Immanuel Kant

Grundlegung der Metaphysik der Sitten

1785

 

 

 

Vorrede

 

Die alte griechische Philosophie theilte sich in drei Wissenschaften ab : Die Physik, die Ethik und die Logik. Diese Eintheilung ist der Natur der Sache vollkommen angemessen, und man hat an ihr nichts zu verbessern, als etwa nur das Princip derselben hinzu zu thun, um sich auf solche Art theils ihrer Vollstndigkeit zu versichern, theils die nothwendigen Unterabtheilungen richtig bestimmen zu knnen.

Alle Vernunfterkenntni ist entweder material und betrachtet irgend ein Object ; oder formal und beschftigt sich blo mit der Form des Verstandes und der Vernunft selbst und den allgemeinen Regeln des Denkens berhaupt ohne Unterschied der Objecte. Die formale Philosophie heit Logik, die materiale aber, welche es mit bestimmten Gegenstnden und den Gesetzen zu thun hat, denen sie unterworfen sind, ist wiederum zwiefach. Denn diese Gesetze sind entweder Gesetze der Natur, oder der Freiheit. Die Wissenschaft von der ersten heit Physik, die der andern ist Ethik ; jene wird auch Naturlehre, diese Sittenlehre genannt.

Die Logik kann keinen empirischen Theil haben, d. i. einen solchen, da die allgemeinen und nothwendigen Gesetze des Denkens auf Grnden beruhten, die von der Erfahrung hergenommen wren ; denn sonst wre sie nicht Logik, d. i. ein Kanon fr den Verstand oder die Vernunft, der bei allem Denken gilt und demonstrirt werden mu. Dagegen knnen sowohl die natrliche, als sittliche Weltweisheit jede ihren empirischen Theil haben, weil jene der Natur als einem Gegenstande der Erfahrung, diese aber dem Willen des Menschen, so fern er durch die Natur afficirt wird, ihre Gesetze bestimmen mu, die erstern zwar als Gesetze, nach denen alles geschieht, die zweiten als solche, nach denen alles geschehen soll, aber doch auch mit Erwgung der Bedingungen, unter denen es fters nicht geschieht.

Man kann alle Philosophie, so fern sie sich auf Grnde der Erfahrung fut, empirische, die aber, so lediglich aus Principien a priori, ihre Lehren vortrgt, reine Philosophie nennen. Die letztere, wenn sie blo formal ist, heit Logik ; ist sie aber auf bestimmte Gegenstnde des Verstandes eingeschrnkt, so heit sie Metaphysik.

Auf solche Weise entspringt die Idee einer zwiefachen Metaphysik, einer Metaphysik der Natur und einer Metaphysik der Sitten. Die Physik wird also ihren empirischen, aber auch einen rationalen Theil haben ; die Ethik gleichfalls, wiewohl hier der empirische Theil besonders praktische Anthropologie, der rationale aber eigentlich Moral heien knnte.

Alle Gewerbe, Handwerke und Knste haben durch die Vertheilung der Arbeiten gewonnen, da nmlich nicht einer alles macht, sondern jeder sich auf gewisse Arbeit, die sich ihrer Behandlungsweise nach von andern merklich unterscheidet, einschrnkt, um sie in der grten Vollkommenheit und mit mehrerer Leichtigkeit leisten zu knnen. Wo die Arbeiten so nicht unterschieden und vertheilt werden, wo jeder ein Tausendknstler ist, da liegen die Gewerbe noch in der grten Barbarei. Aber ob dieses zwar fr sich ein der Erwgung nicht unwrdiges Object wre, zu fragen : ob die reine Philosophie in allen ihren Theilen nicht ihren besonderen Mann erheische, und es um das Ganze des gelehrten Gewerbes nicht besser stehen wrde, wenn die, so das Empirische mit dem Rationalen dem Geschmacke des Publicums gem nach allerlei ihnen selbst unbekannten Verhltnissen gemischt zu verkaufen gewohnt sind, die sich Selbstdenker, andere aber, die den blo rationalen Theil zubereiten, Grbler nennen, gewarnt wrden, nicht zwei Geschfte zugleich zu treiben, die in der Art, sie zu behandeln, gar sehr verschieden sind, zu deren jedem vielleicht ein besonderes Talent erfordert wird, und deren Verbindung in einer Person nur Stmper hervorbringt : so frage ich hier doch nur, ob nicht die Natur der Wissenschaft es erfordere, den empirischen von dem rationalen Theil jederzeit sorgfltig abzusondern und vor der eigentlichen (empirischen) Physik eine Metaphysik der Natur, vor der praktischen Anthropologie aber eine Metaphysik der Sitten voranzuschicken, die von allem Empirischen sorgfltig gesubert sein mten, um zu wissen, wie viel reine Vernunft in beiden Fllen leisten knne, und aus welchen Quellen sie selbst diese ihre Belehrung a priori schpfe, es mag brigens das letztere Geschfte von allen Sittenlehrern (deren Name Legion heit) oder nur von einigen, die Beruf dazu fhlen, getrieben werden.

