusammenstimmung des letzteren mit sich selbst nach allgemeinen Vernunftgesetzen gedacht). 4) Das subjektive Prinzip der Beurteilung des Schnen wird als allgemein, d. i. fr jedermann gltig, aber durch keinen allgemeinen Begriff kenntlich, vorgestellt (das objektive Prinzip der Moralitt wird auch fr allgemein, d. i. fr alle Subjekte, zugleich auch fr alle Handlungen desselben Subjekts, und dabei durch einen allgemeinen Begriff kenntlich, erklrt). Daher ist das moralische Urteil nicht allein bestimmter konstitutiver Prinzipien fhig, sondern ist nur durch Grndung der Maximen auf dieselben und ihre Allgemeinheit mglich.

Die Rcksicht auf diese Analogie ist auch dem gemeinen Verstande gewhnlich ; und wir benennen schne Gegenstnde der Natur oder der Kunst, oft mit Namen, die eine sittliche Beurteilung zum Grunde zu legen scheinen. Wir nennen Gebude oder Bume majesttisch und prchtig, oder Gefilde lachend und frhlich ; selbst Farben werden unschuldig, bescheiden, zrtlich genannt, weil sie Empfindungen erregen, die etwas mit dem Bewutsein eines durch moralische Urteile bewirkten Gemtszustandes Analogisches enthalten. Der Geschmack macht gleichsam den bergang vom Sinnenreiz zum habituellen moralischen Interesse, ohne einen zu gewaltsamen Sprung, mglich, indem er die Einbildungskraft auch in ihrer Freiheit als zweckmig fr den Verstand bestimmbar vorstellt und sogar an Gegenstnden der Sinne auch ohne Sinnenreiz ein freies Wohlgefallen finden lehrt.

 

* Das Intuitive der Erkenntnis mu dem Diskursiven (nicht dem Symbolischen) entgegengesetzt werden. Das erstere ist nun entweder schematisch, durch Demonstration ; oder symbolisch, als Vorstellung nach einer bloen Analogie.

 

60

Anhang

Von der Methodenlehre des Geschmacks

Die Einteilung einer Kritik in Elementarlehre und Methodenlehre, welche vor der Wissenschaft vorhergeht, lt sich auf die Geschmackskritik nicht anwenden : weil es keine Wissenschaft des Schnen gibt noch geben kann, und das Urteil des Geschmacks nicht durch Prinzipien bestimmbar ist. Denn was das Wissenschaftliche in jeder Kunst anlangt, welches auf Wahrheit in der Darstellung ihres Objekts geht, so ist dieses zwar die unumgngliche Bedingung (conditio sine qua non) der schnen Kunst, aber diese nicht selber. Es gibt also fr die schne Kunst nur eine Manier (modus), nicht Lehrart (methodus). Der Meister mu es vormachen, was und wie es der Schler zustande bringen soll ; und die allgemeinen Regeln, worunter er zuletzt sein Verfahren bringt, knnen eher dienen, die Hauptmomente desselben gelegentlich in Erinnerung zu bringen, als sie ihm vorzuschreiben. Hierbei mu dennoch auf ein gewisses Ideal Rcksicht genommen werden, welches die Kunst vor Augen haben mu, ob sie es gleich in ihrer Ausbung nie vllig erreicht. Nur durch die Aufweckung der Einbildungskraft des Schlers zur Angemessenheit mit einem gegebenen Begriffe, durch die angemerkte Unzulnglichkeit des Ausdrucks fr die Idee, welche der Begriff selbst nicht erreicht, weil sie sthetisch ist, und durch scharfe Kritik, kann verhtet werden, da die Beispiele, die ihm vorgelegt werden, von ihm nicht sofort fr Urbilder und etwa keiner noch hhern Norm und eigener Beurteilung unterworfene Muster der Nachahmung gehalten, und so das Genie, mit ihm aber auch die Freiheit der Einbildungskraft selbst in ihrer Gesetzmigkeit erstickt werde, ohne welche keine schne Kunst, selbst nicht einmal ein richtiger sie beurteilender eigener Geschmack, mglich ist.

Die Propdeutik zu aller schnen Kunst, sofern es auf den hchsten Grad ihrer Vollkommenheit angelegt ist, scheint nicht in Vorschriften, sondern in der Kultur der Gemtskrfte durch diejenigen Vorkenntnisse zu liegen, welche man humaniora nennt : vermutlich, weil Humanitt einerseits das allgemeine Teilnehmungsgefhl, andererseits das Vermgen sich innigst und allgemein mitteilen zu knnen bedeutet ; welche Eigenschaften zusammen verbunden, die der Menschheit angemessene Glckseligkeit ausmachen, wodurch sie sich von der tierischen Eingeschrnktheit unterscheidet. Das Zeitalter sowohl, als die Vlker, in welchen der rege Trieb zur gesetzlichen Geselligkeit, wodurch ein Volk ein dauerndes gemeines Wesen ausmacht, mit den groen Schwierigkeiten rang, welche die schwere Aufgabe, Freiheit (und also auch Gleichheit) mit einem Zwange (mehr der Achtung und Unterwerfung aus Pflicht, als Furcht) zu vereinigen, umgeben : ein solches Zeitalter und ein solches Volk mute die Kunst der wechselseitigen Mitteilung der Ideen des ausgebildetesten Teils mit dem roheren, die Abstimmung der Erweiterung und Verfeinerung der ersteren zur natrlichen Einfalt und Originalitt des letzteren, und auf diese Art dasjenige Mittel zwischen der hheren Kultur und der gengsamen Natur zuerst erfinden, welches den richtigen, nach keinen allgemeinen Regeln anzugebenden Mastab auch fr den Geschmack, als allgemeinen Menschensinn, ausmacht.

Schwerlich wird ein spteres Zeitalter jene Muster entbehrlich machen : weil es der Natur immer weniger nahe sein wird, und sich zuletzt, ohne bleibende Beispiele von ihr zu haben, kaum einen Begriff von der glcklichen Vereinigung des gesetzlichen Zwanges der hchsten Kultur mit der Kraft und Richtigkeit der ihren eigenen Wert fhlenden freien Natur in einem und demselben Volke zu machen imstande sein mchte.

Da aber der Geschmack im Grunde ein Beurteilungsvermgen der Versinnlichung sittlicher Ideen (vermittelst einer gewissen Analogie der Reflexion ber beide) ist, wovon auch, und von der darauf zu grndenden greren Empfnglichkeit fr das Gefhl aus den letzteren (welches das moralische heit) diejenige Lust sich ableitet, welche der Geschmack, als fr die Menschheit berhaupt, nicht blo fr eines jeden Privatgefhl, gltig erklrt : so leuchtet ein, da die wahre Propdeutik zur Grndung des Geschmacks die Entwicklung sittlicher Ideen und die Kultur des moralischen Gefhls sei ; da, nur wenn mit diesem die Sinnlichkeit in Einstimmung gebracht wird, der echte Geschmack eine bestimmte unvernderliche Form annehmen kann.

 

 

 

Zweiter Teil

Kritik der teleologischen Urteilskraft

 

61

Von der objektiven Zweckmigkeit der Natur

Man hat, nach transzendentalen Prinzipien, guten Grund, eine subjektive Zweckmigkeit der Natur in ihren besondern Gesetzen, zu der Falichkeit fr die menschliche Urteilskraft, und der Mglichkeit der Verknpfung der besondern Erfahrungen in ein System derselben, anzunehmen ; wo dann unter den vielen Produkten derselben auch solche als mglich erwartet werden knnen, die, als ob sie ganz eigentlich fr unsere Urteilskraft angelegt wren, solche spezifische ihr angemessene Formen enthalten, welche durch ihre Mannigfaltigkeit und Einheit die Gemtskrfte (die im Gebrauche dieses Vermgens im Spiele sind) gleichsam zu strken und zu unterhalten dienen, und denen man daher den Namen schner Formen beilegt.

Da aber Dinge der Natur einander als Mittel zu Zwecken dienen, und ihre Mglichkeit selbst nur durch diese Art von Kausalitt hinreichend verstndlich sei, dazu haben wir gar keinen Grund in der allgemeinen Idee der Natur, als Inbegriffs der Gegenstnde der Sinne. Denn im obigen Falle konnte die Vorstellung der Dinge, weil sie etwas in uns ist, als zu der innerlich zweckmigen Stimmung unserer Erkenntnisvermgen geschickt und tauglich, ganz wohl auch a priori gedacht werden ; wie aber Zwecke, die nicht die unsrigen sind, und die auch der Natur (welche wir nicht als intelligentes Wesen annehmen) nicht zukommen, doch eine besondere Art der Kausalitt, wenigstens eine ganz eigne Gesetzmigkeit derselben ausmachen knnen oder sollen, lt sich a priori gar nicht mit einigem Grunde prsumieren. Was aber noch mehr ist, so kann uns selbst die Erfahrung die Wirklichkeit derselben nicht beweisen ; es mte denn eine Vernnftelei vorhergegangen sein, die nur den Begriff des Zwecks in die Natur der Dinge hineinspielt, aber ihn nicht von den Objekten und ihrer Erfahrungserkenntnis hernimmt, denselben also mehr braucht, die Natur nach der Analogie mit einem subjektiven Grunde der Verknpfung der Vorstellungen in uns begreiflich zu machen, als sie aus objektiven Grnden zu erkennen.

berdem ist die objektive Zweckmigkeit, als Prinzip der Mglichkeit der Dinge der Natur, so weit davon entfernt, mit dem Begriffe derselben notwendig zusammenzuhngen ; da sie vielmehr gerade das ist, worauf man sich vorzglich beruft, um die Zuflligkeit derselben (der Natur) und ihrer Form daraus zu beweisen. Denn wenn man z. B. den Bau eines Vogels, die Hhlung in seinen Knochen, die Lage seiner Flgel zur Bewegung, und des Schwanzes zum Steuern usw. anfhrt ; so sagt man, da dieses alles nach dem bloen nexus effectivus in der Natur, ohne noch eine besondere Art der Kausalitt, nmlich die der Zwecke (nexus finalis), zu Hlfe zu nehmen, im hchsten Grade zufllig sei : d. i. da sich die Natur, als bloer Mechanism betrachtet, auf tausendfache Art habe anders bilden knnen, ohne gerade auf die Einheit nach einem solchen Prinzip zu stoen, und man also auer dem Begriffe der Natur, nicht in demselben, den mindesten Grund dazu a priori allein anzutreffen hoffen drfe.

Gleichwohl wird die teleologische Beurteilung, wenigstens problematisch, mit Recht zur Naturforschung gezogen ; aber nur um sie nach der Analogie mit der Kausalitt nach Zwecken unter Prinzipien der Beobachtung und Nachforschung zu bringen, ohne sich anzumaen, sie darnach zu erklren. Sie gehrt also zur reflektierenden, nicht der bestimmenden, Urteilskraft. Der Begriff von Verbindungen und Formen der Natur nach Zwecken ist doch wenigstens ein Prinzip mehr, die Erscheinungen derselben unter Regeln zu bringen, wo die Gesetze der Kausalitt nach dem bloen Mechanism derselben nicht zulangen. Denn wir fhren einen teleologischen Grund an, wo wir einem Begriffe vom Objekte, als ob er in der Natur (nicht in uns) befindlich wre, Kausalitt in Ansehung eines Objekts zueignen, oder vielmehr nach der Analogie einer solchen Kausalitt (dergleichen wir in uns antreffen) uns die Mglichkeit des Gegenstandes vorstellen, mithin die Natur als durch eignes Vermgen technisch denken ; wogegen, wenn wir ihr nicht eine solche Wirkungsart beilegen, ihre Kausalitt als blinder Mechanism vorgestellt werden mte. Wrden wir dagegen der Natur absichtlich-wirkende Ursachen unterlegen, mithin der Teleologie nicht blo ein regulatives Prinzip fr die bloe Beurteilung der Erscheinungen, denen die Natur nach ihren besondern Gesetzen als unterworfen gedacht werden knne, sondern dadurch auch ein konstitutives Prinzip der Ableitung ihrer Produkte von ihren Ursachen zum Grunde legen ; so wrde der Begriff eines Naturzwecks nicht mehr fr die reflektierende, sondern die bestimmende Urteilskraft gehren ; alsdann aber in der Tat gar nicht der Urteilskraft eigentmlich angehren (wie der Begriff der Schnheit als formaler subjektiver Zweckmigkeit), sondern, als Vernunftbegriff, eine neue Kausalitt in der Naturwissenschaft einfhren, die wir doch nur von uns selbst entlehnen und andern Wesen beilegen, ohne sie gleichwohl mit uns als gleichartig annehmen zu wollen.

 

 

Erste Abteilung

Analytik der teleologischen Urteilskraft

 

62

Von der objektiven Zweckmigkeit die blo formal ist, zum Unterschiede von der materialen

Alle geometrische Figuren, die nach einem Prinzip gezeichnet werden, zeigen eine mannigfaltige, oft bewunderte, objektive Zweckmigkeit, nmlich der Tauglichkeit zur Auflsung vieler Probleme nach einem einzigen Prinzip, und auch wohl eines jeden derselben auf unendlich verschiedene Art an sich. Die Zweckmigkeit ist hier offenbar objektiv und intellektuell, nicht aber blo subjektiv und sthetisch. Denn sie drckt die Angemessenheit der Figur zur Erzeugung vieler abgezweckten Gestalten aus, und wird durch Vernunft erkannt. Allein die Zweckmigkeit macht doch den Begriff von dem Gegenstande selbst nicht mglich, d. i. er wird nicht blo in Rcksicht auf diesen Gebrauch als mglich angesehen.

In einer so einfachen Figur, als der Zirkel ist, liegt der Grund zu einer Auflsung einer Menge von Problemen, deren jedes fr sich mancherlei Zurstung erfordern wrde, und die als eine von den unendlich vielen vortrefflichen Eigenschaften dieser Figur sich gleichsam von selbst ergibt. Ist es z. B. darum zu tun, aus der gegebenen Grundlinie und dem ihr gegenberstehenden Winkel einen Triangel zu konstruieren, so ist die Aufgabe unbestimmt, d. i. sie lt sich auf unendlich mannigfaltige Art auflsen. Allein der Zirkel befat sie doch alle insgesamt, als der geometrische Ort fr alle Dreiecke, die dieser Bedingung gem sind. Oder zwei Linien sollen sich einander so schneiden, da das Rechteck aus den zwei Teilen der einen dem Rechteck aus den zwei Teilen der andern gleich sei : so hat die Auflsung der Aufgabe dem Ansehen nach viele Schwierigkeit. Aber alle Linien, die sich innerhalb dem Zirkel, dessen Umkreis jede derselben begrenzt, schneiden, teilen sich von selbst in dieser Proportion. Die andern krummen Linien geben wiederum andere zweckmige Auflsungen an die Hand, an die in der Regel, die ihre Konstruktion ausmacht, gar nicht gedacht war. Alle Kegelschnitte fr sich, und in Vergleichung miteinander, sind fruchtbar an Prinzipien zur Auflsung einer Menge mglicher Probleme, so einfach auch ihre Erklrung ist, welche ihren Begriff bestimmt. Es ist eine wahre Freude, den Eifer der alten Geometer anzusehen, mit dem sie diesen Eigenschaften der Linien dieser Art nachforschten, ohne sich durch die Frage eingeschrnkter Kpfe irre machen zu lassen : wozu denn diese Kenntnis ntzen sollte ? z. B. die der Parabel, ohne das Gesetz der Schwere auf der Erde zu kennen, welches ihnen die Anwendung derselben auf die Wurfslinie schwerer Krper (deren Richtung der Schwere in ihrer Bewegung als parallel angesehen werden kann) wrde an die Hand gegeben haben ; oder der Ellipse, ohne zu ahnen, da auch eine Schwere an Himmelskrpern zu finden sei, und ohne ihr Gesetz in verschiedenen Entfernungen vom Anziehungspunkte zu kennen, welches macht, da sie diese Linie in freier Bewegung beschreiben. Whrend dessen, da sie hierin, ihnen selbst unbewut, fr die Nachkommenschaft arbeiteten, ergtzten sie sich an einer Zweckmigkeit in dem Wesen der Dinge, die sie doch vllig a priori in ihrer Notwendigkeit darstellen konnten. Plato, selbst Meister in dieser Wissenschaft, geriet ber eine solche ursprngliche Beschaffenheit der Dinge, welche zu entdecken wir aller Erfahrung entbehren knnen, und ber das Vermgen des Gemts, die Harmonie der Wesen aus ihrem bersinnlichen Prinzip schpfen zu knnen (wozu noch die Eigenschaften der Zahlen kommen, mit denen das Gemt in der Musik spielt), in die Begeisterung, welche ihn ber die Erfahrungsbegriffe zu Ideen erhob, die ihm nur durch eine intellektuelle Gemeinschaft mit dem Ursprunge aller Wesen erklrlich zu sein schienen. Kein Wunder, da er den der Mekunst Unkundigen aus seiner Schule verwies, indem er das, was Anaxagoras aus Erfahrungsgegenstnden und ihrer Zweckverbindung schlo, aus der reinen, dem menschlichen Geiste innerlich beiwohnenden, Anschauung abzuleiten dachte. Denn in der Notwendigkeit dessen was zweckmig ist, und so beschaffen ist, als ob es fr unsern Gebrauch absichtlich so eingerichtet wre, gleichwohl aber dem Wesen der Dinge ursprnglich zuzukommen scheint, ohne auf unsern Gebrauch Rcksicht zu nehmen, liegt eben der Grund der groen Bewunderung der Natur, nicht sowohl auer uns, als in unserer eigenen Vernunft ; wobei es wohl verzeihlich ist, da diese Bewunderung durch Miverstand nach und nach bis zur Schwrmerei steigen mochte.

Diese intellektuelle Zweckmigkeit aber, ob sie gleich objektiv ist (nicht wie die sthetische subjektiv), lt sich gleichwohl ihrer Mglichkeit nach als blo formale (nicht reale), d. i. als Zeckmigkeit, ohne da doch ein Zweck ihr zum Grunde zu legen, mithin Teleologie dazu ntig wre, gar wohl, aber nur im allgemeinen, begreifen. Die Zirkelfigur ist eine Anschauung, die durch den Verstand nach einem Prinzip bestimmt worden ; die Einheit dieses Prinzips, welches ich willkrlich annehme und als Begriff zum Grunde lege, angewandt auf eine Form der Anschauung (den Raum), die gleichfalls blo als Vorstellung und zwar a priori in mir angetroffen wird, macht die Einheit vieler sich aus der Konstruktion jenes Begriffs ergebender Regeln, die in mancherlei mglicher Absicht zweckmig sind, begreiflich, ohne dieser Zweckmigkeit einen Zweck, oder irgendeinen andern Grund derselben, unterlegen zu drfen. Es ist hiemit nicht so bewandt, als wenn ich in einem, in gewisse Grenzen eingeschlossenen, Inbegriffe von Dingen auer mir, z. B. einem Garten, Ordnung und Regelmigkeit der Bume, Blumenbeete, Gnge usw. antrfe, welche ich a priori aus meiner nach einer beliebigen Regel gemachten Umgrenzung eines Raums zu folgern nicht hoffen kann : weil es existierende Dinge sind, die empirisch gegeben sein mssen, um erkannt werden zu knnen, und nicht eine bloe nach einem Prinzip a priori bestimmte Vorstellung in mir. Daher die letztere (empirische) Zweckmigkeit, als real, von dem Begriffe eines Zwecks abhngig ist.

Aber auch der Grund der Bewunderung einer, obzwar in dem Wesen der Dinge (sofern ihre Begriffe konstruiert werden knnen) wahrgenommenen, Zweckmigkeit lt sich sehr wohl und zwar als rechtmig einsehen. Die mannigfaltigen Regeln, deren Einheit (aus einem Prinzip) diese Bewunderung erregt, sind insgesamt synthetisch, und folgen nicht aus einem Begriffe des Objekts, z. B. des Zirkels, sondern bedrfen es, da dieses Objekt in der Anschauung gegeben sei. Dadurch aber bekommt diese Einheit das Ansehen, als ob sie empirisch einen von unserer Vorstellungskraft unterschiedenen uern Grund der Regeln habe, und also die bereinstimmung des Objekts zu dem Bedrfnis der Regeln, welches dem Verstande eigen ist, an sich zufllig, mithin nur durch einen ausdrcklich darauf gerichteten Zweck mglich sei. Nun sollte uns zwar eben diese Harmonie, weil sie, aller dieser Zweckmigkeit ungeachtet, dennoch nicht empirisch, sondern a priori erkannt wird, von selbst darauf bringen, da der Raum, durch dessen Bestimmung (vermittelst der Einbildungskraft, gem einem Begriffe) das Objekt allein mglich war, nicht eine Beschaffenheit der Dinge auer mir, sondern eine bloe Vorstellungsart in mir sei, und ich also in die Figur, die ich einem Begriffe angemessen zeichne, d. i. in meine eigene Vorstellungsart von dem, was mir uerlich, es sei an sich was es wolle, gegeben wird, die Zweckmigkeit hineinbringe, nicht von diesem ber dieselbe empirisch belehrte werde, folglich zu jener keinen besondern Zweck auer mir am Objekte bedrfe. Weil aber diese berlegung schon einen kritischen Gebrauch der Vernunft erfordert, mithin in der Beurteilung des Gegenstandes nach seinen Eigenschaften nicht sofort mit enthalten sein kann ; so gibt mir die letztere unmittelbar nichts als Vereinigung heterogener Regeln (sogar nach dem, was sie Ungleichartiges an sich haben) in einem Prinzip an die Hand, welches, ohne einen auer meinem Begriffe und berhaupt meiner Vorstellung a priori liegenden besondern Grund dazu zu fordern, dennoch von mir a priori als wahrhaft erkannt wird. Nun ist die Verwunderung ein Ansto des Gemts an der Unvereinbarkeit einer Vorstellung und der durch sie gegebenen Regel mit den schon in ihm zum Grunde liegenden Prinzipien, welcher also einen Zweifel, ob man auch recht gesehen oder geurteilt habe, hervorbringt ; Bewunderung aber eine immer wiederkommende Verwunderung, ungeachtet der Verschwindung dieses Zweifels. Folglich ist die letzte eine ganz natrliche Wirkung jener beobachteten Zweckmigkeit in dem Wesen der Dinge (als Erscheinungen), die auch sofern nicht getadelt werden kann, indem die Vereinbarung jener Form der sinnlichen Anschauung (welche der Raum heit) mit dem Vermgen der Begriffe (dem Verstande) nicht allein deswegen, da sie gerade diese und keine andere ist, uns unerklrlich, sondern berdem noch fr das Gemt erweiternd ist, noch etwas ber jene sinnliche Vorstellungen Hinausliegendes gleichsam zu ahnen, worin, obzwar uns unbekannt, der letzte Grund jener Einstimmung angetroffen werden mag. Diesen zu kennen, haben wir zwar auch nicht ntig, wenn es blo um formale Zweckmigkeit unserer Vorstellungen a priori zu tun ist ; aber, auch nur da hinaussehen zu mssen, flt fr den Gegenstand, der uns dazu ntigt, zugleich Bewunderung ein.

Man ist gewohnt, die erwhnten Eigenschaften, sowohl der geometrischen Gestalten, als auch wohl der Zahlen, wegen einer gewissen, aus der Einfachheit ihrer Konstruktion nicht erwarteten, Zweckmigkeit derselben a priori zu allerlei Erkenntnisgebrauch, Schnheit zu nennen ; und spricht z. B. von dieser oder jener schnen Eigenschaft des Zirkels, welche auf diese oder jene Art entdeckt wre. Allein es ist keine sthetische Beurteilung, durch die wir sie zweckmig finden ; keine Beurteilung ohne Begriff, die eine bloe subjektive Zweckmigkeit im freien Spiele unserer Erkenntnisvermgen bemerklich macht : sondern eine intellektuelle nach Begriffen, welche eine objektive Zweckmigkeit, d. i. Tauglichkeit zu allerlei (ins Unendliche mannigfaltigen) Zwecken deutlich zu erkennen gibt. Man mte sie eher eine relative Vollkommenheit, als eine Schnheit der mathematischen Figur nennen. Die Benennung einer intellektuellen Schnheit kann auch berhaupt nicht fglich erlaubt werden ; weil sonst das Wort Schnheit alle bestimmte Bedeutung, oder das intellektuelle Wohlgefallen allen Vorzug vor dem sinnlichen verlieren mte. Eher wrde man eine Demonstration solcher Eigenschaften, weil durch diese der Verstand, als Vermgen der Begriffe, und die Einbildungskraft, als Vermgen der Darstellung derselben, a priori sich gestrkt fhlen (welches mit der Przision, die die Vernunft hineinbringt, zusammen, die Eleganz derselben genannt wird), schn nennen knnen : indem hier doch wenigstens das Wohlgefallen, obgleich der Grund desselben in Begriffen liegt, subjektiv ist, da die Vollkommenheit ein objektives Wohlgefallen bei sich fhrt.

 

63

Von der relativen Zweckmigkeit der Natur zum Unterschiede von der innern

Die Erfahrung leitet unsere Urteilskraft auf den Begriff einer objektiven und materialen Zweckmigkeit, d. i. auf den Begriff eines Zwecks der Natur nur alsdann, wenn ein Verhltnis der Ursache zur Wirkung zu beurteilen ist*, welches wir als gesetzlich einzusehen uns nur dadurch vermgend finden, da wir die Idee der Wirkung der Kausalitt ihrer Ursache, als die dieser selbst zum Grunde liegende Bedingung der Mglichkeit der ersteren, unterlegen. Dieses kann aber auf zwiefache Weise geschehen : entweder indem wir die Wirkung unmittelbar als Kunstprodukt, oder nur als Material fr die Kunst anderer mglicher Naturwesen, also entweder als Zweck, oder als Mittel zum zweckmigen Gebrauche anderer Ursachen, ansehen. Die letztere Zweckmigkeit heit die Nutzbarkeit (fr Menschen), oder auch Zutrglichkeit (fr jedes andere Geschpf) und ist blo relativ ; indes die erstere eine innere Zweckmigkeit des Naturwesens ist.

Die Flsse fhren z. B. allerlei zum Wachstum der Pflanzen dienliche Erde mit sich fort, die sie bisweilen mitten im Lande, oft auch an ihren Mndungen, absetzen. Die Flut fhrt diesen Schlick an manchen Ksten ber das Land, oder setzt ihn an dessen Ufer ab ; und, wenn vornehmlich Menschen dazu helfen, damit die Ebbe ihn nicht wieder wegfhre, so nimmt das fruchtbare Land zu, und das Gewchsreich gewinnt da Platz, wo vorher Fische und Schaltiere ihren Aufenthalt gehabt hatten. Die meisten Landeserweiterungen auf diese Art hat wohl die Natur selbst verrichtet, und fhrt damit auch noch, obzwar langsam, fort. Nun fragt sich, ob dies als ein Zweck der Natur zu beurteilen sei, weil es eine Nutzbarkeit fr Menschen enthlt ; denn die fr das Gewchsreich selber kann man nicht in Anschlag bringen, weil dagegen ebensoviel den Meergeschpfen entzogen wird, als dem Lande Vorteil zuwchst.

Oder, um ein Beispiel von der Zutrglichkeit gewisser Naturdinge als Mittel fr andere Geschpfe (wenn man sie als Zwecke voraussetzt) zu geben : so ist kein Boden den Fichten gedeihlicher, als ein Sandboden. Nun hat das alte Meer, ehe es sich vom Lande zurckzog, so viele Sandstriche in unsern nrdlichen Gegenden zurckgelassen, da auf diesem fr alle Kultur sonst so unbrauchbaren Boden weitluftige Fichtenwlder haben aufschlagen knnen, wegen deren unvernnftiger Ausrottung wir hufig unsere Vorfahren anklagen ; und da kann man fragen, ob diese uralte Absetzung der Sandschichten ein Zweck der Natur war, zum Behuf der darauf mglichen Fichtenwlder. So viel ist klar : da, wenn man diese als Zweck der Natur annimmt, man jenen Sand auch, aber nur als relativen Zweck einrumen msse, wozu wiederum der alte Meeresstrand und dessen Zurckziehen das Mittel war ; denn in der Reihe der einander subordinierten Glieder einer Zweckverbindung mu ein jedes Mittelglied als Zweck (obgleich eben nicht als Endzweck) betrachtet werden, wozu seine nchste Ursache das Mittel ist. Eben so, wenn einmal Rindvieh, Schafe, Pferde usw. in der Welt sein sollten, so mute Gras auf Erden, aber es muten auch Salzkruter in Sandwsten wachsen, wenn Kamele gedeihen sollten, oder auch diese und andere grasfressende Tierarten in Menge anzutreffen sein, wenn es Wlfe, Tiger und Lwen geben sollte. Mithin ist die objektive Zweckmigkeit, die sich auf Zutrglichkeit grndet, nicht eine objektive Zweckmigkeit der Dinge an sich selbst, als ob der Sand fr sich, als Wirkung aus seiner Ursache, dem Meere, nicht knnte begriffen werden, ohne dem letztern einen Zweck unterzulegen, und ohne die Wirkung, nmlich den Sand, als Kunstwerk zu betrachten. Sie ist eine blo relative, dem Dinge selbst, dem sie beigelegt wird, blo zufllige Zweckmigkeit ; und, obgleich, unter den angefhrten Beispielen, die Grasarten fr sich, als organisierte Produkte der Natur, mithin als kunstreich zu beurteilen sind, so werden sie doch in Beziehung auf Tiere, die sich davon nhren, als bloe rohe Materie angesehen.

Wenn aber vollends der Mensch, durch Freiheit seiner Kausalitt, die Naturdinge seinen oft trichten Absichten (die bunten Vogelfedern zum Putzwerk seiner Bekleidung, farbige Erden oder Pflanzensfte zur Schminke), manchmal auch aus vernnftiger Absicht, das Pferd zum Reiten, den Stier und in Minorca sogar den Esel und das Schwein zum Pflgen, zutrglich findet ; so kann man hier auch nicht einmal einen relativen Naturzweck (auf diesen Gebrauch) annehmen. Denn seine Vernunft wei den Dingen eine bereinstimmung mit seinen willkrlichen Einfllen, wozu er selbst nicht einmal von der Natur prdestiniert war, zu geben. Nur wenn man annimmt, Menschen haben auf Erden leben sollen, so mssen doch wenigstens die Mittel, ohne die sie als Tiere und selbst als vernnftige Tiere (in wie niedrigem Grade es auch sei) nicht bestehen konnten, auch nicht fehlen ; alsdann aber wrden diejenigen Naturdinge, die zu diesem Behuf unentbehrlich sind, auch als Naturzwecke angesehen werden mssen.

Man sieht hieraus leicht ein, da die uere Zweckmigkeit (Zutrglichkeit eines Dinges fr andere) nur unter der Bedingung, da die Existenz desjenigen, dem es zunchst oder auf entfernte Weise zutrglich ist, fr sich selbst Zweck der Natur sei, fr einen uern Naturzweck angesehen werden knne. Da jenes aber, durch bloe Naturbetrachtung, nimmermehr auszumachen ist ; so folgt, da die relative Zweckmigkeit, ob sie gleich hypothetisch auf Naturzwecke Anzeige gibt, dennoch zu keinem absoluten teleologischen Urteile berechtige.

Der Schnee sichert die Saaten in kalten Lndern wider den Frost ; er erleichtert die Gemeinschaft der Menschen (durch Schlitten) ; der Lapplnder findet dort Tiere, die diese Gemeinschaft bewirken (Renntiere), die an einem drren Moose, welches sie sich selbst unter dem Schnee hervorscharren mssen, hinreichende Nahrung finden, und gleichwohl sich leicht zhmen, und der Freiheit, in der sie sich gar wohl erhalten knnten, willig berauben lassen. Fr andere Vlker in derselben Eiszone enthlt das Meer reichen Vorrat an Tieren, die, auer der Nahrung und Kleidung, die sie liefern, und dem Holze, welches ihnen das Meer zu Wohnungen gleichsam hinflet, ihnen noch Brennmaterien zur Erwrmung ihrer Htten liefern. Hier ist nun eine bewundernswrdige Zusammenkunft von so viel Beziehungen der Natur auf einen Zweck ; und dieser ist der Grnlnder, der Lappe, der Samojede, der Jakute, usw. Aber man sieht nicht, warum berhaupt Menschen dort leben mssen. Also sagen : da darum Dnste aus der Luft in der Form des Schnees herunterfallen, das Meer seine Strme habe, welche das in wrmeren Lndern gewachsene Holz dahin schwemmen, und groe mit l angefllte Seetiere da sind, weil der Ursache, die alle die Naturprodukte herbeischafft, die Idee eines Vorteils fr gewisse armselige Geschpfe zum Grunde liege : wre ein sehr gewagtes und willkrliches Urteil. Denn, wenn alle diese Naturntzlichkeit auch nicht wre, so wrden wir nichts an der Zulnglichkeit der Naturursachen zu dieser Beschaffenheit vermissen ; vielmehr eine solche Anlage auch nur zu verlangen und der Natur einen solchen Zweck zuzumuten (da ohnedas nur die grte Unvertrglichkeit der Menschen untereinander sie bis in so unwirtbare Gegenden hat versprengen knnen), wrde uns selbst vermessen und unberlegt zu sein dnken.

 

* Weil in der reinen Mathematik nicht von der Existenz, sondern nur der Mglichkeit der Dinge, nmlich einer ihrem Begriffe korrespondierenden Anschauung, mithin gar nicht von Ursache und Wirkung die Rede sein kann : so mu folglich alle daselbst angemerkte Zweckmigkeit blo als formal, niemals als Naturzweck, betrachtet werden.

 

64

Von dem eigentmlichen Charakter der Dinge als Naturzwecke

Um einzusehen, da ein Ding nur als Zweck mglich sei, d. h. die Kausalitt seines Ursprungs nicht im Mechanism der Natur, sondern in einer Ursache, deren Vermgen zu wirken durch Begriffe bestimmt wird, suchen zu mssen, dazu wird erfordert : da seine Form nicht nach bloen Naturgesetzen mglich sei, d. i. solchen, welche von uns durch den Verstand allein, auf Gegenstnde der Sinne angewandt, erkannt werden knnen ; sondern da selbst ihr empirisches Erkenntnis, ihrer Ursache und Wirkung nach, Begriffe der Vernunft voraussetze. Diese Zuflligkeit seiner Form bei allen empirischen Naturgesetzen in Beziehung auf die Vernunft, da die Vernunft, welcher an einer jeden Form eines Naturprodukts auch die Notwendigkeit derselben erkennen mu, wenn sie auch nur die mit seiner Erzeugung verknpften Bedingungen einsehen will, gleichwohl aber an jener gegebenen Form diese Notwendigkeit nicht annehmen kann, ist selbst ein Grund, die Kausalitt desselben so anzunehmen, als ob sie eben darum nur durch Vernunft mglich sei ; diese aber ist alsdann das Vermgen, nach Zwecken zu handeln (ein Wille) ; und das Objekt, welches nur als aus diesem mglich vorgestellt wird, wrde nur als Zweck fr mglich vorgestellt werden.

Wenn jemand in einem ihm unbewohnt scheinenden Lande eine geometrische Figur, allenfalls ein regulres Sechseck, im Sande gezeichnet wahrnhme ; so wrde seine Reflexion, indem sie an einem Begriffe derselben arbeitet, der Einheit des Prinzips der Erzeugung desselben, wenn gleich dunkel, vermittelst der Vernunft inne werden, und so, dieser gem, den Sand, das benachbarte Meer, die Winde, oder auch Tiere mit ihren Futritten, die er kennt, oder jede andere vernunftlose Ursache nicht als einen Grund der Mglichkeit einer solchen Gestalt beurteilen : weil ihm die Zuflligkeit, mit einem solchen Begriffe, der nur in der Vernunft mglich ist, zusammenzutreffen, so unendlich gro scheinen wrde, da es ebensogut wre, als ob es dazu gar kein Naturgesetz gebe, da folglich auch keine Ursache in der blo mechanisch wirkenden Natur, sondern nur der Begriff von einem solchen Objekt, als Begriff, den nur Vernunft geben und mit demselben den Gegenstand vergleichen kann, auch die Kausalitt zu einer solchen Wirkung enthalten, folglich diese durchaus als Zweck, aber nicht Naturzweck, d. i. als Produkt der Kunst, angesehen werden knne (vestigium hominis video).

Um aber etwas, das man als Naturprodukt erkennt, gleichwohl doch auch als Zweck, mithin als Naturzweck, zu beurteilen : dazu, wenn nicht etwa hierin gar ein Widerspruch liegt, wird schon mehr erfordert. Ich wrde vorlufig sagen : ein Ding existiert als Naturzweck, wenn es von sich selbst (obgleich in zwiefachem Sinne) Ursache und Wirkung ist ; denn hierin liegt eine Kausalitt, dergleichen mit dem bloen Begriffe einer Natur, ohne ihr einen Zweck unterzulegen, nicht verbunden, aber auch alsdann, zwar ohne Widerspruch gedacht aber nicht begriffen werden kann. Wir wollen die Bestimmung dieser Idee von einem Naturzwecke zuvrderst durch ein Beispiel erlutern, ehe wir sie vllig auseinandersetzen.

Ein Baum zeugt erstlich einen andern Baum nach einem bekannten Naturgesetze. Der Baum aber, den er erzeugt, ist von derselben Gattung ; und so erzeugt er sich selbst der Gattung nach, in der er, einerseits als Wirkung, andrerseits als Ursache, von sich selbst unaufhrlich hervorgebracht, und ebenso, sich selbst oft hervorbringend, sich, als Gattung, bestndig erhlt.

Zweitens erzeugt ein Baum sich auch selbst als Individuum. Diese Art von Wirkung nennen wir zwar nur das Wachstum ; aber dieses ist in solchem Sinne zu nehmen, da es von jeder andern Grenzunahme nach mechanischen Gesetzen gnzlich unterschieden, und einer Zeugung, wiewohl unter einem andern Namen, gleich zu achten ist. Die Materie, die er zu sich hinzusetzt, verarbeitet dieses Gewchs vorher zu spezifisch-eigentmlicher Qualitt, welche der Naturmechanism auer ihm nicht liefern kann, und bildet sich selbst weiter aus, vermittelst eines Stoffes, der, seiner Mischung nach, sein eignes Produkt ist. Denn, ob er zwar, was die Bestandteile betrifft, die er von der Natur auer ihm erhlt, nur als Edukt angesehen werden mu ; so ist doch in der Scheidung und neuen Zusammensetzung dieses rohen Stoffs eine solche Originalitt des Scheidungs- und Bildungsvermgens dieser Art Naturwesen anzutreffen, da alle Kunst davon unendliche weit entfernt bleibt, wenn sie es versucht, aus den Elementen, die sie durch Zergliederung derselben erhlt, oder auch dem Stoff, den die Natur zur Nahrung derselben liefert, jene Produkte des Gewchsreichs wieder herzustellen.

Drittens erzeugt ein Teil dieses Geschpfs auch sich selbst so : da die Erhaltung des einen von der Erhaltung der andern wechselsweise abhngt. Das Auge an einem Baumblatt, dem Zweige eines andern eingeimpft, bringt an einem fremdartigen Stocke ein Gewchs von seiner eignen Art hervor, und ebenso das Pfropfreis auf einem andern Stamme. Daher kann man auch an demselben Baume jeden Zweig oder Blatt als blo auf diesem gepfropft oder okuliert, mithin als einen fr sich selbst bestehenden Baum, der sich nur an einen andern anhngt und parasitisch nhrt, ansehen. Zugleich sind die Bltter zwar Produkte des Baums, erhalten aber diesen doch auch gegenseitig ; denn die wiederholte Entbltterung wrde ihn tten, und sein Wachstum hngt von ihrer Wirkung auf den Stamm ab. Der Selbsthilfe der Natur in diesen Geschpfen bei ihrer Verletzung, wo der Mangel eines Teils, der zur Erhaltung der benachbarten gehrte, von den brigen ergnzt wird ; der Migeburten oder Migestalten im Wachstum, da gewisse Teile, wegen vorkommender Mngel oder Hindernisse, sich auf ganz neue Art formen, um das, was da ist, zu erhalten, und ein anomalisches Geschpf hervorzubringen : will ich hier nur im Vorbeigehen erwhnen, ungeachtet sie unter die wundersamsten Eigenschaften organisierter Geschpfe gehren.

 

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Dinge, als Naturzwecke, sind organisierte Wesen

Nach dem im vorigen angefhrten Charakter mu ein Ding, welches, als Naturprodukt, doch zugleich nur als Naturzweck mglich erkannt werden soll, sich zu sich selbst wechselseitig als Ursache und Wirkung verhalten, welches ein etwas uneigentlicher und unbestimmter Ausdruck ist, der einer Ableitung von einem bestimmten Begriffe bedarf.

Die Kausalverbindung, sofern sie blo durch den Verstand gedacht wird, ist eine Verknpfung die eine Reihe (von Ursachen und Wirkungen) ausmacht, welche immer abwrts geht ; und die Dinge selbst, welche als Wirkungen andere als Ursache voraussetzen, knnen von diesen nicht gegenseitig zugleich Ursache sein. Diese Kausalverbindung nennt man die der wirkenden Ursachen (nexus effectivus). Dagegen aber kann doch auch eine Kausalverbindung nach einem Vernunftbegriffe (von Zwecken) gedacht werden, welche, wenn man sie als Reihe betrachtete, sowohl abwrts als aufwrts Abhngigkeit bei sich fhren wrde, in der das Ding, welches einmal als Wirkung bezeichnet ist, dennoch aufwrts den Namen einer Ursache desjenigen Dinges verdient, wovon es die Wirkung ist. Im Praktischen (nmlich der Kunst) findet man leicht dergleichen Verknpfung, wie z. B. das Haus zwar die Ursache der Gelder ist, die fr Miete eingenommen werden, aber doch auch umgekehrt die Vorstellung von diesem mglichen Einkommen die Ursache der Erbauung des Hauses war. Eine solche Kausalverknpfung wird die der Endursachen (nexus finalis) genannt. Man knnte die erstere vielleicht schicklicher die Verknpfung der realen, die zweite der idealen Ursachen nennen, weil bei dieser Benennung zugleich begriffen wird, da es nicht mehr als diese zwei Arten der Kausalitt geben knne.

Zu einem Dinge als Naturzwecke wird nun erstlich erfordert, da die Teile (ihrem Dasein und der Form nach) nur durch ihre Beziehung auf das Ganze mglich sind. Denn das Ding selbst ist ein Zweck, folglich unter einem Begriffe oder einer Idee befat, die alles, was in ihm enthalten sein soll, a priori bestimmen mu. Sofern aber ein Ding nur auf diese Art als mglich gedacht wird, ist es blo ein Kunstwerk, d. i. das Produkt einer von der Materie (den Teilen) desselben unterschiedenen vernnftigen Ursache, deren Kausalitt (in Herbeischaffung und Verbindung der Teile) durch ihre Idee von einem dadurch mglichen Ganzen (mithin nicht durch die Natur auer ihm) bestimmt wird.

Soll aber ein Ding, als Naturprodukt, in sich selbst und seiner innern Mglichkeit doch eine Beziehung auf Zwecke enthalten, d. i. nur als Naturzweck und ohne die Kausalitt der Begriffe von vernnftigen Wesen auer ihm mglich sein ; so wird zweitens dazu erfordert : da die Teile desselben sich dadurch zur Einheit eines Ganzen verbinden, da sie von einander wechselseitig Ursache und Wirkung ihrer Form sind. Denn auf solche Weise ist es allein mglich, da umgekehrt (wechselseitig) die Idee des Ganzen wiederum die Form und Verbindung aller Teile bestimme : nicht als Ursache denn da wre es ein Kunstprodukt -, sondern als Erkenntnisgrund der systematischen Einheit der Form und Verbindung alles Mannigfaltigen, was in der gegebenen Materie enthalten ist, fr den, der es beurteilt.