Da meine Absicht hier eigentlich auf die sittliche Weltweisheit gerichtet ist, so schrnke ich die vorgelegte Frage nur darauf ein : ob man nicht meine, da es von der uersten Nothwendigkeit sei, einmal eine reine Moralphilosophie zu bearbeiten, die von allem, was nur empirisch sein mag und zur Anthropologie gehrt, vllig gesubert wre ; denn da es eine solche geben msse, leuchtet von selbst aus der gemeinen Idee der Pflicht und der sittlichen Gesetze ein. Jedermann mu eingestehen, da ein Gesetz, wenn es moralisch, d. i. als Grund einer Verbindlichkeit, gelten soll, absolute Nothwendigkeit bei sich fhren msse ; da das Gebot : du sollst nicht lgen, nicht etwa blo fr Menschen gelte, andere vernnftige Wesen sich aber daran nicht zu kehren htten, und so alle brige eigentliche Sittengesetze ; da mithin der Grund der Verbindlichkeit hier nicht in der Natur des Menschen, oder den Umstnden in der Welt, darin er gesetzt ist, gesucht werden msse, sondern a priori lediglich in Begriffen der reinen Vernunft, und da jede andere Vorschrift, die sich auf Principien der bloen Erfahrung grndet, und sogar eine in gewissem Betracht allgemeine Vorschrift, so fern sie sich dem mindesten Theile, vielleicht nur einem Bewegungsgrunde nach auf empirische Grnde sttzt, zwar eine praktische Regel, niemals aber ein moralisches Gesetz heien kann.

Also unterscheiden sich die moralischen Gesetze sammt ihren Principien unter allem praktischen Erkenntnisse von allem brigen, darin irgend etwas Empirisches ist, nicht allein wesentlich, sondern alle Moralphilosophie beruht gnzlich auf ihrem reinen Theil, und auf den Menschen angewandt, entlehnt sie nicht das mindeste von der Kenntni desselben (Anthropologie), sondern giebt ihm, als vernnftigem Wesen, Gesetze a priori, die freilich noch durch Erfahrung geschrfte Urtheilskraft erfordern, um theils zu unterscheiden, in welchen Fllen sie ihre Anwendung haben, theils ihnen Eingang in den Willen des Menschen und Nachdruck zur Ausbung zu verschaffen, da dieser, als selbst mit so viel Neigungen afficirt, der Idee einer praktischen reinen Vernunft zwar fhig, aber nicht so leicht vermgend ist, sie in seinem Lebenswandel in concreto wirksam zu machen.

Eine Metaphysik der Sitten ist also unentbehrlich nothwendig, nicht blo aus einem Bewegungsgrunde der Speculation, um die Quelle der a priori in unserer Vernunft liegenden praktischen Grundstze zu erforschen, sondern weil die Sitten selber allerlei Verderbni unterworfen bleiben, so lange jener Leitfaden und oberste Norm ihrer richtigen Beurtheilung fehlt. Denn bei dem, was moralisch gut sein soll, ist es nicht genug, da es dem sittlichen Gesetze gem sei, sondern es mu auch um desselben willen geschehen ; widrigenfalls ist jene Gemheit nur sehr zufllig und milich, weil der unsittliche Grund zwar dann und wann gesetzmige, mehrmals aber gesetzwidrige Handlungen hervorbringen wird. Nun ist aber das sittliche Gesetz in seiner Reinigkeit und chtheit (woran eben im Praktischen am meisten gelegen ist) nirgend anders, als in einer reinen Philosophie zu suchen, also mu diese (Metaphysik) vorangehen, und ohne sie kann es berall keine Moralphilosophie geben ; selbst verdient diejenige, welche jene reine Principien unter die empirischen mischt, den Namen einer Philosophie nicht (denn dadurch unterscheidet diese sich eben von der gemeinen Vernunfterkenntni, da sie, was diese nur vermengt begreift, in abgesonderter Wissenschaft vortrgt), viel weniger einer Moralphilosophie, weil sie eben durch diese Vermengung sogar der Reinigkeit der Sitten selbst Abbruch thut und ihrem eigenen Zwecke zuwider verfhrt.