Zu einem Krper also, der an sich und seiner innern Mglichkeit nach als Naturzweck beurteilt werden soll, wird erfordert, da die Teile desselben einander insgesamt, ihrer Form sowohl als Verbindung nach, wechselseitig, und so ein Ganzes aus eigener Kausalitt hervorbringen, dessen Begriff wiederum umgekehrt (in einem Wesen, welches die einem solchen Produkt angemessene Kausalitt nach Begriffen bese) Ursache von demselben nach einem Prinzip sein, folglich die Verknpfung der wirkenden Ursachen zugleich als Wirkung durch Endursachen beurteilt werden knnte.

In einem solchen Produkte der Natur wird ein jeder Teil so, wie er nur durch alle brige da ist, auch als um der andern und des Ganzen willen existierend, d. i. als Werkzeug (Organ) gedacht : welches aber nicht genug ist (denn er knnte auch Werkzeug der Kunst sein, und so nur als Zweck berhaupt mglich vorgestellt werden) ; sondern als ein die andern Teile (folglich jeder den andern wechselseitig) hervorbringendes Organ, dergleichen kein Werkzeug der Kunst, sondern nur der allen Stoff zu Werkzeugen (selbst denen der Kunst) liefernden Natur sein kann : und nur dann und darum wird ein solches Produkt, als organisiertes und sich selbst organisierendes Wesen, ein Naturzweck genannt werden knnen.

In einer Uhr ist ein Teil das Werkzeug der Bewegung der andern, aber nicht ein Rad die wirkende Ursache der Hervorbringung der andern ; ein Teil ist zwar um des andern willen, aber nicht durch denselben da. Daher ist auch die hervorbringende Ursache derselben und ihrer Form nicht in der Natur (dieser Materie), sondern auer ihr in einem Wesen, welches nach Ideen eines durch seine Kausalitt mglichen Ganzen wirken kann, enthalten. Daher bringt auch so wenig wie ein Rad in der Uhr das andere, noch weniger eine Uhr andere Uhren hervor, so da sie andere Materie dazu benutzte (sie organisierte) ; daher ersetzt sie auch nicht von selbst die ihr entwandten Teile, oder vergtet ihren Mangel in der ersten Bildung durch den Beitritt der brigen, oder bessert sich etwa selbst aus, wenn sie in Unordnung geraten ist : welches alles wir dagegen von der organisierten Natur erwarten knnen. Ein organisiertes Wesen ist also nicht blo Maschine : denn die hat lediglich bewegende Kraft ; sondern es besitzt in sich bildende Kraft und zwar eine solche, die es den Materien mitteilt, welche sie nicht haben (sie organisiert) : also eine sich fortpflanzende bildende Kraft, welche durch das Bewegungsvermgen allein (den Mechanism) nicht erklrt werden kann.

Man sagt von der Natur und ihrem Vermgen in organisierten Produkten bei weitem zu wenig, wenn man dieses ein Analogon der Kunst nennt ; denn da denkt man sich den Knstler (ein vernnftiges Wesen) auer ihr. Sie organisiert sich vielmehr selbst, und in jeder Spezies ihrer organisierten Produkte, zwar nach einerlei Exemplar im Ganzen, aber doch auch mit schicklichen Abweichungen, die die Selbsterhaltung nach den Umstnden erfordert. Nher tritt man vielleicht dieser unerforschlichen Eigenschaft, wenn man sie ein Analogon des Lebens nennt : aber da mu man entweder die Materie als bloe Materie mit einer Eigenschaft (Hylozoism) begaben, die ihrem Wesen widerstreitet ; oder ihr ein fremdartiges mit ihr in Gemeinschaft stehendes Prinzip (eine Seele) beigesellen : wozu man aber, wenn ein solches Produkt ein Naturprodukt sein soll, organisierte Materie als Werkzeug jener Seele entweder schon voraussetzt, und jene also nicht im mindesten begreiflicher macht, oder die Seele zur Knstlerin dieses Bauwerks machen, und so das Produkt der Natur (der krperlichen) entziehen mu. Genau zu reden, hat also die Organisation der Natur nichts Analogisches mit irgendeiner Kausalitt die wir kennen*. Schnheit der Natur, weil sie den Gegenstnden nur in Beziehung auf die Reflexion ber die uere Anschauung derselben, mithin nur der Form der Oberflche wegen beigelegt wird, kann mit Recht ein Analogon der Kunst genannt werden. Aber innere Naturvollkommenheit, wie sie diejenigen Dinge besitzen, welche nur als Naturzwecke mglich sind und darum organisierte Wesen heien, ist nach keiner Analogie irgendeines uns bekannten physischen, d. i. Naturvermgens, ja da wir selbst zur Natur im weitesten Verstande gehren, selbst nicht einmal durch eine genau angemessene Analogie mit menschlicher Kunst denkbar und erklrlich.

Der Begriff eines Dinges, als an sich Naturzwecks, ist also kein konstitutiver Begriff des Verstandes oder der Vernunft, kann aber doch ein regulativer Begriff fr die reflektierende Urteilskraft sein, nach einer entfernten Analogie mit unserer Kausalitt nach Zwecken berhaupt die Nachforschung ber Gegenstnde dieser Art zu leiten und ber ihren obersten Grund nachzudenken ; das letztere zwar nicht zum Behuf der Kenntnis der Natur, oder jenes Urgrundes derselben, sondern vielmehr ebendesselben praktischen Vernunftvermgens in uns, mit welchem wir die Ursache jener Zweckmigkeit in Analogie betrachteten.

Organisierte Wesen sind also die einzigen in der Natur, welche, wenn man sie auch fr sich und ohne ein Verhltnis auf andere Dinge betrachtet, doch nur als Zwecke derselben mglich gedacht werden mssen, und die also zuerst dem Begriffe eines Zwecks, der nicht ein praktischer, sondern Zweck der Natur ist, objektive Realitt, und dadurch fr die Naturwissenschaft den Grund zu einer Teleologie, d. i. einer Beurteilungsart ihrer Objekte nach einem besondern Prinzip, verschaffen, dergleichen man in sie einzufhren (weil man die Mglichkeit einer solchen Art Kausalitt gar nicht a priori einsehen kann) sonst schlechterdings nicht berechtigt sein wrde.

 

* Man kann umgekehrt einer gewissen Verbindung, die aber auch mehr in der Idee als in der Wirklichkeit angetroffen wird, durch eine Analogie mit den genannten unmittelbaren Naturzwecken Licht geben. So hat man sich, bei einer neuerlich unternommenen gnzlichen Umbildung eines groen Volks zu einem Staat, des Worts Organisation hufig fr Einrichtung der Magistraturen usw. und selbst des ganzen Staatskrpers sehr schicklich bedient. Denn jedes Glied soll freilich in einem solchen Ganzen nicht blo Mittel, sondern zugleich auch Zweck und, indem es zu der Mglichkeit des Ganzen mitwirkt, durch die Idee des Ganzen wiederum, seiner Stelle und Funktion nach, bestimmt sein.

 

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Vom Prinzip der Beurteilung der innern Zweckmigkeit in organisierten Wesen

Dieses Prinzip, zugleich die Definition derselben, heit : Ein organisiertes Produkt der Natur ist das, in welchem alles Zweck und wechselseitig auch Mittel ist. Nichts in ihm ist umsonst, zwecklos, oder einem blinden Naturmechanism zuzuschreiben.

Dieses Prinzip ist zwar, seiner Veranlassung nach, von Erfahrung abzuleiten, nmlich derjenigen, welche methodisch angestellt wird und Beobachtung heit ; der Allgemeinheit und Notwendigkeit wegen aber, die es von einer solchen Zweckmigkeit aussagt, kann es nicht blo auf Erfahrungsgrnden beruhen, sondern mu irgendein Prinzip a priori, wenn es gleich blo regulativ wre, und jene Zwecke allein in der Idee des Beurteilenden und nirgend in einer wirkenden Ursache lgen, zum Grunde haben. Man kann daher obgenanntes Prinzip eine Maxime der Beurteilung der innern Zweckmigkeit organisierter Wesen nennen.

Da die Zergliederer der Gewchse und Tiere, um ihre Struktur zu erforschen und die Grnde einsehen zu knnen, warum und zu welchem Ende solche Teile, warum eine solche Lage und Verbindung der Teile und gerade diese innere Form ihnen gegeben worden ; jene Maxime : da nichts in einem solchen Geschpf umsonst sei, als unumgnglich notwendig annehmen, und sie eben so, als den Grundsatz der allgemeinen Naturlehre : da nichts von ungefhr geschehe, geltend machen, ist bekannt. In der Tat knnen sie sich auch von diesem teleologischen Grundsatze ebensowenig lossagen, als von dem allgemeinen physischen, weil, so wie bei Verlassung des letzteren gar keine Erfahrung berhaupt, so bei der des ersteren Grundsatzes kein Leitfaden fr die Beobachtung einer Art von Naturdingen, die wir einmal teleologisch unter dem Begriffe der Naturzwecke gedacht haben, brigbleiben wrde.

Denn dieser Begriff fhrt die Vernunft in eine ganz andere Ordnung der Dinge, als die eines bloen Mechanisms der Natur, der uns hier nicht mehr genug tun will. Eine Idee soll der Mglichkeit des Naturprodukts zum Grunde liegen. Weil diese aber eine absolute Einheit der Vorstellung ist, statt da die Materie eine Vielheit der Dinge ist, die fr sich keine bestimmte Einheit der Zusammensetzung an die Hand geben kann ; so mu, wenn jene Einheit der Idee sogar als Bestimmungsgrund a priori eines Naturgesetzes der Kausalitt einer solchen Form des Zusammengesetzten dienen soll, der Zweck der Natur auf alles, was in ihrem Produkte liegt, erstreckt werden. Denn, wenn wir einmal dergleichen Wirkung im Ganzen auf einen bersinnlichen Bestimmungsgrund ber den blinden Mechanism der Natur hinaus, beziehen, mssen wir sie auch ganz nach diesem Prinzip beurteilen ; und es ist kein Grund da, die Form eines solchen Dinges noch zum Teil vom letzteren als abhngig anzunehmen, da alsdann, bei der Vermischung ungleichartiger Prinzipien, gar keine sichere Regel der Beurteilung brigbleiben wrde.

Es mag immer sein, da z. B. in einem tierischen Krper manche Teile als Konkretionen nach blo mechanischen Gesetzen begriffen werden knnten (als Hute, Knochen, Haare). Doch mu die Ursache, welche die dazu schickliche Materie herbeischafft, diese so modifiziert, formt und an ihren gehrigen Stellen absetzt, immer teleologisch beurteilt werden, so, da alles in ihm als organisiert betrachtet werden mu, und alles auch in gewisser Beziehung auf das Ding selbst wiederum Organ ist.

 

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Vom Prinzip der teleologischen Beurteilung der Natur berhaupt als System der Zwecke

Wir haben oben von der ueren Zweckmigkeit der Naturdinge gesagt. da sie keine hinreichende Berechtigung gebe, sie zugleich als Zwecke der Natur, zu Erklrungsgrnden ihres Daseins, und die zufllig-zweckmigen Wirkungen derselben in der Idee, zu Grnden ihres Daseins nach dem Prinzip der Endursachen zu brauchen. So kann man die Flsse, weil sie die Gemeinschaft im Innern der Lnder unter Vlkern befrdern, die Gebirge, weil sie zu diesen die Quellen und zur Erhaltung derselben den Schneevorrat fr regenlose Zeiten enthalten, imgleichen den Abhang der Lnder, der diese Gewsser abfhrt und das Land trocken werden lt, darum nicht sofort fr Naturzwecke halten : weil, obzwar diese Gestalt der Oberflche der Erde zur Entstehung und Erhaltung des Gewchs- und Tierreichs sehr ntig war, sie doch nichts an sich hat, zu dessen Mglichkeit man sich gentigt she eine Kausalitt nach Zwecken anzunehmen. Ebendas gilt von Gewchsen, die der Mensch zu seiner Notdurft oder Ergtzlichkeit nutzt : von Tieren, dem Kamele, dem Rinde, dem Pferde, Hunde usw., die er teils zu seiner Nahrung, teils seinem Dienste so vielfltig gebrauchen und groenteils gar nicht entbehren kann. Von Dingen, deren keines fr sich als Zweck anzusehen man Ursache hat, kann das uere Verhltnis nur hypothetisch fr zweckmig beurteilt werden.

Ein Ding, seiner innern Form halber, als Naturzweck beurteilen, ist ganz etwas anderes, als die Existenz dieses Dinges fr Zweck der Natur halten. Zu der letztern Behauptung bedrfen wir nicht blo den Begriff von einem mglichen Zweck, sondern die Erkenntnis des Endzwecks (scopus) der Natur, welches eine Beziehung derselben auf etwas bersinnliches bedarf, die alle unsere teleologische Naturerkenntnis weit bersteigt ; denn der Zweck der Existenz der Natur selbst mu ber die Natur hinaus gesucht werden. Die innere Form eines bloen Grashalms kann seinen blo nach der Regel der Zwecke mglichen Ursprung, fr unser menschliches Beurteilungsvermgen hinreichend, beweisen. Geht man aber davon ab, und sieht nur auf den Gebrauch, den andere Naturwesen davon machen, verlt also die Betrachtung der innern Organisation und sieht nur auf uere zweckmige Beziehungen, wie das Gras dem Vieh, wie dieses dem Menschen als Mittel zu seiner Existenz ntig sei ; und man sieht nicht, warum es denn ntig sei, da Menschen existieren (welches, wenn man etwa die Neuhollnder oder Feuerlnder in Gedanken hat, so leicht nicht zu beantworten sein mchte) : so gelangt man zu keinem kategorischen Zwecke, sondern alle diese zweckmige Beziehung beruht auf einer immer weiter hinauszusetzenden Bedingung, die als unbedingt (das Dasein eines Dinges als Endzweck) ganz auerhalb der physisch-teleologischen Weltbetrachtung liegt. Alsdenn aber ist ein solches Ding auch nicht Naturzweck ; denn es ist (oder seine ganze Gattung) nicht als Naturprodukt anzusehen.

Es ist also nur die Materie, sofern sie organisiert ist, welche den Begriff von ihr als einem Naturzwecke notwendig bei sich fhrt, weil diese ihre spezifische Form zugleich Produkt der Natur ist. Aber dieser Begriff fhrt nun notwendig auf die Idee der gesamten Natur als eines Systems nach der Regel der Zwecke ; welcher Idee nun aller Mechanism der Natur nach Prinzipien der Vernunft (wenigstens um daran die Naturerscheinung zu versuchen) untergeordnet werden mu. Das Prinzip der Vernunft ist ihr als nur subjektiv, d. i. als Maxime zustndig : Alles in der Welt ist irgend wozu gut ; nichts ist in ihr umsonst ; und man ist durch das Beispiel, das die Natur an ihren organischen Produkten gibt, berechtigt, ja berufen, von ihr und ihren Gesetzen nichts, als was im Ganzen zweckmig ist, zu erwarten.

Es versteht sich, da dieses nicht ein Prinzip fr die bestimmende, sondern nur fr die reflektierende Urteilskraft sei, da es regulativ und nicht konstitutiv sei, und wir dadurch nur einen Leitfaden bekommen, die Naturdinge in Beziehung auf einen Bestimmungsgrund, der schon gegeben ist, nach einer neuen gesetzlichen Ordnung zu betrachten, und die Naturkunde nach einem andern Prinzip, nmlich dem der Endursachen, doch unbeschadet dem des Mechanisms ihrer Kausalitt, zu erweitern. brigens wird dadurch keinesweges ausgemacht, ob irgend etwas, das wir nach diesem Prinzip beurteilen, absichtlich Zweck der Natur sei : ob die Grser fr das Rind oder Schaf, und ob dieses und die brigen Naturdinge fr den Menschen da sind. Es ist gut, selbst die uns unangenehmen und in besondern Beziehungen zweckwidrigen Dinge auch von dieser Seite zu betrachten. So knnte man z. B. sagen : das Ungeziefer, welches die Menschen in ihren Kleidern, Haaren, oder Bettstellen plagt, sei nach einer weisen Naturanstalt ein Antrieb zur Reinlichkeit, die fr sich schon ein wichtiges Mittel der Erhaltung der Gesundheit ist. Oder die Moskitomcken und andere stechende Insekten, welche die Wsten von Amerika den Wilden so beschwerlich machen, seien so viel Stacheln der Ttigkeit fr diese angehende Menschen, um die Morste abzuleiten, und die dichten den Luftzug abhaltenden Wlder licht zu machen, und dadurch, imgleichen durch den Anbau des Bodens, ihren Aufenthalt zugleich gesnder zu machen. Selbst was dem Menschen in seiner innern Organisation widernatrlich zu sein scheint, wenn es auf diese Weise behandelt wird, gibt eine unterhaltende, bisweilen auch belehrende Aussicht in eine teleologische Ordnung der Dinge, auf die uns, ohne ein solches Prinzip, die blo physische Betrachtung allein nicht fhren wrde. So wie einige den Bandwurm dem Menschen oder Tiere, dem er beiwohnt, gleichsam zum Ersatz eines gewissen Mangels seiner Lebensorganen beigegeben zu sein urteilen : so wrde ich fragen, ob nicht die Trume (ohne die niemals der Schlaf ist, ob man sich gleich nur selten derselben erinnert) eine zweckmige Anordnung der Natur sein mgen, indem sie nmlich bei dem Abspannen aller krperlichen bewegenden Krfte, dazu dienen, vermittelst der Einbildungskraft und der groen Geschftigkeit derselben (die in diesem Zustand mehrenteils bis zum Affekte steigt) die Lebensorganen innigst zu bewegen ; so wie sie auch bei berflltem Magen, wo diese Bewegung um desto ntiger ist, im Nachtschlafe gemeiniglich mit desto mehr Lebhaftigkeit spielt ; da folglich, ohne diese innerlich bewegende Kraft und ermdende Unruhe, worber wir die Trume anklagen (die doch in der Tat vielleicht Heilmittel sind), der Schlaf, selbst im gesunden Zustande, wohl gar ein vlliges Erlschen des Lebens sein wrde.

Auch Schnheit der Natur, d. i. ihre Zusammenstimmung mit dem freien Spiele unserer Erkenntnisvermgen in der Auffassung und Beurteilung ihrer Erscheinung, kann auf die Art als objektive Zweckmigkeit der Natur in ihrem Ganzen, als System, worin der Mensch ein Glied ist, betrachtet werden ; wenn einmal die teleologische Beurteilung derselben durch die Naturzwecke, welche uns die organisierten Wesen an die Hand geben, zu der Idee eines groen Systems der Zwecke der Natur uns berechtigt hat. Wir knnen es als eine Gunst*, die die Natur fr uns gehabt hat, betrachten, da sie ber das Ntzliche noch Schnheit und Reize so reichlich austeilete, und sie deshalb lieben, so wie ihrer Unermelichkeit wegen, mit Achtung betrachten, und uns selbst in dieser Betrachtung veredelt fhlen : gerade als ob die Natur ganz eigentlich in dieser Absicht ihre herrliche Bhne aufgeschlagen und ausgeschmckt habe.

Wir wollen in diesem nichts anders sagen, als da, wenn wir einmal an der Natur ein Vermgen entdeckt haben, Produkte hervorzubringen, die nur nach dem Begriffe der Endursachen von uns gedacht werden knnen, wir weitergehen, und auch die, welche (oder ihr, obgleich zweckmiges, Verhltnis) es eben nicht notwendig machen, ber den Mechanism der blind wirkenden Ursachen hinaus ein ander Prinzip fr ihre Mglichkeit aufzusuchen, dennoch als zu einem System der Zwecke gehrig beurteilen drfen ; weil uns die erstere Idee schon, was ihren Grund betrifft, ber die Sinnenwelt hinausfhrt : da denn die Einheit des bersinnlichen Prinzips nicht blo fr gewisse Spezies der Naturwesen, sondern fr das Naturganze, als System, auf dieselbe Art als gltig betrachtet werden mu.

 

* In dem sthetischen Teile wurde gesagt : wir shen die schne Natur mit Gunst an, indem wir an ihrer Form ein ganz freies (uninteressiertes) Wohlgefallen haben. Denn in diesem bloen Geschmacksurteile wird gar nicht darauf Rcksicht genommen, zu welchem Zwecke diese Naturschnheiten existieren : ob um uns eine Lust zu erwecken, oder ohne alle Beziehung auf uns als Zwecke. In einem teleologischen Urteile aber geben wir auch auf diese Beziehung acht ; und da knnen wir es als Gunst der Natur ansehen, da sie uns, durch Aufstellung so vieler schnen Gestalten, zur Kultur hat befrderlich sein wollen.

 

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Von dem Prinzip der Teleologie als innerem Prinzip der Naturwissenschaft

Die Prinzipien einer Wissenschaft sind derselben entweder innerlich, und werden einheimisch genannt (principia domestica) ; oder sie sind auf Begriffe, die nur auer ihr Platz finden knnen, gegrndet, und sind auswrtige Prinzipien (peregrina). Wissenschaften, welche die letzteren enthalten, legen ihren Lehren Lehnstze (lemmata) zum Grunde ; d. i. sie borgen irgendeinen Begriff, und mit ihm einen Grund der Anordnung, von einer anderen Wissenschaft.

Eine jede Wissenschaft ist fr sich ein System ; und es ist nicht genug, in ihr nach Prinzipien zu bauen und also technisch zu verfahren, sondern man mu mit ihr, als einem fr sich bestehenden Gebude, auch architektonisch zu Werke gehen, und sie nicht wie einen Anbau und als einen Teil eines andern Gebudes, sondern als ein Ganzes fr sich behandeln, ob man gleich nachher einen bergang aus diesem in jenes oder wechselseitig errichten kann.

Wenn man also fr die Naturwissenschaft und in ihren Kontext den Begriff von Gott hereinbringt, um sich die Zweckmigkeit in der Natur erklrlich zu machen, und hernach diese Zweckmigkeit wiederum braucht, um zu beweisen, da ein Gott sei : so ist in keiner von beiden Wissenschaften innerer Bestand ; und eine tuschende Diallele bringt jede in Unsicherheit, dadurch, da sie ihre Grenzen ineinanderlaufen lt.

Der Ausdruck eines Zwecks der Natur beugt dieser Verwirrung schon genugsam vor, um Naturwissenschaft und die Veranlassung, die sie zur teleologischen Beurteilung ihrer Gegenstnde gibt, nicht mit der Gottesbetrachtung und also einer theologischen Ableitung zu vermengen ; und man mu es nicht als unbedeutend ansehen, ob man jenen Ausdruck mit dem eines gttlichen Zwecks in der Anordnung der Natur verwechsele, oder wohl gar den letztern fr schicklicher und einer frommen Seele angemessener ausgebe, weil es doch am Ende dahin kommen msse, jene zweckmigen Formen in der Natur von einem weisen Welturheber abzuleiten ; sondern sich sorgfltig und bescheiden auf den Ausdruck, der gerade nur so viel sagt, als wir wissen, nmlich eines Zwecks der Natur, einschrnken. Denn ehe wir noch nach der Ursache der Natur selbst fragen, finden wir in der Natur und dem Laufe ihrer Erzeugung dergleichen Produkte, die nach bekannten Erfahrungsgesetzen in ihr erzeugt werden, nach welchen die Naturwissenschaft ihre Gegenstnde beurteilen, mithin auch deren Kausalitt nach der Regel der Zwecke in ihr selbst suchen mu. Daher mu sie ihre Grenze nicht berspringen, um das, dessen Begriffe gar keine Erfahrung angemessen sein kann, und woran man sich allererst nach Vollendung der Naturwissenschaft zu wagen befugt ist, in sie selbst als einheimisches Prinzip hineinzuziehen.

Naturbeschaffenheiten, die sich a priori demonstrieren, und also ihrer Mglichkeit nach aus allgemeinen Prinzipien ohne allen Beitritt der Erfahrung einsehen lassen, knnen, ob sie gleich eine technische Zweckmigkeit bei sich fhren, dennoch, weil sie schlechterdings notwendig sind, gar nicht zur Teleologie der Natur, als einer in die Physik gehrigen Methode die Fragen derselben aufzulsen, gezhlt werden. Arithmetische, geometrische Analogien, imgleichen allgemeine mechanische Gesetze, so sehr uns auch die Vereinigung verschiedener dem Anschein nach voneinander ganz unabhngiger Regeln in einem Prinzip an ihnen befremdend und bewundernswrdig vorkommen mag, enthalten deswegen keinen Anspruch darauf, teleologische Erklrungsgrnde in der Physik zu sein ; und, wenn sie gleich in der allgemeinen Theorie der Zweckmigkeit der Dinge der Natur berhaupt mit in Betrachtung gezogen zu werden verdienen, so wrde diese doch anderwrts hin, nmlich in die Metaphysik gehren, und kein inneres Prinzip der Naturwissenschaft ausmachen : wie es wohl mit den empirischen Gesetzen der Naturzwecke an organisierten Wesen nicht allein erlaubt, sondern auch unvermeidlich ist, die teleologische Beurteilungsart zum Prinzip der Naturlehre in Ansehung einer eigenen Klasse ihrer Gegenstnde zu gebrauchen.

Damit nun Physik sich genau in ihren Grenzen halte, so abstrahiert sie von der Frage, ob die Naturzwecke es absichtlich oder unabsichtlich sind, gnzlich ; denn das wrde Einmengung in ein fremdes Geschft (nmlich das der Metaphysik) sein. Genug es sind nach Naturgesetzen, die wir uns nur unter der Idee der Zwecke als Prinzip denken knnen, einzig und allein erklrbare, und blo auf diese Weise ihrer innern Form nach, sogar auch nur innerlich erkennbare Gegenstnde. Um sich also auch nicht der mindesten Anmaung, als wollte man etwas, was gar nicht in die Physik gehrt, nmlich eine bernatrliche Ursache, unter unsere Erkenntnisgrnde mischen, verdchtig zu machen ; spricht man in der Teleologie zwar von der Natur, als ob die Zweckmigkeit in ihr absichtlich sei, aber doch zugleich so, da man der Natur, d. i. der Materie, diese Absicht beilegt ; wodurch man (weil hierber kein Miverstand stattfinden kann, indem von selbst schon keiner einem leblosen Stoffe Absicht in eigentlicher Bedeutung des Worts beilegen wird) anzeigen will, da dieses Wort hier nur ein Prinzip der reflektierenden, nicht der bestimmenden Urteilskraft bedeute, und also keinen besondern Grund der Kausalitt einfhren solle, sondern auch nur zum Gebrauche der Vernunft eine andere Art der Nachforschung, als die nach mechanischen Gesetzen ist, hinzufge, um die Unzulnglichkeit der letzteren, selbst zur empirischen Aufsuchung aller besondern Gesetze der Natur, zu ergnzen. Daher spricht man in der Teleologie, so fern sie zur Physik gezogen wird, ganz recht von der Weisheit, der Sparsamkeit, der Vorsorge, der Wohlttigkeit der Natur, ohne dadurch aus ihr ein verstndiges Wesen zu machen (weil das ungereimt wre) ; aber auch ohne sich zu erkhnen, ein anderes, verstndiges Wesen ber sie, als Werkmeister, setzen zu wollen, weil dieses vermessen* sein wrde : sondern es soll dadurch nur eine Art der Kausalitt der Natur, nach einer Analogie mit der unsrigen im technischen Gebrauche der Vernunft, bezeichnet werden, um die Regel, wornach gewissen Produkten der Natur nachgeforscht werden mu, vor Augen zu haben.

Warum aber macht doch die Teleologie gewhnlich keinen eigenen Teil der theoretischen Naturwissenschaft aus, sondern wird zur Theologie als Propdeutik oder bergang gezogen ? Dieses geschieht, um das Studium der Natur nach ihrem Mechanism an demjenigen festzuhalten, was wir unserer Beobachtung oder den Experimenten so unterwerfen knnen, da wir es gleich der Natur, wenigstens der hnlichkeit der Gesetze nach, selbst hervorbringen knnten ; denn nur soviel sieht man vollstndig ein, als man nach Begriffen selbst machen und zustande bringen kann. Organisation aber, als innerer Zweck der Natur, bersteigt unendlich alles Vermgen einer hnlichen Darstellung durch Kunst : und was uere fr zweckmig gehaltene Natureinrichtungen betrifft (z. B. Winde, Regen u. dgl.), so betrachtet die Physik wohl den Mechanism derselben ; aber ihre Beziehung auf Zwecke, sofern diese eine zur Ursache notwendig gehrige Bedingung sein soll, kann sie gar nicht darstellen, weil diese Notwendigkeit der Verknpfung gnzlich die Verbindung unserer Begriffe, und nicht die Beschaffenheit der Dinge, angeht.

 

* Das deutsche Wort vermessen ist ein gutes bedeutungsvolles Wort. Ein Urteil, bei welchem man das Lngenma seiner Krfte (des Verstandes) zu berschlagen vergit, kann bisweilen sehr demtig klingen, und macht doch groe Ansprche, und ist doch sehr vermessen. Von der Art sind die meisten, wodurch man die gttliche Weisheit zu erheben vorgibt, indem man ihr in den Werken der Schpfung und der Erhaltung Absichten unterlegt, die eigentlich der eigenen Weisheit des Vernnftlers Ehre machen sollen.

 

 

Zweite Abteilung

Dialektik der teleologischen Urteilskraft

 

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Was eine Antinomie der Urteilskraft sei ?

Die bestimmende Urteilskraft hat fr sich keine Prinzipien, welche Begriffe von Objekten grnden. Sie ist keine Autonomie ; denn sie subsumiert nur unter gegebenen Gesetzen, oder Begriffen, als Prinzipien. Eben darum ist sie auch keiner Gefahr ihrer eigenen Antinomie und einem Widerstreit ihrer Prinzipien ausgesetzt. So war die transzendentale Urteilskraft, welche die Bedingungen unter Kategorien zu subsumieren, enthielt, fr sich nicht nomothetisch ; sondern nannte nur die Bedingungen der sinnlichen Anschauung, unter welchen einem gegebenen Begriffe, als Gesetze des Verstandes, Realitt (Anwendung) gegeben werden kann : worber sie niemals mit sich selbst in Uneinigkeit (wenigstens den Prinzipien nach) geraten konnte.

Allein die reflektierende Urteilskraft soll unter einem Gesetze subsumieren, welches noch nicht gegeben und also in der Tat nur ein Prinzip der Reflexion ber Gegenstnde ist, fr die es uns objektiv gnzlich an einem Gesetze mangelt, oder an einem Begriffe vom Objekt, der zum Prinzip fr vorkommende Flle hinreichend wre. Da nun kein Gebrauch der Erkenntnisvermgen ohne Prinzipien verstattet werden darf, so wird die reflektierende Urteilskraft in solchen Fllen ihr selbst zum Prinzip dienen mssen : welches, weil es nicht objektiv ist, und keinen fr die Absicht hinreichenden Erkenntnisgrund des Objekts unterlegen kann, als blo subjektives Prinzip, zum zweckmigen Gebrauche der Erkenntnisvermgen, nmlich ber eine Art Gegenstnde zu reflektieren, dienen soll. Also hat in Beziehung auf solche Flle die reflektierende Urteilskraft ihre Maximen, und zwar notwendige, zum Behuf der Erkenntnis der Naturgesetze in der Erfahrung, um vermittelst derselben zu Begriffen zu gelangen, sollten diese auch Vernunftbegriffe sein ; wenn sie solcher durchaus bedarf, um die Natur nach ihren empirischen Gesetzen blo kennenzulernen. Zwischen diesen notwendigen Maximen der reflektierenden Urteilskraft kann nun ein Widerstreit, mithin eine Antinomie, stattfinden ; worauf sich eine Dialektik grndet, die, wenn jede von zwei einander widerstreitenden Maximen in der Natur der Erkenntnisvermgen ihren Grund hat, eine natrliche Dialektik genannt werden kann, und ein unvermeidlicher Schein, den man in der Kritik entblen und auflsen mu, damit er nicht betrge.

 

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Vorstellung dieser Antinomie

So fern die Vernunft es mit der Natur, als Inbegriff der Gegenstnde uerer Sinne, zu tun hat, kann sie sich auf Gesetze grnden, die der Verstand teils selbst a priori der Natur vorschreibt, teils durch die in der Erfahrung vorkommenden empirischen Bestimmungen, ins Unabsehliche erweitern kann. Zur Anwendung der erstern Art von Gesetzen, nmlich den allgemeinen der materiellen Natur berhaupt, braucht die Urteilskraft kein besonderes Prinzip der Reflexion ; denn da ist sie bestimmend, weil ihr ein objektives Prinzip durch den Verstand gegeben ist. Aber, was die besondern Gesetze betrifft, die uns nur durch Erfahrung kund werden knnen, so kann unter ihnen eine so groe Mannigfaltigkeit und Ungleichartigkeit sein, da die Urteilskraft sich selbst zum Prinzip dienen mu, um auch nur in den Erscheinungen der Natur nach einem Gesetze zu forschen und es auszusphen, indem sie ein solches zum Leitfaden bedarf, wenn sie ein zusammenhngendes Erfahrungserkenntnis nach einer durchgngigen Gesetzmigkeit der Natur, die Einheit derselben nach empirischen Gesetzen, auch nur hoffen soll. Bei dieser zuflligen Einheit der besonderen Gesetze kann es sich nun zutragen : da die Urteilskraft in ihrer Reflexion von zwei Maximen ausgeht, deren eine ihr der bloe Verstand a priori an die Hand gibt ; die andere aber durch besondere Erfahrungen veranlat wird, welche die Vernunft ins Spiel bringen, um nach einem besondern Prinzip die Beurteilung der krperlichen Natur und ihrer Gesetze anzustellen. Da trifft es sich dann, da diese zweierlei Maximen nicht wohl nebeneinander bestehen zu knnen den Anschein haben, mithin sich eine Dialektik hervortut, welche die Urteilskraft in dem Prinzip ihrer Reflexion irre macht.

Die erste Maxime derselben ist der Satz : Alle Erzeugung materieller Dinge und ihrer Formen mu, als nach blo mechanischen Gesetzen mglich, beurteilt werden.

Die zweite Maxime ist der Gegensatz : Einige Produkte der materiellen Natur knnen nicht, als nach blo mechanischen Gesetzen mglich, beurteilt werden (ihre Beurteilung erfordert ein ganz anderes Gesetz der Kausalitt, nmlich das der Endursachen).

Wenn man diese regulativen Grundstze fr die Nachforschung nun in konstitutive, der Mglichkeit der Objekte selbst, verwandelte, so wrden sie so lauten :

Satz : Alle Erzeugung materieller Dinge ist nach blo mechanischen Gesetzen mglich.

Gegensatz : Einige Erzeugung derselben ist nach blo mechanischen Gesetzen nicht mglich.

In dieser letzteren Qualitt, als objektive Prinzipien fr die bestimmende Urteilskraft, wrden sie einander widersprechen, mithin einer von beiden Stzen notwendig falsch sein ; aber das wre alsdann zwar eine Antinomie, doch nicht der Urteilskraft, sondern ein Widerstreit in der Gesetzgebung der Vernunft. Die Vernunft kann aber weder den einen noch den andern dieser Grundstze beweisen : weil wir von Mglichkeit der Dinge nach blo empirischen Gesetzen der Natur kein bestimmendes Prinzip a priori haben knnen.

Was dagegen die zuerst vorgetragene Maxime einer reflektierenden Urteilskraft betrifft, so enthlt sie in der Tat gar keinen Widerspruch. Denn wenn ich sage : ich mu alle Ereignisse in der materiellen Natur, mithin auch alle Formen, als Produkte derselben, ihrer Mglichkeit nach, nach blo mechanischen Gesetzen beurteilen ; so sage ich damit nicht : sie sind darnach allein (ausschlieungsweise von jeder andern Art Kausalitt) mglich ; sondern das will nur anzeigen, ich soll jederzeit ber dieselben nach dem Prinzip des bloen Mechanisms der Natur reflektieren, und mithin diesem, soweit ich kann, nachforschen, weil, ohne ihn zum Grunde der Nachforschung zu legen, es gar keine eigentliche Naturerkenntnis geben kann. Dieses hindert nun die zweite Maxime, bei gelegentlicher Veranlassung, nicht, nmlich bei einigend Naturformen (und auf deren Veranlassung sogar der ganzen Natur) nach einem Prinzip zu spren, und ber sie zu reflektieren, welches von der Erklrung nach dem Mechanism der Natur ganz verschieden ist, nmlich dem Prinzip der Endursachen. Denn die Reflexion nach der ersten Maxime wird dadurch nicht aufgehoben, vielmehr wird es geboten, sie, so weit man kann, zu verfolgen ; auch wird dadurch nicht gesagt, da nach dem Mechanism der Natur jene Formen nicht mglich wren. Nur wird behauptet, da die menschliche Vernunft, in Befolgung derselben und auf diese Art, niemals von dem, was das Spezifische eines Naturzwecks ausmacht, den mindesten Grund, wohl aber andere Erkenntnisse von Naturgesetzen wird auffinden knnen ; wobei es als unausgemacht dahin gestellt wird, ob nicht in dem uns unbekannten inneren Grunde der Natur selbst die physisch-mechanische und die Zweckverbindung an denselben Dingen in einem Prinzip zusammenhngen mgen : nur da unsere Vernunft sie in einem solchen nicht zu vereinigen imstande ist, und die Urteilskraft also, als (aus einem subjektiven Grunde) reflektierende, nicht als (einem objektiven Prinzip der Mglichkeit der Dinge an sich zufolge) bestimmende Urteilskraft gentigt ist, fr gewisse Formen in der Natur ein anderes Prinzip, als das des Naturmechanisms zum Grunde ihrer Mglichkeit zu denken.

 

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Vorbereitung zur Auflsung obiger Antinomie

Wir knnen die Unmglichkeit der Erzeugung der organisierten Naturprodukte durch den bloen Mechanism der Natur keineswegs beweisen, weil wir die unendliche Mannigfaltigkeit der besondern Naturgesetze, die fr uns zufllig sind, da sie nur empirisch erkannt werden, ihrem ersten innern Grunde nach nicht einsehen, und so das innere durchgngig zureichende Prinzip der Mglichkeit einer Natur (welches im bersinnlichen liegt) schlechterdings nicht erreichen knnen. Ob also das produktive Vermgen der Natur auch fr dasjenige, was wir, als nach der Idee von Zwecken geformt oder verbunden, beurteilen, nicht ebensogut, als fr das, wozu wir blo ein Maschinenwesen der Natur zu bedrfen glauben, zulange ; und ob in der Tat fr Dinge als eigentliche Naturzwecke (wie wir sie notwendig beurteilen mssen) eine ganz andere Art von ursprnglicher Kausalitt, die gar nicht in der materiellen Natur oder ihrem intelligibelen Substrat enthalten sein kann, nmlich ein architektonischer Verstand zum Grunde liege : darber kann unsere in Ansehung des Begriffs der Kausalitt, wenn er a priori spezifiziert werden soll, sehr enge eingeschrnkte Vernunft schlechterdings keine Auskunft geben. Aber da, respektiv auf unser Erkenntnisvermgen, der bloe Mechanism der Natur fr die Erzeugung organisierter Wesen auch keinen Erklrungsgrund abgeben knne, ist ebenso ungezweifelt gewi. Fr die reflektierende Urteilskraft ist also das ein ganz richtiger Grundsatz : da fr die so offenbare Verknpfung der Dinge nach Endursachen eine vom Mechanism unterschiedene Kausalitt, nmlich einer nach Zwecken handelnden (verstndigen) Weltursache gedacht werden msse ; so bereilt und unerweislich er auch fr die bestimmende sein wrde. In dem ersteren Falle ist er bloe Maxime der Urteilskraft, wobei der Begriff jener Kausalitt eine bloe Idee ist, der man keinesweges Realitt zuzugestehen unternimmt, sondern sie nur zum Leitfaden der Reflexion braucht, die dabei fr alle mechanische Erklrungsgrnde immer offen bleibt, und sich nicht aus der Sinnenwelt verliert ; im zweiten Falle wrde der Grundsatz ein objektives Prinzip sein, das die Vernunft vorschriebe und dem die Urteilskraft sich bestimmend unterwerfen mte, wobei sie aber ber die Sinnenwelt hinaus sich ins berschwengliche verliert, und vielleicht irre gefhrt wird.

Aller Anschein einer Antinomie zwischen den Maximen der eigentlich physischen (mechanischen) und der teleologischen (technischen) Erklrungsart beruht also darauf ; da man einen Grundsatz der reflektierenden Urteilskraft mit dem der bestimmenden, und die Autonomie der ersteren (die blo subjektiv fr unsern Vernunftgebrauch in Ansehung der besonderen Erfahrungsgesetze gilt) mit der Heteronomie der anderen, welche sich nach den von dem Verstande gegebenen (allgemeinen oder besondern) Gesetzen richten mu, verwechselt.

 

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Von den mancherlei Systemen ber die Zweckmigkeit der Natur

Die Richtigkeit des Grundsatzes, da ber gewisse Dinge der Natur (organisierte Wesen) und ihre Mglichkeit nach dem Begriffe von Endursachen geurteilt werden msse, selbst auch nur, wenn man, um ihre Beschaffenheit durch Beobachtung kennenzulernen, einen Leitfaden verlangt, ohne sich bis zur Untersuchung ber ihren ersten Ursprung zu versteigen, hat noch niemand bezweifelt. Die Frage kann also nur sein : ob dieser Grundsatz blo subjektiv gltig, d. i. blo Maxime unserer Urteilskraft oder ein objektives Prinzip der Natur sei, nach welchem ihr, auer ihrem Mechanism (nach bloen Bewegungsgesetzen), noch eine andere Art von Kausalitt zukomme, nmlich die der Endursachen, unter denen jene (der bewegenden Krfte) nur als Mittelursachen stnden.

Nun knnte man diese Frage, oder Aufgabe fr die Spekulation, gnzlich unausgemacht und unaufgelset lassen : weil, wenn wir uns mit der letzteren innerhalb den Grenzen der bloen Naturerkenntnis begngen, wir an jenen Maximen genug haben, um die Natur, so weit als menschliche Krfte reichen, zu studieren und ihren verborgensten Geheimnissen nachzuspren. Es ist also wohl eine gewisse Ahnung unserer Vernunft, oder ein von der Natur uns gleichsam gegebener Wink, da wir vermittelst jenes Begriffs von Endursachen wohl gar ber die Natur hinauslangen und sie selbst an den hchsten Punkt in der Reihe der Ursachen knpfen knnten, wenn wir die Nachforschung der Natur (ob wir gleich darin noch nicht weit gekommen sind) verlieen, oder wenigstens einige Zeit aussetzten, und vorher, worauf jener Fremdling in der Naturwissenschaft, nmlich der Begriff der Naturzwecke, fhre, zu erkunden versuchten.