Man denke doch ja nicht, da man das, was hier gefordert wird, schon an der Propdeutik des berhmten Wolff vor seiner Moralphilosophie, nmlich der von ihm so genannten allgemeinen praktischen Weltweisheit, habe, und hier also nicht eben ein ganz neues Feld einzuschlagen sei. Eben darum, weil sie eine allgemeine praktische Weltweisheit sein sollte, hat sie keinen Willen von irgend einer besondern Art, etwa einen solchen, der ohne alle empirische Bewegungsgrnde, vllig aus Principien a priori, bestimmt werde, und den man einen reinen Willen nennen knnte, sondern das Wollen berhaupt im Betrachtung gezogen mit allen Handlungen und Bedingungen, die ihm in dieser allgemeinen Bedeutung zukommen, und dadurch unterscheidet sie sich von einer Metaphysik der Sitten, eben so wie die allgemeine Logik von der Transscendentalphilosophie, von denen die erstere die Handlungen und Regeln des Denkens berhaupt, diese aber blo die besondern Handlungen und Regeln des reinen Denkens, d. i. desjenigen, wodurch Gegenstnde vllig a priori erkannt werden, vortrgt. Denn die Metaphysik der Sitten soll die Idee und die Principien eines mglichen reinen Willens untersuchen und nicht die Handlungen und Bedingungen des menschlichen Wollens berhaupt, welche grtentheils aus der Psychologie geschpft werden. Da in der allgemeinen praktischen Weltweisheit (wiewohl wider alle Befugni) auch von moralischen Gesetzen und Pflicht geredet wird, macht keinen Einwurf wider meine Behauptung aus. Denn die Verfasser jener Wissenschaft bleiben ihrer Idee von derselben auch hierin treu ; sie unterscheiden nicht die Bewegungsgrnde, die als solche vllig a priori blo durch Vernunft vorgestellt werden und eigentlich moralisch sind, von den empirischen, die der Verstand blo durch Vergleichung der Erfahrungen zu allgemeinen Begriffen erhebt, sondern betrachten sie, ohne auf den Unterschied ihrer Quellen zu achten, nur nach der greren oder kleineren Summe derselben (indem sie alle als gleichartig angesehen werden) und machen sich dadurch ihren Begriff von Verbindlichkeit, der freilich nichts weniger als moralisch, aber doch so beschaffen ist, als es in einer Philosophie, die ber den Ursprung aller mglichen praktischen Begriffe, ob sie auch a priori oder blo a posteriori stattfinden, gar nicht urtheilt, nur verlangt werden kann.

Im Vorsatze nun, eine Metaphysik der Sitten dereinst zu liefern, lasse ich diese Grundlegung vorangehen. Zwar giebt es eigentlich keine andere Grundlage derselben, als die Kritik einer reinen praktischen Vernunft, so wie zur Metaphysik die schon gelieferte Kritik der reinen speculativen Vernunft. Allein theils ist jene nicht von so uerster Nothwendigkeit als diese, weil die menschliche Vernunft im Moralischen selbst beim gemeinsten Verstande leicht zu groer Richtigkeit und Ausfhrlichkeit gebracht werden kann, da sie hingegen im theoretischen, aber reinen Gebrauch ganz und gar dialektisch ist : theils erfordere ich zur Kritik einer reinen praktischen Vernunft, da, wenn sie vollendet sein soll, ihre Einheit mit der speculativen in einem gemeinschaftlichen Princip zugleich msse dargestellt werden knnen, weil es doch am Ende nur eine und dieselbe Vernunft sein kann, die blo in der Anwendung unterschieden sein mu. Zu einer solchen Vollstndigkeit konnte ich es aber hier noch nicht bringen, ohne Betrachtungen von ganz anderer Art herbeizuziehen und den Leser zu verwirren. Um deswillen habe ich mich statt der Benennung einer Kritik der reinen Vernunft der von einer Grundlegung zur Metaphysik der Sitten bedient.

Weil aber drittens auch eine Metaphysik der Sitten ungeachtet des abschreckenden Titels dennoch eines groen Grades der Popularitt und Angemessenheit zum gemeinen Verstande fhig ist, so finde ich fr ntzlich, diese Vorarbeitung der Grundlage davon abzusondern, um das Subtile, was darin unvermeidlich ist, knftig nicht falichern Lehren beifgen zu drfen.

Gegenwrtige Grundlegung ist aber nichts mehr, als die Aufsuchung und Festsetzung des obersten Princips der Moralitt, welche allein ein in seiner Absicht ganzes und von aller anderen sittlichen Untersuchung abzusonderndes Geschfte ausmacht. Zwar wrden meine Behauptungen ber diese wichtige und bisher bei weitem noch nicht zur Gnugthuung errterte Hauptfrage durch Anwendung desselben Princips auf das ganze System viel Licht und durch die Zulnglichkeit, die es allenthalben blicken lt, groe Besttigung erhalten : allein ich mute mich dieses Vortheils begeben, der auch im Grunde mehr eigenliebig, als gemeinntzig sein wrde, weil die Leichtigkeit im Gebrauche und die scheinbare Zulnglichkeit eines Princips keinen ganz sicheren Beweis von der Richtigkeit desselben abgiebt, vielmehr eine gewisse Parteilichkeit erweckt, es nicht fr sich selbst, ohne alle Rcksicht auf die Folge, nach aller Strenge zu untersuchen und zu wgen.