Hier mte nun freilich jene unbestrittene Maxime in die ein weites Feld zu Streitigkeiten erffnende Aufgabe bergehen : Ob die Zweckverknpfung in der Natur eine besondere Art der Kausalitt fr dieselbe beweise ; oder ob sie, an sich und nach objektiven Prinzipien betrachtet, nicht vielmehr mit dem Mechanism der Natur einerlei sei, oder auf einem und demselben Grunde beruhe : nur da wir, da dieser fr unsere Nachforschung in manchen Naturprodukten oft zu tief versteckt ist, es mit einem subjektiven Prinzip, nmlich dem der Kunst, d. i. der Kausalitt nach Ideen versuchen, um sie der Natur der Analogie nach unterzulegen ; welche Nothilfe uns auch in vielen Fllen gelingt, in einigen zwar zu Milingen scheint, auf alle Flle aber nicht berechtigt, eine besondere, von der Kausalitt nach blo mechanischen Gesetzen der Natur selbst unterschiedene, Wirkungsart in die Naturwissenschaft einzufhren. Wir wollen, indem wir das Verfahren (die Kausalitt) der Natur, wegen des Zweckhnlichen, welches wir in ihren Produkten finden, Technik nennen, diese in die absichtliche (technica intentionalis), und in die unabsichtliche (technica naturalis), einteilen. Die erste soll bedeuten : da das produktive Vermgen der Natur nach Endursachen fr eine besondere Art von Kausalitt gehalten werden msse ; die zweite : da sie mit dem Mechanism der Natur im Grunde ganz einerlei sei, und das zufllige Zusammentreffen mit unseren Kunstbegriffen und ihren Regeln, als blo subjektive Bedingung sie zu beurteilen, flschlich fr eine besondere Art der Naturerzeugung ausgedeutet werde.

Wenn wir jetzt von den Systemen der Naturerklrung in Ansehung der Endursachen reden, so mu man wohl bemerken : da sie insgesamt dogmatisch, d. i. ber objektive Prinzipien der Mglichkeit der Dinge, es sei durch absichtlich oder lauter unabsichtlich wirkende Ursachen, unter einander streitig sind, nicht aber etwa ber die subjektive Maxime, ber die Ursache solcher zweckmigen Produkte blo zu urteilen : in welchem letztern Falle disparate Prinzipien wohl noch vereinigt werden knnten, anstatt da im ersteren kontradiktorisch-entgegengesetzte einander aufheben und neben sich nicht bestehen knnen.

Die Systeme in Ansehung der Technik der Natur, d. i. ihrer produktiven Kraft nach der Regel der Zwecke, sind zwiefach : des Idealismus, oder des Realismus der Naturzwecke. Der erstere ist die Behauptung : da alle Zweckmigkeit der Natur unabsichtlich ; der zweite : da einige derselben (in organisierten Wesen) absichtlich sei ; woraus denn auch die als Hypothese gegrndete Folge gezogen werden knnte, da die Technik der Natur, auch, was alle andere Produkte derselben in Beziehung auf das Naturganze betrifft, absichtlich, d. i. Zweck, sei.

1) Der Idealism der Zweckmigkeit (ich verstehe hier immer die objektive) ist nun entweder der der Kasualitt, oder der Fatalitt der Naturbestimmung in der zweckmigen Form ihrer Produkte. Das erstere Prinzip betrifft die Beziehung der Materie auf den physischen Grund ihrer Form, nmlich die Bewegungsgesetze ; das zweite auf ihren und der ganzen Natur hyperphysischen Grund. Das System der Kasualitt, welches dem Epikur oder Demokritus beigelegt wird, ist, nach dem Buchstaben genommen, so offenbar ungereimt, da es uns nicht aufhalten darf ; dagegen ist das System der Fatalitt (wovon man den Spinoza zum Urheber macht, ob es gleich allem Ansehen nach viel lter ist), welches sich auf etwas bersinnliches beruft, wohin also unsere Einsicht nicht reicht, so leicht nicht zu widerlegen : darum, weil sein Begriff von dem Urwesen gar nicht zu verstehen ist. So viel ist aber klar : da die Zweckverbindung in der Welt in demselben als unabsichtlich angenommen werden mu (weil sie von einem Urwesen, aber nicht von seinem Verstande, mithin keiner Absicht desselben, sondern aus der Notwendigkeit seiner Natur und der davon abstammenden Welteinheit abgeleitet wird), mithin der Fatalismus der Zweckmigkeit zugleich ein Idealism derselben ist.

2) Der Realism der Zweckmigkeit der Natur ist auch entweder physisch oder hyperphysisch. Der erste grndet die Zwecke in der Natur auf dem Analogon eines nach Absicht handelnden Vermgens, dem Leben der Materie (in ihr, oder auch durch ein belebendes inneres Prinzip, eine Weltseele) ; und heit der Hylozoism. Der zweite leitet sie von dem Urgrunde des Weltalls, als einem mit Absicht hervorbringenden (ursprnglich lebenden) verstndigen Wesen ab ; und ist der Theism.*

 

* Man sieht hieraus : da in den meisten spekulativen Dingen der reinen Vernunft, was die dogmatischen Behauptungen betrifft, die philosophischen Schulen gemeiniglich alle Auflsungen, die ber eine gewisse Frage mglich sind, versucht haben. So hat man aber die Zweckmigkeit der Natur bald entweder die leblose Materie, oder einen leblosen Gott, bald eine lebende Materie, oder auch einen lebendigen Gott zu diesem Behufe versucht. Fr uns bleibt nichts brig, als, wenn es not tun sollte, von allen diesen objektiven Behauptungen abzugehen, und unser Urteil blo in Beziehung auf unsere Erkenntnisvermgen kritisch zu erwgen, um ihrem Prinzip eine, wo nicht dogmatische, doch zum sichern Vernunftgebrauch hinreichende Gltigkeit einer Maxime zu verschaffen.

 

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Keines der obigen Systeme leistet das, was es vorgibt

Was wollen alle jene Systeme ? Sie wollen unsere teleologischen Urteile ber die Natur erklren, und gehen damit so zu Werke, da ein Teil die Wahrheit derselben leugnet, mithin sie fr einen Idealism der Natur (als Kunst vorgestellt) erklrt ; der andere Teil sie als wahr anerkennt, und die Mglichkeit einer Natur nach der Idee der Endursachen darzutun verspricht.

1) Die fr den Idealism der Endursachen in der Natur streitenden Systeme lassen nun einerseits zwar an dem Prinzip derselben ein Kausalitt nach Bewegungsgesetzen zu (durch welche die Naturdinge zweckmig existieren) ; aber sie leugnen an ihr die Intentionalitt, d. i. da sie absichtlich zu dieser ihrer zweckmigen Hervorbringung bestimmt, oder, mit anderen Worten, ein Zweck die Ursache sei. Dieses ist die Erklrungsart Epikurs, nach welcher der Unterschied einer Technik der Natur von der bloen Mechanik gnzlich abgeleugnet wird, und nicht allein fr die bereinstimmung der erzeugten Produkte mit unsern Begriffen vom Zwecke, mithin fr die Technik, sondern selbst fr die Bestimmung der Ursachen dieser Erzeugung nach Bewegungsgesetzen, mithin ihre Mechanik, der blinde Zufall zum Erklrungsgrunde angenommen, also nichts, auch nicht einmal der Schein in unserm teleologischen Urteile erklrt, mithin der vorgebliche Idealism in demselben keineswegs dargetan wird.

Andererseits, will Spinoza uns aller Nachfrage nach dem Grunde der Mglichkeit der Zwecke der Natur dadurch berheben, und dieser Idee alle Realitt nehmen, da er sie berhaupt nicht fr Produkte, sondern fr einem Urwesen inhrierende Akzidenzen gelten lt, und diesem Wesen, als Substrat jener Naturdinge, in Ansehung derselben nicht Kausalitt, sondern blo Subsistenz beilegt, und (wegen der unbedingten Notwendigkeit desselben, samt allen Naturdingen, als ihm inhrierenden Akzidenzen) den Naturformen zwar die Einheit des Grundes, die zu aller Zweckmigkeit erforderlich ist, sichert, aber zugleich die Zuflligkeit derselben, ohne die keine Zweckeinheit gedacht werden kann, entreit, und mit ihr alles Absichtliche, so wie dem Urgrunde der Naturdinge allen Verstand, wegnimmt.

Der Spinozism leistet aber das nicht, was er will. Er will einen Erklrungsgrund der Zweckverknpfung (die er nicht leugnet) der Dinge der Natur angeben, und nennt blo die Einheit des Subjekts, dem sie alle inhrieren. Aber, wenn man ihm auch diese Art zu existieren fr die Weltwesen einrumt, so ist doch jene ontologische Einheit darum noch nicht sofort Zweckeinheit, und macht diese keineswegs begreiflich. Die letztere ist nmlich eine ganz besondere Art derselben, die aus der Verknpfung der Dinge (Weltwesen) in einem Subjekte (dem Urwesen) gar nicht folgt, sondern durchaus die Beziehung auf eine Ursache, die Verstand hat, bei sich fhrt, und selbst, wenn man alle diese Dinge in einem einfachen Subjekte vereinigte, doch niemals eine Zweckbeziehung darstellt : wofern man unter ihnen nicht erstlich innere Wirkungen der Substanz, als einer Ursache ; zweitens eben derselben, als Ursache durch ihren Verstand, denkt. Ohne diese formalen Bedingungen ist alle Einheit bloe Naturnotwendigkeit ; und, wird sie gleichwohl Dingen beigelegt, die wir als auer einander vorstellen, blinde Notwendigkeit. Will man aber das, was die Schule die transzendentale Vollkommenheit der Dinge (in Beziehung auf ihr eigenes Wesen) nennt, nach welcher alle Dinge alles an sich haben, was erfordert wird, um so ein Ding und kein anderes zu sein, Zweckmigkeit der Natur nennen : so ist das ein kindisches Spielwerk mit Worten statt Begriffen. Denn, wenn alle Dinge als Zwecke gedacht werden mssen, also ein Ding sein und Zweck sein einerlei ist, so gibt es im Grunde nichts, was besonders als Zweck vorgestellt zu werden verdiente.

Man sieht hieraus wohl : da Spinoza dadurch, da er unsere Begriffe von dem Zweckmigen in der Natur auf das Bewutsein unserer selbst in einem allbefassenden (doch zugleich einfachen) Wesen zurckfhrte, und jene Form blo in der Einheit des letztern suchte, nicht den Realism, sondern blo den Idealism der Zweckmigkeit derselben zu behaupten die Absicht haben mute, diese aber selbst doch nicht bewerkstelligen konnte, weil die bloe Vorstellung der Einheit des Substrats auch nicht einmal die Idee von einer, auch nur unabsichtlichen, Zweckmigkeit bewirken kann.

2) Die, welche den Realism der Naturzwecke nicht blo behaupten, sondern ihn auch zu erklren vermeinen, glauben eine besondere Art der Kausalitt, nmlich absichtlich wirkender Ursachen, wenigstens ihrer Mglichkeit nach einsehen zu knnen ; sonst knnten sie es nicht unternehmen jene erklren zu wollen. Denn zur Befugnis selbst der gewagtesten Hypothese mu wenigstens die Mglichkeit dessen, was man als Grund annimmt, gewi sein, und man mu dem Begriffe desselben seine objektive Realitt sichern knnen.

Aber die Mglichkeiten einer lebenden Materie (deren Begriff einen Widerspruch enthlt, weil Leblosigkeit, inertia, den wesentlichen Charakter derselben ausmacht) lt sich nicht einmal denken ; die einer belebten Materie und der gesamten Natur, als eines Tiers, kann nur sofern (zum Behuf einer Hypothese der Zweckmigkeit im Groen der Natur) drftigerweise gebraucht werden, als sie uns an der Organisation derselben, im Kleinen, in der Erfahrung offenbart wird, keinesweges aber a priori ihrer Mglichkeit nach eingesehen werden. Es mu also ein Zirkel im Erklren begangen werden, wenn man die Zweckmigkeit der Natur an organisierten Wesen aus dem Leben der Materie ableiten will, und dieses Leben wiederum nicht anders als in organisierten Wesen kennt, also ohne dergleichen Erfahrung sich keinen Begriff von der Mglichkeit derselben machen kann. Der Hylozoism leistet also das nicht, was er verspricht.

Der Theism kann endlich die Mglichkeit der Naturzwecke als einen Schlssel zur Teleologie ebensowenig dogmatisch begrnden ; ob er zwar vor allen Erklrungsgrnden derselben darin den Vorzug hat, da er durch einen Verstand, den er dem Urwesen beilegt, die Zweckmigkeit der Natur dem Idealism am besten entreit und eine absichtliche Kausalitt fr die Erzeugung derselben einfhrt.

Denn da mte allererst, fr die bestimmende Urteilskraft hinreichend, die Unmglichkeit der Zweckeinheit in der Materie durch den bloen Mechanism derselben bewiesen werden, um berechtigt zu sein, den Grund derselben ber die Natur hinaus auf bestimmte Weise zu setzen. Wir knnen aber nichts weiter herausbringen, als da nach der Beschaffenheit und den Schranken unserer Erkenntnisvermgen (indem wir den ersten, inneren Grund selbst dieses Mechanisms nicht einsehen) wir auf keinerlei Weise in der Materie ein Prinzip bestimmter Zweckbeziehungen suchen mssen, sondern fr uns keine andere Beurteilungsart der Erzeugung ihrer Produkte, als Naturzwecke, brigbleibe, als die durch einen obersten Verstand als Weltursache. Das ist aber nur ein Grund fr die reflektierende, nicht fr die bestimmende Urteilskraft, und kann schlechterdings zu keiner objektiven Behauptung berechtigen.

 

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Die Ursache der Unmglichkeit, den Begriff einer Technik der Natur dogmatisch zu behandeln, ist die Unerklrlichkeit eines Naturzwecks

Wir verfahren mit einem Begriffe (wenn er gleich empirisch bedingt sein sollte) dogmatisch, wenn wir ihn als unter einem anderen Begriffe des Objekts, der ein Prinzip der Vernunft ausmacht, enthalten betrachten, und ihn diesem gem bestimmen. Wir verfahren aber mit ihm blo kritisch, wenn wir ihn nur in Beziehung auf unser Erkenntnisvermgen, mithin auf die subjektiven Bedingungen, ihn zu denken, betrachten, ohne es zu unternehmen, ber sein Objekt etwas zu entscheiden. Das dogmatische Verfahren mit einem Begriffe ist also dasjenige, welches fr die bestimmende, das kritische das, welches blo fr die reflektierende Urteilskraft gesetzmig ist.

Nun ist der Begriff von einem Dinge als Naturzwecke ein Begriff, der die Natur unter eine Kausalitt, die nur durch Vernunft denkbar ist, subsumiert, um nach diesem Prinzip ber das, was vom Objekte in der Erfahrung gegeben ist, zu urteilen. Um ihn aber dogmatisch fr die bestimmende Urteilskraft zu gebrauchen, mten wir der objektiven Realitt dieses Begriffs zuvor versichert sein, weil wir sonst kein Naturding unter ihm subsumieren knnten. Der Begriff eines Dinges als Naturzwecks ist aber zwar ein empirisch bedingter, d. i. nur unter gewissen in der Erfahrung gegebenen Bedingungen mglicher, aber doch von derselben nicht zu abstrahierender, sondern nur nach einem Vernunftprinzip in der Beurteilung des Gegenstandes mglicher Begriff. Er kann also als ein solches Prinzip seiner objektiven Realitt nach (d. i. da ihm gem ein Objekt mglich sei) gar nicht eingesehen und dogmatisch begrndet werden ; und wir wissen nicht, ob er blo ein vernnftelnder und objektiv leerer (conceptus ratiocinans), oder ein Vernunftbegriff, ein Erkenntnis grndender, von der Vernunft besttigter (conceptus ratiocinatus) sei. Also kann er nicht dogmatisch fr die bestimmende Urteilskraft behandelt werden : d. i. es kann nicht allein nicht ausgemacht werden, ob Dinge der Natur, als Naturzwecke betrachtet, fr ihre Erzeugung eine Kausalitt von ganz besonderer Art (die nach Absichten) erfordern, oder nicht ; sondern es kann auch nicht einmal darnach gefragt werden, weil der Begriff eines Naturzwecks seiner objektiven Realitt nach durch die Vernunft gar nicht erweislich ist (d. i. er ist nicht fr die bestimmende Urteilskraft konstitutiv, sondern fr die reflektierende blo regulativ).

Da er es aber nicht sei, ist daraus klar, weil er als Begriff von einem Naturprodukt Naturnotwendigkeit und doch zugleich eine Zuflligkeit der Form des Objekts (in Beziehung auf bloe Gesetze der Natur) an eben demselben Dinge als Zweck in sich fat ; folglich, wenn hierin kein Widerspruch sein soll, einen Grund fr die Mglichkeit des Dinges in der Natur, und doch auch einen Grund der Mglichkeit dieser Natur selbst und ihrer Beziehung auf etwas, das nicht empirisch erkennbare Natur (bersinnlich) mithin fr uns gar nicht erkennbar ist, enthalten mu, um nach einer andern Art Kausalitt als der des Naturmechanisms beurteilt zu werden, wenn man seine Mglichkeit ausmachen will. Da also der Begriff eines Dinges, als Naturzwecks, fr die bestimmende Urteilskraft berschwenglich ist, wenn man das Objekt durch die Vernunft betrachtet (ob er zwar fr die reflektierende Urteilskraft in Ansehung der Gegenstnde der Erfahrung immanent sein mag), mithin ihm fr bestimmende Urteile die objektive Realitt nicht verschafft werden kann : so ist hieraus begreiflich, wie alle Systeme, die man fr die dogmatische Behandlung des Begriffs der Naturzwecke und der Natur, als eines durch Endursachen zusammenhngenden Ganzen, nur immer entwerfen mag, weder objektiv bejahend, noch objektiv verneinend, irgend etwas entscheiden knnen ; weil, wenn Dinge unter einem Begriffe, der blo problematisch ist, subsumiert werden, die synthetischen Prdikate desselben (z. B. hier : ob der Zweck der Natur, den wir uns zu der Erzeugung der Dinge denken, absichtlich oder unabsichtlich sei) eben solche (problematische) Urteile, sie mgen nun bejahend oder verneinend sein, vom Objekt abgeben mssen, indem man nicht wei, ob man ber etwas oder nichts urteilt. Der Begriff einer Kausalitt durch Zwecke (der Kunst) hat allerdings objektive Realitt, der einer Kausalitt nach dem Mechanism der Natur ebensowohl. Aber der Begriff einer Kausalitt der Natur nach der Regel der Zwecke, noch mehr aber eines Wesens, dergleichen uns gar nicht in der Erfahrung gegeben werden kann, nmlich eines solchen, als Urgrundes der Natur : kann zwar ohne Widerspruch gedacht werden, aber zu dogmatischen Bestimmungen doch nicht taugen ; weil ihm, da er nicht aus der Erfahrung gezogen werden kann, auch zur Mglichkeit derselben nicht erforderlich ist, seine objektive Realitt durch nichts gesichert werden kann. Geschhe dieses aber auch ; wie kann ich Dinge, die fr Produkte gttlicher Kunst bestimmt angegeben werden, noch unter Produkte der Natur zhlen, deren Unfhigkeit, dergleichen nach ihren Gesetzen hervorzubringen, eben die Berufung auf eine von ihr unterschiedene Ursache notwendig machte ?

 

75

Der Begriff einer objektiven Zweckmigkeit der Natur ist ein kritisches Prinzip der Vernunft fr die reflektierende Urteilskraft

Es ist doch etwas ganz anderes, ob ich sage : die Erzeugung gewisser Dinge der Natur, oder auch der gesamten Natur ist nur durch eine Ursache, die sich nach Absichten zum Handeln bestimmt, mglich ; oder : ich kann nach der eigentmlichen Beschaffenheit meiner Erkenntnisvermgen ber die Mglichkeit jener Dinge und ihre Erzeugung nicht anders urteilen, als wenn ich mir zu dieser eine Ursache, die nach Absichten wirkt, mithin ein Wesen denke, welches nach der Analogie mit der Kausalitt eines Verstandes, produktiv ist. Im ersteren Falle will ich etwas ber das Objekt ausmachen, und bin verbunden, die objektive Realitt eines angenommenen Begriffs darzutun ; im zweiten bestimmt die Vernunft nur den Gebrauch meiner Erkenntnisvermgen, angemessen ihrer Eigentmlichkeit, und den wesentlichen Bedingungen, ihres Umfanges sowohl, als ihrer Schranken. Also ist das erste Prinzip ein objektiver Grundsatz fr die bestimmende, das zweite ein subjektiver Grundsatz blo fr die reflektierende Urteilskraft, mithin eine Maxime derselben, die ihr die Vernunft auferlegt.

Wir haben nmlich unentbehrlich ntig, der Natur den Begriff einer Absicht unterzulegen, wenn wir ihr auch nur in ihren organisierten Produkten durch fortgesetzte Beobachtung nachforschen wollen : und dieser Begriff ist also schon fr den Erfahrungsgebrauch unserer Vernunft eine schlechterdings notwendige Maxime. Es ist offenbar : da, da einmal ein solcher Leitfaden die Natur zu studieren aufgenommen und bewhrt gefunden ist, wir die gedachte Maxime der Urteilskraft auch am Ganzen der Natur wenigstens versuchen mssen, weil sich nach derselben noch manche Gesetze derselben drften auffinden lassen, die uns, nach der Beschrnkung unserer Einsichten in das Innere des Mechanisms derselben, sonst verborgen bleiben wrden. Aber in Ansehung des letztern Gebrauchs ist jene Maxime der Urteilskraft zwar ntzlich, aber nicht unentbehrlich, weil uns die Natur im Ganzen als organisiert (in der oben angefhrten engsten Bedeutung des Worts) nicht gegeben ist. Hingegen in Ansehung der Produkte derselben, welche nur als absichtlich so und nicht anders geformt mssen beurteilt werden, um auch nur eine Erfahrungserkenntnis ihrer innern Beschaffenheit zu bekommen, ist jene Maxime der reflektierenden Urteilskraft wesentlich notwendig : weil selbst der Gedanke von ihnen, als organisierten Dingen, ohne den Gedanken einer Erzeugung mit Absicht damit zu verbinden, unmglich ist.

Nun ist der Begriff eines Dinges, dessen Existenz oder Form wir uns unter der Bedingung eines Zwecks als mglich vorstellen, mit dem Begriffe einer Zuflligkeit desselben (nach Naturgesetzen) unzertrennlich verbunden. Daher machen auch die Naturdinge, welche wir nur als Zwecke mglich finden, den vornehmsten Beweis fr die Zuflligkeit des Weltganzen aus, und sind der einzige fr den gemeinen Verstand ebensowohl als den Philosophen geltende Beweisgrund der Abhngigkeit und des Ursprungs desselben von einem auer der Welt existierenden, und zwar (um jener zweckmigen Form willen) verstndigen, Wesens : da also die Teleologie keine Vollendung des Aufschlusses fr ihre Nachforschungen, als in einer Theologie, findet.

Was beweiset nun aber am Ende auch die allervollstndigste Teleologie ? Beweiset sie etwa, da ein solches verstndiges Wesen da sei ? Nein ; nichts weiter, als da wir nach Beschaffenheit unserer Erkenntnisvermgen, also in Verbindung der Erfahrung mit den obersten Prinzipien der Vernunft, uns schlechterdings keinen Begriff von der Mglichkeit einer solchen Welt machen knnen, als so, da wir uns eine absichtlich-wirkende oberste Ursache derselben denken. Objektiv knnen wir also nicht den Satz dartun : es ist ein verstndiges Urwesen ; sondern nur subjektiv fr den Gebrauch unserer Urteilskraft in ihrer Reflexion ber die Zwecke in der Natur, die nach keinem anderen Prinzip als dem einer absichtlichen Kausalitt einer hchsten Ursache gedacht werden knnen.

Wollten wir den obersten Satz dogmatisch, aus teleologischen Grnden, dartun : so wrden wir von Schwierigkeiten befangen werden, aus denen wir uns nicht herauswickeln knnten. Denn da wrde diesen Schlssen der Satz zum Grunde gelegt werden mssen : die organisierten Wesen in der Welt sind nicht anders, als durch eine absichtlich-wirkende Ursache mglich. Da aber, weil wir diese Dinge nur unter der Idee der Zwecke in ihrer Kausalverbindung verfolgen und diese nach ihrer Gesetzmigkeit erkennen knnen, wir auch berechtigt wren, eben dieses auch fr jedes denkende und erkennende Wesen als notwendige, mithin dem Objekte und nicht blo unserm Subjekte anhngende Bedingung, vorauszusetzen : das mten wir hiebei unvermeidlich behaupten wollen. Aber mit einer solchen Behauptung kommen wir nicht durch. Denn, da wir die Zwecke in der Natur als absichtliche eigentlich nicht beobachten, sondern nur, in der Reflexion ber ihre Produkte, diesen Begriff als einen Leitfaden der Urteilskraft hinzu denken ; so sind sie uns nicht durch das Objekt gegeben. A priori ist es sogar fr uns unmglich, einen solchen Begriff, seiner objektiven Realitt nach, als annehmungsfhig zu rechtfertigen. Es bleibt also schlechterdings ein nur auf subjektiven Bedingungen, nmlich der, unseren Erkenntnisvermgen angemessenen reflektierenden Urteilskraft, beruhender Satz, der, wenn man ihn als objektiv-dogmatisch geltend ausdrckte, heien wrde : Es ist ein Gott ; nun aber, fr uns Menschen, nur die eingeschrnkte Formel erlaubt : Wir knnen uns die Zweckmigkeit, die selbst unserer Erkenntnis der inneren Mglichkeit vieler Naturdinge zum Grunde gelegt werden mu, gar nicht anders denken und begreiflich machen, als indem wir sie und berhaupt die Welt uns als ein Produkt einer verstndigen Ursache (eines Gottes) vorstellen.

Wenn nun dieser auf einer unumgnglich notwendigen Maxime unserer Urteilskraft gegrndete Satz allem sowohl spekulativen als praktischen Gebrauche unserer Vernunft in jeder menschlichen Absicht vollkommen genugtuend ist ; so mchte ich wohl wissen, was uns dann darunter abgehe, da wir ihn nicht auch fr hhere Wesen gltig, nmlich aus reinen objektiven Grnden (die leider unser Vermgen bersteigen) beweisen knnen. Es ist nmlich ganz gewi, da wir die organisierten Wesen und deren innere Mglichkeit nach blo mechanischen Prinzipien der Natur nicht einmal zureichend kennenlernen, viel weniger uns erklren knnen ; und zwar so gewi, da man dreist sagen kann, es ist fr Menschen ungereimt, auch nur einen solchen Anschlag zu fassen, oder zu hoffen, da noch etwa dereinst ein Newton aufstehen knne, der auch nur die Erzeugung eines Grashalms nach Naturgesetzen, die keine Absicht geordnet hat, begreiflich machen werde : sondern man mu diese Einsicht den Menschen schlechterdings absprechen. Da dann aber auch in der Natur, wenn wir bis zum Prinzip derselben in der Spezifikation ihrer allgemeinen uns bekannten Gesetze durchdringen knnten, ein hinreichender Grund der Mglichkeit organisierter Wesen, ohne ihrer Erzeugung eine Absicht unterzulegen (also im bloen Mechanism derselben), gar nicht verborgen liegen knne, das wre wiederum von uns zu vermessen geurteilt ; denn woher wollen wir das wissen ? Wahrscheinlichkeiten fallen hier gar weg, wo es auf Urteile der reinen Vernunft ankommt. Also knnen wir ber den Satz : ob ein nach Absichten handelndes Wesen als Weltursache (mithin als Urheber) dem, was wir mit Recht Naturzwecke nennen, zum Grunde liege, objektiv gar nicht, weder bejahend noch verneinend, urteilen ; nur soviel ist sicher, da, wenn wir doch wenigstens nach dem, was uns einzusehen durch unsere eigene Natur vergnnt ist (nach den Bedingungen und Schranken unserer Vernunft) urteilen sollen, wir schlechterdings nichts anders als ein verstndiges Wesen der Mglichkeit jener Naturzwecke zum Grunde legen knnen : welches der Maxime unserer reflektierenden Urteilskraft, folglich einem subjektiven, aber dem menschlichen Geschlecht unnachlalich anhngenden Grunde allein gem ist.

 

76

Anmerkung

Diese Betrachtung, welche es gar sehr verdient in der Transzendentalphilosophie umstndlich ausgefhrt zu werden, mag hier nur episodisch, zur Erluterung (nicht zum Beweise des hier Vorgetragenen), eintreten.

Die Vernunft ist ein Vermgen der Prinzipien, und geht in ihrer uersten Forderung auf das Unbedingte ; da hingegen der Verstand ihr immer nur unter einer gewissen Bedingung, die gegeben werden mu, zu Diensten steht. Ohne Begriffe des Verstandes aber, welchen objektive Realitt gegeben werden mu, kann die Vernunft gar nicht objektiv (synthetisch) urteilen, und enthlt, als theoretische Vernunft, fr sich schlechterdings keine konstitutive, sondern blo regulative Prinzipien. Man wird bald inne : da, wo der Verstand nicht folgen kann, die Vernunft berschwenglich wird, und in zuvor gegrndeten Ideen (als regulativen Prinzipien), aber nicht objektiv gltigen Begriffen sich hervortut ; der Verstand aber, der mit ihr nicht Schritt halten kann, aber doch zur Gltigkeit fr Objekte ntig sein wrde, die Gltigkeit jener Ideen der Vernunft nur auf das Subjekt, aber doch allgemein fr alle von dieser Gattung, d. i. auf die Bedingung einschrnke, da nach der Natur unseres (menschlichen) Erkenntnisvermgens oder gar berhaupt nach dem Begriffe, den wir uns von dem Vermgen eines endlichen vernnftigen Wesens berhaupt machen knnen, nicht anders als so knne und msse gedacht werden : ohne doch zu behaupten, da der Grund eines solchen Urteils im Objekte liege. Wir wollen Beispiele anfhren, die zwar zuviel Wichtigkeit und auch Schwierigkeit haben, um sie hier sofort als erwiesene Stze dem Leser aufzudrngen, die ihm aber Stoff zum Nachdenken geben, und dem, was hier unser eigentmliches Geschft ist, zur Erluterung dienen knnen.

Es ist dem menschlichen Verstande unumgnglich notwendig, Mglichkeit und Wirklichkeit der Dinge zu unterscheiden. Der Grund davon liegt im Subjekte und der Natur seiner Erkenntnisvermgen. Denn, wren zu dieser ihrer Ausbung nicht zwei ganz heterogene Stcke, Verstand fr Begriffe, und sinnliche Anschauung fr Objekte, die ihnen korrespondieren, erforderlich ; so wrde es keine solche Unterscheidung (zwischen dem Mglichen und Wirklichen) geben. Wre nmlich unser Verstand anschauend, so htte er keine Gegenstnde als das Wirkliche. Begriffe (die blo auf die Mglichkeit eines Gegenstandes gehen), und sinnliche Anschauungen (welche uns etwas geben, ohne es dadurch doch als Gegenstand erkennen zu lassen), wrden beide wegfallen. Nun beruht aber alle unsere Unterscheidung des blo Mglichen vom Wirklichen darauf, da das erstere nur die Position der Vorstellung eines Dinges respektiv auf unsern Begriff und berhaupt das Vermgen zu denken, das letztere aber die Setzung des Dinges an sich selbst (auer diesem Begriffe) bedeutet. Also ist die Unterscheidung mglicher Dinge von wirklichen eine solche, die blo subjektiv fr den menschlichen Verstand gilt, da wir nmlich etwas immer noch in Gedanken haben knnen, ob es gleich nicht ist, oder etwas als gegeben uns vorstellen, ob wir gleich noch keinen Begriff davon haben. Die Stze also : da Dinge mglich sein knnen, ohne wirklich zu sein, da also aus der bloen Mglichkeit auf die Wirklichkeit gar nicht geschlossen werden knne, gelten ganz richtig fr die menschliche Vernunft, ohne darum zu beweisen da dieser Unterschied in den Dingen selbst liege. Denn, da dieses nicht daraus gefolgert werden knne, mithin jene Stze zwar allerdings auch von Objekten gelten, sofern unser Erkenntnisvermgen, als sinnlich-bedingt, sich auch mit Objekten der Sinne beschftigt, aber nicht von Dingen berhaupt : leuchtet aus der unablalichen Forderung der Vernunft ein, irgendein Etwas (den Urgrund) als unbedingt notwendig existierend anzunehmen, an welchem Mglichkeit und Wirklichkeit gar nicht mehr unterschieden werden sollen, und fr welche Idee unser Verstand schlechterdings keinen Begriff hat, d. i. keine Art ausfinden kann, wie er ein solches Ding und seine Art zu existieren sich vorstellen solle. Denn, wenn er es denkt (er mag es denken, wie er will), so ist es blo als mglich vorgestellt. Ist er sich dessen, als in der Anschauung gegeben bewut, so ist es wirklich, ohne sich hiebei irgend etwas von Mglichkeit zu denken. Daher ist der Begriff eines absolut-notwendigen Wesens zwar eine unentbehrliche Vernunftidee, aber ein fr den menschlichen Verstand unerreichbarer problematischer Begriff. Er gilt aber doch fr den Gebrauch unserer Erkenntnisvermgen nach der eigentmlichen Beschaffenheit derselben, mithin nicht vom Objekte und hiemit fr jedes erkennende Wesen : weil ich nicht bei jedem das Denken und die Anschauung, als zwei verschiedene Bedingungen der Ausbung seiner Erkenntnisvermgen, mithin der Mglichkeit und Wirklichkeit der Dinge, voraussetzen kann. Fr einen Verstand, bei dem dieser Unterschied nicht eintrte, wrde es heien : alle Objekte, die ich erkenne, sind (existieren) ; und die Mglichkeit einiger, die doch nicht existierten, d. i. Zuflligkeit derselben wenn sie existieren, also auch die davon zu unterscheidende Notwendigkeit, wrde in die Vorstellung eines solchen Wesens gar nicht kommen knnen. Was unserm Verstande aber so beschwerlich fllt, der Vernunft hier mit seinen Begriffen es gleich zu tun, ist blo : da fr ihn, als menschlichen Verstand, dasjenige berschwenglich (d. i. den subjektiven Bedingungen seines Erkenntnisses unmglich) ist, was doch die Vernunft als zum Objekt gehrig zum Prinzip macht. Hierbei gilt nun immer die Maxime, da wir alle Objekte, da wo ihr Erkenntnis das Vermgen des Verstandes bersteigt, nach den subjektiven, unserer (d. i. der menschlichen) Natur notwendig anhngenden, Bedingungen der Ausbung ihrer Vermgen denken ; und, wenn die auf diese Art gefllten Urteile (wie es auch in Ansehung der berschwenglichen Begriffe nicht anders sein kann) nicht konstitutive Prinzipien, die das Objekt, wie es beschaffen ist, bestimmen, sein knnen, so werden es doch regulative, in der Ausbung immanente und sichere, der menschlichen Absicht angemessene, Prinzipien bleiben.

So wie die Vernunft, in theoretischer Betrachtung der Natur, die Idee einer unbedingten Notwendigkeit ihres Urgrundes annehmen mu ; so setzt sie auch, in praktischer, ihre eigene (in Ansehung der Natur) unbedingte Kausalitt, d. i. Freiheit, voraus, indem sie sich ihres moralischen Gebots bewut ist. Weil nun aber hier die objektive Notwendigkeit der Handlung, als Pflicht, derjenigen, die sie, als Begebenheit, haben wrde, wenn ihr Grund in der Natur und nicht in der Freiheit (d. i. der Vernunftkausalitt) lge, entgegengesetzt, und die moralisch-schlechthin-notwendige Handlung physisch als ganz zufllig angesehen wird (d. i. da das, was notwendig geschehen sollte, doch fter nicht geschieht) ; so ist klar, da es nur von der subjektiven Beschaffenheit unsers praktischen Vermgens herrhrt, da die moralischen Gesetze als Gebote (und die ihnen geme Handlungen als Pflichten) vorgestellt werden mssen, und die Vernunft diese Notwendigkeit nicht durch ein Sein (Geschehen), sondern Sein-Sollen ausdrckt : welches nicht stattfinden wrde, wenn die Vernunft ohne Sinnlichkeit (als subjektive Bedingung ihrer Anwendung auf Gegenstnde der Natur), ihrer Kausalitt nach, mithin als Ursache in einer intelligibelen, mit dem moralischen Gesetze durchgngig bereinstimmenden, Welt betrachtet wrde, wo zwischen Sollen und Tun, zwischen einem praktischen Gesetze von dem was durch uns mglich ist, und dem theoretischen von dem was durch uns wirklich ist, kein Unterschied sein wrde. Ob nun aber gleich eine intelligibele Welt, in welcher alles darum wirklich sein wrde, blo nur weil es (als etwas Gutes) mglich ist, und selbst die Freiheit, als formale Bedingung derselben, fr uns ein berschwenglicher Begriff ist, der zu keinem konstitutiven Prinzip, ein Objekt und dessen objektive Realitt zu bestimmen, tauglich ist ; so dient die letztere doch, nach der Beschaffenheit unserer (zum Teil sinnlichen) Natur und Vermgens, fr uns und alle vernnftige mit der Sinnenwelt in Verbindung stehende Wesen, soweit wir sie uns nach der Beschaffenheit unserer Vernunft vorstellen knnen, zu einem allgemeinen regulativen Prinzip, welches die Beschaffenheit der Freiheit, als Form der Kausalitt, nicht objektiv bestimmt, sondern, und zwar mit nicht minderer Gltigkeit, als ob dieses geschhe, die Regel der Handlungen nach jener Idee fr jedermann zu Geboten macht.

Ebenso kann man auch, was unsern vorhabenden Fall betrifft, einrumen : wir wrden zwischen Naturmechanism und Technik der Natur, d. i. Zweckverknpfung in derselben, keinen Unterschied finden, wre unser Verstand nicht von der Art, da er vom Allgemeinen zum Besonderen gehen mu, und die Urteilskraft also in Ansehung des Besondern keine Zweckmigkeit erkennen, mithin keine bestimmende Urteile fllen kann, ohne ein allgemeines Gesetz zu haben, worunter sie jenes subsumieren knne. Da nun aber das Besondere, als ein solches, in Ansehung des Allgemeinen etwas Zuflliges enthlt, gleichwohl aber die Vernunft in der Verbindung besonderer Gesetze der Natur doch auch Einheit, mithin Gesetzlichkeit, erfordert (welche Gesetzlichkeit des Zuflligen Zweckmigkeit heit), und die Ableitung der besonderen Gesetze aus den allgemeinen, in Ansehung dessen was jene Zuflliges in sich enthalten, a priori durch Bestimmung des Begriffs vom Objekte unmglich ist ; so wird der Begriff der Zweckmigkeit der Natur in ihren Produkten ein fr die menschliche Urteilskraft in Ansehung der Natur notwendiger, aber nicht die Bestimmung der Objekte selbst angehender, Begriff sein, also ein subjektives Prinzip der Vernunft fr die Urteilskraft, welches als regulativ (nicht konstitutiv) fr unsere menschliche Urteilskraft ebenso notwendig gilt, als ob es ein objektives Prinzip wre.

 

77

Von der Eigentmlichkeit des menschlichen Verstandes, wodurch uns der Begriff eines Naturzwecks mglich wird

Wir haben in der Anmerkung Eigentmlichkeiten unseres (selbst des oberen) Erkenntnisvermgens, welche wir leichtlich als objektive Prdikate auf die Sachen selbst berzutragen verleitet werden, angefhrt ; aber sie betreffen Ideen, denen angemessen kein Gegenstand in der Erfahrung gegeben werden kann, und die alsdann nur zu regulativen Prinzipien in Verfolgung der letzteren dienen konnten. Mit dem Begriffe eines Naturzwecks verhlt es sich zwar ebenso, was die Ursache der Mglichkeit eines solchen Prdikats betrifft, die nur in der Idee liegen kann ; aber die ihr geme Folge (das Produkt selbst) ist doch in der Natur gegeben, und der Begriff einer Kausalitt der letzteren, als eines nach Zwecken handelnden Wesens, scheint die Idee eines Naturzwecks zu einem konstitutiven Prinzip desselben zu machen : und darin hat sie etwas von allen andern Ideen Unterscheidendes.

Dieses Unterscheidende besteht aber darin : da gedachte Idee nicht ein Vernunftprinzip fr den Verstand, sondern fr die Urteilskraft, mithin lediglich die Anwendung eines Verstandes berhaupt auf mgliche Gegenstnde der Erfahrung ist ; und zwar da, wo das Urteil nicht bestimmend, sondern blo reflektierend sein kann, mithin der Gegenstand zwar in der Erfahrung gegeben, aber darber der Idee gem gar nicht einmal bestimmt (geschweige vllig angemessen) geurteilt, sondern nur ber ihn reflektiert werden kann.

Es betrifft also eine Eigentmlichkeit unseres (menschlichen) Verstandes in Ansehung der Urteilskraft, in der Reflexion derselben ber Dinge der Natur. Wenn das aber ist, so mu hier die Idee von einem andern mglichen Verstande, als dem menschlichen, zum Grunde liegen (so wie wir in der Kritik der r. V. eine andere mgliche Anschauung in Gedanken haben muten, wenn die unsrige als eine besondere Art, nmlich der, fr welche Gegenstnde nur als Erscheinungen gelten, gehalten werden sollte), damit man sagen knne : gewisse Naturprodukte mssen, nach der besonderen Beschaffenheit unseres Verstandes, von uns ihrer Mglichkeit nach als absichtlich und als Zwecke erzeugt, betrachtet werden, ohne doch darum zu verlangen, da es wirklich eine besondere Ursache, welche die Vorstellung eines Zwecks zu ihrem Bestimmungsgrunde hat, gebe, mithin ohne in Abrede zu ziehen, da nicht ein anderer (hherer) Verstand, als der menschliche, auch im Mechanism der Natur d. i. einer Kausalverbindung, zu der nicht ausschlieungsweise ein Verstand als Ursache angenommen wird, den Grund der Mglichkeit solcher Produkte der Natur antreffen knne.

Es kommt hier also auf das Verhalten unseres Verstandes zur Urteilskraft an, da wir nmlich darin eine gewisse Zuflligkeit der Beschaffenheit des unsrigen aufsuchen, um diese Eigentmlichkeit unseres Verstandes, zum Unterschiede von anderen mglichen, anzumerken.

Diese Zuflligkeit findet sich ganz natrlich in dem Besondern, welches die Urteilskraft unter das Allgemeine der Verstandesbegriffe bringen soll ; denn durch das Allgemeine unseres (menschlichen) Verstandes ist das Besondere nicht bestimmt ; und es ist zufllig, auf wie vielerlei Art unterschiedene Dinge, die doch in einem gemeinsamen Merkmale bereinkommen, unserer Wahrnehmung vorkommen knnen. Unser Verstand ist ein Vermgen der Begriffe, d. i. ein diskursiver Verstand, fr den es freilich zufllig sein mu, welcherlei und wie sehr verschieden das Besondere sein mag, das ihm in der Natur gegeben werden und das unter seine Begriffe gebracht werden kann. Weil aber zum Erkenntnis doch auch Anschauung gehrt, und ein Vermgen einer vlligen Spontaneitt der Anschauung ein von der Sinnlichkeit unterschiedenes und davon ganz unabhngiges Erkenntnisvermgen, mithin Verstand in der allgemeinsten Bedeutung sein wrde : so kann man sich auch einen intuitiven Verstand (negativ, nmlich blo als nicht diskursiven) denken, welcher nicht vom Allgemeinen zum Besonderen und so zum Einzelnen (durch Begriffe) geht, und fr welchen jene Zuflligkeit der Zusammenstimmung der Natur in ihren Produkten nach besondern Gesetzen zum Verstande nicht angetroffen wird, welche dem unsrigen es so schwer macht, das Mannigfaltige derselben zur Einheit des Erkenntnisses zu bringen ; ein Geschft, das der unsrige nur durch bereinstimmung der Naturmerkmale zu unserm Vermgen der Begriffe, welche sehr zufllig ist, zustande bringen kann, dessen ein anschauender Verstand aber nicht bedarf.

Unser Verstand hat also das Eigene fr die Urteilskraft, da im Erkenntnis durch denselben, durch das Allgemeine das Besondere nicht bestimmt wird, und dieses also von jenem allein nicht abgeleitet werden kann ; gleichwohl aber dieses Besondere in der Mannigfaltigkeit der Natur zum Allgemeinen (durch Begriffe und Gesetze) zusammenstimmen soll, um darunter subsumiert werden zu knnen, welche Zusammenstimmung unter solchen Umstnden sehr zufllig und fr die Urteilskraft ohne bestimmtes Prinzip sein mu.

Um nun gleichwohl die Mglichkeit einer solchen Zusammenstimmung der Dinge der Natur zur Urteilskraft (welche wir als zufllig, mithin nur durch einen darauf gerichteten Zweck als mglich vorstellen) wenigstens denken zu knnen, mssen wir uns zugleich einen andern Verstand denken, in Beziehung auf welchen, und zwar vor allem ihm beigelegten Zweck, wir jene Zusammenstimmung der Naturgesetze mit unserer Urteilskraft, die fr unsern Verstand nur durch das Verbindungsmittel der Zwecke denkbar ist, als notwendig vorstellen knnen.

Unser Verstand nmlich hat die Eigenschaft, da er in seinem Erkenntnisse, z. B. der Ursache eines Produkts, vom Analytisch-Allgemeinen (von Begriffen) zum Besondern (der gegebenen empirischen Anschauung) gehen mu ; wobei er also in Ansehung der Mannigfaltigkeit des letztern nichts bestimmt, sondern diese Bestimmung fr die Urteilskraft von der Subsumtion der empirischen Anschauung (wenn der Gegenstand ein Naturprodukt ist) unter dem Begriff erwarten mu. Nun knnen wir uns aber auch einen Verstand denken, der, weil er nicht wie der unsrige diskursiv, sondern intuitiv ist, vom Synthetisch-Allgemeinen (der Anschauung eines Ganzen, als eines solchen) zum Besondern geht, d. i. vom Ganzen zu den Teilen ; der also und dessen Vorstellung des Ganzen die Zuflligkeit der Verbindung der Teile nicht in sich enthlt, um eine bestimmte Form des Ganzen mglich zu machen, die unser Verstand bedarf, welcher von den Teilen, als allgemeingedachten Grnden, zu verschiedenen darunter zu subsumierenden mglichen Formen, als Folgen, fortgehen mu. Nach der Beschaffenheit unseres Verstandes ist hingegen ein reales Ganze der Natur nur als Wirkung der konkurrierenden bewegenden Krfte der Teile anzusehen. Wollen wir uns also nicht die Mglichkeit des Ganzen als von den Teilen, wie es unserm diskursiven Verstande gem ist, sondern, nach Magabe des intuitiven (urbildlichen), die Mglichkeit der Teile (ihrer Beschaffenheit und Verbindung nach) als vom Ganzen abhngend vorstellen ; so kann dieses, nach eben derselben Eigentmlichkeit unseres Verstandes, nicht so geschehen, da das Ganze den Grund der Mglichkeit der Verknpfung der Teile (welches in der diskursiven Erkenntnisart Widerspruch sein wrde), sondern nur da die Vorstellung eines Ganzen den Grund der Mglichkeit der Form desselben und der dazu gehrigen Verknpfung der Teile enthalte. Da das Ganze nun aber alsdann eine Wirkung (Produkt) sein wrde, dessen Vorstellung als die Ursache seiner Mglichkeit angesehen wird, das Produkt aber einer Ursache, deren Bestimmungsgrund blo die Vorstellung ihrer Wirkung ist, ein Zweck heit ; so folgt daraus : da es blo eine Folge aus der besondern Beschaffenheit unseres Verstandes sei, wenn wir Produkte der Natur nach einer andern Art der Kausalitt, als der der Naturgesetze der Materie, nmlich nur nach der der Zwecke und Endursachen uns als mglich vorstellen, und da dieses Prinzip nicht die Mglichkeit solcher Dinge selbst (selbst als Phnomene betrachtet) nach dieser Erzeugungsart, sondern nur die unserem Verstande mgliche Beurteilung derselben angehe. Wobei wir zugleich einsehen, warum wir in der Naturkunde mit einer Erklrung der Produkte der Natur durch Kausalitt nach Zwecken lange nicht zufrieden sind, weil wir nmlich in derselben die Naturerzeugung blo unserm Vermgen sie zu beurteilen, d. i. der reflektierenden Urteilskraft, und nicht den Dingen selbst zum Behuf der bestimmenden Urteilskraft angemessen zu beurteilen verlangen. Es ist hiebei auch gar nicht ntig zu beweisen, da ein solcher intellectus archetypus mglich sei, sondern nur, da wir in der Dagegenhaltung unseres diskursiven, der Bilder bedrftigen, Verstandes (intellectus ectypus), und der Zuflligkeit einer solchen Beschaffenheit, auf jene Idee (eines intellectus archetypus) gefhret werden, diese auch keinen Widerspruch enthalte.

Wenn wir nun ein Ganzes der Materie, seiner Form nach, als ein Produkt der Teile und ihrer Krfte und Vermgen, sich von selbst zu verbinden (andere Materien, die diese einander zufhren, hinzugedacht), betrachten : so stellen wir uns eine mechanische Erzeugungsart desselben vor. Aber es kommt auf solche Art kein Begriff von einem Ganzen als Zweck heraus, dessen innere Mglichkeit durchaus die Idee von einem Ganzen voraussetzt, von der selbst die Beschaffenheit und Wirkungsart der Teile abhngt, wie wir uns doch einen organisierten Krper vorstellen mssen. Hieraus folgt aber, wie eben gewiesen worden, nicht, da die mechanische Erzeugung eines solchen Krpers unmglich sei ; denn das wrde soviel sagen, als, es sei eine solche Einheit in der Verknpfung des Mannigfaltigen fr jeden Verstand unmglich (d. i. widersprechend) sich vorzustellen, ohne da die Idee derselben zugleich die erzeugende Ursache derselben sei, d. i. ohne absichtliche Hervorbringung. Gleichwohl wrde dieses in der Tat folgen, wenn wir materielle Wesen, als Dinge an sich selbst, anzusehen berechtigt wren. Denn alsdann wrde die Einheit, welche den Grund der Mglichkeit der Naturbildungen ausmacht, lediglich die Einheit des Raums sein, welcher aber kein Realgrund der Erzeugungen, sondern nur die formale Bedingung derselben ist ; obwohl er mit dem Realgrunde, welchen wir suchen, darin einige hnlichkeit hat, da in ihm kein Teil ohne in Verhltnis auf das Ganze (dessen Vorstellung also der Mglichkeit der Teile zum Grunde liegt) bestimmt werden kann. Da es aber doch wenigstens mglich ist, die materielle Welt als bloe Erscheinung zu betrachten, und etwas als Ding an sich selbst (welches nicht Erscheinung ist) als Substrat zu denken, diesem aber eine korrespondierende intellektuelle Anschauung (wenn sie gleich nicht die unsrige ist) unterzulegen : so wrde ein, obzwar fr uns unerkennbarer, bersinnlicher Realgrund fr die Natur stattfinden, zu der wir selbst mitgehren, in welcher wir also das, was in ihr als Gegenstand der Sinne notwendig ist, nach mechanischen Gesetzen, die Zusammenstimmung und Einheit aber der besonderen Gesetze und der Formen nach denselben, die wir in Ansehung jener als zufllig beurteilen mssen, in ihr als Gegenstande der Vernunft (ja das Naturganze als System) zugleich nach teleologischen Gesetzen betrachten, und sie nach zweierlei Prinzipien beurteilen wrden, ohne da die mechanische Erklrungsart durch die teleologische, als ob sie einander widersprchen, ausgeschlossen wird.

Hieraus lt sich auch das, was man sonst zwar leicht vermuten, aber schwerlich mit Gewiheit behaupten und beweisen konnte, einsehen, da zwar das Prinzip einer mechanischen Ableitung zweckmiger Naturprodukte neben dem teleologischen bestehen, dieses letztere aber keinesweges entbehrlich machen knnte : d. i. man kann an einem Dinge, welches wir als Naturzweck beurteilen mssen (einem organisierten Wesen), zwar alle bekannte und noch zu entdeckende Gesetze der mechanischen Erzeugung versuchen, und auch hoffen drfen damit guten Fortgang zu haben, niemals aber der Berufung auf einen davon ganz unterschiedenen Erzeugungsgrund, nmlich der Kausalitt durch Zwecke, fr die Mglichkeit eines solchen Produkts berhoben sein ; und schlechterdings kann keine menschliche Vernunft (auch keine endliche, die der Qualitt nach der unsrigen hnlich wre, sie aber dem Grade nach noch so sehr berstiege) die Erzeugung auch nur eines Grschens aus blo mechanischen Ursachen zu verstehen hoffen. Denn, wenn die teleologische Verknpfung der Ursachen und Wirkungen zur Mglichkeit eines solchen Gegenstandes fr die Urteilskraft ganz unentbehrlich ist, selbst um diese nur am Leitfaden der Erfahrung zu studieren ; wenn fr uere Gegenstnde, als Erscheinungen, ein sich auf Zwecke beziehender hinreichender Grund gar nicht angetroffen werden kann, sondern dieser, der auch in der Natur liegt, doch nur im bersinnlichen Substrat derselben gesucht werden mu, von welchem uns aber alle mgliche Einsicht abgeschnitten ist : so ist es uns schlechterdings unmglich, aus der Natur selbst hergenommene Erklrungsgrnde fr Zweckverbindungen zu schpfen, und es ist nach der Beschaffenheit des menschlichen Erkenntnisvermgens notwendig, den obersten Grund dazu in einem ursprnglichen Verstande als Weltursache zu suchen.

 

78

Von der Vereinigung des Prinzips des allgemeinen Mechanismus der Materie mit dem teleologischen in der Technik der Natur

Es liegt der Vernunft unendlich viel daran, den Mechanism der Natur in ihren Erzeugungen nicht fallenzulassen und in der Erklrung derselben nicht vorbeizugehen ; weil ohne diesen keine Einsicht in die Natur der Dinge erlangt werden kann. Wenn man uns gleich einrumt : da ein hchster Architekt die Formen der Natur, so wie sie von je her da sind, unmittelbar geschaffen, oder die, welche sich in ihrem Laufe kontinuierlich nach ebendemselben Muster bilden, prdeterminiert habe : so ist doch dadurch unsere Erkenntnis der Natur nicht im mindesten gefrdert ; weil wir jenes Wesens Handlungsart und die Ideen desselben, welche die Prinzipien der Mglichkeit der Naturwesen enthalten sollen, gar nicht kennen, und von demselben als von oben herab (a priori) die Natur nicht erklren knnen. Wollen wir aber von den Formen der Gegenstnde der Erfahrung, also von unten hinauf (a posteriori), weil wir in diesen Zweckmigkeit anzutreffen glauben, um diese zu erklren, uns auf eine nach Zwecken wirkende Ursache berufen ; so wrden wir ganz tautologisch erklren, und die Vernunft mit Worten tuschen, ohne noch zu erwhnen : da da, wo wir uns mit dieser Erklrungsart ins berschwengliche verlieren, wohin uns die Naturerkenntnis nicht folgen kann, die Vernunft dichterisch zu schwrmen verleitet wird, welches zu verhten eben ihre vorzglichste Bestimmung ist.

Von der andern Seite ist es eine ebensowohl notwendige Maxime der Vernunft, das Prinzip der Zwecke an den Produkten der Natur nicht vorbeizugehen : weil es, wenn es gleich die Entstehungsart derselben uns eben nicht begreiflicher macht, doch ein heuristisches Prinzip ist, den besondern Gesetzen der Natur nachzuforschen ; gesetzt auch, da man davon keinen Gebrauch machen wollte, um die Natur selbst darnach zu erklren, indem man sie so lange, ob sie gleich absichtliche Zweckeinheit augenscheinlich darlegen, noch immer nur Naturzwecke nennt, d. i. ohne ber die Natur hinaus den Grund der Mglichkeit derselben zu suchen. Weil es aber doch am Ende zur Frage wegen der letzteren kommen mu : so ist es eben so notwendig fr sie, eine besondere Art der Kausalitt, die sich nicht in der Natur vorfindet, zu denken, als die Mechanik der Naturursachen die ihrige hat, indem zu der Rezeptivitt mehrerer und anderer Formen, als deren die Materie nach der letzteren fhig ist, noch eine Spontaneitt einer Ursache (die also nicht Materie sein kann) hinzukommen mu, ohne welche von jenen Formen kein Grund angegeben werden kann. Zwar mu die Vernunft, ehe sie diesen Schritt tut, behutsam verfahren, und nicht jede Technik der Natur, d. i. ein produktives Vermgen derselben, welches Zweckmigkeit der Gestalt fr unsere bloe Apprehension an sich zeigt (wie bei regulren Krpern), fr teleologisch zu erklren suchen, sondern immer so lange fr blo mechanisch-mglich ansehen ; allein darber das teleologische Prinzip gar ausschlieen, und, wo die Zweckmigkeit, fr die Vernunftuntersuchung der Mglichkeit der Naturformen, durch ihre Ursachen, sich ganz unleugbar als Beziehung auf eine andere Art der Kausalitt zeigt, doch immer den bloen Mechanism befolgen wollen, mu die Vernunft ebenso phantastisch und unter Hirngespinsten von Naturvermgen, die sich gar nicht denken lassen, herumschweifend machen, als eine blo teleologische Erklrungsart, die gar keine Rcksicht auf den Naturmechanism nimmt, sie schwrmerisch machte.

An einem und eben demselben Dinge der Natur lassen sich nicht beide Prinzipien, als Grundstze der Erklrung (Deduktion) eines von dem andern, verknpfen, d. i. als dogmatische und konstitutive Prinzipien der Natureinsicht fr die bestimmende Urteilskraft, vereinigen. Wenn ich z. B. von einer Made annehme, sie sei als Produkt des bloen Mechanismus der Materie (der neuen Bildung, die sie fr sich selbst bewerkstelligt, wenn ihre Elemente durch Fulnis in Freiheit gesetzt werden) anzusehen : so kann ich nun nicht von ebenderselben Materie, als einer Kausalitt nach Zwecken zu handeln, ebendasselbe Produkt ableiten. Umgekehrt, wenn ich dasselbe Produkt als Naturzweck annehme, kann ich nicht auf eine mechanische Erzeugungsart desselben rechnen und solche als konstitutives Prinzip zur Beurteilung desselben seiner Mglichkeit nach annehmen, und so beide Prinzipien vereinigen. Denn eine Erklrungsart schliet die andere aus ; gesetzt auch, da objektiv beide Grnde der Mglichkeit eines solchen Produkts auf einem einzigen beruheten, wir aber auf diesen nicht Rcksicht nhmen. Das Prinzip, welches die Vereinbarkeit beider in Beurteilung der Natur nach denselben mglich machen soll, mu in dem, was auerhalb beiden (mithin auch auer der mglichen empirischen Naturvorstellung) liegt, von dieser aber doch den Grund enthlt, d. i. im bersinnlichen, gesetzt, und eine jede beider Erklrungsarten darauf bezogen werden. Da wir nun von diesem nichts als den unbestimmten Begriff eines Grundes haben knnen, der die Beurteilung der Natur nach empirischen Gesetzen mglich macht, brigens aber ihn durch kein Prdikat nher bestimmen knnen ; so folgt, da die Vereinigung beider Prinzipien nicht auf einem Grunde der Erklrung (Explikation) der Mglichkeit eines Produkts nach gegebenen Gesetzen fr die bestimmende, sondern nur auf einem Grunde der Errterung (Exposition) derselben fr die reflektierende Urteilskraft beruhen knne. Denn Erklren heit von einem Prinzip ableiten, welches man also deutlich mu erkennen und angeben knnen. Nun mssen zwar das Prinzip des Mechanisms der Natur und das der Kausalitt derselben nach Zwecken an einem und ebendemselben Naturprodukte in einem einzigen oberen Prinzip zusammenhngen und daraus gemeinschaftlich abflieen, weil sie sonst in der Naturbetrachtung nicht nebeneinander bestehen knnten. Wenn aber dieses objektiv-gemeinschaftliche, und also auch die Gemeinschaft der davon abhngenden Maxime der Naturforschung berechtigende, Prinzip von der Art ist, da es zwar angezeigt, nie aber bestimmt erkannt und fr den Gebrauch in vorkommenden Fllen deutlich angegeben werden kann ; so lt sich aus einem solchen Prinzip keine Erklrung, d. i. deutliche und bestimmte Ableitung der Mglichkeit eines nach jenen zwei heterogenen Prinzipien mglichen Naturprodukts ziehen. Nun ist aber das gemeinschaftliche Prinzip der mechanischen einerseits und der teleologischen Ableitung andrerseits das bersinnliche, welches wir der Natur als Phnomen unterlegen mssen. Von diesem aber knnen wir uns in theoretischer Absicht nicht den mindesten bejahend bestimmten Begriff machen. Wie also nach demselben, als Prinzip, die Natur (nach ihren besondern Gesetzen) fr uns ein System ausmacht, welches sowohl nach dem Prinzip der Erzeugung von physischen als dem der Endursachen als mglich erkannt werden knne : lt sich keinesweges erklren ; sondern nur, wenn es sich zutrgt, da Gegenstnde der Natur vorkommen, die nach dem Prinzip des Mechanisms (welches jederzeit an einem Naturwesen Anspruch hat) ihrer Mglichkeit nach, ohne uns auf teleologische Grundstze zu sttzen, von uns nicht knnen gedacht werden, voraussetzen, da man nur getrost beiden gem den Naturgesetzen nachforschen drfe (nachdem die Mglichkeit ihres Produkts, aus einem oder dem andern Prinzip unserm Verstande erkennbar ist), ohne sich an den scheinbaren Widerstreit zu stoen, der sich zwischen den Prinzipien der Beurteilung desselben hervortut : weil wenigstens die Mglichkeit, da beide auch objektiv in einem Prinzip vereinbar sein mchten (da sie Erscheinungen betreffen, die einen bersinnlichen Grund voraussetzen), gesichert ist.

Ob also gleich sowohl der Mechanism als der teleologische (absichtliche) Technizism der Natur in Ansehung ebendesselben Produkts und seiner Mglichkeit, unter einem gemeinschaftlichen obern Prinzip der Natur nach besondern Gesetzen stehen mgen ; so knnen wir doch, da dieses Prinzip transzendent ist, nach der Eingeschrnktheit unseres Verstandes beide Prinzipien in der Erklrung ebenderselben Naturerzeugung alsdann nicht vereinigen, wenn selbst die innere Mglichkeit dieses Produkts nur durch eine Kausalitt nach Zwecken verstndlich ist (wie organisierte Materien von der Art sind). Es bleibt also bei dem obigen Grundsatze der Teleologie : da, nach der Beschaffenheit des menschlichen Verstandes, fr die Mglichkeit organischer Wesen in der Natur keine andere als absichtlich wirkende Ursache knne angenommen werden, und der bloe Mechanism der Natur zur Erklrung dieser ihrer Produkte gar nicht hinlnglich sein knne ; ohne doch dadurch in Ansehung der Mglichkeit solcher Dinge selbst durch diesen Grundsatz entscheiden zu wollen.

Da nmlich dieser nur eine Maxime der reflektierenden, nicht der bestimmenden Urteilskraft ist, daher nur subjektiv fr uns, nicht objektiv fr die Mglichkeit dieser Art Dinge selbst, gilt (wo beiderlei Erzeugungsarten wohl in einem und demselben Grunde zusammenhngen knnten) ; da ferner, ohne allen zu der teleologisch-gedachten Erzeugungsart hinzukommenden Begriff von einem dabei zugleich anzutreffenden Mechanism der Natur, dergleichen Erzeugung gar nicht als Naturprodukt beurteilt werden knnte : so fhrt obige Maxime zugleich die Notwendigkeit einer Vereinigung beider Prinzipien in der Beurteilung der Dinge als Naturzwecke bei sich, aber nicht um eine ganz, oder in gewissen Stcken, an die Stelle der andern zu setzen. Denn an die Stelle dessen, was (von uns wenigstens) nur als nach Absicht mglich gedacht wird, lt sich kein Mechanism ; und an die Stelle dessen, was nach diesem als notwendig erkannt wird, lt sich keine Zuflligkeit, die eines Zwecks zum Bestimmungsgrunde bedrfe, annehmen : sondern nur die eine (der Mechanism) der andern (dem absichtlichen Technizism) unterordnen, welches, nach dem transzendentalen Prinzip der Zweckmigkeit der Natur, ganz wohl geschehen darf.

Denn, wo Zwecke als Grnde der Mglichkeit gewisser Dinge gedacht werden, da mu man auch Mittel annehmen, deren Wirkungsgesetz fr sich nichts einen Zweck Voraussetzendes bedarf, mithin mechanisch und doch eine untergeordnete Ursache absichtlicher Wirkungen sein kann. Daher lt sich selbst in organischen Produkten der Natur, noch mehr aber, wenn wir, durch die unendliche Menge derselben veranlat, das Absichtliche in der Verbindung der Naturursachen nach besondern Gesetzen nun auch (wenigstens durch erlaubte Hypothese) zum allgemeinen Prinzip der reflektierenden Urteilskraft fr das Naturganze (die Welt) annehmen, eine groe und sogar allgemeine Verbindung der mechanischen Gesetze mit den teleologischen in den Erzeugungen der Natur denken, ohne die Prinzipien der Beurteilung derselben zu verwechseln und eines an die Stelle des andern zu setzen ; weil in einer teleologischen Beurteilung die Materie, selbst, wenn die Form, welche sie annimmt, nur als nach Absicht mglich beurteilt wird, doch, ihrer Natur nach mechanischen Gesetzen gem, jenem vorgestellten Zwecke auch zum Mittel untergeordnet sein kann : wiewohl, da der Grund dieser Vereinbarkeit in demjenigen liegt, was weder das eine noch das andere (weder Mechanism, noch Zweckverbindung), sondern das bersinnliche Substrat der Natur ist, von dem wir nichts erkennen, fr unsere (die menschliche) Vernunft beide Vorstellungsarten der Mglichkeit solcher Objekte nicht zusammenzuschmelzen sind, sondern wir sie nicht anders, als nach der Verknpfung der Endursachen, auf einem obersten Verstande gegrndet beurteilen knnen, wodurch also der teleologischen Erklrungsart nichts benommen wird.

Weil nun aber ganz unbestimmt, und fr unsere Vernunft auch auf immer unbestimmbar ist, wieviel der Mechanism der Natur als Mittel zu jeder Endabsicht in derselben tue ; und, wegen des oben erwhnten intelligibelen Prinzips der Mglichkeit einer Natur berhaupt, gar angenommen werden kann, da sie durchgngig nach beiderlei allgemein zusammenstimmenden Gesetzen (den physischen und den der Endursachen) mglich sei, wiewohl wir die Art, wie dieses zugehe, gar nicht einsehen knnen : so wissen wir auch nicht, wie weit die fr uns mgliche mechanische Erklrungsart gehe, sondern nur so viel gewi : da, so weit wir nur immer darin kommen mgen, sie doch allemal fr Dinge, die wir einmal als Naturzwecke anerkennen, unzureichend sein, und wir also nach der Beschaffenheit unseres Verstandes jene Grnde insgesamt einem teleologischen Prinzip unterordnen mssen.

Hierauf grndet sich nun die Befugnis, und, wegen der Wichtigkeit, welche das Naturstudium nach dem Prinzip des Mechanisms fr unsern theoretischen Vernunftgebrauch hat, auch der Beruf : alle Produkte und Ereignisse der Natur, selbst die zweckmigsten, so weit mechanisch zu erklren, als es immer in unserm Vermgen (dessen Schranken wir innerhalb dieser Untersuchungsart nicht angeben knnen) steht ; dabei aber niemals aus den Augen zu verlieren, da wir die, welche wir allein unter dem Begriffe vom Zwecke der Vernunft zur Untersuchung selbst auch nur aufstellen knnen, der wesentlichen Beschaffenheit unserer Vernunft gem, jene mechanischen Ursachen ungeachtet, doch zuletzt der Kausalitt nach Zwecken unterordnen mssen.

 

 

Anhang

Methodenlehre der teleologischen Urteilskraft

 

79

Ob die Teleologie, als zur Naturlehre gehrend, abgehandelt werden msse

Eine jede Wissenschaft mu in der Enzyklopdie aller Wissenschaften ihre bestimmte Stelle haben. Ist es eine philosophische Wissenschaft, so mu ihr ihre Stelle in dem theoretischen oder praktischen Teil derselben, und, hat sie ihren Platz im ersteren, entweder in der Naturlehre, sofern sie das, was Gegenstand der Erfahrung sein kann, erwgt (folglich der Krperlehre, der Seelenlehre, und allgemeinen Weltwissenschaft), oder in der Gotteslehre (von dem Urgrunde der Welt als Inbegriff aller Gegenstnde der Erfahrung) angewiesen werden.

Nun fragt sich : Welche Stelle gebhrt der Teleologie ? Gehrt sie zur (eigentlich sogenannten) Naturwissenschaft, oder zur Theologie ? Eins von beiden mu sein ; denn zum bergange aus einer in die andere kann gar keine Wissenschaft gehren, weil dieser nur die Artikulation oder Organisation des Systems und keinen Platz in demselben bedeutet.

Da sie in die Theologie als ein Teil derselben nicht gehre, obgleich in derselben von ihr der wichtigste Gebrauch gemacht werden kann, ist fr sich selbst klar. Denn sie hat Naturerzeugungen und die Ursache derselben zu ihrem Gegenstande ; und, ob sie gleich auf die letztere, als einen auer und ber die Natur belegenen Grund (gttlichen Urheber), hinausweiset, so tut sie dieses doch nicht fr die bestimmende, sondern nur (um die Beurteilung der Dinge in der Welt durch eine solche Idee, dem menschlichen Verstande angemessen, als regulatives Prinzip zu leiten) blo fr die reflektierende Urteilskraft in der Naturbetrachtung.

Ebensowenig scheint sie aber auch in die Naturwissenschaft zu gehren, welche bestimmender und nicht blo reflektierender Prinzipien bedarf, um von Naturwirkungen objektive Grnde anzugeben. In der Tat ist auch fr die Theorie der Natur, oder die mechanische Erklrung der Phnomene derselben, durch ihre wirkenden Ursachen, dadurch nichts gewonnen, da man sie nach dem Verhltnisse der Zwecke zueinander betrachtet. Die Aufstellung der Zwecke der Natur an ihren Produkten, sofern sie ein System nach teleologischen Begriffen ausmachen, ist eigentlich nur zur Naturbeschreibung gehrig, welche nach einem besondern Leitfaden abgefasset ist : wo die Vernunft zwar ein herrliches unterrichtendes und praktisch in mancherlei Absicht zweckmiges Geschft verrichtet, aber ber das Entstehen und die innere Mglichkeit dieser Formen gar keinen Aufschlu gibt, worum es doch der theoretischen Naturwissenschaft eigentlich zu tun ist.

Die Teleologie, als Wissenschaft, gehrt also zu gar keiner Doktrin, sondern nur zur Kritik, und zwar eines besonderen Erkenntnisvermgens, nmlich der Urteilskraft. Aber sofern sie Prinzipien a priori enthlt, kann und mu sie die Methode, wie ber die Natur nach dem Prinzip der Endursachen geurteilt werden msse, angeben ; und so hat ihre Methodenlehre wenigstens negativen Einflu auf das Verfahren in der theoretischen Naturwissenschaft, und auch auf das Verhltnis, welches diese in der Metaphysik zur Theologie, als Propdeutik derselben, haben kann.

 

80

Von der notwendigen Unterordnung des Prinzips des Mechanismus unter dem teleologischen in Erklrung eines Dinges als Naturzwecks

Die Befugnis, auf eine blo mechanische Erklrungsart aller Naturprodukte auszugehen, ist an sich ganz unbeschrnkt ; aber das Vermgen damit allein auszulangen, ist, nach der Beschaffenheit unseres Verstandes, sofern er es mit Dingen als Naturzwecken zu tun hat, nicht allein sehr beschrnkt, sondern auch deutlich begrenzt : nmlich so, da, nach einem Prinzip der Urteilskraft, durch das erstere Verfahren allein zur Erklrung der letzteren gar nichts ausgerichtet werden knne, mithin die Beurteilung solcher Produkte jederzeit von uns zugleich einem teleologischen Prinzip untergeordnet werden msse.

Es ist daher vernnftig, ja verdienstlich, dem Naturmechanism, zum Behuf einer Erklrung der Naturprodukte, so weit nachzugehen, als es mit Wahrscheinlichkeit geschehen kann, ja diesen Versuch nicht darum aufzugeben, weil es an sich unmglich sei, auf seinem Wege mit der Zweckmigkeit der Natur zusammenzutreffen, sondern nur darum, weil es fr uns als Menschen unmglich ist ; indem dazu eine andere als sinnliche Anschauung und ein bestimmtes Erkenntnis des intelligibelen Substrats der Natur, woraus selbst von dem Mechanism der Erscheinungen nach besondern Gesetzen Grund angegeben werden knne, erforderlich sein wrde, welches alles unser Vermgen gnzlich bersteigt.

Damit also der Naturforscher nicht auf reinen Verlust arbeite, so mu er in Beurteilung der Dinge, deren Begriff als Naturzwecke unbezweifelt gegrndet ist (organisierter Wesen), immer irgendeine ursprngliche Organisation zum Grunde legen, welche jenen Mechanism selbst benutzt, um andere organisierte Formen hervorzubringen, oder die seinige zu neuen Gestalten (die doch aber immer aus jenem Zwecke und ihm gem erfolgen) zu entwickeln.

Es ist rhmlich, vermittelst einer komparativen Anatomie die groe Schpfung organisierter Naturen durchzugehen, um zu sehen : ob sich daran nicht etwas einem System hnliches, und zwar dem Erzeugungsprinzip nach, vorfinde ; ohne da wir ntig haben, beim bloen Beurteilungsprinzip (welches fr die Einsicht ihrer Erzeugung keinen Aufschlu gibt) stehenzubleiben, und mutlos allen Anspruch auf Natureinsicht in diesem Felde aufzugeben. Die bereinkunft so vieler Tiergattungen in einem gewissen gemeinsamen Schema, das nicht allein in ihrem Knochenbau, sondern auch in der Anordnung der brigen Teile zum Grunde zu liegen scheint, wo bewundrungswrdige Einfalt des Grundrisses durch Verkrzung einer und Verlngerung anderer, durch Einwickelung dieser und Auswickelung jener Teile eine so groe Mannigfaltigkeit von Spezies hat hervorbringen knnen, lt einen obgleich schwachen Strahl von Hoffnung in das Gemt fallen, da hier wohl etwas mit dem Prinzip des Mechanismus der Natur, ohne welches es berhaupt keine Naturwissenschaft geben kann, auszurichten sein mchte. Diese Analogie der Formen, sofern sie bei aller Verschiedenheit einem gemeinschaftlichen Urbilde gem erzeugt zu sein scheinen, verstrkt die Vermutung einer wirklichen Verwandtschaft derselben in der Erzeugung von einer gemeinschaftlichen Urmutter, durch die stufenartige Annherung einer Tiergattung zur andern, von derjenigen an, in welcher das Prinzip der Zwecke am meisten bewhrt zu sein scheint, nmlich dem Menschen, bis zum Polyp, von diesem sogar bis zu Moosen und Flechten, und endlich zu der niedrigsten uns merklichen Stufe der Natur, zur rohen Materie : aus welcher und ihren Krften, nach mechanischen Gesetzen (gleich denen, wornach sie in Kristallerzeugungen wirkt), die ganze Technik der Natur, die uns in organisierten Wesen so unbegreiflich ist, da wir uns dazu ein anderes Prinzip zu denken gentigt glauben, abzustammen scheint.

Hier steht es nun dem Archologen der Natur frei, aus den briggebliebenen Spuren ihrer ltesten Revolutionen, nach allem ihm bekannten oder gemutmaten Mechanism derselben, jene groe Familie von Geschpfen (denn so mte man sie sich vorstellen, wenn die genannte durchgngig zusammenhngende Verwandtschaft einen Grund haben soll) entspringen zu lassen. Er kann den Mutterscho der Erde, die eben aus ihrem chaotischen Zustande herausging (gleichsam als ein groes Tier), anfnglich Geschpfe von minder-zweckmiger Form, diese wiederum andere, welche angemessener ihrem Zeugungsplatze und ihrem Verhltnisse untereinander sich ausbildeten, gebren lassen ; bis diese Gebrmutter selbst, erstarrt, sich verknchert, ihre Geburten auf bestimmte fernerhin nicht ausartende Spezies eingeschrnkt htte, und die Mannigfaltigkeit so bliebe, wie sie am Ende der Operation jener fruchtbaren Bildungskraft ausgefallen war. Allein er mu gleichwohl zu dem Ende dieser allgemeinen Mutter eine auf alle diese Geschpfe zweckmig gestellte Organisation beilegen, widrigenfalls die Zweckform der Produkte des Tier- und Pflanzenreichs ihrer Mglichkeit nach gar nicht zu denken ist.* Alsdann aber hat er den Erklrungsgrund nur weiter aufgeschoben, und kann sich nicht anmaen, die Erzeugung jener zwei Reiche von der Bedingung der Endursachen unabhngig gemacht zu haben.

Selbst, was die Vernderung betrifft, welcher gewisse Individuen der organisierten Gattungen zuflligerweise unterworfen werden, wenn man findet, da ihr so abgenderter Charakter erblich und in die Zeugungskraft aufgenommen wird, so kann sie nicht fglich anders denn als gelegentliche Entwickelung einer in der Spezies ursprnglich vorhandenen zweckmigen Anlage zur Selbsterhaltung der Art, beurteilt werden ; weil das Zeugen seinesgleichen, bei der durchgngigen inneren Zweckmigkeit eines organisierten Wesens, mit der Bedingung nichts in die Zeugungskraft aufzunehmen, was nicht auch in einem solchen System von Zwecken zu einer der unentwickelten ursprnglichen Anlagen gehrt, so nahe verbunden ist. Denn, wenn man von diesem Prinzip abgeht, so kann man mit Sicherheit nicht wissen, ob nicht mehrere Stcke der jetzt an einer Spezies unzutreffenden Form ebenso zuflligen zwecklosen Ursprungs sein mgen ; und das Prinzip der Teleologie : in einem organisierten Wesen nichts von dem, was sich in der Fortpflanzung desselben erhlt, als unzweckmig zu beurteilen, mte dadurch in der Anwendung sehr unzuverlssig werden, und lediglich fr den Urstamm (den wir aber nicht mehr kennen) gltig sein.

Hume macht wider diejenigen, welche fr alle solche Naturzwecke ein teleologisches Prinzip der Beurteilung, d. i. einen architektonischen Verstand anzunehmen ntig finden, die Einwendung : da man mit ebendem Rechte fragen knnte, wie denn ein solcher Verstand mglich sei, d. i. wie die mancherlei Vermgen und Eigenschaften, welche die Mglichkeit eines Verstandes, der zugleich ausfhrende Macht hat, ausmachen, sich so zweckmig in einem Wesen haben zusammenfinden knnen. Allein dieser Einwurf ist nichtig. Denn die ganze Schwierigkeit, welche die Frage wegen der ersten Erzeugung eines in sich selbst Zwecke enthaltenden und durch sie allein begreiflichen Dinges umgibt, beruht auf der Nachfrage nach Einheit des Grundes der Verbindung des Mannigfaltigen auer einander in diesem Produkte ; da denn, wenn dieser Grund in dem Verstande einer hervorbringenden Ursache als einfacher Substanz gesetzt wird, jene Frage, sofern sie teleologisch ist, hinreichend beantwortet wird, wenn aber die Ursache blo in der Materie, als einem Aggregat vieler Substanzen auer einander, gesucht wird, die Einheit des Prinzips fr die innerlich zweckmige Form ihrer Bildung gnzlich ermangelt ; und die Autokratie der Materie in Erzeugungen, welche von unserm Verstande nur als Zwecke begriffen werden knnen, ist ein Wort ohne Bedeutung.

Daher kommt es, da diejenigen, welche fr die objektiv-zweckmigen Formen der Materie einen obersten Grund der Mglichkeit derselben suchen, ohne ihm eben einen Verstand zuzugestehen, das Weltganze doch gern zu einer einigen, allbefassenden Substanz (Pantheism), oder (welches nur eine bestimmtere Erklrung des Vorigen ist) zu einem Inbegriffe vieler einer einigen einfachen Substanz inhrierenden Bestimmungen (Spinozism), machen, blo um jede Bedingung aller Zweckmigkeit, die Einheit des Grundes, herauszubekommen ; wobei sie zwar einer Bedingung der Aufgabe, nmlich der Einheit in der Zweckbeziehung, vermittelst des blo ontologischen Begriffs einer einfachen Substanz, ein Genge tun, aber fr die andere Bedingung, nmlich das Verhltnis derselben zu ihrer Folge als Zweck, wodurch jener ontologische Grund fr die Frage nher bestimmt werden soll, nichts anfhren, mithin die ganze Frage keinesweges beantworten. Auch bleibt sie schlechterdings unbeantwortlich (fr unsere Vernunft), wenn wir jenen Urgrund der Dinge nicht als einfache Substanz und dieser ihre Eigenschaft zu der spezifischen Beschaffenheit der auf sie sich grndenden Naturformen, nmlich der Zweckeinheit, nicht als die einer intelligenten Substanz, das Verhltnis aber derselben zu den letzteren (wegen der Zuflligkeit, die wir an allem finden, was wir uns nur als Zweck mglich denken), nicht als das Verhltnis einer Kausalitt uns vorstellen.

 

* Eine Hypothese von solcher Art kann man ein gewagtes Abenteuer der Vernunft nennen ; und es mgen wenige, selbst von den scharfsinnigsten Naturforschern, sein, denen es nicht bisweilen durch den Kopf gegangen wre. Denn ungereimt ist es eben nicht, wie die generatio aequivoca, worunter man die Erzeugung eines organisierten Wesens durch die Mechanik der rohen unorganisierten Materie versteht. Sie wre immer noch generatio univoca in der allgemeinsten Bedeutung des Worts, sofern nur etwas Organisches aus einem andern Organischen, obzwar unter dieser Art Wesen spezifisch von ihm unterschiedenen, erzeugt wrde ; z. B. wenn gewisse Wassertiere sich nach und nach zu Sumpftieren, und aus diesen, nach einigen Zeugungen, zu Landtieren ausbildeten. A priori, im Urteile der bloen Vernunft, widerstreitet sich das nicht. Allein die Erfahrung zeigt davon kein Beispiel ; nach der vielmehr alle Zeugung, die wir kennen, generatio homonyma ist, nicht blo univoca, im Gegensatz mit der Zeugung aus unorganisiertem Stoffe, sondern auch ein in der Organisation selbst mit dem Erzeugenden gleichartiges Produkt hervorbringt, und die generatio heteronyma, soweit unsere Erfahrungskenntnis der Natur reicht, nirgend angetroffen wird.

 

81

Von der Beigesellung des Mechanismus, zum teleologischen Prinzip in der Erklrung eines Naturzwecks als Naturprodukts

Gleich wie der Mechanism der Natur nach dem vorhergehenden allein nicht zulangen kann, um sich die Mglichkeit eines organisierten Wesens darnach zu denken, sondern (wenigstens nach der Beschaffenheit unsers Erkenntnisvermgens) einer absichtlich wirkenden Ursache ursprnglich untergeordnet werden mu : so langt ebensowenig der bloe teleologische Grund eines solchen Wesens hin, es zugleich als ein Produkt der Natur zu betrachten und zu beurteilen, wenn nicht der Mechanism des letzteren dem ersteren beigesellt wird, gleichsam als das Werkzeug einer absichtlich wirkenden Ursache, deren Zwecke die Natur in ihren mechanischen Gesetzen gleichwohl untergeordnet ist. Die Mglichkeit einer solchen Vereinigung zweier ganz verschiedener Arten von Kausalitt, der Natur in ihrer allgemeinen Gesetzmigkeit, mit einer Idee, welche jene auf eine besondere Form einschrnkt, wozu sie fr sich gar keinen Grund enthlt, begreift unsere Vernunft nicht ; sie liegt im bersinnlichen Substrat der Natur, wovon wir nichts bejahend bestimmen knnen, als da es das Wesen an sich sei, von welchem wir blo die Erscheinung kennen. Aber das Prinzip : alles, was wir als zu dieser Natur (phaenomenon) gehrig und als Produkt derselben annehmen, auch nach mechanischen Gesetzen mit ihr verknpft denken zu mssen, bleibt nichtsdestoweniger in seiner Kraft ; weil, ohne diese Art von Kausalitt, organisierte Wesen, als Zwecke der Natur, doch keine Naturprodukte sein wrden.

Wenn nun das teleologische Prinzip der Erzeugung dieser Wesen angenommen wird (wie es denn nicht anders sein kann) ; so kann man entweder den Okkasionalism, oder den Prstabilism der Ursache ihrer innerlich zweckmigen Form zum Grunde legen. Nach dem ersteren wrde die oberste Weltursache, ihrer Idee gem, bei Gelegenheit einer jeden Begattung der in derselben sich mischenden Materie unmittelbar die organische Bildung geben ; nach dem zweiten, wrde sie in die anfnglichen Produkte dieser ihrer Weisheit nur die Anlage gebracht haben, vermittelst deren ein organisches Wesen seinesgleichen hervorbringt und die Spezies sich selbst bestndig erhlt, imgleichen der Abgang der Individuen durch ihre zugleich an ihrer Zerstrung arbeitende Natur kontinuierlich ersetzt wird. Wenn man den Okkasionalism der Hervorbringung organisierter Wesen annimmt, so geht alle Natur hiebei gnzlich verloren, mit ihr auch aller Vernunftgebrauch, ber die Mglichkeit einer solchen Art Produkte zu urteilen ; daher man voraussetzen kann, da niemand dieses System annehmen wird, dem es irgend um Philosophie zu tun ist.

Der Prstabilism kann nun wiederum auf zwiefache Art verfahren. Er betrachtet nmlich ein jedes von seinesgleichen gezeugte organische Wesen entweder als das Edukt, oder als das Produkt des ersteren. Das System der Zeugungen als bloer Edukte heit das der individuellen Prformation, oder auch die Evolutionstheorie ; das der Zeugungen als Produkte wird das System der Epigenesis genannt. Dieses letztere kann auch System der generischen Prformation genannt werden ; weil das produktive Vermgen der Zeugenden doch nach den inneren zweckmigen Anlagen, die ihrem Stamme zuteil wurden, also die spezifische Form virtualiter prformiert war. Diesem gem wrde man die entgegenstehende Theorie der individuellen Prformation auch besser Involutionstheorie (oder die der Einschachtelung) nennen knnen.