Ich habe meine Methode in dieser Schrift so genommen, wie ich glaube, da sie die schicklichste sei, wenn man vom gemeinen Erkenntnisse zur Bestimmung des obersten Princips desselben analytisch und wiederum zurck von der Prfung dieses Princips und den Quellen desselben zur gemeinen Erkenntni, darin sein Gebrauch angetroffen wird, synthetisch den Weg nehmen will. Die Eintheilung ist daher so ausgefallen :

1. Erster Abschnitt : bergang von der gemeinen sittlichen Vernunfterkenntni zur philosophischen.

2. Zweiter Abschnitt : bergang von der populren Moralphilosophie zur Metaphysik der Sitten.

3. Dritter Abschnitt : Letzter Schritt von der Metaphysik der Sitten zur Kritik der reinen praktischen Vernunft.

 

 

 

Erster Abschnitt

bergang von der gemeinen sittlichen Vernunfterkenntni zur philosophischen

 

Es ist berall nichts in der Welt, ja berhaupt auch auer derselben zu denken mglich, was ohne Einschrnkung fr gut knnte gehalten werden, als allein ein guter Wille. Verstand, Witz, Urtheilskraft und wie die Talente des Geistes sonst heien mgen, oder Muth, Entschlossenheit, Beharrlichkeit im Vorsatze als Eigenschaften des Temperaments sind ohne Zweifel in mancher Absicht gut und wnschenswerth ; aber sie knnen auch uerst bse und schdlich werden, wenn der Wille, der von diesen Naturgaben Gebrauch machen soll und dessen eigenthmliche Beschaffenheit darum Charakter heit, nicht gut ist. Mit den Glcksgaben ist es eben so bewandt. Macht, Reichthum, Ehre, selbst Gesundheit und das ganze Wohlbefinden und Zufriedenheit mit seinem Zustande unter dem Namen der Glckseligkeit machen Muth und hiedurch fters auch bermuth, wo nicht ein guter Wille da ist, der den Einflu derselben aufs Gemth und hiemit auch das ganze Princip zu handeln berichtige und allgemein-zweckmig mache ; ohne zu erwhnen, da ein vernnftiger unparteiischer Zuschauer sogar am Anblicke eines ununterbrochenen Wohlergehens eines Wesens, das kein Zug eines reinen und guten Willens ziert, nimmermehr ein Wohlgefallen haben kann, und so der gute Wille die unerlaliche Bedingung selbst der Wrdigkeit glcklich zu sein auszumachen scheint.

Einige Eigenschaften sind sogar diesem guten Willen selbst befrderlich und knnen sein Werk sehr erleichtern, haben aber dem ungeachtet keinen innern unbedingten Werth, sondern setzen immer noch einen guten Willen voraus, der die Hochschtzung, die man brigens mit Recht fr sie trgt, einschrnkt und es nicht erlaubt, sie fr schlechthin gut zu halten. Migung in Affecten und Leidenschaften, Selbstbeherrschung und nchterne berlegung sind nicht allein in vielerlei Absicht gut, sondern scheinen sogar einen Theil vom innern Werthe der Person auszumachen ; allein es fehlt viel daran, um sie ohne Einschrnkung fr gut zu erklren (so unbedingt sie auch von den Alten gepriesen worden). Denn ohne Grundstze eines guten Willens knnen sie hchst bse werden, und das kalte Blut eines Bsewichts macht ihn nicht allein weit gefhrlicher, sondern auch unmittelbar in unsern Augen noch verabscheuungswrdiger, als er ohne dieses dafr wrde gehalten werden.

Der gute Wille ist nicht durch das, was er bewirkt oder ausrichtet, nicht durch seine Tauglichkeit zur Erreichung irgend eines vorgesetzten Zweckes, sondern allein durch das Wollen, d. i. an sich, gut und, fr sich selbst betrachtet, ohne Vergleich weit hher zu schtzen als alles, was durch ihn zu Gunsten irgend einer Neigung, ja wenn man will, der Summe aller Neigungen nur immer zu Stande gebracht werden knnte. Wenn gleich durch eine besondere Ungunst des Schicksals, oder durch krgliche Ausstattung einer stiefmtterlichen Natur es diesem Willen gnzlich an Vermgen fehlte, seine Absicht durchzusetzen ; wenn bei seiner grten Bestrebung dennoch nichts von ihm ausgerichtet wrde, und nur der gute Wille (freilich nicht etwa als ein bloer Wunsch, sondern als die Aufbietung aller Mittel, so weit sie in unserer Gewalt sind) brig bliebe : so wrde er wie ein Juwel doch fr sich selbst glnzen, als etwas, das seinen vollen Werth in sich selbst hat. Die Ntzlichkeit oder Fruchtlosigkeit kann diesem Werthe weder etwas zusetzen, noch abnehmen. Sie wrde gleichsam nur die Einfassung sein, um ihn im gemeinen Verkehr besser handhaben zu knnen, oder die Aufmerksamkeit derer, die noch nicht gnug Kenner sind, auf sich zu ziehen, nicht aber um ihn Kennern zu empfehlen und seinen Werth zu bestimmen.

Es liegt gleichwohl in der Idee von dem absoluten Werthe des bloen Willens, ohne einigen Nutzen bei Schtzung desselben in Anschlag zu bringen, etwas so Befremdliches, da unerachtet aller Einstimmung selbst der gemeinen Vernunft mit derselben dennoch ein Verdacht entspringen mu, da vielleicht blo hochfliegende Phantasterei insgeheim zum Grunde liege, und die Natur in ihrer Absicht, warum sie unserm Willen Vernunft zur Regiererin beigelegt habe, falsch verstanden sein mge. Daher wollen wir diese Idee aus diesem Gesichtspunkte auf die Prfung stellen.

In den Naturanlagen eines organisirten, d. i. zweckmig zum Leben eingerichteten, Wesens nehmen wir es als Grundsatz an, da kein Werkzeug zu irgend einem Zwecke in demselben angetroffen werde, als was auch zu demselben das schicklichste und ihm am meisten angemessen ist. Wre nun an einem Wesen, das Vernunft und einen Willen hat, seine Erhaltung, sein Wohlergehen, mit einem Worte seine Glckseligkeit, der eigentliche Zweck der Natur, so htte sie ihre Veranstaltung dazu sehr schlecht getroffen, sich die Vernunft des Geschpfs zur Ausrichterin dieser ihrer Absicht zu ersehen. Denn alle Handlungen, die es in dieser Absicht auszuben hat, und die ganze Regel seines Verhaltens wrden ihm weit genauer durch Instinct vorgezeichnet und jener Zweck weit sicherer dadurch haben erhalten werden knnen, als es jemals durch Vernunft geschehen kann, und sollte diese ja obenein dem begnstigten Geschpf ertheilt worden sein, so wrde sie ihm nur dazu haben dienen mssen, um ber die glckliche Anlage seiner Natur Betrachtungen anzustellen, sie zu bewundern, sich ihrer zu erfreuen und der wohlthtigen Ursache dafr dankbar zu sein ; nicht aber, um sein Begehrungsvermgen jener schwachen und trglichen Leitung zu unterwerfen und in der Naturabsicht zu pfuschen ; mit einem Worte, sie wrde verhtet haben, da Vernunft nicht in praktischen Gebrauch ausschlge und die Vermessenheit htte, mit ihren schwachen Einsichten ihr selbst den Entwurf der Glckseligkeit und der Mittel dazu zu gelangen auszudenken ; die Natur wrde nicht allein die Wahl der Zwecke, sondern auch der Mittel selbst bernommen und beide mit weiser Vorsorge lediglich dem Instincte anvertraut haben.

In der That finden wir auch, da, je mehr eine cultivirte Vernunft sich mit der Absicht auf den Genu des Lebens und der Glckseligkeit abgiebt, desto weiter der Mensch von der wahren Zufriedenheit abkomme, woraus bei vielen und zwar den Versuchtesten im Gebrauche derselben, wenn sie nur aufrichtig genug sind, es zu gestehen, ein gewisser Grad von Misologie, d. i. der Ha der Vernunft, entspringt, weil sie nach dem berschlage alles Vortheils, den sie, ich will nicht sagen von der Erfindung aller Knste des gemeinen Luxus, sondern sogar von den Wissenschaften (die ihnen am Ende auch ein Luxus des Verstandes zu sein scheinen) ziehen, dennoch finden, da sie sich in der That nur mehr Mhseligkeit auf den Hals gezogen, als an Glckseligkeit gewonnen haben und darber endlich den gemeinen Schlag der Menschen, welcher der Leitung des bloen Naturinstincts nher ist, und der seiner Vernunft nicht viel Einflu auf sein Thun und Lassen verstattet, eher beneiden als geringschtzen. Und so weit mu man gestehen, da das Urtheil derer, die die ruhmredige Hochpreisungen der Vortheile, die uns die Vernunft in Ansehung der Glckseligkeit und Zufriedenheit des Lebens verschaffen sollte, sehr migen und sogar unter Null herabsetzen, keineswegs grmisch, oder gegen die Gte der Weltregierung undankbar sei, sondern da diesen Urtheilen ingeheim die Idee von einer andern und viel wrdigern Absicht ihrer Existenz zum Grunde liege, zu welcher und nicht der Glckseligkeit die Vernunft ganz eigentlich bestimmt sei, und welcher darum als oberster Bedingung die Privatabsicht des Menschen grtentheils nachstehen mu.

Denn da die Vernunft dazu nicht tauglich genug ist, um den Willen in Ansehung der Gegenstnde desselben und der Befriedigung aller unserer Bedrfnisse (die sie zum Theil selbst vervielfltigt) sicher zu leiten, als zu welchem Zwecke ein eingepflanzter Naturinstinct viel gewisser gefhrt haben wrde, gleichwohl aber uns Vernunft als praktisches Vermgen, d. i. als ein solches, das Einflu auf den Willen haben soll, dennoch zugetheilt ist : so mu die wahre Bestimmung derselben sein, einen nicht etwa in anderer Absicht als Mittel, sondern an sich selbst guten Willen hervorzubringen, wozu schlechterdings Vernunft nthig war, wo anders die Natur berall in Austheilung ihrer Anlagen zweckmig zu Werke gegangen ist. Dieser Wille darf also zwar nicht das einzige und das ganze, aber er mu doch das hchste Gut und zu allem brigen, selbst allem Verlangen nach Glckseligkeit die Bedingung sein, in welchem Falle es sich mit der Weisheit der Natur gar wohl vereinigen lt, wenn man wahrnimmt, da die Cultur der Vernunft, die zur erstern und unbedingten Absicht erforderlich ist, die Erreichung der zweiten, die jederzeit bedingt ist, nmlich der Glckseligkeit, wenigstens in diesem Leben auf mancherlei Weise einschrnke, ja sie selbst unter Nichts herabbringen knne, ohne da die Natur darin unzweckmig verfahre, weil die Vernunft, die ihre hchste praktische Bestimmung in der Grndung eines guten Willens erkennt, bei Erreichung dieser Absicht nur einer Zufriedenheit nach ihrer eigenen Art, nmlich aus der Erfllung eines Zwecks, den wiederum nur Vernunft bestimmt, fhig ist, sollte dieses auch mit manchem Abbruch, der den Zwecken der Neigung geschieht, verbunden sein.