Die Verfechter der Evolutionstheorie, welche jedes Individuum von der bildenden Kraft der Natur ausnehmen, um es unmittelbar aus der Hand des Schpfers kommen zu lassen, wollten es also doch nicht wagen, dieses nach der Hypothese des Okkasionalisms geschehen zu lassen, so da die Begattung eine bloe Formalitt wre, unter der eine oberste verstndige Weltursache beschlossen htte, jedesmal eine Frucht mit unmittelbarer Hand zu bilden und der Mutter nur die Auswickelung und Ernhrung derselben zu berlassen. Sie erklrten sich fr die Prformation ; gleich als wenn es nicht einerlei wre, bernatrlicherweise, im Anfange, oder im Fortlaufe der Welt, dergleichen Formen entstehen zu lassen, und nicht vielmehr eine groe Menge bernatrlicher Anstalten durch gelegentliche Schpfung erspart wrde, welche erforderlich wren, damit der im Anfange der Welt gebildete Embryo die lange Zeit hindurch, bis zu seiner Entwickelung, nicht von den zerstrenden Krften der Natur litte und sich unverletzt erhielte, imgleichen eine unermelich grere Zahl solcher vorgebildeten Wesen, als jemals entwickelt werden sollten, und mit ihnen ebensoviel Schpfungen dadurch unntig und zwecklos gemacht wrden. Allein sie wollten doch wenigstens etwas hierin der Natur berlassen, um nicht gar in vllige Hyperphysik zu geraten, die aller Naturerklrung entbehren kann. Sie hielten zwar noch fest an ihrer Hyperphysik, selbst da sie an Migeburten (die man doch unmglich fr Zwecke der Natur halten kann) eine bewunderungswrdige Zweckmigkeit fanden, sollte sie auch nur darauf abgezielt sein, da ein Anatomiker einmal daran, als einer zwecklosen Zweckmigkeit, Ansto nehmen und niederschlagende Bewunderung fhlen sollte. Aber die Erzeugung der Bastarde konnten sie schlechterdings nicht in das System der Prformation hineinpassen, sondern muten dem Samen der mnnlichen Geschpfe, dem sie brigens nichts als die mechanische Eigenschaft, zum ersten Nahrungsmittel des Embryo zu dienen, zugestanden hatten, doch noch obenein eine zweckmig bildende Kraft zugestehen : welche sie doch in Ansehung des ganzen Produkts einer Erzeugung von zwei Geschpfen derselben Gattung keinem von beiden einrumen wollten.

Wenn man dagegen an dem Verteidiger der Epigenesis den groen Vorzug, den er in Ansehung der Erfahrungsgrnde zum Beweise seiner Theorie vor dem ersteren hat, gleich nicht kennete : so wrde die Vernunft doch schon zum voraus fr seine Erklrungsart mit vorzglicher Gunst eingenommen sein, weil sie die Natur in Ansehung der Dinge, welche man ursprnglich nur nach der Kausalitt der Zwecke sich als mglich vorstellen kann, doch wenigstens, was die Fortpflanzung betrifft, als selbst hervorbringend, nicht blo als entwickelnd, betrachtet, und so doch mit dem kleinstmglichen Aufwande des bernatrlichen alles Folgende vom ersten Anfange an der Natur berlt (ohne aber ber diesen ersten Anfang, an dem die Physik berhaupt scheitert, sie mag es mit einer Kette der Ursachen versuchen, mit welcher sie wolle, etwas zu bestimmen).

In Ansehung dieser Theorie der Epigenesis hat niemand mehr, sowohl zum Beweise derselben, als auch zur Grndung der echten Prinzipien ihrer Anwendung, zum Teil durch die Beschrnkung eines zu vermessenen Gebrauchs derselben, geleistet, als Herr Hofr. Blumenbach. Von organisierter Materie hebt er alle physische Erklrungsart dieser Bildungen an. Denn, da rohe Materie sich nach mechanischen Gesetzen ursprnglich selbst gebildet habe, da aus der Natur des Leblosen Leben habe entspringen, und Materie in die Form einer sich selbst erhaltenden Zweckmigkeit sich von selbst habe fgen knnen, erklrt er mit Recht fr vernunftwidrig ; lt aber zugleich dem Naturmechanism unter diesem uns unerforschlichen Prinzip einer ursprnglichen Organisation einen unbestimmbaren, zugleich doch auch unverkennbaren Anteil, wozu das Vermgen der Materie (zum Unterschiede von der, ihr allgemein beiwohnenden, blo mechanischen Bildungskraft) von ihm in einem organisierten Krper ein (gleichsam unter der hheren Leitung und Anweisung der ersteren stehender) Bildungstrieb genannt wird.

 

82

Von dem teleologischen System in den uern Verhltnissen organisierter Wesen

Unter der uern Zweckmigkeit verstehe ich diejenige, da ein Ding der Natur einem andern als Mittel zum Zwecke dient. Nun knnen Dinge, die keine innere Zweckmigkeit haben, oder zu ihrer Mglichkeit voraussetzen, z. B. Erden, Luft, Wasser usw. gleichwohl uerlich, d. i. im Verhltnis auf andere Wesen, sehr zweckmig sein ; aber diese mssen jederzeit organisierte Wesen, d. i. Naturzwecke sein, denn sonst knnten jene auch nicht als Mittel beurteilt werden. So knnen Wasser, Luft und Erden nicht als Mittel zu Anhufung von Gebirgen angesehen werden, weil diese an sich gar nichts enthalten, was einen Grund ihrer Mglichkeit nach Zwecken erforderte, worauf in Beziehung also ihre Ursache niemals unter dem Prdikate eines Mittels (das dazu ntzte) vorgestellt werden kann.

Die uere Zweckmigkeit ist ein ganz anderer Begriff, als der Begriff der inneren, welche mit der Mglichkeit eines Gegenstandes, unangesehen ob seine Wirklichkeit selbst Zweck sei oder nicht, verbunden ist. Man kann von einem organisierten Wesen noch fragen : wozu ist es da ? aber nicht leicht von Dingen, an denen man blo die Wirkung vom Mechanism der Natur erkennt. Denn in jenen stellen wir uns schon eine Kausalitt nach Zwecken zu ihrer inneren Mglichkeit, einen schaffenden Verstand vor, und beziehen dieses ttige Vermgen auf den Bestimmungsgrund desselben, die Absicht. Es gibt nur eine einzige uere Zweckmigkeit, die mit der innern der Organisation zusammenhngt, und, ohne da die Frage sein darf, zu welchem Ende dieses so organisierte Wesen eben habe existieren mssen, dennoch im ueren Verhltnis eines Mittels zum Zweck dient. Dieses ist die Organisation beiderlei Geschlechts in Beziehung auf einander zur Fortpflanzung ihrer Art ; denn hier kann man immer noch, ebenso wie bei einem Individuum, fragen : Warum mute ein solches Paar existieren ? Die Antwort ist : Dieses hier macht allererst ein organisierendes Ganze aus, obzwar nicht ein organisiertes in einem einzigen Krper.

Wenn man nun fragt, wozu ein Ding da ist, so ist die Antwort entweder : sein Dasein und seine Erzeugung hat gar keine Beziehung auf eine nach Absichten wirkende Ursache, und alsdann versteht man immer einen Ursprung derselben aus dem Mechanism der Natur ; oder es ist irgendein absichtlicher Grund seines Daseins (als eines zuflligen Naturwesens), und diesen Gedanken kann man schwerlich von dem Begriffe eines organisierten Dinges trennen : weil, da wir einmal seiner innern Mglichkeit eine Kausalitt der Endursachen und eine Idee, die dieser zum Grunde liegt, unterlegen mssen, wir auch die Existenz dieses Produktes nicht anders denn als Zweck denken knnen. Denn, die vorgestellte Wirkung, deren Vorstellung zugleich der Bestimmungsgrund der verstndigen wirkenden Ursache zu ihrer Hervorbringung ist, heit Zweck. In diesem Falle also kann man entweder sagen : der Zweck der Existenz eines solchen Naturwesens ist in ihm selbst, d. i. es ist nicht blo Zweck, sondern auch Endzweck ; oder dieser ist auer ihm in anderen Naturwesen, d. i. es existiert zweckmig nicht als Endzweck, sondern notwendig zugleich als Mittel.

Wenn wir aber die ganze Natur durchgehen, so finden wir in ihr, als Natur, kein Wesen, welches auf den Vorzug, Endzweck der Schpfung zu sein, Anspruch machen knnte ; und man kann sogar a priori beweisen : da dasjenige, was etwa noch fr die Natur ein letzter Zweck sein knnte, nach allen erdenklichen Bestimmungen und Eigenschaften, womit man es ausrsten mchte, doch als Naturding niemals ein Endzweck sein knne.

Wenn man das Gewchsreich ansieht, so knnte man anfnglich durch die unermeliche Fruchtbarkeit, durch welche es sich beinahe ber jeden Boden verbreitet, auf den Gedanken gebracht werden, es fr ein bloes Produkt des Mechanisms der Natur, welchen sie in den Bildungen des Mineralreichs zeigt, zu halten. Eine nhere Kenntnis aber der unbeschreiblich weisen Organisation in demselben lt uns an diesem Gedanken nicht haften, sondern veranlat die Frage : Wozu sind diese Geschpfe da ? Wenn man sich antwortet : fr das Tierreich, welches dadurch genhrt wird, damit es sich in so mannigfaltige Gattungen ber die Erde habe verbreiten knnen ; so kommt die Frage wieder : Wozu sind denn diese Pflanzen-verzehrenden Tiere da ? Die Antwort wrde etwa sein : fr die Raubtiere, die sich nur von dem nhren knnen was Leben hat. Endlich ist die Frage : wozu sind diese samt den vorigen Naturreichen gut ? Fr den Menschen, zu dem mannigfaltigen Gebrauche, den ihn sein Verstand von allen jenen Geschpfen machen lehrt ; und er ist der letzte Zweck der Schpfung hier auf Erden, weil er das einzige Wesen auf derselben ist, welches sich einen Begriff von Zwecken machen und aus einem Aggregat von zweckmig gebildeten Dingen durch seine Vernunft ein System der Zwecke machen kann.

Man knnte auch, mit dem Ritter Linn, den dem Scheine nach umgekehrten Weg gehen und sagen : Die gewchsfressenden Tiere sind da, um den ppigen Wuchs des Pflanzenreichs, wodurch viele Spezies derselben erstickt werden wrden, zu migen ; die Raubtiere, um der Gefrigkeit jener Grenzen zu setzen ; endlich der Mensch, damit, indem er diese verfolgt und vermindert, ein gewisses Gleichgewicht unter den hervorbringenden und den zerstrenden Krften der Natur gestiftet werde. Und so wrde der Mensch, so sehr er auch in gewisser Beziehung als Zweck gewrdigt sein mchte, doch in anderer wiederum nur den Rang eines Mittels haben.

Wenn man sich eine objektive Zweckmigkeit in der Mannigfaltigkeit der Gattungen der Erdgeschpfe und ihrem uern Verhltnisse zueinander, als zweckmig konstruierter Wesen, zum Prinzip macht ; so ist es der Vernunft gem, sich in diesem Verhltnisse wiederum eine gewisse Organisation und ein System aller Naturreiche nach Endursachen zu denken. Allein hier scheint die Erfahrung der Vernunftmaxime laut zu widersprechen, vornehmlich was einen letzten Zweck der Natur betrifft, der doch zu der Mglichkeit eines solchen Systems erforderlich ist, und den wir nirgend anders als im Menschen setzen knnen : da vielmehr in Ansehung dieses, als einer der vielen Tiergattungen, die Natur so wenig von den zerstrenden als erzeugenden Krften die mindeste Ausnahme gemacht hat, alles einem Mechanism derselben, ohne einen Zweck, zu unterwerfen.

Das erste, was in einer Anordnung zu einem zweckmigen Ganzen der Naturwesen auf der Erde absichtlich eingerichtet sein mte, wrde wohl ihr Wohnplatz, der Boden und das Element sein, auf und in welchem sie ihr Fortkommen haben sollten. Allein eine genauere Kenntnis der Beschaffenheit dieser Grundlage aller organischen Erzeugung gibt auf keine anderen als ganz unabsichtlich wirkende, ja eher noch verwstende, als Erzeugung Ordnung und Zwecke begnstigende Ursachen, Anzeige. Land und Meer enthalten nicht allein Denkmler von alten mchtigen Verwstungen, die sie und alle Geschpfe, auf und in demselben betroffen haben, in sich ; sondern ihr ganzes Bauwerk, die Erdlager des einen und die Grenzen des andern haben gnzlich das Ansehen des Produkts wilder, allgewaltiger Krfte einer im chaotischen Zustande arbeitenden Natur. So zweckmig auch jetzt die Gestalt, das Bauwerk und der Abhang der Lnder fr die Aufnahme der Gewsser aus der Luft, fr die Quelladern zwischen Erdschichten von mannigfaltiger Art (fr mancherlei Produkte), und den Lauf der Strme angeordnet zu sein scheinen mgen ; so beweiset doch eine nhere Untersuchung derselben, da sie blo als die Wirkung teils feuriger, teils wsseriger Eruptionen, oder auch Emprungen des Ozeans, zustande gekommen sind : sowohl was die erste Erzeugung dieser Gestalt, als vornehmlich die nochmalige Umbildung derselben, zugleich mit dem Untergange ihrer ersten organischen Erzeugungen, betrifft.* Wenn nun der Wohnplatz, der Mutterboden (des Landes) und der Mutterscho (des Meeres), fr alle diese Geschpfe auf keinen andern als einen gnzlich unabsichtlichen Mechanism seiner Erzeugung Anzeige gibt : wie und mit welchem Recht knnen wir fr diese letztern Produkte einen andern Ursprung verlangen und behaupten ? Wenngleich der Mensch, wie die genaueste Prfung der berreste jener Naturverwstungen (nach Campers Urteile) zu beweisen scheint, in diesen Revolutionen nicht mit begriffen war ; so ist er doch von den brigen Erdgeschpfen so abhngig, da wenn ein ber die anderen allgemeinwaltender Mechanism der Natur eingerumt wird, er als darunter mit begriffen angesehen werden mu : wenn ihn gleich sein Verstand (groenteils wenigstens) unter ihren Verwstungen hat retten knnen.

Dieses Argument scheint aber mehr zu beweisen, als die Absicht enthielt, wozu es aufgestellt war : nmlich, nicht blo, da der Mensch kein letzter Zweck der Natur, und aus dem nmlichen Grunde, das Aggregat der organisierten Naturdinge auf der Erde nicht ein System von Zwecken sein knne ; sondern, da gar die vorher fr Naturzwecke gehaltenen Naturprodukte keinen andern Ursprung haben, als den Mechanism der Natur.

Allein in der obigen Auflsung der Antinomie der Prinzipien der mechanischen und der teleologischen Erzeugungsart der organischen Naturwesen, haben wir gesehen : da, da sie, in Ansehung der nach ihren besondern Gesetzen (zu deren systematischem Zusammenhange uns aber der Schlssel fehlt) bildenden Natur, blo Prinzipien der reflektierenden Urteilskraft sind, die nmlich ihren Ursprung nicht an sich bestimmen, sondern nur sagen, da wir, nach der Beschaffenheit unseres Verstandes und unsrer Vernunft, ihn, in dieser Art Wesen nicht anders als nach Endursachen denken knnen ; die grtmgliche Bestrebung, ja Khnheit in Versuchen, sie mechanisch zu erklren, nicht allein erlaubt ist, sondern wir auch durch Vernunft dazu aufgerufen sind, ungeachtet wir wissen, da wir damit aus subjektiven Grnden der besondern Art und Beschrnkung unseres Verstandes (und nicht etwa, weil der Mechanism der Erzeugung einem Ursprunge nach Zwecken an sich widersprche) niemals auslangen knnen ; und da endlich in dem bersinnlichen Prinzip der Natur (sowohl auer uns als in uns) gar wohl die Vereinbarkeit beider Arten sich die Mglichkeit der Natur vorzustellen, liegen knne, indem die Vorstellungsart nach Endursachen nur eine subjektive Bedingung unseres Vernunftgebrauchs sei, wenn sie die Beurteilung der Gegenstnde nicht blo als Erscheinungen angestellt wissen will, sondern diese Erscheinungen selbst, samt ihren Prinzipien, auf das bersinnliche Substrat zu beziehen verlangt, um gewisse Gesetze der Einheit derselben mglich zu finden, die sie sich nicht anders als durch Zwecke (wovon die Vernunft auch solche hat, die bersinnlich sind) vorstellig machen kann.

 

* Wenn der einmal angenommene Name Naturgeschichte fr Naturbeschreibung bleiben soll, so kann man das, was die erstere buchstblich anzeigt, nmlich eine Vorstellung des ehemaligen alten Zustandes der Erde, worber man, wenn man gleich keine Gewiheit hoffen darf, doch mit gutem Grunde Vermutungen wagt, die Archologie der Natur, im Gegensatz mit der Kunst, nennen. Zu jener wrden die Petrefakten, so wie zu dieser die geschnittenen Steine usw. gehren. Denn da man doch wirklich an einer solchen (unter dem Namen einer Theorie der Erde) bestndig, wenngleich, wie billig, langsam arbeitet, so wre dieser Namen eben nicht einer blo eingebildeten Naturforschung gegeben, sondern einer solchen, zu der die Natur selbst uns einladet und auffordert.

 

83

Von dem letzten Zwecke der Natur als eines teleologischen Systems

Wir haben im vorigen gezeigt, da wir den Menschen nicht blo, wie alle organisierte Wesen, als Naturzweck, sondern auch hier auf Erden als den letzten Zweck der Natur, in Beziehung auf welchen alle brige Naturdinge ein System von Zwecken ausmachen, nach Grundstzen der Vernunft, zwar nicht fr die bestimmende, doch fr die reflektierende Urteilskraft, zu beurteilen hinreichende Ursache haben. Wenn nun dasjenige im Menschen selbst angetroffen werden mu, was als Zweck durch seine Verknpfung mit der Natur befrdert werden soll ; so mu entweder der Zweck von der Art sein, da er selbst durch die Natur in ihrer Wohlttigkeit befriedigt werden kann ; oder es ist die Tauglichkeit und Geschicklichkeit zu allerlei Zwecken, wozu die Natur (uerlich und innerlich) von ihm gebraucht werden knne. Der erste Zweck der Natur wrde die Glckseligkeit, der zweite die Kultur des Menschen sein.

Der Begriff der Glckseligkeit ist nicht ein solcher, den der Mensch etwa von seinen Instinkten abstrahiert und so aus der Tierheit in ihm selbst hernimmt ; sondern ist eine bloe Idee eines Zustandes, welcher er den letzteren unter blo empirischen Bedingungen (welches unmglich ist) adquat machen will. Er entwirft sie sich selbst, und zwar auf so verschiedene Art, durch seinen mit der Einbildungskraft und den Sinnen verwickelten Verstand ; er ndert sogar diesen so oft, da die Natur, wenn sie auch seiner Willkr gnzlich unterworfen wre, doch schlechterdings kein bestimmtes allgemeines und festes Gesetz annehmen knnte, um mit diesem schwankenden Begriff, und so mit dem Zweck, den jeder sich willkrlicherweise versetzt, bereinzustimmen. Aber, selbst wenn wir entweder diesen auf das wahrhafte Naturbedrfnis, worin unsere Gattung durchgngig mit sich bereinstimmt, herabsetzen, oder, andererseits, die Geschicklichkeit sich eingebildete Zwecke zu verschaffen noch so hoch steigern wollten : so wrde doch, was der Mensch unter Glckseligkeit versteht, und was in der Tat sein eigener letzter Naturzweck (nicht Zweck der Freiheit) ist, von ihm nie erreicht werden ; denn seine Natur ist nicht von der Art, irgendwo im Besitze und Genue aufzuhren und befriedigt zu werden. Andrerseits ist so weit gefehlt : da die Natur ihn zu ihrem besondern Liebling aufgenommen und vor allen Tieren mit Wohltun begnstigt habe, da sie ihn vielmehr in ihren verderblichen Wirkungen, in Pest, Hunger, Wassergefahr, Frost, Anfall von andern groen und kleinen Tieren u. dgl. ebensowenig verschont, wie jedes andere Tier ; noch mehr aber, da das Widersinnische der Naturanlagen in ihm ihn noch in selbstersonnene Plagen und noch andere von seiner eigenen Gattung durch den Druck der Herrschaft, die Barbarei der Kriege usw. in solche Not versetzt und er selbst, soviel an ihm ist, an der Zerstrung seiner eigenen Gattung arbeitet, da selbst bei der wohlttigsten Natur auer uns, der Zweck derselben, wenn er auf die Glckseligkeit unserer Spezies gestellt wre, in einem System derselben auf Erden nicht erreicht werden wrde, weil die Natur in uns derselben nicht empfnglich ist. Er ist also immer nur Glied in der Kette der Naturzwecke : zwar Prinzip in Ansehung manches Zwecks, wozu die Natur ihn in ihrer Anlage bestimmt zu haben scheint, indem er sich selbst dazu macht ; aber doch auch Mittel zur Erhaltung der Zweckmigkeit im Mechanism der brigen Glieder. Als das einzige Wesen auf Erden, welches Verstand, mithin ein Vermgen hat, sich selbst willkrlich Zwecke zu setzen, ist er zwar betitelter Herr der Natur, und, wenn man diese als ein teleologisches System ansieht, seiner Bestimmung nach der letzte Zweck der Natur ; aber immer nur bedingt, nmlich da er es verstehe und den Willen habe, dieser und ihm selbst eine solche Zweckbeziehung zu geben, die unabhngig von der Natur sich selbst genug, mithin Endzweck, sein knne, der aber in der Natur gar nicht gesucht werden mu.

Um aber auszufinden, worein wir am Menschen wenigstens jenen letzten Zweck der Natur zu setzen haben, mssen wir dasjenige, was die Natur zu leisten vermag, um ihn zu dem vorzubereiten, was er selbst tun mu, um Endzweck zu sein, heraussuchen, und es von allen den Zwecken absondern, deren Mglichkeit auf Bedingungen beruht, die man allein von der Natur erwarten darf. Von der letztern Art ist die Glckseligkeit auf Erden, worunter der Inbegriff aller durch die Natur auer und in dem Menschen mglichen Zwecke desselben verstanden wird ; das ist die Materie aller seiner Zwecke auf Erden, die, wenn er sie zu seinem ganzen Zwecke macht, ihn unfhig macht, seiner eigenen Existenz einen Endzweck zu setzen und dazu zusammenzustimmen. Es bleibt also von allen seinen Zwecken in der Natur nur die formale, subjektive Bedingung, nmlich der Tauglichkeit : sich selbst berhaupt Zwecke zu setzen, und (unabhngig von der Natur in seiner Zweckbestimmung) die Natur den Maximen seiner freien Zwecke berhaupt angemessen, als Mittel, zu gebrauchen brig, was die Natur, in Absicht auf den Endzweck, der auer ihr liegt, ausrichten, und welches also als ihr letzter Zweck angesehen werden kann. Die Hervorbringung der Tauglichkeit eines vernnftigen Wesens zu beliebigen Zwecken berhaupt (folglich in seiner Freiheit) ist die Kultur. Also kann nur die Kultur der letzte Zweck sein, den man der Natur in Ansehung der Menschengattung beizulegen Ursache hat (nicht seine eigene Glckseligkeit auf Erden, oder wohl gar blo das vornehmste Werkzeug zu sein, Ordnung und Einhelligkeit in der vernunftlosen Natur auer ihm zu stiften).

Aber nicht jede Kultur ist zu diesem letzten Zwecke der Natur hinlnglich. Die der Geschicklichkeit ist freilich die vornehmste subjektive Bedingung der Tauglichkeit zur Befrderung der Zwecke berhaupt ; aber doch nicht hinreichend, den Willen in der Bestimmung und Wahl seiner Zwecke, zu befrdern, welche doch zum ganzen Umfange einer Tauglichkeit zu Zwecken wesentlich gehrt. Die letztere Bedingung der Tauglichkeit, welche man die Kultur der Zucht (Disziplin) nennen knnte, ist negativ, und besteht in der Befreiung des Willens von dem Despotism der Begierden, wodurch wir, an gewisse Naturdinge geheftet, unfhig gemacht werden, selbst zu whlen, indem wir uns die Triebe zu Fesseln dienen lassen, die uns die Natur nur statt Leitfden beigegeben hat, um die Bestimmung der Tierheit in uns nicht zu vernachlssigen, oder gar zu verletzen, indes wir doch frei genug sind, sie anzuziehen oder nachzulassen, zu verlngern oder zu verkrzen, nachdem es die Zwecke der Vernunft erfordern.

Die Geschicklichkeit kann in der Menschengattung nicht wohl entwickelt werden, als vermittelst der Ungleichheit unter Menschen ; da die grte Zahl die Notwendigkeit des Lebens gleichsam mechanisch, ohne dazu besonders Kunst zu bedrfen, zur Gemchlichkeit und Mue anderer, besorget, welche die minder notwendigen Stcke der Kultur, Wissenschaft und Kunst, bearbeiten, und von diesen in einem Stande des Drucks, saurer Arbeit und wenig Genusses gehalten wird, auf welche Klasse sich denn doch manches von der Kultur der hheren nach und nach auch verbreitet. Die Plagen aber wachsen im Fortschritte derselben (dessen Hhe, wenn der Hang zum Entbehrlichen schon dem Unentbehrlichen Abbruch zu tun anfngt, Luxus heit) auf beiden Seiten gleich mchtig, auf der einen durch fremde Gewaltttigkeit, auf der andern durch innere Ungengsamkeit ; aber das glnzende Elend ist doch mit der Entwickelung der Naturanlagen in der Menschengattung verbunden, und der Zweck der Natur selbst, wenn es gleich nicht unser Zweck ist, wird doch hiebei erreicht. Die formale Bedingung, unter welcher die Natur diese ihre Endabsicht allein erreichen kann, ist diejenige Verfassung im Verhltnisse der Menschen untereinander, wo dem Abbruche der einander wechselseitig widerstreitenden Freiheit gesetzmige Gewalt in einem Ganzen, welches brgerliche Gesellschaft heit, entgegengesetzt wird ; denn nur in ihr kann die grte Entwickelung der Naturanlagen geschehen. Zu derselben wre aber doch, wenngleich Menschen sie auszufinden klug und sich ihrem Zwange willig zu unterwerfen weise genug wren, noch ein weltbrgerliches Ganze, d. i. ein System aller Staaten, die auf einander nachteilig zu wirken in Gefahr sind, erforderlich. Indessen Ermangelung, und bei dem Hindernis, welches Ehrsucht, Herrschsucht und Habsucht, vornehmlich bei denen die Gewalt in Hnden haben, selbst der Mglichkeit eines solchen Entwurfs entgegensetzen, ist der Krieg (teils in welchem sich Staaten zerspalten und in kleinere auflsen, teils ein Staat andere kleinere mit sich vereinigt und ein greres Ganze zu bilden strebt) unvermeidlich : der, so wie er ein unabsichtlicher (durch zgellose Leidenschaften angeregter) Versuch der Menschen, doch tief verborgener vielleicht absichtlicher der obersten Weisheit ist, Gesetzmigkeit mit der Freiheit der Staaten und dadurch Einheit eines moralisch begrndeten Systems derselben, wo nicht zu stiften, dennoch vorzubereiten, und ungeachtet der schrecklichsten Drangsale, womit er das menschliche Geschlecht belegt, und der vielleicht noch grern, womit die bestndige Bereitschaft dazu im Frieden drckt, dennoch eine Triebfeder mehr ist (indessen die Hoffnung zu dem Ruhestande einer Volksglckseligkeit sich immer weiter entfernt) alle Talente, die zur Kultur dienen, bis zum hchsten Grade zu entwickeln.

Was die Disziplin der Neigungen betrifft, zu denen die Naturanlage in Absicht auf unsere Bestimmung, als einer Tiergattung, ganz zweckmig ist, die aber die Entwickelung der Menschheit sehr erschweren : so zeigt sich doch auch in Ansehung dieses zweiten Erfordernisses zur Kultur ein zweckmiges Streben der Natur zu einer Ausbildung, welche uns hherer Zwecke, als die Natur selbst liefern kann, empfnglich macht. Das bergewicht der bel, welche die Verfeinerung des Geschmacks bis zur Idealisierung desselben, und selbst der Luxus in Wissenschaften, als einer Nahrung fr die Eitelkeit, durch die unzubefriedigende Menge der dadurch erzeugten Neigungen ber uns ausschttet, ist nicht zu bestreiten : dagegen aber der Zweck der Natur auch nicht zu verkennen, der Rohigkeit und dem Ungestm derjenigen Neigungen, welche mehr der Tierheit in uns angehren und der Ausbildung zu unserer hheren Bestimmung am meisten entgegen sind (der Neigungen des Genusses), immer mehr abzugewinnen und der Entwickelung der Menschheit Platz zu machen. Schne Kunst und Wissenschaften, die durch eine Lust die sich allgemein mitteilen lt, und durch Geschliffenheit und Verfeinerung fr die Gesellschaft, wenngleich den Menschen nicht sittlich besser, doch gesittet machen, gewinnen der Tyrannei des Sinnenhanges sehr viel ab, und bereiten dadurch den Menschen zu einer Herrschaft vor, in welcher die Vernunft allein Gewalt haben soll : indes die bel, womit uns teils die Natur, teils die unvertragsame Selbstsucht der Menschen heimsucht, zugleich die Krfte der Seele aufbieten, steigern und sthlen, um jenen nicht zu unterliegen, und uns so eine Tauglichkeit zu hheren Zwecken, die in uns verborgen liegt, fhlen lassen.*

 

* Was das Leben fr uns fr einen Wert habe, wenn dieser blo nach dem geschtzt wird, was man geniet (dem natrlichen Zweck der Summe aller Neigungen, der Glckseligkeit), ist leicht zu entscheiden. Er sinkt unter Null ; denn wer wollte wohl das Leben unter denselben Bedingungen, oder auch nach einem neuen, selbstentworfenen (doch dem Naturlaufe gemen) Plane, der aber auch blo auf Genu gestellt wre, aufs neue antreten ? Welchen Wert das Leben demzufolge habe, was es, nach dem Zwecke, den die Natur mit uns hat, gefhrt, in sich enthlt und welches in dem besteht, was man tut (nicht blo geniet), wo wir aber immer doch nur Mittel zu unbestimmtem Endzwecke sind, ist oben gezeigt worden. Es bleibt also wohl nichts brig, als der Wert, den wir unserem Leben selbst geben, durch das, was wir nicht allein tun, sondern auch so unabhngig von der Natur zweckmig tun, da selbst die Existenz der Natur nur unter dieser Bedingung Zweck sein kann.

 

84

Von dem Endzwecke des Daseins einer Welt, d. i. der Schpfung selbst

Endzweck ist derjenige Zweck, der keines andern als Bedingung seiner Mglichkeit bedarf.

Wenn fr die Zweckmigkeit der Natur der bloe Mechanism derselben zum Erklrungsgrunde angenommen wird, so kann man nicht fragen : wozu die Dinge in der Welt da sind ; denn es ist alsdann, nach einem solchen idealistischen System, nur von der physischen Mglichkeit der Dinge (welche uns als Zwecke zu denken bloe Vernnftelei, ohne Objekt, sein wrde) die Rede : man mag nun diese Form der Dinge auf den Zufall, oder blinde Notwendigkeit deuten, in beiden Fllen wre jene Frage leer. Nehmen wir aber die Zweckverbindung in der Welt fr real und fr sie eine besondere Art der Kausalitt, nmlich einer absichtlich wirkenden Ursache an, so knnen wir bei der Frage nicht stehenbleiben : wozu Dinge der Welt (organisierte Wesen) diese oder jene Form haben, in diese oder jene Verhltnisse gegen andere von der Natur gesetzt sind ; sondern, da einmal ein Verstand gedacht wird, der als die Ursache der Mglichkeit solcher Formen angesehen werden mu, wie sie wirklich an Dingen gefunden werden, so mu auch in ebendemselben nach dem objektiven Grunde gefragt werden, der diesen produktiven Verstand zu einer Wirkung dieser Art bestimmt haben knne, welcher dann der Endzweck ist, wozu dergleichen Dinge da sind.

Ich habe oben gesagt : da der Endzweck kein Zweck sei, welchen zu bewirken und der Idee desselben gem hervorzubringen, die Natur hinreichend wre, weil er unbedingt ist. Denn es ist nichts in der Natur (als einem Sinnenwesen), wozu der in ihr selbst befindliche Bestimmungsgrund nicht immer wiederum bedingt wre ; und dieses gilt nicht blo von der Natur auer uns (der materiellen), sondern auch in uns (der denkenden) : wohl zu verstehen, da ich in mir nur das betrachte was Natur ist. Ein Ding aber, was notwendig, seiner objektiven Beschaffenheit wegen, als Endzweck einer verstndigen Ursache existieren soll, mu von der Art sein, da es in der Ordnung der Zwecke von keiner anderweitigen Bedingung, als blo seiner Idee, abhngig ist.

Nun haben wir eine einzige Art Wesen in der Welt, deren Kausalitt teleologisch, d. i. auf Zwecke gerichtet und doch zugleich so beschaffen ist, da das Gesetz, nach welchem sie sich Zwecke zu bestimmen haben, von ihnen selbst als unbedingt und von Naturbedingungen unabhngig, an sich aber als notwendig, vorgestellt wird. Das Wesen dieser Art ist der Mensch, aber als Noumenon betrachtet ; das einzige Naturwesen, an welchem wir doch ein bersinnliches Vermgen (die Freiheit) und sogar das Gesetz der Kausalitt, samt dem Objekte derselben, welches es sich als hchsten Zweck vorsetzen kann (das hchste Gut in der Welt), von seiten seiner eigenen Beschaffenheit erkennen knnen.

Von dem Menschen nun (und so jedem vernnftigen Wesen in der Welt), als einem moralischen Wesen, kann nicht weiter gefragt werden : wozu (quem in finem) er existiere. Sein Dasein hat den hchsten Zweck selbst in sich, dem, so viel er vermag, er die ganze Natur unterwerfen kann, wenigstens welchem zuwider er sich keinem Einflusse der Natur unterworfen halten darf. Wenn nun Dinge der Welt, als ihrer Existenz nach abhngige Wesen, einer nach Zwecken handelnden obersten Ursache bedrfen, so ist der Mensch der Schpfung Endzweck ; denn ohne diesen wre die Kette der einander untergeordneten Zwecke nicht vollstndig gegrndet ; und nur im Menschen, aber auch in diesem nur als Subjekte der Moralitt, ist die unbedingte Gesetzgebung in Ansehung der Zwecke anzutreffen, welche ihn also allein fhig macht ein Endzweck zu sein, dem die ganze Natur teleologisch untergeordnet ist.*

 

* Es wre mglich, da Glckseligkeit der vernnftigen Wesen in der Welt ein Zweck der Natur wre, und alsdann wre sie auch ihr letzter Zweck. Wenigstens kann man a priori nicht einsehen, warum die Natur nicht so eingerichtet sein sollte, weil durch ihren Mechanism diese Wirkung, wenigstens soviel wir einsehen, wohl mglich wre. Aber Moralitt und eine ihr untergeordnete Kausalitt nach Zwecken ist schlechterdings durch Naturursachen unmglich ; denn das Prinzip ihrer Bestimmung zum Handeln ist bersinnlich, ist also das einzige Mgliche in der Ordnung der Zwecke, was in Ansehung der Natur schlechthin unbedingt ist, und ihr Subjekt dadurch zum Endzwecke der Schpfung, dem die ganze Natur untergeordnet ist, allein qualifiziert. Glckseligkeit dagegen ist, wie im vorigen nach dem Zeugnis der Erfahrung gezeigt worden, nicht einmal ein Zweck der Natur in Ansehung der Menschen, mit einem Vorzuge vor anderen Geschpfen : weit gefehlt, da sie ein Endzweck der Schpfung sein sollte. Menschen mgen sie sich immer zu ihrem letzten subjektiven Zwecke machen. Wenn ich aber nach dem Endzwecke der Schpfung frage : Wozu haben Menschen existieren mssen ? so ist von einem objektiven obersten Zwecke die Rede, wie ihn die hchste Vernunft zu ihrer Schpfung erfordern wrde. Antwortet man nun darauf : damit Wesen existieren, denen jene oberste Ursache wohltun knne ; so widerspricht man der Bedingung, welcher die Vernunft des Menschen selbst seinen innigsten Wunsch der Glckseligkeit unterwirft (nmlich die bereinstimmung mit seiner eigenen inneren moralischen Gesetzgebung). Dies beweiset : da die Glckseligkeit nur bedingter Zweck, der Mensch also, nur als moralisches Wesen, Endzweck der Schpfung sein knne ; was aber seinen Zustand betrifft, Glckseligkeit nur als Folge, nach Magabe der bereinstimmung mit jenem Zwecke, als dem Zwecke seines Daseins, in Verbindung stehe.

 

85

Von der Physikotheologie

Die Physikotheologie ist der Versuch der Vernunft, aus den Zwecken der Natur (die nur empirisch erkannt werden knnen) auf die oberste Ursache der Natur und ihre Eigenschaften zu schlieen. Eine Moraltheologie (Ethikotheologie) wre der Versuch, aus dem moralischen Zwecke vernnftiger Wesen in der Natur (der a priori erkannt werden kann) auf jene Ursache und ihre Eigenschaften zu schlieen.

Die erstere geht natrlicherweise vor der zweiten vorher. Denn wenn wir von den Dingen in der Welt auf eine Weltursache teleologisch schlieen wollen ; so mssen Zwecke der Natur zuerst gegeben sein, fr die wir nachher einen Endzweck und fr diesen dann das Prinzip der Kausalitt dieser obersten Ursache zu suchen haben.

Nach dem teleologischen Prinzip knnen und mssen viele Nachforschungen der Natur geschehen, ohne da man nach dem Grunde der Mglichkeit, zweckmig zu wirken, welche wir an verschiedenen der Produkte der Natur antreffen, zu fragen Ursache hat. Will man nun aber auch hievon einen Begriff haben, so haben wir dazu schlechterdings keine weitergehende Einsicht, als blo die Maxime der reflektierenden Urteilskraft : da nmlich, wenn uns auch nur ein einziges organisches Produkt der Natur gegeben wre, wir, nach der Beschaffenheit unseres Erkenntnisvermgens, dafr keinen andern Grund denken knnen, als den einer Ursache der Natur selbst (es sei der ganzen Natur oder auch nur dieses Stcks derselben), die durch Verstand die Kausalitt zu demselben enthlt ; ein Beurteilungsprinzip, wodurch wir in der Erklrung der Naturdinge und ihres Ursprungs zwar um nichts weiter gebracht werden, das uns aber doch ber die Natur hinaus einige Aussicht erffnet, um den sonst so unfruchtbaren Begriff eines Urwesens vielleicht nher bestimmen zu knnen.

Nun sage ich : die Physikotheologie, so weit sie auch getrieben werden mag, kann uns doch nichts von einem Endzwecke der Schpfung erffnen ; denn sie reicht nicht einmal bis zur Frage nach demselben. Sie kann also zwar den Begriff einer verstndigen Weltursache, als einen subjektiv fr die Beschaffenheit unseres Erkenntnisvermgens allein tauglichen Begriff von der Mglichkeit der Dinge, die wir uns nach Zwecken verstndlich machen knnen, rechtfertigen, aber diesen Begriff weder in theoretischer noch praktischer Absicht weiter bestimmen ; und ihr Versuch erreicht seine Absicht nicht, eine Theologie zu grnden, sondern sie bleibt immer nur eine physische Teleologie : weil die Zweckbeziehung in ihr immer nur als in der Natur bedingt betrachtet wird und werden mu ; mithin den Zweck, wozu die Natur selbst existiert (wozu der Grund auer der Natur gesucht werden mu), gar nicht einmal in Anfrage bringen kann, auf dessen bestimmte Idee gleichwohl der bestimmte Begriff jener oberen verstndigen Weltursache, mithin die Mglichkeit einer Theologie, ankommt.

Wozu die Dinge in der Welt einander ntzen ; wozu das Mannigfaltige in einem Dinge fr dieses Ding selbst gut ist ; wie man sogar Grund habe anzunehmen, da nichts in der Welt umsonst, sondern alles irgend wozu in der Natur, unter der Bedingung da gewisse Dinge (als Zwecke) existieren sollten, gut sei, wobei mithin unsere Vernunft fr die Urteilskraft kein anderes Prinzip der Mglichkeit des Objekts ihrer unvermeidlichen teleologischen Beurteilung in ihrem Vermgen hat, als das, den Mechanism der Natur der Architektonik eines verstndigen Welturhebers unterzuordnen : das alles leistet die teleologische Weltbetrachtung sehr herrlich und zur uersten Bewunderung. Weil aber die Data, mithin die Prinzipien, jenen Begriff einer intelligenten Weltursache (als hchsten Knstlers) zu bestimmen, blo empirisch sind : so lassen sie auf keine Eigenschaften weiter schlieen, als uns die Erfahrung an den Wirkungen derselben offenbart : welche, da sie nie die gesamte Natur als System befassen kann, oft auf (dem Anscheine nach) jenem Begriffe und unter einander widerstreitende Beweisgrnde stoen mu, niemals aber, wenn wir gleich vermgend wren auch das ganze System, sofern es bloe Natur betrifft, empirisch zu berschauen, uns, ber die Natur, zu dem Zwecke ihrer Existenz selber, und dadurch zum bestimmten Begriffe jener obern Intelligenz, erheben kann.

Wenn man sich die Aufgabe, um deren Auflsung es einer Physikotheologie zu tun ist, klein macht, so scheint ihre Auflsung leicht. Verschwendet man nmlich den Begriff von einer Gottheit an jedes von uns gedachte verstndige Wesen, deren es eines oder mehrere geben mag, welches viel und sehr groe, aber eben nicht alle Eigenschaften habe, die zu Grndung einer mit dem grtmglichen Zwecke bereinstimmenden Natur berhaupt erforderlich sind : oder hlt man es fr nichts, in einer Theorie den Mangel dessen, was die Beweisgrnde leisten, durch willkrliche Zustze zu ergnzen, und, wo man nur Grund hat viel Vollkommenheit anzunehmen (und was ist viel fr uns ?), sich da befugt hlt, alle mgliche vorauszusetzen : so macht die physische Teleologie wichtige Ansprche auf den Ruhm, eine Theologie zu begrnden. Wenn aber verlangt wird anzuzeigen : was uns denn antreibe und berdem berechtige, jene Ergnzungen zu machen ; so werden wir in den Prinzipien des theoretischen Gebrauchs der Vernunft, welcher durchaus verlangt, zu Erklrung eines Objekts der Erfahrung diesem nicht mehr Eigenschaften beizulegen, als empirische Data zu ihrer Mglichkeit anzutreffen sind, vergeblich Grund zu unserer Rechtfertigung suchen. Bei nherer Prfung wrden wir sehen, da eigentlich eine Idee von einem hchsten Wesen, die auf ganz verschiedenem Vernunftgebrauch (dem praktischen) beruht, in uns a priori zum Grunde liege, welche uns antreibt, die mangelhafte Vorstellung einer physischen Teleologie, von dem Urgrunde der Zwecke in der Natur, bis zum Begriffe einer Gottheit zu ergnzen ; und wir wrden uns nicht flschlich einbilden, diese Idee, mit ihr aber eine Theologie, durch den theoretischen Vernunftgebrauch der physischen Weltkenntnis zustande gebracht, viel weniger ihre Realitt bewiesen zu haben.