Um aber den Begriff eines an sich selbst hochzuschtzenden und ohne weitere Absicht guten Willens, so wie er schon dem natrlichen gesunden Verstande beiwohnt und nicht sowohl gelehrt als vielmehr nur aufgeklrt zu werden bedarf, diesen Begriff, der in der Schtzung des ganzen Werths unserer Handlungen immer obenan steht und die Bedingung alles brigen ausmacht, zu entwickeln : wollen wir den Begriff der Pflicht vor uns nehmen, der den eines guten Willens, obzwar unter gewissen subjectiven Einschrnkungen und Hindernissen, enthlt, die aber doch, weit gefehlt da sie ihn verstecken und unkenntlich machen sollten, ihn vielmehr durch Abstechung heben und desto heller hervorseheinen lassen.

Ich bergehe hier alle Handlungen, die schon als pflichtwidrig erkannt werden, ob sie gleich in dieser oder jener Absicht ntzlich sein mgen ; denn bei denen ist gar nicht einmal die Frage, ob sie aus Pflicht geschehen sein mgen, da sie dieser sogar widerstreiten. Ich setze auch die Handlungen bei Seite, die wirklich pflichtmig sind, zu denen aber Menschen unmittelbar keine Neigung haben, sie aber dennoch ausben, weil sie durch eine andere Neigung dazu getrieben werden. Denn da lt sich leicht unterscheiden, ob die pflichtmige Handlung aus Pflicht oder aus selbstschtiger Absicht geschehen sei. Weit schwerer ist dieser Unterschied zu bemerken, wo die Handlung pflichtmig ist und das Subject noch berdem unmittelbare Neigung zu ihr hat. Z. B. ist es allerdings pflichtmig, da der Krmer seinen unerfahrnen Kufer nicht bertheure, und, wo viel Verkehr ist, thut dieses auch der kluge Kaufmann nicht, sondern hlt einen festgesetzten allgemeinen Preis fr jedermann, so da ein Kind eben so gut bei ihm kauft, als jeder andere. Man wird also ehrlich bedient ; allein das ist lange nicht genug, um deswegen zu glauben, der Kaufmann habe aus Pflicht und Grundstzen der Ehrlichkeit so verfahren ; sein Vortheil erforderte es ; da er aber berdem noch eine unmittelbare Neigung zu den Kufern haben sollte, um gleichsam aus Liebe keinem vor dem andern im Preise den Vorzug zu geben, lt sich hier nicht annehmen. Also war die Handlung weder aus Pflicht, noch aus unmittelbarer Neigung, sondern blo in eigenntziger Absicht geschehen.

Dagegen sein Leben zu erhalten, ist Pflicht, und berdem hat jedermann dazu noch eine unmittelbare Neigung. Aber um deswillen hat die oft ngstliche Sorgfalt, die der grte Theil der Menschen dafr trgt, doch keinen innern Werth und die Maxime derselben keinen moralischen Gehalt. Sie bewahren ihr Leben zwar pflichtmig aber nicht aus Pflicht. Dagegen wenn Widerwrtigkeiten und hoffnungsloser Gram den Geschmack am Leben gnzlich weggenommen haben ; wenn der Unglckliche, stark an Seele, ber sein Schicksal mehr entrstet als kleinmthig oder niedergeschlagen, den Tod wnscht und sein Leben doch erhlt, ohne es zu lieben, nicht aus Neigung oder Furcht, sondern aus Pflicht : alsdann hat seine Maxime einen moralischen Gehalt.