Man kann es den Alten nicht so hoch zum Tadel anrechnen, wenn sie sich ihre Gtter als, teils ihrem Vermgen, teils den Absichten und Willensmeinungen nach, sehr mannigfaltig verschieden, alle aber, selbst ihr Oberhaupt nicht ausgenommen, noch immer auf menschliche Weise eingeschrnkt dachten. Denn, wenn sie die Einrichtung und den Gang der Dinge in der Natur betrachteten ; so fanden sie zwar Grund genug etwas mehr als Mechanisches zur Ursache derselben anzunehmen, und Absichten gewisser oberer Ursachen, die sie nicht anders als bermenschlich denken konnten, hinter dem Maschinenwerk dieser Welt zu vermuten. Weil sie aber das Gute und Bse, das Zweckmige und Zweckwidrige in ihr, wenigstens fr unsere Einsicht, sehr gemischt antrafen, und sich nicht erlauben konnten, insgeheim dennoch zum Grunde liegende weise und wohlttige Zwecke, von denen sie doch den Beweis nicht sahen, zum Behuf der willkrlichen Idee eines hchstvollkommenen Urhebers anzunehmen ; so konnte ihr Urteil von der obersten Weltursache schwerlich anders ausfallen, sofern sie nmlich nach Maximen des blo theoretischen Gebrauchs der Vernunft ganz konsequent verfuhren. Andere, die als Physiker zugleich Theologen sein wollten, dachten Befriedigung fr die Vernunft darin zu finden, da sie fr die absolute Einheit des Prinzips der Naturdinge, welche die Vernunft fordert, vermittelst der Idee von einem Wesen sorgten, in welchem, als alleiniger Substanz, jene insgesamt nur inhrierende Bestimmungen wren : welche Substanz zwar nicht, durch Verstand, Ursache der Welt, in welcher aber doch, als Subjekt, aller Verstand der Weltwesen anzutreffen wre ; ein Wesen folglich, das zwar nicht nach Zwecken etwas hervorbrchte, in welchem aber doch alle Dinge, wegen der Einheit des Subjekts, von dem sie blo Bestimmungen sind, auch ohne Zweck und Absicht notwendig sich aufeinander zweckmig beziehen muten. So fhrten sie den Idealism der Endursachen ein : indem sie die so schwer herauszubringende Einheit einer Menge zweckmig verbundener Substanzen, statt der Kausalabhngigkeit von einer, in die der Inhrenz in einer verwandelten ; welches System in der Folge, von seiten der inhrierenden Weltwesen betrachtet, als Pantheism, von seiten des allein subsistierenden Subjekts, als Urwesens, (spterhin) als Spinozism, nicht sowohl die Frage vom ersten Grunde der Zweckmigkeit der Natur auflsete, als sie vielmehr fr nichtig erklrte, indem der letztere Begriff, aller seiner Realitt beraubt, zur bloen Mideutung eines allgemeinen ontologischen Begriffs von einem Dinge berhaupt gemacht wurde.

Nach blo theoretischen Prinzipien des Vernunftgebrauchs (worauf die Physikotheologie sich allein grndet), kann also niemals der Begriff einer Gottheit, der fr unsere teleologische Beurteilung der Natur zureichte, herausgebracht werden. Denn wir erklren entweder alle Teleologie fr bloe Tuschung der Urteilskraft in der Beurteilung der Kausalverbindung der Dinge, und flchten uns zu dem alleinigen Prinzip eines bloen Mechanisms der Natur, welche, wegen der Einheit der Substanz, von der sie nichts als das Mannigfaltige der Bestimmungen derselben sei, uns eine allgemeine Beziehung auf Zwecke zu enthalten blo scheine ; oder, wenn wir statt dieses Idealisms der Endursachen, dem Grundsatze des Realisms dieser besondern Art der Kausalitt anhnglich bleiben wollen, so mgen wir viele verstndige Urwesen, oder nur ein einiges, den Naturzwecken unterlegen : sobald wir zu Begrndung des Begriffs von demselben nichts als Erfahrungsprinzipien, von der wirklichen Zweckverbindung in der Welt hergenommen, zur Hand haben, so knnen wir einerseits wider die Mihelligkeit, die die Natur in Ansehung der Zweckeinheit in vielen Beispielen aufstellt, keinen Rat finden, andrerseits den Begriff einer einigen intelligenten Ursache, so wie wir ihn, durch bloe Erfahrung berechtigt, herausbringen, niemals fr irgendeine, auf welche Art es auch sei (theoretisch oder praktisch), brauchbare Theologie bestimmt genug, daraus ziehen.

Die physische Teleologie treibt uns zwar an, eine Theologie zu suchen ; aber kann keine hervorbringen, so weit wir auch der Natur durch Erfahrung nachspren, und der in ihr entdeckten Zweckverbindung, durch Vernunftideen (die zu physischen Aufgaben theoretisch sein mssen), zu Hlfe kommen mgen. Was hilfts, wird man mit Recht klagen : da wir allen diesen Einrichtungen einen groen, einen fr uns unermelichen Verstand zum Grunde legen, und ihn diese Welt nach Absichten anordnen lassen ? wenn uns die Natur von der Endabsicht nichts sagt, noch jemals sagen kann, ohne welche wir uns doch keinen gemeinschaftlichen Beziehungspunkt aller dieser Naturzwecke, kein hinreichendes teleologisches Prinzip machen knnen, teils die Zwecke insgesamt in einem System zu erkennen, teils uns von dem obersten Verstande, als Ursache einer solchen Natur, einen Begriff zu machen, der unserer ber sie teleologisch reflektierenden Urteilskraft zum Richtmae dienen knnte. Ich htte alsdann zwar einen Kunstverstand, fr zerstreute Zwecke ; aber keine Weisheit, fr einen Endzweck, der doch eigentlich den Bestimmungsgrund von jenem enthalten mu. In Ermangelung aber eines Endzwecks, den nur die reine Vernunft a priori an die Hand geben kann (weil alle Zwecke in der Welt empirisch bedingt sind, und nichts, als was hiezu oder dazu, als zuflliger Absicht, nicht was schlechthin gut ist, enthalten knnen) und der mich allein lehren wrde : welche Eigenschaften, welchen Grad und welches Verhltnis der obersten Ursache der Natur ich mir zu denken habe, um diese als teleologisches System zu beurteilen ; wie und mit welchem Rechte darf ich da meinen sehr eingeschrnkten Begriff von jenem ursprnglichen Verstande, den ich auf meine geringe Weltkenntnis grnden kann, von der Macht dieses Urwesens, seine Ideen zur Wirklichkeit zu bringen, von seinem Willen es zu tun usw., nach Belieben erweitern, und bis zur Idee eines allweisen unendlichen Wesens ergnzen ? Dies wrde, wenn es theoretisch geschehen sollte, in mir selbst Allwissenheit voraussetzen, um die Zwecke der Natur in ihrem ganzen Zusammenhange einzusehen, und noch obenein alle andere mgliche Plane denken zu knnen, mit denen in Vergleichung der gegenwrtige als der beste mit Grunde beurteilt werden mte. Denn, ohne diese vollendete Kenntnis der Wirkung, kann ich auf keinen bestimmten Begriff von der obersten Ursache, der nur in dem von einer in allem Betracht unendlichen Intelligenz, d. i. dem Begriffe einer Gottheit, angetroffen werden kann, schlieen, und eine Grundlage zur Theologie zustande bringen.

Wir knnen also, bei aller mglichen Erweiterung der physischen Teleologie, nach dem oben angefhrten Grundsatze, wohl sagen : da wir, nach der Beschaffenheit und den Prinzipien unseres Erkenntnisvermgens, die Natur in ihren uns bekanntgewordenen zweckmigen Anordnungen, nicht anders als das Produkt eines Verstandes, dem diese unterworfen ist, denken knnen. Ob aber dieser Verstand mit dem Ganzen derselben und dessen Hervorbringung noch eine Endabsicht gehabt haben mge (die alsdann nicht in der Natur der Sinnenwelt liegen wrde) : das kann uns die theoretische Naturforschung nie erffnen ; sondern es bleibt, bei aller Kenntnis derselben, unausgemacht ob jene oberste Ursache berall nach einem Endzwecke, und nicht vielmehr durch einen von der bloen Notwendigkeit seiner Natur zu Hervorbringung gewisser Formen bestimmten Verstand (nach der Analogie mit dem, was wir bei den Tieren den Kunstinstinkt nennen), Urgrund derselben sei : ohne da es ntig sei, ihr darum auch nur Weisheit, viel weniger hchste und mit allen andern zur Vollkommenheit ihres Produkts erforderlichen Eigenschaften verbundene Weisheit, beizulegen.

Also ist Physikotheologie, eine miverstandene physische Teleologie, nur als Vorbereitung (Propdeutik) zur Theologie brauchbar, und nur durch Hinzukunft eines anderweitigen Prinzips, auf das sie sich sttzen kann, nicht aber an sich selbst, wie ihr Name es anzeigen will, zu dieser Absicht zureichend.

 

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Von der Ethikotheologie

Es ist ein Urteil, dessen sich selbst der gemeinste Verstand nicht entschlagen kann, wenn er ber das Dasein der Dinge in der Welt und die Existenz der Welt selbst nachdenkt : da nmlich alle die mannigfaltigen Geschpfe, von wie groer Kunsteinrichtung und wie mannigfaltigem, zweckmig aufeinander bezogenen Zusammenhange sie auch sein mgen, ja selbst das Ganze so vieler Systeme derselben, die wir unrichtigerweise Welten nennen, zu nichts da sein wrden, wenn es in ihnen nicht Menschen (vernnftige Wesen berhaupt) gbe ; d. i. da, ohne den Menschen, die ganze Schpfung eine bloe Wste, umsonst und ohne Endzweck sein wrde. Es ist aber auch nicht das Erkenntnisvermgen desselben (theoretische Vernunft), in Beziehung auf welches das Dasein alles brigen in der Welt allererst seinen Wert bekommt, etwa damit irgend jemand da sei, welcher die Welt betrachten knne. Denn, wenn diese Betrachtung der Welt ihm doch nichts als Dinge ohne Endzweck vorstellig machte, so kann daraus, da sie erkannt wird, dem Dasein derselben kein Wert erwachsen ; und man mu schon einen Endzweck derselben voraussetzen, in Beziehung auf welchen die Weltbetrachtung selbst einen Wert habe. Auch ist es nicht das Gefhl der Lust und der Summe derselben, in Beziehung auf welches wir einen Endzweck der Schpfung als gegeben denken, d. i. nicht das Wohlsein, der Genu (er sei krperlich oder geistig), mit einem Worte die Glckseligkeit, wornach wir jenen absoluten Wert schtzen. Denn : da, wenn der Mensch da ist, er diese ihm selbst zur Endabsicht macht, gibt keinen Begriff, wozu er dann berhaupt da sei, und welchen Wert er dann selbst habe, um ihm seine Existenz angenehm zu machen. Er mu also schon als Endzweck der Schpfung vorausgesetzt werden, um einen Vernunftgrund zu haben, warum die Natur zu seiner Glckseligkeit zusammenstimmen msse, wenn sie als ein absolutes Ganze nach Prinzipien der Zwecke betrachtet wird. Also ist es nur das Begehrungsvermgen : aber nicht dasjenige, was ihn von der Natur (durch sinnliche Antriebe) abhngig macht, nicht das, in Ansehung dessen der Wert seines Daseins auf dem, was er empfngt und geniet, beruht ; sondern der Wert, welchen er allein sich selbst geben kann, und welcher in dem besteht, was er tut, wie und nach welchen Prinzipien er, nicht als Naturglied, sondern in der Freiheit seines Begehrungsvermgens, handelt ; d. h. ein guter Wille, ist dasjenige, wodurch sein Dasein allein einen absoluten Wert und in Beziehung auf welches das Dasein der Welt einen Endzweck haben kann.

Auch stimmt damit das gemeinste Urteil der gesunden Menschenvernunft vollkommen zusammen : nmlich da der Mensch nur als moralisches Wesen ein Endzweck der Schpfung sein knne, wenn man die Beurteilung nur auf diese Frage leitet und veranlat sie zu versuchen. Was hilft's, wird man sagen, da dieser Mensch so viel Talent hat, da er damit sogar sehr ttig ist, und dadurch einen ntzlichen Einflu auf das gemeine Wesen ausbt, und also in Verhltnis, sowohl auf seine Glcksumstnde, als auch auf anderer Nutzen, einen groen Wert hat, wenn er keinen guten Willen besitzt ? Er ist ein verachtungswrdiges Objekt, wenn man ihn nach seinem Innern betrachtet ; und, wenn die Schpfung nicht berall ohne Endzweck sein soll, so mu er, der, als Mensch, auch dazu gehrt, doch, als bser Mensch, in einer Welt unter moralischen Gesetzen, diesen gem, seines subjektiven Zwecks (der Glckseligkeit) verlustig gehen, als der einzigen Bedingung, unter der seine Existenz mit dem Endzwecke zusammen bestehen kann.

Wenn wir nun in der Welt Zweckanordnungen antreffen, und, wie es die Vernunft unvermeidlich fordert, die Zwecke, die es nur bedingt sind, einem unbedingten obersten, d. i. einem Endzwecke, unterordnen : so sieht man erstlich leicht, da alsdann nicht von einem Zwecke der Natur (innerhalb derselben), sofern sie existiert, sondern dem Zwecke ihrer Existenz mit allen ihren Einrichtungen, mithin von dem letzten Zwecke der Schpfung die Rede ist, und in diesem auch eigentlich von der obersten Bedingung, unter der allein ein Endzweck (d. i. der Bestimmungsgrund eines hchsten Verstandes zu Hervorbringung der Weltwesen) stattfinden kann.

Da wir nun den Menschen, nur als moralisches Wesen, fr den Zweck der Schpfung anerkennen : so haben wir erstlich einen Grund, wenigstens die Hauptbedingung, die Welt, als ein nach Zwecken zusammenhngendes Ganze und als System von Endursachen anzusehen ; vornehmlich aber, fr die, nach Beschaffenheit unserer Vernunft, uns notwendige Beziehung der Naturzwecke auf eine verstndige Weltursache, ein Prinzip, die Natur und Eigenschaften dieser ersten Ursache, als obersten Grundes im Reiche der Zwecke, zu denken, und so den Begriff derselben zu bestimmen : welches die physische Teleologie nicht vermochte, die nur unbestimmte und eben darum, zum theoretischen sowohl als praktischen Gebrauche, untaugliche Begriffe von demselben veranlassen konnte.

Aus diesem so bestimmten Prinzip der Kausalitt des Urwesens werden wir es nicht blo als Intelligenz und gesetzgebend fr die Natur, sondern auch als gesetzgebendes Oberhaupt in einem moralischen Reiche der Zwecke, denken mssen. In Beziehung auf das hchste unter seiner Herrschaft allein mgliche Gut, nmlich die Existenz vernnftiger Wesen unter moralischen Gesetzen, werden wir uns dieses Urwesen als allwissend denken : damit selbst das Innerste der Gesinnungen (welches den eigentlichen moralischen Wert der Handlungen vernnftiger Weltwesen ausmacht) ihm nicht verborgen sei ; als allmchtig : damit es die ganze Natur diesem hchsten Zwecke angemessen machen knne ; als allgtig, und zugleich gerecht : weil diese beiden Eigenschaften (vereinigt, die Weisheit) die Bedingungen der Kausalitt einer obersten Ursache der Welt als hchsten Guts, unter moralischen Gesetzen, ausmachen ; und so auch alle noch brigen transzendentalen Eigenschaften, als Ewigkeit, Allgegenwart usw. (denn Gte und Gerechtigkeit sind moralische Eigenschaften), die in Beziehung auf einen solchen Endzweck vorausgesetzt werden, an demselben denken mssen. Auf solche Weise ergnzt die moralische Teleologie den Mangel der physischen, und grndet allererst eine Theologie ; da die letztere, wenn sie nicht unbemerkt aus der ersteren borgte, sondern konsequent verfahren sollte, fr sich allein nichts als eine Dmonologie, welche keines bestimmten Begriffs fhig ist, begrnden knnte.

Aber das Prinzip der Beziehung der Welt wegen der moralischen Zweckbestimmung gewisser Wesen in demselben, auf eine oberste Ursache, als Gottheit, tut dieses nicht blo dadurch, da es den physischteleologischen Beweisgrund ergnzt, und also diesen notwendig zum Grunde legt ; sondern es ist dazu auch fr sich hinreichend, und treibt die Aufmerksamkeit auf die Zwecke der Natur, und die Nachforschung der hinter ihren Formen verborgen liegenden unbegreiflich groen Kunst, um den Ideen, die die reine praktische Vernunft herbeischafft, an den Naturzwecken beilufige Besttigung zu geben. Denn der Begriff von Weltwesen unter moralischen Gesetzen ist ein Prinzip a priori, wornach sich der Mensch notwendig beurteilen mu. Da ferner, wenn es berall eine absichtlich wirkende und auf einen Zweck gerichtete Weltursache gibt, jenes moralische Verhltnis ebenso notwendig die Bedingung der Mglichkeit einer Schpfung sein msse, als das nach physischen Gesetzen (wenn nmlich jene verstndige Ursache auch einen Endzweck hat) : sieht die Vernunft, auch a priori, als einen fr sie zur teleologischen Beurteilung der Existenz der Dinge notwendigen Grundsatz an. Nun kommt es nur darauf an : ob wir irgendeinen fr die Vernunft (es sei die spekulative oder praktische) hinreichenden Grund haben, der nach Zwecken handelnden obersten Ursache einen Endzweck beizulegen. Denn, da alsdann dieser, nach der subjektiven Beschaffenheit unserer Vernunft, und selbst wie wir uns auch die Vernunft anderer Wesen nur immer denken mgen, kein anderer als der Mensch unter moralischen Gesetzen sein knne : kann a priori fr uns als gewi gelten ; da hingegen die Zwecke der Natur in der physischen Ordnung a priori gar nicht knnen erkannt, vornehmlich, da eine Natur ohne solche nicht existieren knne, auf keine Weise kann eingesehen werden.

 

Anmerkung

Setzet einen Menschen in den Augenblicken der Stimmung seines Gemts zur moralischen Empfindung. Wenn er sich, umgeben von einer schnen Natur, in einem ruhigen, heitern Genusse seines Daseins befindet, so fhlt er in sich ein Bedrfnis, irgend jemand dafr dankbar zu sein. Oder er sehe sich ein andermal in derselben Gemtsverfassung im Gedrnge von Pflichten, denen er nur durch freiwillige Aufopferung Genge leisten kann und will ; so fhlt er in sich ein Bedrfnis, hiemit zugleich etwas Befohlnes ausgerichtet und einem Oberherrn gehorcht zu haben. Oder er habe sich etwa unbedachtsamer Weise wider seine Pflicht vergangen, wodurch er doch eben nicht Menschen verantwortlich geworden ist ; so werden die strengen Selbstverweise dennoch eine Sprache in ihm fhren, als ob sie die Stimme eines Richters wren, dem er darber Rechenschaft abzulegen htte. Mit einem Worte : er bedarf einer moralischen Intelligenz, um fr den Zweck, wozu er existiert, ein Wesen zu haben, welches diesem gem von ihm und der Welt die Ursache sei. Triebfedern hinter diesen Gefhlen herauszuknsteln, ist vergeblich ; denn sie hngen unmittelbar mit der reinsten moralischen Gesinnung zusammen, weil Dankbarkeit, Gehorsam und Demtigung (Unterwerfung unter verdiente Zchtigung) besondere Gemtsstimmungen zur Pflicht sind, und das zu Erweiterung seiner moralischen Gesinnung geneigte Gemt hier sich nur einen Gegenstand freiwillig denkt, der nicht in der Welt ist, um, wo mglich, auch gegen einen solchen seine Pflicht zu beweisen. Es ist also wenigstens mglich und auch der Grund dazu in moralischer Denkungsart gelegen, ein reines moralisches Bedrfnis der Existenz eines Wesens sich vorzustellen, unter welchem entweder unsere Sittlichkeit mehr Strke oder auch (wenigstens unserer Vorstellung nach) mehr Umfang, nmlich einen neuen Gegenstand fr ihre Ausbung gewinnt ; d. i. ein moralisch-gesetzgebendes Wesen auer der Welt, ohne alle Rcksicht auf theoretischen Beweis, noch weniger auf selbstschtiges Interesse, aus reinem moralischen, von allem fremden Einflusse freien (dabei freilich nur subjektiven) Grunde, anzunehmen, auf bloe Anpreisung einer fr sich allein gesetzgebenden reinen praktischen Vernunft. Und, obgleich eine solche Stimmung des Gemts selten vorkme, oder auch nicht lange haftete, sondern flchtig und ohne dauernde Wirkung, oder auch ohne einiges Nachdenken ber den in einem solchen Schattenbilde vorgestellten Gegenstand, und ohne Bemhung ihn unter deutliche Begriffe zu bringen, vorberginge : so ist doch der Grund dazu, die moralische Anlage in uns, als subjektives Prinzip sich in der Weltbetrachtung mit ihrer Zweckmigkeit durch Naturursachen nicht zu begngen, sondern ihr eine oberste nach moralischen Prinzipien die Natur beherrschende Ursache unterzulegen, unverkennbar. Wozu noch kommt, da wir, nach einem allgemeinen hchsten Zwecke zu streben, uns durch das moralische Gesetz gedrungen, uns aber doch und die gesamte Natur ihn zu erreichen unvermgend fhlen ; da wir, nur so fern wir darnach streben, dem Endzwecke einer verstndigen Weltursache (wenn es eine solche gbe) gem zu sein urteilen drfen ; und so ist ein reiner moralischer Grund der praktischen Vernunft vorhanden, diese Ursache (da es ohne Widerspruch geschehen kann) anzunehmen, wo nicht mehr, doch damit wir jene Bestrebung, in ihren Wirkungen, nicht fr ganz eitel anzusehen und dadurch sie ermatten zu lassen Gefahr laufen.

Mit diesem allem soll hier nur so viel gesagt werden : da die Furcht zwar zuerst Gtter (Dmonen), aber die Vernunft, vermittelst ihrer moralischen Prinzipien, zuerst den Begriff von Gott habe hervorbringen knnen (auch selbst, wenn man in der Teleologie der Natur, wie gemeiniglich, sehr unwissend, oder auch, wegen der Schwierigkeit, die einander hierin widersprechenden Erscheinungen durch ein genugsam bewhrtes Prinzip auszugleichen, sehr zweifelhaft war) ; und da die innere moralische Zweckbestimmung seines Daseins das ergnzte, was der Naturkenntnis abging, indem sie nmlich anwies, zu dem Endzwecke vom Dasein aller Dinge, wozu das Prinzip nicht anders, als ethisch, der Vernunft genugtuend ist, die oberste Ursache mit Eigenschaften, womit sie die ganze Natur jener einzigen Absicht (zu der diese blo Werkzeug ist) zu unterwerfen vermgend ist (d. i. als eine Gottheit), zu denken.

 

87

Von dem moralischen Beweise des Daseins Gottes

Es gibt eine physische Teleologie, welche einen fr unsere theoretisch reflektierende Urteilskraft hinreichenden Beweisgrund an die Hand gibt, das Dasein einer verstndigen Weltursache anzunehmen. Wir finden aber in uns selbst, und noch mehr in dem Begriffe eines vernnftigen mit Freiheit (seiner Kausalitt) begabten Wesens berhaupt, auch eine moralische Teleologie, die aber, weil die Zweckbeziehung in uns selbst a priori, samt dem Gesetze derselben, bestimmt, mithin als notwendig erkannt werden kann, zu diesem Behuf keiner verstndigen Ursache auer uns fr diese innere Gesetzmigkeit bedarf : so wenig, als wir bei dem, was wir in den geometrischen Eigenschaften der Figuren (fr allerlei mgliche Kunstausbung) Zweckmiges finden, auf einen ihnen dieses erteilenden hchsten Verstand hinaus sehen drfen. Aber diese moralische Teleologie betrifft doch uns, als Weltwesen, und also mit andern Dingen in der Welt verbundene Wesen : auf welche letzteren, entweder als Zwecke oder als Gegenstnde in Ansehung deren wir selbst Endzweck sind, unsere Beurteilung zu richten, ebendieselben moralischen Gesetze uns zur Vorschrift machen. Von dieser moralischen Teleologie nun, welche die Beziehung unserer eigenen Kausalitt auf Zwecke und sogar auf einen Endzweck, der von uns in der Welt beabsichtigt werden mu, imgleichen die wechselseitige Beziehung der Welt auf jenen sittlichen Zweck und die uere Mglichkeit seiner Ausfhrung (wozu keine physische Teleologie uns Anleitung geben kann) betrifft, geht nun die notwendige Frage aus : ob sie unsere vernnftige Beurteilung ntige, ber die Welt hinauszugehen, und, zu jener Beziehung der Natur auf das Sittliche in uns, ein verstndiges oberstes Prinzip zu suchen, um die Natur, auch in Beziehung auf die moralische innere Gesetzgebung und deren mgliche Ausfhrung, uns als zweckmig vorzustellen. Folglich gibt es allerdings eine moralische Teleologie ; und diese hngt mit der Nomothetik der Freiheit einerseits, und der der Natur andererseits, ebenso notwendig zusammen, als brgerliche Gesetzgebung mit der Frage, wo man die exekutive Gewalt suchen soll, und berhaupt in allem, worin die Vernunft ein Prinzip der Wirklichkeit einer gewissen gesetzmigen, nur nach Ideen mglichen, Ordnung der Dinge angeben soll, Zusammenhang ist. Wir wollen den Fortschritt der Vernunft von jener moralischen Teleologie und ihrer Beziehung auf die physische, zur Theologie allererst vortragen, und nachher ber die Mglichkeit und Bndigkeit dieser Schluart Betrachtungen anstellen.

Wenn man das Dasein gewisser Dinge (oder auch nur gewisser Formen der Dinge) als zufllig, mithin nur durch etwas anderes, als Ursache, mglich annimmt : so kann man zu dieser Kausalitt den obersten und also zu dem Bedingten den unbedingten Grund entweder in der physischen, oder teleologischen Ordnung suchen (nach dem nexu effectivo, oder finali). D. i. man kann fragen : welches ist die oberste hervorbringende Ursache ? oder was ist der oberste (schlechthin unbedingte) Zweck derselben, d. i. der Endzweck ihrer Hervorbringung dieser oder aller ihrer Produkte berhaupt ? wobei dann freilich vorausgesetzt wird, da diese Ursache einer Vorstellung der Zwecke fhig, mithin ein verstndiges Wesen sei, oder wenigstens von uns als nach den Gesetzen eines solchen Wesens handelnd gedacht werden msse.

Nun ist, wenn man der letztern Ordnung nachgeht, es ein Grundsatz, dem selbst die gemeinste Menschenvernunft unmittelbar Beifall zu geben gentigt ist : da, wenn berall ein Endzweck, den die Vernunft a priori angeben mu, stattfinden soll, dieser kein anderer, als der Mensch (ein jedes vernnftige Weltwesen) unter moralischen Gesetzen sein knne.* Denn (so urteilt ein jeder) : bestnde die Welt aus lauter leblosen, oder zwar zum Teil aus lebenden, aber vernunftlosen Wesen, so wrde das Dasein einer solchen Welt gar keinen Wert haben, weil in ihr kein Wesen existierte, das von einem Werte den mindesten Begriff hat. Wren dagegen auch vernnftige Wesen, deren Vernunft aber den Wert des Daseins der Dinge nur im Verhltnisse der Natur zu ihnen (ihrem Wohlbefinden) zu setzen, nicht aber sich einen solchen ursprnglich (in der Freiheit) selbst zu verschaffen imstande wre : so wren zwar (relative) Zwecke in der Welt, aber kein (absoluter) Endzweck weil das Dasein solcher vernnftigen Wesen doch immer zwecklos sein wrde. Die moralischen Gesetze aber sind von der eigentmlichen Beschaffenheit, da sie etwas als Zweck ohne Bedingung, mithin gerade so, wie der Begriff eines Endzwecks es bedarf, fr die Vernunft vorschreiben : und die Existenz einer solchen Vernunft, die in der Zweckbeziehung ihr selbst das oberste Gesetz sein kann, mit andern Worten die Existenz vernnftiger Wesen unter moralischen Gesetzen, kann also allein als Endzweck vom Dasein einer Welt gedacht werden. Ist dagegen dieses nicht so bewandt, so liegt dem Dasein derselben entweder gar kein Zweck in der Ursache, oder es liegen ihm Zwecke ohne Endzweck zum Grunde.

Das moralische Gesetz, als formale Vernunftbedingung des Gebrauchs unserer Freiheit, verbindet uns fr sich allein, ohne von irgendeinem Zwecke, als materialer Bedingung, abzuhngen ; aber es bestimmt uns doch auch, und zwar a priori, einen Endzweck, welchem nachzustreben es uns verbindlich macht, und dieser ist das hchste durch Freiheit mgliche Gut in der Welt.

Die subjektive Bedingung, unter welcher der Mensch (und nach allen unsern Begriffen auch jedes vernnftige endliche Wesen) sich, unter dem obigen Gesetze einen Endzweck setzen kann, ist die Glckseligkeit. Folglich das hchste in der Welt mgliche, und, so viel an uns ist, als Endzweck zu befrdernde, physische Gut ist Glckseligkeit : unter der objektiven Bedingung der Einstimmung des Menschen mit dem Gesetze der Sittlichkeit, als der Wrdigkeit glcklich zu sein.

Diese zwei Erfordernisse des uns durch das moralische Gesetz aufgegebenen Endzwecks knnen wir aber, nach allen unsern Vernunftvermgen, als durch bloe Naturursachen verknpft, und der Idee des gedachten Endzwecks angemessen, unmglich uns vorstellen. Also stimmt der Begriff von der praktischen Notwendigkeit eines solchen Zwecks, durch die Anwendung unserer Krfte, nicht mit dem theoretischen Begriffe, von der physischen Mglichkeit der Bewirkung desselben, zusammen, wenn wir mit unserer Freiheit keine andere Kausalitt (eines Mittels), als die der Natur, verknpfen.

Folglich mssen wir eine moralische Weltursache (einen Welturheber) annehmen, um uns, gem dem moralischen Gesetze, einen Endzweck vorzusetzen ; und, so weit als das letztere notwendig ist, so weit (d. i. in demselben Grade und aus demselben Grunde) ist auch das erstere notwendig anzunehmen : nmlich es sei ein Gott.**

 

***

 

Dieser Beweis, dem man leicht die Form der logischen Przision anpassen kann, will nicht sagen : es ist ebenso notwendig das Dasein Gottes anzunehmen, als die Gltigkeit des moralischen Gesetzes anzuerkennen ; mithin, wer sich vom erstern nicht berzeugen kann, knne sich von den Verbindlichkeiten nach dem letztern los zu sein urteilen. Nein ! nur die Beabsichtigung des durch die Befolgung des letztern zu bewirkenden Endzwecks in der Welt (einer mit der Befolgung moralischer Gesetze harmonisch zusammentreffenden Glckseligkeit vernnftiger Wesen, als des hchsten Weltbesten) mte alsdann aufgegeben werden. Ein jeder Vernnftige wrde sich an der Vorschrift der Sitten immer noch als strenge gebunden erkennen mssen ; denn die Gesetze derselben sind formal und gebieten unbedingt, ohne Rcksicht auf Zwecke (als die Materie des Wollens). Aber das eine Erfordernis des Endzwecks, wie ihn die praktische Vernunft den Weltwesen vorschreibt, ist ein in sie durch ihre Natur (als endlicher Wesen) gelegter unwiderstehlicher Zweck, den die Vernunft nur dem moralischen Gesetze als unverletzlicher Bedingung unterworfen, oder auch nach demselben allgemein gemacht wissen will, und so die Befrderung der Glckseligkeit, in Einstimmung mit der Sittlichkeit, zum Endzwecke macht. Diesen nun, so viel (was die ersteren betrifft) in unserem Vermgen ist, zu befrdern, wird uns durch das moralische Gesetz geboten ; der Ausschlag, den diese Bemhung hat, mag sein, welcher er wolle. Die Erfllung der Pflicht besteht in der Form des ernstlichen Willens, nicht in den Mittelursachen des Gelingens.

Gesetzt also : ein Mensch berredete sich, teils durch die Schwche aller so sehr gepriesenen spekulativen Argumente, teils durch manche in der Natur und Sittenwelt ihm vorkommende Unregelmigkeiten bewogen, von dem Satze : es sei kein Gott ; so wrde er doch in seinen eigenen Augen ein Nichtswrdiger sein, wenn er darum die Gesetze der Pflicht fr blo eingebildet, ungltig, unverbindlich halten, und ungescheut zu bertreten beschlieen wollte. Ein solcher wrde auch alsdann noch, wenn er sich in der Folge von dem, was er anfangs bezweifelt hatte, berzeugen knnte, mit jener Denkungsart doch immer ein Nichtswrdiger bleiben : ob er gleich seine Pflicht, aber aus Furcht, oder aus lohnschtiger Absicht, ohne pflichtverehrende Gesinnung, der Wirkung nach so pnktlich, wie es immer verlangt werden mag, erfllte. Umgekehrt, wenn er sie als Glubiger seinem Bewutsein nach aufrichtig und uneigenntzig befolgt, und gleichwohl, sooft er zum Versuche den Fall setzt, er knnte einmal berzeugt werden, es sei kein Gott, sich sogleich von aller sittlichen Verbindlichkeit frei glaubte : mte es doch mit der innern moralischen Gesinnung in ihm nur schlecht bestellt sein.

Wir knnen also einen rechtschaffenen Mann (wie etwa den Spinoza) annehmen, der sich fest berredet hlt : es sei kein Gott und (weil es in Ansehung des Objekts der Moralitt auf einerlei Folge hinausluft) auch kein knftiges Leben ; wie wird er seine eigene innere Zweckbestimmung durch das moralische Gesetz, welches er ttig verehrt, beurteilen ? Er verlangt von Befolgung desselben fr sich keinen Vorteil, weder in dieser noch in einer andern Welt ; uneigenntzig will er vielmehr nur das Gute stiften, wozu jenes heilige Gesetz allen seinen Krften die Richtung gibt. Aber sein Bestreben ist begrenzt ; und von der Natur kann er zwar hin und wieder einen zuflligen Beitritt, niemals aber eine gesetzmige und nach bestndigen Regeln (so wie innerlich seine Maximen sind und sein mssen) eintreffende Zusammenstimmung zu dem Zwecke erwarten, welchen zu bewirken er sich doch verbunden und angetrieben fhlt. Betrug, Gewaltttigkeit und Neid werden immer um ihn im Schwange gehen, ob er gleich selbst redlich, friedfertig und wohlwollend ist ; und die Rechtschaffenen, die er auer sich noch antrifft, werden, unangesehen aller ihrer Wrdigkeit glcklich zu sein, dennoch durch die Natur, die darauf nicht achtet, allen beln des Mangels, der Krankheiten und des unzeitigen Todes, gleich den brigen Tieren der Erde, unterworfen sein und es auch immer bleiben, bis ein weites Grab sie insgesamt (redlich oder unredlich, das gilt hier gleichviel) verschlingt, und sie, die da glauben konnten, Endzweck der Schpfung zu sein, in den Schlund des zwecklosen Chaos der Materie zurckwirft, aus dem sie gezogen waren. Den Zweck also, den dieser Wohlgesinnte in Befolgung der moralischen Gesetze vor Augen hatte und haben sollte, mte er allerdings als unmglich aufgeben ; oder will er auch hierin dem Rufe seiner sittlichen inneren Bestimmung anhnglich bleiben, und die Achtung, welche das sittliche Gesetz ihm unmittelbar zum Gehorchen einflt, nicht durch die Nichtigkeit des einzigen ihrer hohen Forderung angemessenen idealistischen Endzwecks schwchen (welches ohne einen der moralischen Gesinnung widerfahrenden Abbruch nicht geschehen kann) : so mu er, welches er auch gar wohl tun kann, indem es an sich wenigstens nicht widersprechend ist, in praktischer Absicht, d. i. um sich wenigstens von der Mglichkeit des ihm moralisch vorgeschriebenen Endzwecks einen Begriff zu machen, das Dasein eines moralischen Welturhebers, d. i. Gottes, annehmen.

 

* Ich sage mit Flei : unter moralischen Gesetzen. Nicht der Mensch nach moralischen Gesetzen, d. i. ein solcher, der sich ihnen gem verhlt, ist der Endzweck der Schpfung. Denn mit dem letztern Ausdrucke wrden wir mehr sagen, als wir wissen : nmlich da es in der Gewalt eines Welturhebers stehe, zu machen, da der Mensch an moralischen Gesetzen jederzeit sieh angemessen verhalte ; welches einen Begriff von Freiheit und der Natur (von welcher letztern man allein einen uern Urheber denken kann) voraussetzt, der eine Einsicht in das bersinnliche Substrat der Natur, und dessen Einerleiheit mit dem was die Kausalitt durch Freiheit in der Welt mglich macht, enthalten mte, die weit ber unsere Vernunfteinsicht hinausgeht. Nur vom Menschen unter moralischen Gesetzen knnen wir, ohne die Schranken unserer Einsicht zu berschreiten, sagen : sein Dasein mache der Welt Endzweck aus. Dieses stimmt auch vollkommen mit dem Urteile der moralisch ber den Weltlauf reflektierenden Menschenvernunft. Wir glauben die Spuren einer weisen Zweckbeziehung auch am Bsen wahrzunehmen, wenn wir nur sehen, da der frevelhafte Bsewicht nicht eher stirbt, als bis er die wohlverschuldete Strafe seiner Untaten erlitten hat. Nach unseren Begriffen von freier Kausalitt beruht das Wohl- oder belverhalten auf uns ; die hchste Weisheit aber der Weltregierung setzen wir darin, da zu dem ersteren die Veranlassung, fr beides aber der Erfolg, nach moralischen Gesetzen verhngt sei. In dem letzteren besteht eigentlich die Ehre Gottes, welche daher von Theologen nicht unschicklich der letzte Zweck der Schpfung genannt wird. Noch ist anzumerken, da wir unter dem Wort Schpfung, wenn wir uns dessen bedienen, nichts anders, als was hier gesagt worden ist, nmlich die Ursache vom Dasein einer Welt, oder der Dinge in ihr (der Substanzen), verstehen ; wie das auch der eigentliche Begriff dieses Worts mit sich bringt (actuatio substantiae est creatio) : welches mithin nicht schon die Voraussetzung einer freiwirkenden, folglich verstndigen Ursache (deren Dasein wir allererst beweisen wollen) bei sich fhrt.

 

** Dieses moralische Argument soll keinen objektiv-gltigen Beweis vom Dasein Gottes an die Hand geben, nicht dem Zweifelglubigen beweisen, da ein Gott sei ; sondern da, wenn er moralisch konsequent denken will, er die Annehmung dieses Satzes unter die Maximen seiner praktischen Vernunft aufnehmen msse. Es soll damit auch nicht gesagt werden : es ist zur Sittlichkeit notwendig, die Glckseligkeit aller vernnftigen Weltwesen gem ihrer Moralitt anzunehmen ; sondern : es ist durch sie notwendig. Mithin ist es ein subjektiv, fr moralische Wesen, hinreichendes Argument.

 

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Beschrnkung der Gltigkeit des moralischen Beweises

Die reine Vernunft, als praktisches Vermgen, d. i. als Vermgen den freien Gebrauch unserer Kausalitt durch Ideen (reine Vernunftbegriffe) zu bestimmen, enthlt nicht allein im moralischen Gesetze ein regulatives Prinzip unserer Handlungen, sondern gibt auch dadurch zugleich ein subjektiv-konstitutives, in dem Begriffe eines Objekts an die Hand, welches nur Vernunft denken kann, und welches durch unsere Handlungen in der Welt nach jenem Gesetze wirklich gemacht werden soll. Die Idee eines Endzwecks im Gebrauche der Freiheit nach moralischen Gesetzen hat also subjektiv-praktische Realitt. Wir sind a priori durch die Vernunft bestimmt, das Weltbeste, welches in der Verbindung des grten Wohls der vernnftigen Weltwesen mit der hchsten Bedingung des Guten an denselben, d. i. der allgemeinen Glckseligkeit mit der gesetzmigsten Sittlichkeit, besteht, nach allen Krften zu befrdern. In diesem Endzwecke ist die Mglichkeit des einen Teils, nmlich der Glckseligkeit, empirisch bedingt, d. i. von der Beschaffenheit der Natur (ob sie zu diesem Zwecke bereinstimme oder nicht) abhngig, und in theoretischer Rcksicht problematisch ; indes der andere Teil, nmlich die Sittlichkeit, in Ansehung deren wir von der Naturmitwirkung frei sind, seiner Mglichkeit nach a priori feststeht und dogmatisch gewi ist. Zur objektiven theoretischen Realitt also des Begriffs von dem Endzwecke vernnftiger Weltwesen wird erfordert, da nicht allein wir einen uns a priori vorgesetzten Endzweck haben, sondern da auch die Schpfung, d. i. die Welt selbst, ihrer Existenz nach einen Endzweck habe : welches, wenn es a priori bewiesen werden knnte, zur subjektiven Realitt des Endzwecks die objektive hinzutun wrde. Denn, hat die Schpfung berall einen Endzweck, so knnen wir ihn nicht anders denken, als so, da er mit dem moralischen (der allein den Begriff von einem Zwecke mglich macht) bereinstimmen msse. Nun finden wir aber in der Welt zwar Zwecke : und die physische Teleologie stellt sie in solchem Mae dar, da, wenn wir der Vernunft gem urteilen, wir zum Prinzip der Nachforschung der Natur zuletzt anzunehmen Grund haben, da in der Natur gar nichts ohne Zweck sei ; allein den Endzweck der Natur suchen wir in ihr selbst vergeblich. Dieser kann und mu daher, so wie die Idee davon nur in der Vernunft liegt, selbst seiner objektiven Mglichkeit nach, nur in vernnftigen Wesen gesucht werden. Die praktische Vernunft der letzteren aber gibt diesen Endzweck nicht allein an, sondern bestimmt auch diesen Begriff in Ansehung der Bedingungen, unter welchen ein Endzweck der Schpfung allein von uns gedacht werden kann.

Es ist nun die Frage : ob die objektive Realitt des Begriffs von einem Endzweck der Schpfung nicht auch fr die theoretischen Forderungen der reinen Vernunft hinreichend, wenn gleich nicht apodiktisch, fr die bestimmende, doch hinreichend fr die Maximen der theoretisch-reflektierenden Urteilskraft knne dargetan werden. Dieses ist das mindeste, was man der spekulativen Philosophie ansinnen kann, die den sittlichen Zweck mit den Naturzwecken vermittelst der Idee eines einzigen Zwecks zu verbinden sich anheischig macht ; aber auch dieses wenige ist doch weit mehr, als sie je zu leisten vermag.

Nach dem Prinzip der theoretisch-reflektierenden Urteilskraft wrden wir sagen : Wenn wir Grund haben, zu den zweckmigen Produkten der Natur eine oberste Ursache der Natur anzunehmen, deren Kausalitt in Ansehung der Wirklichkeit der letzteren (die Schpfung) von anderer Art, als zum Mechanism der Natur erforderlich ist, nmlich als die eines Verstandes, gedacht werden mu ; so werden wir auch an diesem Urwesen nicht blo allenthalben in der Natur Zwecke, sondern auch einen Endzweck zu denken hinreichenden Grund haben, wenngleich nicht um das Dasein eines solchen Wesens darzutun, doch wenigstens (so wie es in der physischen Teleologie geschah) uns zu berzeugen, da wir die Mglichkeit einer solchen Welt nicht blo nach Zwecken, sondern auch nur dadurch, da wir ihrer Existenz einen Endzweck unterlegen, uns begreiflich machen knnen.