Wohlthtig sein, wo man kann, ist Pflicht, und berdem giebt es manche so theilnehmend gestimmte Seelen, da sie auch ohne einen andern Bewegungsgrund der Eitelkeit oder des Eigennutzes ein inneres Vergngen daran finden, Freude um sich zu verbreiten, und die sich an der Zufriedenheit anderer, so fern sie ihr Werk ist, ergtzen knnen. Aber ich behaupte, da in solchem Falle dergleichen Handlung, so pflichtmig, so liebenswrdig sie auch ist, dennoch keinen wahren sittlichen Werth habe, sondern mit andern Neigungen zu gleichen Paaren gehe, z. E. der Neigung nach Ehre, die, wenn sie glcklicherweise auf das trifft, was in der That gemeinntzig und pflichtmig, mithin ehrenwerth ist, Lob und Aufmunterung, aber nicht Hochschtzung verdient ; denn der Maxime fehlt der sittliche Gehalt, nmlich solche Handlungen nicht aus Neigung, sondern aus Pflicht zu thun. Gesetzt also, das Gemth jenes Menschenfreundes wre vom eigenen Gram umwlkt, der alle Theilnehmung an anderer Schicksal auslscht, er htte immer noch Vermgen, andern Nothleidenden wohlzuthun, aber fremde Noth rhrte ihn nicht, weil er mit seiner eigenen gnug beschftigt ist, und nun, da keine Neigung ihn mehr dazu anreizt, risse er sich doch aus dieser tdtlichen Unempfindlichkeit heraus und thte die Handlung ohne alle Neigung, lediglich aus Pflicht, alsdann hat sie allererst ihren chten moralischen Werth. Noch mehr : wenn die Natur diesem oder jenem berhaupt wenig Sympathie ins Herz gelegt htte, wenn er (brigens ein ehrlicher Mann) von Temperament kalt und gleichgltig gegen die Leiden anderer wre, vielleicht weil er, selbst gegen seine eigene mit der besondern Gabe der Geduld und aushaltenden Strke versehen, dergleichen bei jedem andern auch voraussetzt, oder gar fordert ; wenn die Natur einen solchen Mann (welcher wahrlich nicht ihr schlechtestes Product sein wrde) nicht eigentlich zum Menschenfreunde gebildet htte, wrde er denn nicht noch in sich einen Quell finden, sich selbst einen weit hhern Werth zu geben, als der eines gutartigen Temperaments sein mag ? Allerdings ! gerade da hebt der Werth des Charakters an, der moralisch und ohne alle Vergleichung der hchste ist, nmlich da er wohlthue, nicht aus Neigung, sondern aus Pflicht.

Seine eigene Glckseligkeit sichern, ist Pflicht (wenigstens indirect), denn der Mangel der Zufriedenheit mit seinem Zustande in einem Gedrnge von vielen Sorgen und mitten unter unbefriedigten Bedrfnissen knnte leicht eine groe Versuchung zu bertretung der Pflichten werden. Aber auch ohne hier auf Pflicht zu sehen, haben alle Menschen schon von selbst die mchtigste und innigste Neigung zur Glckseligkeit, weil sich gerade in dieser Idee alle Neigungen zu einer Summe vereinigen. Nur ist die Vorschrift der Glckseligkeit mehrentheils so beschaffen, da sie einigen Neigungen groen Abbruch thut und doch der Mensch sich von der Summe der Befriedigung aller unter dem Namen der Glckseligkeit keinen bestimmten und sichern Begriff machen kann ; daher nicht zu verwundern ist, wie eine einzige in Ansehung dessen, was sie verheit, und der Zeit, worin ihre Befriedigung erhalten werden kann, bestimmte Neigung eine schwankende Idee berwiegen knne, und der Mensch, z. B. ein Podagrist, whlen knne, zu genieen, was ihm schmeckt, und zu leiden, was er kann, weil er nach seinem berschlage hier wenigstens sich nicht durch vielleicht grundlose Erwartungen eines Glcks, das in der Gesundheit stecken soll, um den Genu des gegenwrtigen Augenblicks gebracht hat, Aber auch in diesem Falle, wenn die allgemeine Neigung zur Glckseligkeit seinen Willen nicht bestimmte, wenn Gesundheit fr ihn wenigstens nicht so nothwendig in diesen berschlag gehrte, so bleibt noch hier wie in allen andern Fllen ein Gesetz brig, nmlich seine Glckseligkeit zu befrdern, nicht aus Neigung, sondern aus Pflicht, und da hat sein Verhalten allererst den eigentlichen moralischen Werth.

So sind ohne Zweifel auch die Schriftstellen zu verstehen, darin geboten wird, seinen Nchsten, selbst unsern Feind zu lieben. Denn Liebe als Neigung kann nicht geboten werden, aber Wohlthun aus Liebe selbst, wenn dazu gleich gar keine Neigung treibt, ja gar natrliche und unbezwingliche Abneigung widersteht, ist praktische und nicht pathologische Liebe, die im Willen liegt und nicht im Hange der Empfindung, in Grundstzen der Handlung und nicht schmelzender Theilnehmung ; jene aber allein kann geboten werden.

Der zweite Satz ist : eine Handlung aus Pflicht hat ihren moralischen Werth nicht in der Absicht, welche dadurch erreicht werden soll, sondern in der Maxime, nach der sie beschlossen wird, hngt also nicht von der Wirklichkeit des Gegenstandes der Handlung ab, sondern blos von dem Princip des Wollens, nach welchem die Handlung unangesehen aller Gegenstnde des Begehrungsvermgens geschehen ist. Da die Absichten, die wir bei Handlungen haben mgen, und ihre Wirkungen, als Zwecke und Triebfedern des Willens, den Handlungen keinen unbedingten und moralischen Werth ertheilen knnen, ist aus dem vorigen klar. Worin kann also dieser Werth liegen, wenn er nicht im Willen in Beziehung auf deren verhoffte Wirkung bestehen soll ? Er kann nirgend anders liegen, als im Princip des Willens unangesehen der Zwecke, die durch solche Handlung bewirkt werden knnen ; denn der Wille ist mitten inne zwischen seinem Princip a priori, welches formell ist, und zwischen seiner Triebfeder a posteriori, welche materiell ist, gleichsam auf einem Scheidewege, und da er doch irgend wodurch mu bestimmt werden, so wird er durch das formelle Princip des Wollens berhaupt bestimmt werden mssen, wenn eine Handlung aus Pflicht geschieht, da ihm alles materielle Princip entzogen worden.