Allein Endzweck ist blo ein Begriff unserer praktischen Vernunft, und kann aus keinen Datis der Erfahrung zu theoretischer Beurteilung der Natur gefolgert, noch auf Erkenntnis derselben bezogen werden. Es ist kein Gebrauch von diesem Begriffe mglich, als lediglich fr die praktische Vernunft nach moralischen Gesetzen ; und der Endzweck der Schpfung ist diejenige Beschaffenheit der Welt, die zu dem, was wir allein nach Gesetzen bestimmt angeben knnen, nmlich dem Endzwecke unserer reinen praktischen Vernunft, und zwar so fern sie praktisch sein soll, bereinstimmt. Nun haben wir durch das moralische Gesetz, welches uns diesen letztem auferlegt, in praktischer Absicht, nmlich um unsere Krfte zur Bewirkung desselben anzuwenden, einen Grund, die Mglichkeit, Ausfhrbarkeit desselben, mithin auch (weil, ohne Beitritt der Natur zu einer in unserer Gewalt nicht stehenden Bedingung derselben, die Bewirkung desselben unmglich sein wrde) eine Natur der Dinge, die dazu bereinstimmt, anzunehmen. Also haben wir einen moralischen Grund, uns an einer Welt auch einen Endzweck der Schpfung zu denken.

Dieses ist nun noch nicht der Schlu von der moralischen Teleologie auf eine Theologie, d. i. auf das Dasein eines moralischen Welturhebers, sondern nur auf einen Endzweck der Schpfung, der auf diese Art bestimmt wird. Da nun zu dieser Schpfung, d. i. der Existenz der Dinge, gem einem Endzwecke, erstlich ein verstndiges, aber zweitens nicht blo (wie zu der Mglichkeit der Dinge der Natur, die wir als Zwecke zu beurteilen gentiget waren) ein verstndiges, sondern ein zugleich moralisches Wesen, als Welturheber, mithin ein Gott angenommen werden msse : ist ein zweiter Schlu, welcher so beschaffen ist, da man sieht, er sei blo fr die Urteilskraft, nach Begriffen der praktischen Vernunft, und, als ein solcher, fr die reflektierende, nicht die bestimmende, Urteilskraft gefllet. Denn wir knnen uns nicht anmaen einzusehen : da, obzwar in uns die moralisch-praktische Vernunft von der technisch-praktischen ihren Prinzipien nach wesentlich unterschieden ist, in der obersten Weltursache, wenn sie als Intelligenz angenommen wird, es auch so sein msse, und eine besondere und verschiedene Art der Kausalitt derselben zum Endzwecke, als blo zu Zwecken der Natur, erforderlich sei ; da wir mithin an unseren Endzweck nicht blo einen moralischen Grund haben, einen Endzweck der Schpfung (als Wirkung), sondern auch ein moralisches Wesen, als Urgrund der Schpfung, anzunehmen. Wohl aber knnen wir sagen : da, nach der Beschaffenheit unseres Vernunftvermgens, wir uns die Mglichkeit einer solchen auf das moralische Gesetz und dessen Objekt bezogenen Zweckmigkeit, als in diesem Endzwecke ist, ohne einen Welturheber und Regierer, der zugleich moralischer Gesetzgeber ist, gar nicht begreiflich machen knnen.

Die Wirklichkeit eines hchsten moralisch-gesetzgebenden Urhebers ist also blo fr den praktischen Gebrauch unserer Vernunft hinreichend dargetan, ohne in Ansehung des Daseins desselben etwas theoretisch zu bestimmen. Denn diese bedarf zur Mglichkeit ihres Zwecks, der uns auch ohnedas durch ihre eigene Gesetzgebung aufgegeben ist, einer Idee, wodurch das Hindernis, aus dem Unvermgen ihrer Befolgung nach dem bloen Naturbegriffe von der Welt (fr die reflektierende Urteilskraft hinreichend) weggerumt wird ; und diese Idee bekommt dadurch praktische Realitt, wenn ihr gleich alle Mittel, ihr eine solche in theoretischer Absicht, zur Erklrung der Natur und Bestimmung der obersten Ursache zu verschaffen, fr das spekulative Erkenntnis gnzlich abgehen. Fr die theoretisch reflektierende Urteilskraft bewies die physische Teleologie aus den Zwecken der Natur hinreichend eine verstndige Weltursache ; fr die praktische bewirkt dieses die moralische durch den Begriff eines Endzwecks, den sie in praktischer Absicht der Schpfung beizulegen gentiget ist. Die objektive Realitt der Idee von Gott, als moralischen Welturhebers, kann nun zwar nicht durch physische Zwecke allein dargetan werden ; gleichwohl aber, wenn ihr Erkenntnis mit dem des moralischen verbunden wird, sind jene, vermge der Maxime der reinen Vernunft, Einheit der Prinzipien, so viel sich tun lt, zu befolgen, von groer Bedeutung, um der praktischen Realitt jener Idee, durch die, welche sie in theoretischer Absicht fr die Urteilskraft bereits hat, zu Hlfe zu kommen.

Hiebei ist nun, zu Verhtung eines leicht eintretenden Miverstndnisses, hchst ntig anzumerken, da wir erstlich diese Eigenschaften des hchsten Wesens nur nach der Analogie denken knnen. Denn wie wollten wir seine Natur, wovon uns die Erfahrung nichts hnliches zeigen kann, erforschen ? Zweitens, da wir es durch dieselbe auch nur denken, nicht darnach erkennen, und sie ihm etwa theoretisch beilegen knnen ; denn das wre fr die bestimmende Urteilskraft in spekulativer Absicht unserer Vernunft, um, was die oberste Weltursache an sich sei, einzusehen. Hier aber ist es nur darum zu tun, welchen Begriff wir uns, nach der Beschaffenheit unserer Erkenntnisvermgen, von demselben zu machen, und ob wir seine Existenz anzunehmen haben, um einem Zwecke, den uns reine praktische Vernunft ohne alle solche Voraussetzung, a priori nach allen Krften zu bewirken auferlegt, gleichfalls nur praktische Realitt zu verschaffen, d. i. nur eine beabsichtete Wirkung als mglich denken zu knnen. Immerhin mag jener Begriff fr die spekulative Vernunft berschwenglich sein ; auch mgen die Eigenschaften, die wir dem dadurch gedachten Wesen beilegen, objektiv gebraucht, einen Anthropomorphism in sich verbergen : die Absicht ihres Gebrauchs ist auch nicht, seine fr uns unerreichbare Natur, sondern uns selbst und unseren Willen, darnach bestimmen zu wollen. So wie wir eine Ursache nach dem Begriffe, den wir von der Wirkung haben (aber nur in Ansehung ihrer Relation zu dieser) benennen, ohne darum die innere Beschaffenheit derselben durch die Eigenschaften, die uns von dergleichen Ursachen einzig und allein bekannt und durch Erfahrung gegeben werden mssen, innerlich bestimmen zu wollen ; so wie wir z. B. der Seele unter andern auch eine vim locomotivam beilegen, weil wirklich Bewegungen des Krpers entspringen, deren Ursache in ihren Vorstellungen liegt, ohne ihr darum die einzige Art, wie wir bewegende Krfte kennen (nmlich durch Anziehung, Druck, Sto, mithin Bewegung, welche jederzeit ein ausgedehntes Wesen voraussetzen) beilegen zu wollen : ebenso werden wir etwas, das den Grund der Mglichkeit und der praktischen Realitt, d. i. der Ausfhrbarkeit, eines notwendigen moralischen Endzwecks enthlt, annehmen mssen ; dieses aber, nach Beschaffenheit der von ihm erwarteten Wirkung, uns als ein weises nach moralischen Gesetzen die Welt beherrschendes Wesen denken knnen, und der Beschaffenheit unserer Erkenntnisvermgen gem, als von der Natur unterschiedene Ursache der Dinge denken mssen, um nur das Verhltnis dieses alle unsere Erkenntnisvermgen bersteigenden Wesens zum Objekte unserer praktischen Vernunft auszudrcken : ohne doch dadurch die einzige uns bekannte Kausalitt dieser Art, nmlich einen Verstand und Willen, ihm darum theoretisch beilegen, ja selbst auch nur die an ihm gedachte Kausalitt in Ansehung dessen, was fr uns Endzweck ist, als in diesem Wesen selbst von der Kausalitt in Ansehung der Natur (und deren Zweckbestimmungen berhaupt) objektiv unterscheiden zu wollen, sondern diesen Unterschied nur als subjektiv notwendig, fr die Beschaffenheit unseres Erkenntnisvermgens und gltig fr die reflektierende, nicht fr die objektiv bestimmende Urteilskraft, annehmen knnen. Wenn es aber auf das Praktische ankommt, so ist ein solches regulatives Prinzip (fr die Klugheit oder Weisheit) : dem, was nach Beschaffenheit unserer Erkenntnisvermgen von uns auf gewisse Weise allein als mglich gedacht werden kann, als Zwecke gem zu handeln, zugleich konstitutiv, d. i. praktisch bestimmend ; indes eben dasselbe, als Prinzip die objektive Mglichkeit der Dinge zu beurteilen keinesweges theoretisch-bestimmend (da nmlich auch dem Objekte die einzige Art der Mglichkeit zukomme, die unserm Vermgen zu denken zukommt) sondern ein blo regulatives Prinzip fr die reflektierende Urteilskraft ist.

 

Anmerkung

Dieser moralische Beweis ist nicht etwa ein neu erfundener, sondern allenfalls nur ein neuerrterter Beweisgrund ; denn er hat vor der frhesten Aufkeimung des menschlichen Vernunftvermgens schon in demselben gelegen, und wird mit der fortgehenden Kultur desselben nur immer mehr entwickelt. Sobald die Menschen ber Recht und Unrecht zu reflektieren anfingen, in einer Zeit, wo sie ber die Zweckmigkeit der Natur noch gleichgltig wegsahen, sie ntzten, ohne sich dabei etwas anderes als den gewohnten Lauf der Natur zu denken, mute sich das Urteil unvermeidlich einfinden : da es im Ausgange nimmermehr einerlei sein knne, ob ein Mensch sich redlich oder falsch, billig oder gewaltttig verhalten habe, wenn er gleich bis an sein Lebensende, wenigstens sichtbarlich, fr seine Tugenden kein Glck, oder fr seine Verbrechen keine Strafe angetroffen habe. Es ist : als ob sie in sich eine Stimme wahrnhmen, es msse anders zugehen ; mithin mute auch die, obgleich dunkle, Vorstellung von etwas dem sie nachzustreben sich verbunden fhlten, verborgen liegen, womit ein solcher Ausschlag sich gar nicht zusammenreimen lasse, oder womit, wenn sie den Weltlauf einmal als die einzige Ordnung der Dinge ansahen, sie wiederum jene innere Zweckbestimmung ihres Gemts nicht zu vereinigen wuten. Nun mochten sie die Art, wie eine solche Unregelmigkeit (welche dem menschlichen Gemte weit emprender sein mu, als der blinde Zufall, den man etwa der Naturbeurteilung zum Prinzip unterlegen wollte) ausgeglichen werden knne, sich auf mancherlei noch so grobe Weise vorstellen ; so konnten sie sich doch niemals ein anderes Prinzip der Mglichkeit der Vereinigung der Natur mit ihrem inneren Sittengesetze erdenken, als eine nach moralischen Gesetzen die Welt beherrschende oberste Ursache : weil ein als Pflicht aufgegebener Endzweck in ihnen, und eine Natur ohne allen Endzweck, auer ihnen, in welcher gleichwohl jener Zweck wirklich werden soll, im Widerspruche stehen. ber die innere Beschaffenheit jener Weltursache konnten sie nun manchen Unsinn ausbrten ; jenes moralische Verhltnis in der Weltregierung blieb immer dasselbe, welches fr die unangebauteste Vernunft, sofern sie sich als praktisch betrachtet, allgemein falich ist, mit welcher hingegen die spekulative bei weitem nicht gleichen Schritt halten kann. Auch wurde, aller Wahrscheinlichkeit nach, durch dieses moralische Interesse allererst die Aufmerksamkeit auf die Schnheit und Zwecke in der Natur rege gemacht, die alsdann jene Idee zu bestrken vortrefflich diente, sie aber doch nicht begrnden, noch weniger jenes entbehren konnte, weil selbst die Nachforschung der Zwecke der Natur nur in Beziehung auf den Endzweck dasjenige unmittelbare Interesse bekommt, welches sich in der Bewunderung derselben, ohne Rcksicht auf irgend daraus zu ziehenden Vorteil, in so groem Mae zeigt.

 

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Von dem Nutzen des moralischen Arguments

Die Einschrnkung der Vernunft, in Ansehung aller unserer Ideen vom bersinnlichen, auf die Bedingungen ihres praktischen Gebrauchs, hat, was die Idee von Gott betrifft, den unverkennbaren Nutzen : da sie verhtet, da Theologie sich nicht in Theosophie (in vernunftverwirrende berschwengliche Begriffe) versteigen oder zur Dmonologie (einer anthropomorphistischen Vorstellungsart des hchsten Wesens) herabsinke ; da Religion nicht in Theurgie (ein schwrmerischer Wahn, von anderen bersinnlichen Wesen Gefhl und auf sie wiederum Einflu haben zu knnen), oder in Idololatrie (ein aberglubischer Wahn, dem hchsten Wesen sich durch andere Mittel, als durch eine moralische Gesinnung, wohlgefllig machen zu knnen) gerate*.

Denn, wenn man der Eitelkeit oder Vermessenheit des Vernnftelns in Ansehung dessen, was ber die Sinnenwelt hinausliegt, auch nur das mindeste theoretisch (und erkenntnis-erweiternd) zu bestimmen einrumt ; wenn man mit Einsichten vom Dasein und von der Beschaffenheit der gttlichen Natur, von seinem Verstande und Willen, den Gesetzen beider und den daraus auf die Welt abflieenden Eigenschaften grozutun verstattet : so mchte ich wohl wissen, wo und an welcher Stelle man die Anmaungen der Vernunft begrenzen wolle ; denn, wo jene Einsichten hergenommen sind, ebendaher knnen ja noch mehrere (wenn man nur, wie man meint, sein Nachdenken anstrengte) erwartet werden. Die Begrenzung solcher Ansprche mte doch nach einem gewissen Prinzip geschehen, nicht etwa blo aus dem Grunde, weil wir finden, da alle Versuche mit denselben bisher fehlgeschlagen sind ; denn das beweiset nichts wider die Mglichkeit eines besseren Ausschlags. Hier aber ist kein Prinzip mglich, als entweder anzunehmen : da in Ansehung des bersinnlichen schlechterdings gar nichts theoretisch (als lediglich nur negativ) bestimmt werden knne, oder da unsere Vernunft eine noch unbenutzte Fundgrube, zu wer wei wie groen, fr uns und unsere Nachkommen aufbewahrten erweiternden Kenntnissen, in sich enthalte. Was aber Religion betrifft, d. i. die Moral in Beziehung auf Gott als Gesetzgeber ; so mu, wenn die theoretische Erkenntnis desselben vorhergehen mte, die Moral sich nach der Theologie richten, und, nicht allein, statt einer inneren notwendigen Gesetzgebung der Vernunft, eine uere willkrliche eines obersten Wesens eingefhrt werden, sondern auch in dieser alles, was unsere Einsicht in die Natur desselben Mangelhaftes hat, sich auf die sittliche Vorschrift erstrecken, und so die Religion unmoralisch machen und verkehren.

In Ansehung der Hoffnung eines knftigen Lebens, wenn wir, statt des Endzwecks, den wir, der Vorschrift des moralischen Gesetzes gem, selbst zu vollfhren haben, zum Leitfaden des Vernunfturteils ber unsere Bestimmung (welches also nur in praktischer Beziehung als notwendig, oder annehmungswrdig, betrachtet wird) unser theoretisches Erkenntnisvermgen befragen, gibt die Seelenlehre in dieser Absicht, so wie oben die Theologie, nichts mehr als einen negativen Begriff von unserm denkenden Wesen : da nmlich keine seiner Handlungen und Erscheinungen des innern Sinnes materialistisch erklrt werden knne ; da also von ihrer abgesonderten Natur, und der Dauer oder Nichtdauer ihrer Persnlichkeit nach dem Tode, uns schlechterdings kein erweiterndes bestimmendes Urteil aus spekulativen Grnden durch unser gesamtes theoretisches Erkenntnisvermgen mglich sei. Da also alles hier der teleologischen Beurteilung unseres Daseins in praktischer notwendiger Rcksicht und der Annehmung unserer Fortdauer, als der zu dem uns von der Vernunft schlechterdings aufgegebenen Endzweck erforderlichen Bedingung, berlassen bleibt, so zeigt sich hier zugleich der Nutzen (der zwar beim ersten Anblick Verlust zu sein scheint) : da, so wie die Theologie fr uns nie Theosophie werden kann, die rationale Psychologie niemals Pneumatologie als erweiternde Wissenschaft werden knne, so wie sie andrerseits auch gesichert ist, in keinen Materialism zu verfallen ; sondern da sie vielmehr blo Anthropologie des innern Sinnes, d. i. Kenntnis unseres denkenden Selbst im Leben sei, und als theoretisches Erkenntnis auch blo empirisch bleibe ; dagegen die rationale Psychologie, was die Frage ber unsere ewige Existenz betrifft, gar keine theoretische Wissenschaft ist, sondern auf einem einzigen Schlusse der moralischen Teleologie beruht, wie denn auch ihr ganzer Gebrauch, blo der letztern als unserer praktischen Bestimmung wegen, notwendig ist.

 

* Abgtterei in praktischem Verstande ist noch immer diejenige Religion, welche sich das hchste Wesen mit Eigenschaften denkt, nach denen noch etwas anders, als Moralitt, die fr sich taugliche Bedingung sein knne, seinem Willen in dem, was der Mensch zu tun vermag, gem zu sein. Denn so rein und frei von sinnlichen Bildern man auch in theoretischer Rcksicht jenen Begriff gefat haben mag, so ist er im Praktischen alsdann dennoch als ein Idol, d. i. der Beschaffenheit nach anthropomorphistisch, vorgestellt.

 

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Von der Art des Frwahrhaltens in einem teleologischen Beweise des Daseins Gottes

Zuerst wird zu jedem Beweise, er mag (wie bei dem Beweise durch Beobachtung des Gegenstandes oder Experiment) durch unmittelbare empirische Darstellung dessen, was bewiesen werden soll, oder durch Vernunft a priori aus Prinzipien gefhrt werden, erfordert : da er nicht berrede, sondern berzeuge, oder wenigstens auf berzeugung wirke ; d. i. da der Beweisgrund, oder der Schlu, nicht blo ein subjektiver (sthetischer) Bestimmungsgrund des Beifalls (bloer Schein), sondern objektiv-gltig und ein logischer Grund der Erkenntnis sei : denn sonst wird der Verstand berckt, aber nicht berfhrt. Von jener Art eines Scheinbeweises ist derjenige, welcher vielleicht in guter Absicht, aber doch mit vorstzlicher Verhehlung seiner Schwche, in der natrlichen Theologie gefhrt wird : wenn man die groe Menge der Beweistmer eines Ursprungs der Naturdinge nach dem Prinzip der Zwecke herbeizieht, und sich den blo subjektiven Grund der menschlichen Vernunft zunutze macht, nmlich den ihr eigenen Hang, wo es nur ohne Widerspruch geschehen kann, statt vieler Prinzipien ein einziges, und, wo in diesem Prinzip nur einige oder auch viele Erfordernisse zur Bestimmung eines Begriffs angetroffen werden, die brigen hinzuzudenken, um den Begriff des Dinges durch willkrliche Ergnzung zu vollenden. Denn freilich, wenn wir so viele Produkte in der Natur antreffen, die fr uns Anzeigen einer verstndigen Ursache sind ; warum sollen wir, statt vieler solcher Ursachen, nicht lieber eine einzige, und zwar an dieser nicht etwa blo groen Verstand, Macht usw., sondern nicht vielmehr Allweisheit, Allmacht, mit einem Worte sie als eine solche, die den fr alle mgliche Dinge zureichenden Grund solcher Eigenschaften enthalte, denken ? und berdas diesem einigen alles vermgenden Urwesen nicht blo fr die Naturgesetze und Produkte Verstand, sondern auch, als einer moralischen Weltursache, hchste sittliche praktische Vernunft beilegen ; da durch diese Vollendung des Begriffs ein fr Natureinsicht so wohl als moralische Weisheit zusammen hinreichendes Prinzip angegeben wird, und kein nur einigermaen gegrndeter Einwurf wider die Mglichkeit einer solchen Idee gemacht werden kann ? Werden hiebei nun zugleich die moralischen Triebfedern des Gemts in Bewegung gesetzt, und ein lebhaftes Interesse der letzteren mit rednerischer Strke (deren sie auch wohl wrdig sind) hinzugefgt ; so entspringt daraus eine berredung von der objektiven Zulnglichkeit des Beweises, und ein (in den meisten Fllen seines Gebrauchs) auch heilsamer Schein, der aller Prfung der logischen Schrfe desselben sich ganz berhebt, und sogar dawider, als ob ihr ein frevelhafter Zweifel zum Grunde lge, Abscheu und Widerwillen trgt. Nun ist hierwider wohl nichts zu sagen, so fern man auf populre Brauchbarkeit eigentlich Rcksicht nimmt. Allein, da doch die Zerfllung desselben in die zwei ungleichartigen Stcke, die dieses Argument enthlt, nmlich in das was zur physischen, und das was zur moralischen Teleologie gehrt, nicht abgehalten werden kann und darf, indem die Zusammenschmelzung beider es unkenntlich macht, wo der eigentliche Nerve des Beweises liege, und an welchem Teile und wie er mte bearbeitet werden, um fr die Gltigkeit desselben vor der schrfsten Prfung standhalten zu knnen (selbst wenn man an einem Teile die Schwche unserer Vernunfteinsicht einzugestehen gentigt sein sollte) : so ist es fr den Philosophen Pflicht (gesetzt da er auch die Anforderung der Aufrichtigkeit an ihn fr nichts rechnete), den obgleich noch so heilsamen Schein, welchen eine solche Vermengung hervorbringen kann, aufzudecken, und, was blo zur berredung gehrt, von dem was auf berzeugung fhrt (die beide nicht blo dem Grade, sondern selbst der Art nach, unterschiedene Bestimmungen des Beifalls sind) abzusondern, um die Gemtsfassung in diesem Beweise in ihrer ganzen Lauterkeit offen darzustellen, und diesen der strengsten Prfung freimtig unterwerfen zu knnen.

Ein Beweis aber, der auf berzeugung angelegt ist, kann wiederum zwiefacher Art sein, entweder ein solcher, der, was der Gegenstand an sich sei, oder was er fr uns (Menschen berhaupt) nach den uns notwendigen Vernunftprinzipien seiner Beurteilung, sei (ein Beweis kat' alhJeian oder kat' anJrwpon, das letztere Wort in allgemeiner Bedeutung fr Menschen berhaupt genommen), ausmachen soll. Im ersteren Falle ist er auf hinreichende Prinzipien fr die bestimmende, im zweiten blo fr die reflektierende Urteilskraft begrndet. Im letztern Falle kann er, auf blo theoretischen Prinzipien beruhend, niemals auf berzeugung wirken ; legt er aber ein praktisches Vernunftprinzip zum Grunde (welches mithin allgemein und notwendig gilt), so darf er wohl auf eine in reiner praktischer Absicht hinreichende, d. i. moralische, berzeugung Anspruch machen. Ein Beweis aber wirkt auf berzeugung, ohne noch zu berzeugen, wenn er blo auf dem Wege dahin gefhrt wird, d. i. nur objektive Grnde dazu in sich enthlt, die, ob sie gleich noch nicht zur Gewiheit hinreichend, dennoch von der Art sind, da sie nicht blo als subjektive Grnde des Urteils zur berredung dienen.

Alle theoretische Beweisgrnde reichen nun entweder zu : 1) zum Beweise durch logisch-strenge Vernunftschlsse ; oder, wo dieses nicht ist, 2) zum Schlusse nach der Analogie ; oder, findet auch dieses etwa nicht statt, doch noch 3) zur wahrscheinlichen Meinung ; oder endlich, was das mindeste ist, 4) zur Annehmung eines blo mglichen Erklrungsgrundes, als Hypothese. Nun sage ich : da alle Beweisgrnde berhaupt, die auf theoretische berzeugung wirken, kein Frwahrhalten dieser Art, von dem hchsten bis zum niedrigsten Grade desselben, bewirken knnen, wenn der Satz von der Existenz eines Urwesens, als eines Gottes, in der dem ganzen Inhalte dieses Begriffs angemessenen Bedeutung, nmlich als eines moralischen Welturhebers, mithin so, da durch ihn zugleich der Endzweck der Schpfung angegeben wird, bewiesen werden soll.

1) Was den logisch-gerechten, vom Allgemeinen zum Besonderen fortgehenden Beweis betrifft, so ist in der Kritik hinreichend dargetan worden : da, da dem Begriffe von einem Wesen, welches ber die Natur hinaus zu suchen ist, keine uns mgliche Anschauung korrespondiert, dessen Begriff also selbst, sofern er durch synthetische Prdikate theoretisch bestimmt werden soll, fr uns jederzeit problematisch bleibt, schlechterdings kein Erkenntnis desselben (wodurch der Umfang unseres theoretischen Wissens im mindesten erweitert wrde) stattfinde, und unter die allgemeinen Prinzipien der Natur der Dinge der besondere Begriff eines bersinnlichen Wesens gar nicht subsumiert werden knne, um von jenen auf dieses zu schlieen ; weil jene Prinzipien lediglich fr die Natur, als Gegenstand der Sinne, gelten.

2) Man kann sich zwar von zwei ungleichartigen Dingen, eben in dem Punkte ihrer Ungleichartigkeit, eines derselben doch nach einer Analogie* mit dem andern denken ; aber aus dem, worin sie ungleichartig sind, nicht von einem nach der Analogie auf das andere schlieen, d. i. dieses Merkmal des spezifischen Unterschiedes auf das andere bertragen. So kann ich mir, nach der Analogie mit dem Gesetze der Gleichheit der Wirkung und Gegenwirkung, in der wechselseitigen Anziehung und Abstoung der Krper untereinander, auch die Gemeinschaft der Glieder eines gemeinen Wesens nach Regeln des Rechts denken ; aber jene spezifischen Bestimmungen (die materielle Anziehung oder Abstoung) nicht auf diese bertragen, und sie den Brgern beilegen, um ein System, welches Staat heit, auszumachen. Ebenso drfen wir wohl die Kausalitt des Urwesens in Ansehung der Dinge der Welt, als Naturzwecke, nach der Analogie eines Verstandes, als Grundes der Formen gewisser Produkte, die wir Kunstwerke nennen, denken (denn dieses geschieht nur zum Behuf des theoretischen oder praktischen Gebrauchs unseres Erkenntnisvermgens, den wir von diesem Begriffe in Ansehung der Naturdinge in der Welt, nach einem gewissen Prinzip, zu machen haben) ; aber wir knnen daraus, da unter Weltwesen der Ursache einer Wirkung, die als knstlich beurteilt wird, Verstand beigelegt werden mu, keinesweges nach einer Analogie schlieen, da auch dem Wesen, welches von der Natur gnzlich unterschieden ist, in Ansehung der Natur selbst eben dieselbe Kausalitt, die wir am Menschen wahrnehmen, zukomme : weil dieses eben den Punkt der Ungleichartigkeit betrifft, der zwischen einer in Ansehung ihrer Wirkungen sinnlich-bedingten Ursache und dem bersinnlichen Urwesen selbst im Begriffe desselben gedacht wird und also auf diesen nicht bertragen werden kann. Eben darin, da ich mir die gttliche Kausalitt nur nach der Analogie mit einem Verstande (welches Vermgen wir an keinem anderen Wesen als dem sinnlich-bedingten Menschen kennen) denken soll, liegt das Verbot, ihm diesen nicht in der eigentlichen Bedeutung beizulegen.**

3) Meinen findet in Urteilen a priori gar nicht statt ; sondern man erkennt durch sie entweder etwas als ganz gewi, oder gar nichts. Wenn aber auch die gegebenen Beweisgrnde, von denen wir ausgehen (wie hier von den Zwecken in der Welt), empirisch sind, so kann man mit diesen doch ber die Sinnenwelt hinaus nichts meinen, und solchen gewagten Urteilen den mindesten Anspruch auf Wahrscheinlichkeit zugestehen. Denn Wahrscheinlichkeit ist ein Teil einer in einer gewissen Reihe der Grnde mglichen Gewiheit (die Grnde derselben werden darin mit dem Zureichenden, als Teile mit einem Ganzen, verglichen), zu welchen jener unzureichende Grund mu ergnzt werden knnen. Weil sie aber als Bestimmungsgrnde der Gewiheit eines und desselben Urteils gleichartig sein mssen, indem sie sonst nicht zusammen eine Gre (dergleichen die Gewiheit ist) ausmachen wrden : so kann nicht ein Teil derselben innerhalb den Grenzen mglicher Erfahrung, ein anderer auerhalb aller mglichen Erfahrung liegen. Mithin, da blo empirische Beweisgrnde auf nichts bersinnliches fhren, der Mangel in der Reihe derselben auch durch nichts ergnzt werden kann ; so findet in dem Versuche, durch sie zum bersinnlichen und einer Erkenntnis desselben zu gelangen, nicht die mindeste Annherung, folglich in einem Urteile ber das letztere durch von der Erfahrung hergenommene Argumente, auch keine Wahrscheinlichkeit statt.

4) Was als Hypothese zu Erklrung der Mglichkeit einer gegebenen Erscheinung dienen soll, davon mu wenigstens die Mglichkeit vllig gewi sein. Es ist genug, da ich bei einer Hypothese auf die Erkenntnis der Wirklichkeit (die in einer fr wahrscheinlich ausgegebenen Meinung noch behauptet wird) Verzicht tue : mehr kann ich nicht preisgeben ; die Mglichkeit dessen, was ich einer Erklrung zum Grunde lege, mu wenigstens keinem Zweifel ausgesetzt sein, weil sonst der leeren Hirngespinste kein Ende sein wrde. Die Mglichkeit aber eines nach gewissen Begriffen bestimmten bersinnlichen Wesens anzunehmen, da hiezu keine von den erforderlichen Bedingungen einer Erkenntnis nach dem was in ihr auf Anschauung beruht, gegeben ist, und also der bloe Satz des Widerspruchs (der nichts als die Mglichkeit des Denkens und nicht des gedachten Gegenstandes selbst beweisen kann) als Kriterium dieser Mglichkeit brig bleibt, wrde eine vllig grundlose Voraussetzung sein.

Das Resultat hievon ist : da fr das Dasein des Urwesens als einer Gottheit, oder der Seele, als eines unsterblichen Geistes, schlechterdings kein Beweis in theoretischer Absicht, um auch nur den mindesten Grad des Frwahrhaltens zu wirken, fr die menschliche Vernunft mglich sei ; und dieses aus dem ganz begreiflichen Grunde : weil zur Bestimmung der Ideen des bersinnlichen fr uns gar kein Stoff da ist, indem wir diesen letzteren von Dingen in der Sinnenwelt hernehmen mten, ein solcher aber jenem Objekte schlechterdings nicht angemessen ist, also, ohne alle Bestimmung derselben, nichts mehr, als der Begriff von einem nichtsinnlichen Etwas brig bleibt, welches den letzten Grund der Sinnenwelt enthalte, der noch kein Erkenntnis (als Erweiterung des Begriffs) von seiner inneren Beschaffenheit ausmacht.

 

* Analogie (in qualitativer Bedeutung) ist die Identitt des Verhltnisses zwischen Grnden und Folgen (Ursachen und Wirkungen), sofern sie, ungeachtet der spezifischen Verschiedenheit der Dinge, oder derjenigen Eigenschaften an sich, welche den Grund von hnlichen Folgen enthalten (d. i. auer diesem Verhltnisse betrachtet), stattfindet. So denken wir uns zu den Kunsthandlungen der Tiere, in Vergleichung mit denen des Menschen, den Grund dieser Wirkungen in den ersteren, den wir nicht kennen, mit dem Grunde hnlicher Wirkungen des Menschen (der Vernunft), den wir kennen, als Analogon der Vernunft ; und wollen damit zugleich anzeigen : da der Grund des tierischen Kunstvermgens, unter der Benennung eines Instinkts, von der Vernunft in der Tat spezifisch unterschieden, doch auf die Wirkung (der Bau der Biber mit dem der Menschen verglichen) ein hnliches Verhltnis habe. Deswegen aber kann ich daraus, weil der Mensch zu seinem Bauen Vernunft braucht, nicht schlieen, da der Biber auch dergleichen haben msse, und es einen Schlu nach der Analogie nennen. Aber aus der hnlichen Wirkungsart der Tiere (wovon wir den Grund nicht unmittelbar wahrnehmen knnen), mit der des Menschen (dessen wir uns unmittelbar bewut sind) verglichen, knnen wir ganz richtig nach der Analogie schlieen, da die Tiere auch nach Vorstellungen handeln (nicht, wie Cartesius will, Maschinen sind), und, ungeachtet ihrer spezifischen Verschiedenheit, doch der Gattung nach (als lebende Wesen) mit dem Menschen einerlei sind. Das Prinzip der Befugnis, so zu schlieen, liegt in der Einerleiheit des Grundes, die Tiere in Ansehung gedachter Bestimmung mit dem Menschen, als Menschen, soweit wir sie uerlich nach ihren Handlungen miteinander vergleichen, zu einerlei Gattung zu zhlen. Es ist par ratio. Ebenso kann ich die Kausalitt der obersten Weltursache, in der Vergleichung der zweckmigen Produkte derselben in der Welt mit den Kunstwerken des Menschen, nach der Analogie eines Verstandes denken, aber nicht auf diese Eigenschaften in demselben nach der Analogie schlieen ; weil hier das Prinzip der Mglichkeit einer solchen Schluart gerade mangelt, nmlich die paritas rationis, das hchste Wesen mit dem Menschen (in Ansehung ihrer beiderseitigen Kausalitt) zu einer und derselben Gattung zu zhlen. Die Kausalitt der Weltwesen, die immer sinnlich-bedingt (dergleichen die durch Verstand) ist, kann nicht auf ein Wesen bertragen werden, welches mit jenen keinen Gattungsbegriff, als den eines Dinges berhaupt, gemein hat.

 

** Man vermit dadurch nicht das mindeste in der Vorstellung der Verhltnisse dieses Wesens zur Welt, sowohl was die theoretischen als praktischen Folgerungen aus diesem Begriffe betrifft. Was es an sich selbst sei, erforschen zu wollen, ist ein eben so zweckloser als vergeblicher Vorwitz.

 

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Von der Art des Frwahrhaltens durch einen praktischen Glauben

Wenn wir blo auf die Art sehen, wie etwas fr uns (nach der subjektiven Beschaffenheit unserer Vorstellungskrfte) Objekt der Erkenntnis (res cognoscibilis) sein kann : so werden alsdann die Begriffe nicht mit den Objekten, sondern blo mit unsern Erkenntnisvermgen und dem Gebrauche, den diese von der gegebenen Vorstellung (in theoretischer oder praktischer Absicht) machen knnen, zusammengehalten ; und die Frage, ob etwas ein erkennbares Wesen sei oder nicht, ist keine Frage, die die Mglichkeit der Dinge selbst, sondern unserer Erkenntnis derselben angeht.

Erkennbare Dinge sind nun von dreifacher Art : Sachen der Meinung (opinabile), Tatsachen (scibile), und Glaubenssachen (mere credibile).

1) Gegenstnde der bloen Vernunftideen, die fr das theoretische Erkenntnis gar nicht in irgendeiner mglichen Erfahrung dargestellt werden knnen, sind sofern auch gar nicht erkennbare Dinge, mithin kann man in Ansehung ihrer nicht einmal meinen ; wie denn a priori zu meinen schon an sich ungereimt und der gerade Weg zu lauter Hirngespinsten ist. Entweder unser Satz a priori ist also gewi, oder er enthlt gar nichts zum Frwahrhalten. Also sind Meinungssachen jederzeit Objekte einer wenigstens an sich mglichen Erfahrungserkenntnis (Gegenstnde der Sinnenwelt), die aber, nach dem bloen Grade dieses Vermgens den wir besitzen, fr uns unmglich ist. So ist der ther der neuern Physiker, eine elastische, alle andere Materien durchdringende (mit ihnen innigst vermischte) Flssigkeit, eine bloe Meinungssache, immer doch noch von der Art, da, wenn die ueren Sinne im hchsten Grade geschrft wren, er wahrgenommen werden knnte ; der aber nie in irgendeiner Beobachtung, oder Experimente, dargestellt werden kann. Vernnftige Bewohner anderer Planeten anzunehmen, ist eine Sache der Meinung ; denn, wenn wir diesen nher kommen knnten, welches an sich mglich ist, wrden wir, ob sie sind, oder nicht sind, durch Erfahrung ausmachen ; aber wir werden ihnen niemals so nahe kommen, und so bleibt es beim Meinen. Allein meinen : da es reine, ohne Krper denkende, Geister im materiellen Univers gebe (wenn man nmlich gewisse dafr ausgegebene wirkliche Erscheinungen, wie billig, von der Hand weiset), heit dichten, und ist gar keine Sache der Meinung, sondern eine bloe Idee, welche brigbleibt, wenn man von einem denkenden Wesen alles Materielle wegnimmt und ihm doch das Denken briglt. Ob aber alsdann das letztere (welches wir nur am Menschen, d. i. in Verbindung mit einem Krper, kennen) brigbleibe, knnen wir nicht ausmachen. Ein solches Ding ist ein vernnfteltes Wesen (ens rationis ratiocinantis), kein Vernunftwesen (ens rationis ratiocinatae) ; von welchem letzteren es doch mglich ist, die objektive Realitt seines Begriffs, wenigstens fr den praktischen Gebrauch der Vernunft, hinreichen darzutun, weil dieser seine eigentmlichen und apodiktisch gewissen Prinzipien a priori hat, ihn sogar erheischt (postuliert).

2) Gegenstnde fr Begriffe, deren objektive Realitt (es sei durch reine Vernunft, oder durch Erfahrung, und, im ersteren Falle, aus theoretischen oder praktischen Datis derselben, in allen Fllen aber vermittelst einer ihnen korrespondierenden Anschauung) bewiesen werden kann, sind (res facti) Tatsachen.* Dergleichen sind die mathematischen Eigenschaften der Gren (in der Geometrie), weil sie einer Darstellung a priori fr den theoretischen Vernunftgebrauch fhig sind. Ferner sind Dinge, oder Beschaffenheiten derselben, die durch Erfahrung (eigene oder fremde Erfahrung vermittelst der Zeugnisse) dargetan werden knnen, gleichfalls Tatsachen. Was aber sehr merkwrdig ist, so findet sich sogar eine Vernunftidee (die an sich keiner Darstellung in der Anschauung, mithin auch keines theoretischen Beweises ihrer Mglichkeit, fhig ist) unter den Tatsachen ; und das ist die Idee der Freiheit, deren Realitt, als einer besondern Art von Kausalitt (von welcher der Begriff in theoretischem Betracht berschwenglich sein wrde), sich durch praktische Gesetze der reinen Vernunft, und, diesen gem, in wirklichen Handlungen, mithin in der Erfahrung, dartun lt. Die einzige unter allen Ideen der reinen Vernunft, deren Gegenstand Tatsache ist und unter die scibilia mit gerechnet werden mu.

3) Gegenstnde, die in Beziehung auf den pflichtmigen Gebrauch der reinen praktischen Vernunft (es sei als Folgen, oder als Grnde) a priori gedacht werden mssen, aber fr den theoretischen Gebrauch derselben berschwenglich sind, sind bloe Glaubenssachen. Dergleichen ist das hchste durch Freiheit zu bewirkende Gut in der Welt ; dessen Begriff in keiner fr uns mglichen Erfahrung, mithin fr den theoretischen Vernunftgebrauch hinreichend, seiner objektiven Realitt nach bewiesen werden kann, dessen Gebrauch aber zur bestmglichen Bewirkung jenes Zwecks doch durch praktische reine Vernunft geboten ist, und mithin als mglich angenommen werden mu. Diese gebotene Wirkung, zusamt den einzigen fr uns denkbaren Bedingungen ihrer Mglichkeit, nmlich dem Dasein Gottes und der Seelen-Unsterblichkeit, sind Glaubenssachen (res fidei) und zwar die einzigen unter allen Gegenstnden, die so genannt werden knnen.** Denn ob von uns gleich, was wir nur von der Erfahrung anderer durch Zeugnis lernen knnen, geglaubt werden mu, so ist es darum doch noch nicht an sich Glaubenssache ; denn bei jener Zeugen einem war es doch eigene Erfahrung und Tatsache, oder wird als solche vorausgesetzt. Zudem mu es mglich sein, durch diesen Weg (des historischen Glaubens) zum Wissen zu gelangen ; und die Objekte der Geschichte und Geographie, wie alles berhaupt was zu wissen nach der Beschaffenheit unserer Erkenntnisvermgen wenigstens mglich ist, gehren nicht zu Glaubenssachen, sondern zu Tatsachen. Nur Gegenstnde der reinen Vernunft knnen allenfalls Glaubenssachen sein, aber nicht als Gegenstnde der bloen reinen spekulativen Vernunft ; denn da knnen sie gar nicht einmal mit Sicherheit zu den Sachen, d. i. Objekten jenes fr uns mglichen Erkenntnisses, gezhlt werden. Es sind Ideen, d. i. Begriffe, denen man die objektive Realitt theoretisch nicht sichern kann. Dagegen ist der von uns zu bewirkende hchste Endzweck, das wodurch wir allein wrdig werden knnen, selbst Endzweck einer Schpfung zu sein, eine Idee, die fr uns in praktischer Beziehung objektive Realitt hat, und Sache ; aber darum, weil wir diesem Begriffe in theoretischer Absicht diese Realitt nicht verschaffen knnen, bloe Glaubenssache der reinen Vernunft, mit ihm aber zugleich Gott und Unsterblichkeit, als die Bedingungen, unter denen allein wir, nach der Beschaffenheit unserer (der menschlichen) Vernunft uns die Mglichkeit jenes Effekts des gesetzmigen Gebrauchs unserer Freiheit denken knnen. Das Frwahrhalten aber in Glaubenssachen ist ein Frwahrhalten in reiner praktischer Absicht, d. i. ein moralischer Glaube, der nichts fr das theoretische, sondern blo fr das praktische, auf Befolgung seiner Pflichten gerichtete, reine Vernunfterkenntnis, beweiset, und die Spekulation, oder die praktischen Klugheitsregeln nach dem Prinzip der Selbstliebe, gar nicht erweitert. Wenn das oberste Prinzip aller Sittengesetze ein Postulat ist, so wird zugleich die Mglichkeit ihres hchsten Objekts, mithin auch die Bedingung, unter der wir diese Mglichkeit denken knnen, dadurch zugleich mit postuliert. Dadurch wird nun das Erkenntnis der letzteren weder Wissen noch Meinung von dem Dasein und der Beschaffenheit dieser Bedingungen, als theoretische Erkenntnisart, sondern blo Annahme in praktischer und dazu gebotener Beziehung fr den moralischen Gebrauch unserer Vernunft.

Wrden wir auch auf die Zwecke der Natur, die uns die physische Teleologie in so reichem Mae vorlegt, einen bestimmten Begriff von einer verstndigen Weltursache scheinbar grnden knnen, so wre das Dasein dieses Wesens doch nicht Glaubenssache. Denn da dieses nicht zum Behuf der Erfllung meiner Pflicht, sondern nur zur Erklrung der Natur angenommen wird, so wrde es blo die unserer Vernunft angemessenste Meinung und Hypothese sein. Nun fhrt jene Teleologie keinesweges auf einen bestimmten Begriff von Gott, der hingegen allein in dem von einem moralischen Welturheber angetroffen wird, weil dieser allein den Endzweck angibt, zu welchem wir uns nur sofern zhlen knnen, als wir dem, was uns das moralische Gesetz als Endzweck auferlegt, mithin uns verpflichtet, uns gem verhalten. Folglich bekommt der Begriff von Gott nur durch die Beziehung auf das Objekt unserer Pflicht, als Bedingung der Mglichkeit den Endzweck derselben zu erreichen, den Vorzug in unserm Frwahrhalten als Glaubenssache zu gelten ; dagegen ebenderselbe Begriff doch sein Objekt nicht als Tatsache geltend machen kann : weil, obzwar die Notwendigkeit der Pflicht fr die praktische Vernunft wohl klar ist, doch die Erreichung des Endzwecks derselben, sofern er nicht ganz in unserer Gewalt ist, nur zum Behuf des praktischen Gebrauchs der Vernunft angenommen, also nicht so wie die Pflicht selbst praktisch notwendig ist.***

Glaube (als habitus, nicht als actus) ist die moralische Denkungsart der Vernunft im Frwahrhalten desjenigen, was fr das theoretische Erkenntnis unzugnglich ist. Er ist also der beharrliche Grundsatz des Gemts, das, was zur Mglichkeit des hchsten moralischen Endzwecks als Bedingung vorauszusetzen notwendig ist, wegen der Verbindlichkeit zu demselben als wahr anzunehmen**** ; ob zwar die Mglichkeit desselben, aber ebensowohl auch die Unmglichkeit, von uns nicht eingesehen werden kann. Der Glaube (schlechthin so genannt) ist ein Vertrauen zu der Erreichung einer Absicht, deren Befrderung Pflicht, die Mglichkeit der Ausfhrung derselben aber fr uns nicht einzusehen ist (folglich auch nicht die der einzigen fr uns denkbaren Bedingungen). Der Glaube also, der sich auf besondere Gegenstnde, die nicht Gegenstnde des mglichen Wissens oder Meinens sind, bezieht (in welchem letztern Falle er, vornehmlich im Historischen, Leichtglubigkeit und nicht Glaube heien mte) ist ganz moralisch. Er ist ein freies Frwahrhalten, nicht dessen, wozu dogmatische Beweise fr die theoretisch bestimmende Urteilskraft anzutreffen sind, noch wozu wir uns verbunden halten, sondern dessen, was wir zum Behuf einer Absicht nach Gesetzen der Freiheit, annehmen ; aber doch nicht, wie etwa eine Meinung, ohne hinreichenden Grund, sondern als in der Vernunft (obwohl nur in Ansehung ihres praktischen Gebrauchs), fr die Absicht derselben hinreichend, gegrndet : denn ohne ihn hat die moralische Denkungsart bei dem Versto gegen die Aufforderung der theoretischen Vernunft zum Beweise (der Mglichkeit des Objekts der Moralitt) keine feste Beharrlichkeit, sondern schwankt zwischen praktischen Geboten und theoretischen Zweifeln. Unglubisch sein, heit der Maxime nachhngen, Zeugnissen berhaupt nicht zu glauben ; unglubig aber ist der, welcher jenen Vernunftideen, weil es ihnen an theoretischer Begrndung ihrer Realitt fehlt, darum alle Gltigkeit abspricht. Er urteilt also dogmatisch. Ein dogmatischer Unglaube kann aber mit einer in der Denkungsart herrschenden sittlichen Maxime nicht zusammen bestehen (denn einem Zwecke, der fr nichts als Hirngespinst erkannt wird, nachzugehen, kann die Vernunft nicht gebieten) ; wohl aber ein Zweifelglaube, dem der Mangel der berzeugung durch Grnde der spekulativen Vernunft nur Hindernis ist, welchem eine kritische Einsicht in die Schranken der letztern den Einflu auf das Verhalten benehmen und ihm ein berwiegendes praktisches Frwahrhalten zum Ersatz hinstellen kann.

 

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Wenn man an die Stelle gewisser verfehlten Versuche in der Philosophie ein anderes Prinzip auffhren und ihm Einflu verschaffen will, so gereicht es zu groer Befriedigung, einzusehen, wie jene und warum sie fehlschlagen muten.

Gott, Freiheit und Seelenunsterblichkeit sind diejenigen Aufgaben, zu deren Auflsung alle Zurstungen der Metaphysik, als ihrem letzten und alleinigen Zwecke, abzielen. Nun glaubte man, da die Lehre von der Freiheit nur als negative Bedingung fr die praktische Philosophie ntig sei, die Lehre von Gott und der Seelenbeschaffenheit hingegen, zur theoretischen gehrig, fr sich und abgesondert dargetan werden msse, um beide nachher mit dem, was das moralische Gesetz (das nur unter der Bedingung der Freiheit mglich ist) gebietet, zu verknpfen und so eine Religion zustande zu bringen. Man kann aber bald einsehen, da diese Versuche fehlschlagen muten. Denn aus bloen ontologischen Begriffen von Dingen berhaupt, oder der Existenz eines notwendigen Wesens lt sich schlechterdings kein, durch Prdikate, die sich in der Erfahrung geben lassen und also zum Erkenntnisse dienen knnten, bestimmter, Begriff von einem Urwesen machen ; der aber, welcher auf Erfahrung von der physischen Zweckmigkeit der Natur gegrndet wurde, konnte wiederum keinen fr die Moral, mithin zur Erkenntnis eines Gottes, hinreichenden Beweis abgeben. Ebensowenig konnte auch die Seelenkenntnis durch Erfahrung (die wir nur in diesem Leben anstellen) einen Begriff von der geistigen, unsterblichen Natur derselben, mithin fr die Moral zureichend, verschaffen. Theologie und Pneumatologie, als Aufgaben zum Behuf der Wissenschaften einer spekulativen Vernunft, weil deren Begriff fr alle unsere Erkenntnisvermgen berschwenglich ist, knnen durch keine empirische Data und Prdikate zustande kommen. Die Bestimmung beider Begriffe, Gottes sowohl als der Seele (in Ansehung ihrer Unsterblichkeit), kann nur durch Prdikate geschehen, die, ob sie gleich selbst nur aus einem bersinnlichen Grunde mglich sind, dennoch in der Erfahrung ihre Realitt beweisen mssen : denn so allein knnen sie von ganz bersinnlichen Wesen ein Erkenntnis mglich machen. Dergleichen ist nun der einzige in der menschlichen Vernunft unzutreffende Begriff der Freiheit des Menschen unter moralischen Gesetzen, zusamt dem Endzwecke, den jene durch diese vorschreibt, wovon die erstern dem Urheber der Natur, der zweite dem Menschen diejenigen Eigenschaften beizulegen tauglich sind, welche zu der Mglichkeit beider die notwendige Bedingung enthalten ; so da eben aus dieser Idee auf die Existenz und die Beschaffenheit jener sonst gnzlich fr uns verborgenen Wesen geschlossen werden kann.

Also liegt der Grund der auf dem blo theoretischen Wege verfehlten Absicht, Gott und Unsterblichkeit zu beweisen, darin : da von dem bersinnlichen auf diesem Wege (der Naturbegriffe) gar kein Erkenntnis mglich ist. Da es dagegen auf dem moralischen (des Freiheitsbegriffs) gelingt, hat diesen Grund : da hier das bersinnliche, welches dabei zum Grunde liegt (die Freiheit), durch ein bestimmtes Gesetz der Kausalitt, welches aus ihm entspringt, nicht allein Stoff zum Erkenntnis des andern bersinnlichen (des moralischen Endzwecks und der Bedingungen seiner Ausfhrbarkeit) verschafft, sondern auch als Tatsache seine Realitt in Handlungen dartut, aber eben darum auch keinen andern, als nur in praktischer Absicht (welche auch die einzige ist, deren die Religion bedarf) gltigen, Beweisgrund abgeben kann.

Es bleibt hiebei immer sehr merkwrdig : da unter den drei reinen Vernunftideen, Gott, Freiheit und Unsterblichkeit, die der Freiheit der einzige Begriff des bersinnlichen ist, welcher seine objektive Realitt (vermittelst der Kausalitt, die in ihm gedacht wird) an der Natur, durch ihre in derselben mgliche Wirkung, beweiset, und eben dadurch die Verknpfung der beiden andern mit der Natur, aller dreien aber untereinander zu einer Religion mglich macht ; und da wir also in uns ein Prinzip haben, welches die Idee des bersinnlichen in uns, dadurch aber auch die desselben auer uns, zu einer, obgleich nur in praktischer Absicht mglichen, Erkenntnis zu bestimmen vermgend ist, woran die blo spekulative Philosophie (die auch von der Freiheit einen blo negativen Begriff geben konnte) verzweifeln mute : mithin der Freiheitsbegriff (als Grundbegriff aller unbedingt-praktischen Gesetze) die Vernunft ber diejenigen Grenzen erweitern kann, innerhalb deren jeder Naturbegriff (theoretischer) ohne Hoffnung eingeschrnkt bleiben mte.

 

* Ich erweitere hier, wie mich dnkt mit Recht, den Begriff einer Tatsache ber die gewhnliche Bedeutung dieses Worts. Denn es ist nicht ntig, ja nicht einmal tunlich, diesen Ausdruck blo auf die wirkliche Erfahrung einzuschrnken, wenn von dem Verhltnisse der Dinge zu unseren Erkenntnisvermgen die Rede ist, da eine blo mgliche Erfahrung schon hinreichend ist, um von ihnen blo als Gegenstnden einer bestimmen Erkenntnisart, zu reden.

 

** Glaubenssachen sind aber darum nicht Glaubensartikel ; wenn man unter den letzteren solche Glaubenssachen versteht. zu deren Bekenntnis (innerem oder uerem) man verpflichtet werden kann : dergleichen also die natrliche Theologie nicht enthlt. Denn da sie, als Glaubenssachen sich nicht (gleich den Tatsachen) auf theoretische Beweise grnden knnen ; soll ist es ein freies Frwahrhalten, und auch nur als ein solches mit der Moralitt des Subjekts vereinbar.

 

*** Der Endzweck, den das moralische Gesetz zu befrdern auferlegt, ist nicht der Grund der Pflicht ; denn dieser liegt im moralischen Gesetze, welches, als formales praktisches Prinzip, kategorisch leitet, unangesehen der Objekte des Begehrungsvermgens (der Materie des Wollens), mithin irgendeines Zwecks. Diese formale Beschaffenheit meiner Handlungen (Unterordnung derselben unter das Prinzip der Allgemeingltigkeit), worin allein ihr innerer moralischer Wert besteht, ist gnzlich in unserer Gewalt ; und ich kann von der Mglichkeit, oder Unausfhrbarkeit, der Zwecke, die mir jenem Gesetze gem zu befrdern obliegen, gar wohl abstrahieren (weil in ihnen nur der uere Wert meiner Handlungen besteht), als etwas, welches nie vllig in meiner Gewalt ist, um nur auf das zu sehen, was meines Tuns ist. Allein die Absicht, den Endzweck aller vernnftigen Wesen (Glckseligkeit, so weit sie einstimmig mit der Pflicht mglich ist) zu befrdern, ist doch, eben durch das Gesetz der Pflicht, auferlegt. Aber die spekulative Vernunft sieht die Ausfhrbarkeit derselben (weder von seiten unseres eigenen physischen Vermgens, noch der Mitwirkung der Natur) gar nicht ein ; vielmehr mu sie aus solchen Ursachen, so viel wir vernnftiger Weise urteilen knnen, einen solchen Erfolg unseres Wohlverhaltens von der bloen Natur (in uns und auer uns), ohne Gott und Unsterblichkeit anzunehmen, fr eine ungegrndete und nichtige wenngleich wohlgemeinte Erwartung halten, und, wenn sie von diesem Urteile vllige Gewiheit haben knnte, das moralische Gesetz selbst als bloe Tuschung unserer Vernunft in praktischer Rcksicht ansehen. Da aber die spekulative Vernunft sich vllig berzeugt, da das letztere nie geschehen kann, dagegen aber jene Ideen, deren Gegenstand ber die Natur hinaus liegt, ohne Widerspruch gedacht werden knnen ; so wird sie fr ihr eigenes praktisches Gesetz und die dadurch auferlegte Aufgabe, also in moralischer Rcksicht, jene Ideen als real anerkennen mssen, um nicht mit sich selbst in Widerspruch zu kommen.

 

**** Er ist ein Vertrauen auf die Verheiung des moralischen Gesetzes ; aber nicht als eine solche, die in demselben enthalten ist, sondern die ich hineinlege, und zwar aus moralisch hinreichendem Grunde. Denn ein Endzweck kann durch kein Gesetz der Vernunft geboten sein, ohne da diese zugleich die Erreichbarkeit desselben, wenngleich ungewi, verspreche, und hiemit auch das Frwahrhalten der einzigen Bedingungen berechtige, unter denen unsere Vernunft sich diese allein denken kann. Das Wort fides drckt dieses auch schon aus ; und es kann nur bedenklich scheinen, wie dieser Ausdruck und diese besondere Idee in die moralische Philosophie hineinkomme, da sie allererst mit dem Christentum eingefhrt worden, und die Annahme derselben vielleicht nur eine schmeichlerische Nachahmung seiner Sprache zu sein scheinen drfte. Aber das ist nicht der einzige Fall, da diese wundersame Religion in der grten Einfalt ihres Vortrages die Philosophie mit weit bestimmteren und reineren Begriffen der Sittlichkeit bereichert hat, als diese bis dahin hatte liefern knnen, die aber, wenn sie einmal da sind, von der Vernunft frei gebilligt und als solche angenommen werden, auf die sie wohl von selbst htte kommen und sie einfhren knnen und sollen.

 

 

Allgemeine Anmerkung zur Teleologie

 

Wenn die Frage ist : welchen Rang das moralische Argument, welches das Dasein Gottes nur als Glaubenssache fr die praktische reine Vernunft beweiset, unter den brigen in der Philosophie behaupte ; so lt sich der ganze Besitz dieser letzteren leicht berschlagen, wo es sich dann ausweiset, da hier nicht zu whlen sei, sondern ihr theoretisches Vermgen, vor einer unparteiischen Kritik, alle seine Ansprche von selbst aufgeben msse.

Auf Tatsache mu sie alles Frwahrhalten zuvrderst grnden, wenn es nicht vllig grundlos sein soll ; und es kann also nur der einzige Unterschied im Beweisen stattfinden, ob auf diese Tatsache ein Frwahrhalten der daraus gezogenen Folgerung, als Wissen, fr das theoretische, oder blo als Glauben, fr das praktische Erkenntnis, knne gegrndet werden. Alle Tatsachen gehren entweder zum Naturbegriff, der seine Realitt an den vor allen Naturbegriffen gegebenen (oder zu geben mglichen) Gegenstnden der Sinne beweiset ; oder zum Freiheitsbegriffe, der seine Realitt durch die Kausalitt der Vernunft, in Ansehung gewisser durch sie mglichen Wirkungen in der Sinnenwelt, die sie im moralischen Gesetze unwiderleglich postuliert, hinreichend dartut. Der Naturbegriff (blo zur theoretischen Erkenntnis gehrige) ist nun entweder metaphysisch, und vllig a priori ; oder physisch, d. i. a posteriori, und notwendig nur durch bestimmte Erfahrung denkbar. Der metaphysische Naturbegriff (der keine bestimmte Erfahrung voraussetzt) ist also ontologisch.

Der ontologische Beweis vom Dasein Gottes aus dem Begriffe eines Urwesens ist nun entweder der, welcher aus ontologischen Prdikaten, wodurch es allein durchgngig bestimmt gedacht werden kann, auf das absolut-notwendige Dasein, oder aus der absoluten Notwendigkeit des Daseins irgendeines Dinges, welches es auch sei, auf die Prdikate des Urwesens schliet : denn zum Begriffe eines Urwesens gehrt, damit es nicht abgeleitet sei, die unbedingte Notwendigkeit seines Daseins, und (um diese sich vorzustellen) die durchgngige Bestimmung durch den Begriff desselben. Beide Erfordernisse glaubte man nun im Begriffe der ontologischen Idee eines allerrealsten Wesens zu finden : und so entsprangen zwei metaphysische Beweise.

Der einen blo metaphysischen Naturbegriff zum Grunde legende (eigentlich-ontologisch genannte) Beweis schlo aus dem Begriffe des allerrealsten Wesens auf seine schlechthin notwendige Existenz ; denn (heit es) wenn es nicht existierte, so wrde ihm eine Realitt, nmlich die Existenz, mangeln. Der andere (den man auch den metaphysisch-kosmologischen Beweis nennt) schlo aus der Notwendigkeit der Existenz irgendeines Dinges (dergleichen, da mir im Selbstbewutsein ein Dasein gegeben ist, durchaus eingerumt werden mu) auf die durchgngige Bestimmung desselben, als allerrealsten Wesens : weil alles Existierende durchgngig bestimmt, das schlechterdings Notwendige aber (nmlich was wir als ein solches, mithin a priori, erkennen sollen) durch seinen Begriff durchgngig bestimmt sein msse ; welches sich aber nur im Begriffe eines allerrealsten Dinges antreffen lasse. Es ist hier nicht ntig, die Sophisterei in beiden Schlssen aufzudecken, welches schon anderwrts geschehen ist ; sondern nur zu bemerken, da solche Beweise, wenn sie sich auch durch allerlei dialektische Subtilitt verfechten lieen, doch niemals ber die Schule hinaus in das gemeine Wesen hinberkommen, und auf den bloen gesunden Verstand den mindesten Einflu haben knnten.

Der Beweis, welcher einen Naturbegriff, der nur empirisch sein kann, dennoch aber ber die Grenzen der Natur, als Inbegriffs der Gegenstnde der Sinne, hinausfhren soll, zum Grunde legt, kann kein anderer, als der von den Zwecken der Natur sein : deren Begriff sich zwar nicht a priori, sondern nur durch die Erfahrung geben lt, aber doch einen solchen Begriff von dem Urgrunde der Natur verheit, welcher unter allen, die wir denken knnen, allein sich zum bersinnlichen schickt, nmlich den von einem hchsten Verstande, als Weltursache ; welches er auch in der Tat nach Prinzipien der reflektierenden Urteilskraft, d. i. nach der Beschaffenheit unseres (menschlichen) Erkenntnisvermgens, vollkommen ausrichtet. Ob er nun aber aus denselben Datis diesen Begriff eines obersten d. i. unabhngigen verstndigen Wesens auch als eines Gottes, d. i. Urhebers einer Welt unter moralischen Gesetzen, mithin hinreichend bestimmt fr die Idee von einem Endzwecke des Daseins der Welt, zu liefern imstande sei, das ist eine Frage, worauf alles ankommt ; wir mgen nun einen theoretisch hinlnglichen Begriff von dem Urwesen zum Behuf der gesamten Naturkenntnis, oder einen praktischen fr die Religion verlangen.

Dieses aus der physischen Teleologie genommene Argument ist verehrungswert. Es tut gleiche Wirkung zur berzeugung auf den gemeinen Verstand, als auf den subtilsten Denker ; und ein Reimarus in seinem noch nicht bertroffenen Werke, worin er diesen Beweisgrund mit der ihm eigenen Grndlichkeit und Klarheit weitluftig ausfhrt, hat sich dadurch ein unsterbliches Verdienst erworben. Allein, wodurch gewinnt dieser Beweis so gewaltigen Einflu auf das Gemt, vornehmlich in der Beurteilung durch kalte Vernunft (denn die Rhrung und Erhebung desselben durch die Wunder der Natur knnte man zur berredung rechnen) auf eine ruhige, sich gnzlich dahin gebende Beistimmung ? Es sind nicht die physischen Zwecke, die alle auf einen unergrndlichen Verstand in der Weltursache hindeuten ; denn diese sind dazu unzureichend, weil sie das Bedrfnis der fragenden Vernunft nicht befriedigen. Denn wozu sind (fragt diese) alle jene knstliche Naturdinge ; wozu der Mensch selbst, bei dem wir, als dem letzten fr uns denkbaren Zwecke der Natur stehenbleiben mssen ; wozu ist diese gesamte Natur da, und was ist der Endzweck so groer und mannigfaltiger Kunst ? Zum Genieen, oder zum Anschauen, Betrachten und Bewundern (welches, wenn es dabei bleibt, auch nichts weiter als Genu von besonderer Art ist), als dem letzten Endzweck warum die Welt und der Mensch selbst da ist, geschaffen zu sein, kann die Vernunft nicht befriedigen : denn diese setzt einen persnlichen Wert, den der Mensch sich allein geben kann, als Bedingung, unter welcher allein er und sein Dasein Endzweck sein kann, voraus. In Ermangelung desselben (der allein eines bestimmten Begriffs fhig ist) tun die Zwecke der Natur seiner Nachfrage nicht Genge, vornehmlich weil sie keinen bestimmten Begriff von dem hchsten Wesen als einem allgenugsamen (und eben darum einigen, eigentlich so zu nennenden hchsten) Wesen und den Gesetzen, nach denen ein Verstand Ursache der Welt ist, an die Hand geben knnen.

Da also der physisch-teleologische Beweis, gleich als ob er zugleich ein theologischer wre, berzeugt, rhrt nicht von der Bentzung der Ideen von Zwecken der Natur, als so viel empirischen Beweisgrnden eines hchsten Verstandes her ; sondern es mischt sich unvermerkt der jedem Menschen beiwohnende und ihn so innigst bewegende moralische Beweisgrund in den Schlu mit ein, nach welchem man dem Wesen, welches sich so unbegreiflich knstlich in den Zwecken der Natur offenbart, auch einen Endzweck, mithin Weisheit (obzwar ohne dazu durch die Wahrnehmung der ersteren berechtigt zu sein), beilegt, und also jenes Argument in Ansehung des Mangelhaften, welches ihm noch anhngt, willkrlich ergnzt. In der Tat bringt also nur der moralische Beweisgrund die berzeugung, und auch diese nur in moralischer Rcksicht, wozu jedermann seine Beistimmung innigst fhlt, hervor ; der physisch-teleologische aber hat nur das Verdienst, das Gemt in der Weltbetrachtung auf den Weg der Zwecke, dadurch aber auf einen verstndigen Welturheber zu leiten : da denn die moralische Beziehung auf Zwecke und die Idee eines ebensolchen Gesetzgebers und Welturhebers, als theologischer Begriff, ob er zwar reine Zugabe ist, sich dennoch aus jenem Beweisgrunde von selbst zu entwickeln scheint.

Hiebei kann man es in dem gewhnlichen Vortrage fernerhin auch bewenden lassen. Denn dem gemeinen und gesunden Verstande wird es gemeiniglich schwer, die verschiedenen Prinzipien, die er vermischt, und aus deren einem er wirklich allein und richtig folgert, wenn die Absonderung viel Nachdenken bedarf, als ungleichartig voneinander zu scheiden. Der moralische Beweisgrund vom Dasein Gottes ergnzt aber eigentlich auch nicht etwa blo den physisch-teleologischen zu einem vollstndigen Beweise ; sondern er ist ein besonderer Beweis, der den Mangel der berzeugung aus dem letzteren ersetzt : indem dieser in der Tat nichts leisten kann, als die Vernunft in der Beurteilung des Grundes der Natur und der zuflligen, aber bewunderungswrdigen, Ordnung derselben, welche uns nur durch Erfahrung bekannt wird, auf die Kausalitt einer Ursache, die nach Zwecken den Grund derselben enthlt (die wir nach der Beschaffenheit unserer Erkenntnisvermgen als verstndige Ursache denken mssen), zu lenken und aufmerksam, so aber des moralischen Beweises empfnglicher, zu machen. Denn das, was zu dem letztern Begriffe erforderlich ist, ist von allem, was Naturbegriffe enthalten und lehren knnen, so wesentlich unterschieden, da es eines besondern von den vorigen ganz unabhngigen Beweisgrundes und Beweises bedarf, um den Begriff vom Urwesen fr eine Theologie hinreichend anzugeben, und auf seine Existenz zu schlieen. Der moralische Beweis (der aber freilich nur das Dasein Gottes in praktischer, doch auch unnachlalicher, Rcksicht der Vernunft beweiset) wrde daher noch immer in seiner Kraft bleiben, wenn wir in der Welt gar keinen, oder nur zweideutigen Stoff zur physischen Teleologie antrfen. Es lt sich denken, da sich vernnftige Wesen von einer solchen Natur, welche keine deutliche Spur von Organisation, sondern nur Wirkungen von einem bloen Mechanism der rohen Materie zeigte, umgeben shen, um derentwillen und bei der Vernderlichkeit einiger blo zufllig zweckmigen Formen und Verhltnisse, kein Grund zu sein schiene, auf einen verstndigen Urheber zu schlieen ; wo alsdann auch zu einer physischen Teleologie keine Veranlassung sein wrde : und dennoch wrde die Vernunft, die durch Naturbegriffe hier keine Anleitung bekommt, im Freiheitsbegriffe und in den sich darauf grndenden sittlichen Ideen einen praktisch-hinreichenden Grund finden, den Begriff des Urwesens diesen angemessen, d. i. als einer Gottheit, und die Natur (selbst unser eigenes Dasein) als einen jener und ihren Gesetzen gemen Endzweck zu postulieren, und zwar in Rcksicht auf das unnachlaliche Gebot der praktischen Vernunft. Da nun aber in der wirklichen Welt fr die vernnftigen Wesen in ihr reichlicher Stoff zur physischen Teleologie ist (welches eben nicht notwendig wre), dient dem moralischen Argument zu erwnschter Besttigung, soweit Natur etwas den Vernunftideen (den moralischen) Analoges aufzustellen vermag. Denn der Begriff einer obersten Ursache, die Verstand hat (welches aber fr eine Theologie lange nicht hinreichend ist) bekommt dadurch die, fr die reflektierende Urteilskraft hinreichende, Realitt ; aber er ist nicht erforderlich, um den moralischen Beweis darauf zu grnden : noch dient dieser, um jenen, der fr sich allein gar nicht auf Moralitt hinweiset, durch fortgesetzten Schlu nach einem einzigen Prinzip zu einem Beweise zu ergnzen. Zwei so ungleichartige Prinzipien, als Natur und Freiheit, knnen nur zwei verschiedene Beweisarten abgeben, da denn der Versuch, denselben aus der ersteren zu fhren, fr das was bewiesen werden soll, unzulnglich befunden wird.

Wenn der physisch-teleologische Beweisgrund zu dem gesuchten Beweise zureichte, so wre es fr die spekulative Vernunft sehr befriedigend ; denn er wrde Hoffnung geben, eine Theosophie hervorzubringen (so wrde man nmlich die theoretische Erkenntnis der gttlichen Natur und seiner Existenz, welche zur Erklrung der Weltbeschaffenheit und zugleich der Bestimmung der sittlichen Gesetze zureichte, nennen mssen). Ebenso wenn Psychologie zureichte, um dadurch zur Erkenntnis der Unsterblichkeit der Seele zu gelangen, so wrde sie eine Pneumatologie, welche der spekulativen Vernunft ebenso willkommen wre, mglich machen. Beide aber, so lieb es auch dem Dnkel der Wibegierde sein mag, erfllen nicht den Wunsch der Vernunft in Absicht auf die Theorie, die auf Kenntnis der Natur der Dinge gegrndet sein mte. Ob aber nicht die erstere, als Theologie, die zweite, als Anthropologie, beide auf das sittliche, d. i. das Freiheitsprinzip gegrndet, mithin dem praktischen Gebrauche der Vernunft angemessen, ihre objektive Endabsicht besser erfllen, ist eine andere Frage, die wir hier nicht ntig haben weiter zu verfolgen.

Der physisch-teleologische Beweisgrund reicht aber darum nicht zur Theologie zu, weil er keinen fr diese Absicht hinreichend bestimmten Begriff von dem Urwesen gibt, noch geben kann, sondern man diesen gnzlich anderwrts hernehmen, oder seinen Mangel dadurch, als durch einen willkrlichen Zusatz, ersetzen mu. Ihr schliet aus der groen Zweckmigkeit der Naturformen und ihrer Verhltnisse auf eine verstndige Weltursache ; aber auf welchen Grad dieses Verstandes ? Ohne Zweifel knnt ihr euch nicht anmaen, auf den hchst-mglichen Verstand ; denn dazu wrde erfordert werden, da ihr einshet, ein grerer Verstand, als wovon ihr Beweistmer in der Welt wahrnehmet, sei nicht denkbar : welches euch selber Allwissenheit beilegen hiee. Ebenso schliet ihr aus der Gre der Welt auf eine sehr groe Macht des Urhebers ; aber ihr werdet euch bescheiden, da dieses nur komparativ fr eure Fassungskraft Bedeutung hat, und, da ihr nicht alles Mgliche erkennt, um es mit der Weltgre, so weit ihr sie kennt, zu vergleichen, ihr nach einem so kleinen Mastabe keine Allmacht des Urhebers folgern knnet, usw. Nun gelangt ihr dadurch zu keinem bestimmten, fr eine Theologie tauglichen Begriffe eines Urwesens ; denn dieser kann nur in dem der Allheit der mit einem Verstande vereinbarten Vollkommenheiten gefunden werden, wozu euch blo empirische Data gar nicht verhelfen knnen : ohne einen solchen bestimmten Begriff aber knnt ihr auch nicht auf ein einiges verstndiges Urwesen schlieen, sondern (es sei zu welchem Behuf) ein solches nur annehmen. Nun kann man es zwar ganz wohl einrumen, da ihr (da die Vernunft nichts Gegrndetes dawider zu sagen hat) willkrlich hinzusetzt : wo so viel Vollkommenheit angetroffen wird, mge man wohl alle Vollkommenheit in einer einzigen Weltursache vereinigt annehmen ; weil die Vernunft mit einem so bestimmten Prinzip, theoretisch und praktisch, besser zurecht kommt. Aber ihr knnt denn doch diesen Begriff des Urwesens nicht als von euch bewiesen anpreisen, da ihr ihn nur zum Behuf eines besseren Vernunftgebrauchs angenommen habt. Alles Jammern also oder ohnmchtiges Zrnen ber den vorgeblichen Frevel, die Bndigkeit eurer Schlukette in Zweifel zu ziehen, ist eitle Grotuerei, die gern haben mchte, da man den Zweifel, welchen man gegen euer Argument frei heraussagt, fr Bezweifelung heiliger Wahrheit halten mchte, um nur hinter dieser Decke die Seichtigkeit desselben durchschlpfen zu lassen.

Die moralische Teleologie hingegen, welche nicht minder fest gegrndet ist wie die physische, vielmehr dadurch, da sie a priori auf von unserer Vernunft untrennbaren Prinzipien beruht, Vorzug verdient, fhrt auf das, was zur Mglichkeit einer Theologie erfordert wird, nmlich auf einen bestimmten Begriff der obersten Ursache, als Weltursache nach moralischen Gesetzen, mithin einer solchen, die unserm moralischen Endzwecke Genge tut : wozu nichts weniger als Allwissenheit, Allmacht, Allgegenwart usw. als dazu gehrige Natureigenschaften erforderlich sind, die mit dem moralischen Endzwecke, der unendlich ist, als verbunden, mithin ihm adquat gedacht werden mssen, und kann so den Begriff eines einzigen Welturhebers, der zu einer Theologie tauglich ist, ganz allein verschaffen.

Auf solche Weise fhrt eine Theologie auch unmittelbar zur Religion, d. i. der Erkenntnis unserer Pflichten, als gttlicher Gebote ; weil die Erkenntnis unserer Pflicht, und des darin uns durch Vernunft auferlegten Endzwecks, den Begriff von Gott zuerst bestimmt hervorbringen konnte, der also schon in seinem Ursprunge von der Verbindlichkeit gegen dieses Wesen unzertrennlich ist : anstatt da, wenn der Begriff vom Urwesen auf dem blo theoretischen Wege (nmlich desselben als bloer Ursache der Natur) auch bestimmt gefunden werden knnte, es nachher noch mit groer Schwierigkeit, vielleicht gar Unmglichkeit es ohne willkrliche Einschiebung zu leisten, verbunden sein wrde, diesem Wesen eine Kausalitt nach moralischen Gesetzen durch grndliche Beweise beizulegen ; ohne die doch jener angeblich theologische Begriff keine Grundlage zur Religion ausmachen kann. Selbst wenn eine Religion auf diesem theoretischen Wege gegrndet werden knnte, wrde sie in Ansehung der Gesinnung (worin doch ihr Wesentliches besteht) wirklich von derjenigen unterschieden sein, in welcher der Begriff von Gott und die (praktische) berzeugung von seinem Dasein aus Grundideen der Sittlichkeit entspringt. Denn wenn wir Allgewalt, Allwissenheit usw. eines Welturhebers, als anderwrts her uns gegebene Begriffe voraussetzen mten, um nachher unsere Begriffe von Pflichten auf unser Verhltnis zu ihm nur anzuwenden, so mten diese sehr stark den Anstrich von Zwang und abgentigter Unterwerfung bei sich fhren ; statt dessen, wenn die Hochachtung. fr das sittliche Gesetz uns ganz frei, laut Vorschrift unserer eigenen Vernunft, den Endzweck unserer Bestimmung vorstellt, wir eine damit und zu dessen Ausfhrung zusammenstimmende Ursache mit der wahrhaftesten Ehrfurcht, die gnzlich von pathologischer Furcht unterschieden ist, in unsere moralischen Aussichten mit aufnehmen und uns derselben willig unterwerfen.*

Wenn man fragt : warum uns denn etwas daran gelegen sei, berhaupt eine Theologie zu haben : so leuchtet klar ein, da sie nicht zur Erweiterung oder Berichtigung unserer Naturkenntnis und berhaupt irgendeiner Theorie, sondern lediglich zur Religion, d. i. dem praktischen, namentlich dem moralischen Gebrauche der Vernunft in subjektiver Absicht ntig sei. Findet sich nun : da das einzige Argument, welches zu einem bestimmten Begriffe des Gegenstandes der Theologie fhrt, selbst moralisch ist ; so wird es nicht allein nicht befremdend, sondern man wird auch in Ansehung der Zulnglichkeit des Frwahrhaltens aus diesem Beweisgrunde zur Endabsicht desselben nichts vermissen, wenn gestanden wird, da ein solches Argument das Dasein Gottes nur fr unsere moralische Bestimmung, d. i. in praktischer Absicht hinreichend dartue, und die Spekulation in demselben ihre Strke keinesweges beweise, oder den Umfang ihres Gebiets dadurch erweitere. Auch wird die Befremdung, oder der vergebliche Widerspruch einer hier behaupteten Mglichkeit einer Theologie, mit dem, was die Kritik der spekulativen Vernunft von den Kategorien sagte : da diese nmlich nur in Anwendung auf Gegenstnde der Sinne, keinesweges aber auf das bersinnliche angewandt, Erkenntnis hervorbringen knnen, verschwinden, wenn man sie hier zu einem Erkenntnis Gottes, aber nicht in theoretischer (nach dem, was seine uns unerforschliche Natur an sich sei), sondern lediglich in praktischer Absicht gebraucht sieht. Um bei dieser Gelegenheit der Mideutung jener sehr notwendigen, aber auch, zum Verdru des blinden Dogmatikers, die Vernunft in ihre Grenzen zurckweisenden, Lehre der Kritik ein Ende zu machen, fge ich hier nachstehende Erluterung derselben bei.

Wenn ich einem Krper bewegende Kraft beilege, mithin ihn durch die Kategorie der Kausalitt denke : so erkenne ich ihn dadurch zugleich, d. i. ich bestimme den Begriff desselben, als Objekts berhaupt, durch das, was ihm, als Gegenstande der Sinne, fr sich (als Bedingung der Mglichkeit jener Relation) zukommt. Denn, ist die bewegende Kraft, die ich ihm beilege, eine abstoende : so kommt ihm (wenn ich gleich noch nicht einen andern, gegen den er sie ausbt, neben ihm setze) ein Ort im Raume, ferner eine Ausdehnung, d. i. Raum in ihm selbst, berdem Erfllung desselben durch die abstoenden Krfte seiner Teile zu, endlich auch das Gesetz dieser Erfllung (da der Grund der Abstoung der letzteren in derselben Proportion abnehmen msse, als die Ausdehnung des Krpers wchst, und der Raum, den er mit denselben Teilen durch diese Kraft erfllt, zunimmt). Dagegen, wenn ich mir ein bersinnliches Wesen als den ersten Beweger, mithin durch die Kategorie der Kausalitt in Ansehung derselben Weltbestimmung (der Bewegung der Materie), denke : so mu ich es nicht in irgendeinem Orte im Raume, ebensowenig als ausgedehnt, ja ich darf es nicht einmal als in der Zeit und mit andern zugleich existierend denken. Also habe ich gar keine Bestimmungen, welche mir die Bedingung der Mglichkeit der Bewegung durch dieses Wesen als Grund verstndlich machen knnten. Folglich erkenne ich dasselbe durch das Prdikat der Ursache (als ersten Beweger) fr sich nicht im mindesten : sondern ich habe nur die Vorstellung von einem Etwas, welches den Grund der Bewegungen in der Welt enthlt ; und die Relation derselben zu diesen, als deren Ursache, da sie mir sonst nichts zur Beschaffenheit des Dinges, welches Ursache ist, Gehriges an die Hand gibt, lt den Begriff von dieser ganz leer. Der Grund davon ist : weil ich mit Prdikaten, die nur in der Sinnenwelt ihr Objekt finden, zwar zu dem Dasein von etwas, was den Grund der letzteren enthalten mu, aber nicht zu der Bestimmung seines Begriffs als bersinnlichen Wesens, welcher alle jene Prdikate ausstt, fortschreiten kann. Durch die Kategorie der Kausalitt also, wenn ich sie durch den Begriff eines ersten Bewegers bestimme, erkenne ich, was Gott sei, nicht im mindesten ; vielleicht aber wird es besser gelingen, wenn ich aus der Weltordnung Anla nehme, seine Kausalitt, als die eines obersten Verstandes nicht blo zu denken, sondern ihn auch durch diese Bestimmung des genannten Begriff s zu erkennen : weil da die lstige Bedingung des Raumes und der Ausdehnung wegfllt. Allerdings ntigt uns die groe Zweckmigkeit in der Welt, eine oberste Ursache zu derselben und deren Kausalitt als durch einen Verstand zu denken ; aber dadurch sind wir gar nicht befugt, ihr diesen beizulegen (wie z. B. die Ewigkeit Gottes als Dasein zu aller Zeit zu denken, weil wir uns sonst gar keinen Begriff vom bloen Dasein als einer Gre, d. i. als Dauer, machen knnen ; oder die gttliche Allgegenwart als Dasein in allen Orten zu denken, um die unmittelbare Gegenwart fr Dinge auer einander uns falich zu machen, ohne gleichwohl eine dieser Bestimmungen Gott, als etwas an ihm Erkanntes, beilegen zu drfen). Wenn ich die Kausalitt des Menschen in Ansehung gewisser Produkte, welche nur durch absichtliche Zweckmigkeit erklrlich sind, dadurch bestimme, da ich sie als einen Verstand desselben denke ; so brauche ich nicht dabei stehenzubleiben, sondern kann ihm dieses Prdikat als wohlbekannte Eigenschaft desselben beilegen und ihn dadurch erkennen. Denn ich wei, da Anschauungen den Sinnen des Menschen gegeben, und durch den Verstand unter einen Begriff und hiemit unter eine Regel gebracht werden ; da dieser Begriff nur das gemeinsame Merkmal (mit Weglassung des Besondern) enthalte und also diskursiv sei ; da die Regeln, um gegebene Vorstellungen unter ein Bewutsein berhaupt zu bringen, von ihm noch vor jenen Anschauungen gegeben werden, usw. : ich lege also diese Eigenschaft dem Menschen bei, als eine solche, wodurch ich ihn erkenne. Will ich nun aber ein bersinnliches Wesen (Gott) als Intelligenz denken, so ist dieses in gewisser Rcksicht meines Vernunftgebrauchs nicht allein erlaubt, sondern auch unvermeidlich ; aber ihm Verstand beizulegen, und es dadurch als durch eine Eigenschaft desselben erkennen zu knnen sich schmeicheln, ist keinesweges erlaubt : weil ich alsdann alle jene Bedingungen, unter denen ich allein einen Verstand kenne, weglassen mu, mithin das Prdikat, das nur zur Bestimmung des Menschen dient, auf ein bersinnliches Objekt gar nicht bezogen werden kann, und also durch eine so bestimmte Kausalitt, was Gott sei, gar nicht erkannt werden kann. Und so geht es mit allen Kategorien, die gar keine Bedeutung zum Erkenntnis in theoretischer Rcksicht haben knnen, wenn sie nicht auf Gegenstnde mglicher Erfahrung angewandt werden. Aber nach der Analogie mit einem Verstande kann ich, ja mu ich, mir wohl in gewisser anderer Rcksicht selbst ein bersinnliches Wesen denken, ohne es gleichwohl dadurch theoretisch erkennen zu wollen ; wenn nmlich diese Bestimmung seiner Kausalitt eine Wirkung in der Welt betrifft, die eine moralisch-notwendige, aber fr Sinnenwesen unausfhrbare Absicht enthlt : da alsdann ein Erkenntnis Gottes und seines Daseins (Theologie) durch blo nach der Analogie an ihm gedachte Eigenschaften und Bestimmungen seiner Kausalitt mglich ist, welches in praktischer Beziehung, aber auch nur in Rcksicht auf diese (als moralische), alle erforderliche Realitt hat. Es ist also wohl eine Ethikotheologie mglich ; denn die Moral kann zwar mit ihrer Regel, aber nicht mit der Endabsicht, welche eben dieselbe auferlegt, ohne Theologie bestehen, ohne die Vernunft in Ansehung der letzteren im bloen zu lassen. Aber eine theologische Ethik (der reinen Vernunft) ist unmglich : weil Gesetze, die nicht die Vernunft ursprnglich selbst gibt, und deren Befolgung sie als reines praktisches Vermgen auch bewirkt, nicht moralisch sein knnen. Ebenso wrde eine theologische Physik ein Unding sein, weil sie keine Naturgesetze, sondern Anordnungen eines hchsten Willens vortragen wrde ; wogegen eine physische (eigentlich physisch-teleologische) Theologie doch wenigstens als Propdeutik zur eigentlichen Theologie dienen kann : indem sie durch die Betrachtung der Naturzwecke, von denen sie reichen Stoff darbietet, zur Idee eines Endzweckes, den die Natur nicht aufstellen kann, Anla gibt ; mithin das Bedrfnis einer Theologie, die den Begriff von Gott fr den hchsten praktischen Gebrauch der Vernunft zureichend bestimmte, zwar fhlbar machen, aber sie nicht hervorbringen und auf ihre Beweistmer zulnglich grnden kann.

 

* Die Bewunderung der Schnheit sowohl, als die Rhrung durch die so mannigfaltigen Zwecke der Natur, welche ein nachdenkendes Gemt, noch vor einer klaren Vorstellung eines vernnftigen Urhebers der Welt, zu fhlen imstande ist, haben etwas einem religisen Gefhl hnliches an sich. Sie scheinen daher zuerst durch eine der moralischen analoge Beurteilungsart derselben auf das moralische Gefhl (der Dankbarkeit und der Verehrung gegen die uns unbekannte Ursache) und also durch Erregung moralischer Ideen auf das Gemt zu wirken, wenn sie diejenige Bewunderung einflen, die mit weit mehrerem Interesse verbunden ist, als bloe theoretische Betrachtung wirken kann.