Den dritten Satz als Folgerung aus beiden vorigen wrde ich so ausdrcken : Pflicht ist die Nothwendigkeit einer Handlung aus Achtung frs Gesetz. Zum Objecte als Wirkung meiner vorhabenden Handlung kann ich zwar Neigung haben, aber niemals Achtung, eben darum weil sie blo eine Wirkung und nicht Thtigkeit eines Willens ist. Eben so kann ich fr Neigung berhaupt, sie mag nun meine oder eines andern seine sein, nicht Achtung haben, ich kann sie hchstens im ersten Falle billigen, im zweiten bisweilen selbst lieben, d. i. sie als meinem eigenen Vortheile gnstig ansehen. Nur das, was blo als Grund, niemals aber als Wirkung mit meinem Willen verknpft ist, was nicht meiner Neigung dient, sondern sie berwiegt, wenigstens diese von deren berschlage bei der Wahl ganz ausschliet, mithin das bloe Gesetz fr sich kann ein Gegenstand der Achtung und hiemit ein Gebot sein. Nun soll eine Handlung aus Pflicht den Einflu der Neigung und mit ihr jeden Gegenstand des Willens ganz absondern, also bleibt nichts fr den Willen brig, was ihn bestimmen knne, als objectiv das Gesetz und subjectiv reine Achtung fr dieses praktische Gesetz, mithin die Maxime, einem solchen Gesetze selbst mit Abbruch aller meiner Neigungen Folge zu leisten.

Es liegt also der moralische Werth der Handlung nicht in der Wirkung, die daraus erwartet wird, also auch nicht in irgend einem Princip der Handlung, welches seinen Bewegungsgrund von dieser erwarteten Wirkung zu entlehnen bedarf. Denn alle diese Wirkungen (Annehmlichkeit seines Zustandes, ja gar Befrderung fremder Glckseligkeit) konnten auch durch andere Ursachen zu Stande gebracht werden, und es brauchte also dazu nicht des Willens eines vernnftigen Wesens, worin gleichwohl das hchste und unbedingte Gute allein angetroffen werden kann. Es kann daher nichts anders als die Vorstellung des Gesetzes an sich selbst, die freilich nur im vernnftigen Wesen stattfindet so fern sie, nicht aber die verhoffte Wirkung der Bestimmungsgrund des Willens ist, das so vorzgliche Gute, welches wir sittlich nennen, ausmachen, welches in der Person selbst schon gegenwrtig ist, die darnach handelt, nicht aber allererst aus der Wirkung erwartet werden darf.

Was kann das aber wohl fr ein Gesetz sein, dessen Vorstellung, auch ohne auf die daraus erwartete Wirkung Rcksicht zu nehmen, den Willen bestimmen mu, damit dieser schlechterdings und ohne Einschrnkung gut heien knne ? Da ich den Willen aller Antriebe beraubt habe, die ihm aus der Befolgung irgend eines Gesetzes entspringen knnten, so bleibt nichts als die allgemeine Gesetzmigkeit der Handlungen berhaupt brig, welche allein dem Willen zum Princip dienen soll, d. i. ich soll niemals anders verfahren als so, da ich auch wollen knne, meine Maxime solle ein allgemeines Gesetz werden. Hier ist nun die bloe Gesetzmigkeit berhaupt (ohne irgend ein auf gewisse Handlungen bestimmtes Gesetz zum Grunde zu legen) das, was dem Willen zum Princip dient und ihm auch dazu dienen mu, wenn Pflicht nicht berall ein leerer Wahn und chimrischer Begriff sein soll ; hiemit stimmt die gemeine Menschenvernunft in ihrer praktischen Beurtheilung auch vollkommen berein und hat das gedachte Princip jederzeit vor Augen.

Die Frage sei z. B. : darf ich, wenn ich im Gedrnge bin, nicht ein Versprechen thun, in der Absicht, es nicht zu halten ? Ich mache hier leicht den Unterschied, den die Bedeutung der Frage haben kann, ob es klglich, oder ob es pflichtmig sei, ein falsches Versprechen zu thun. Das erstere kann ohne Zweifel fters stattfinden. Zwar sehe ich wohl, da es nicht gnug sei, mich vermittelst dieser Ausflucht aus einer gegenwrtigen Verlegenheit zu ziehen, sondern wohl berlegt werden msse, ob mir aus dieser Lge nicht hinterher viel grere Ungelegenheit entspringen knne, als die sind, von denen ich mich jetzt befreie, und, da die Folgen bei aller meiner vermeinten Schlauigkeit nicht so leicht vorauszusehen sind, da nicht ein einmal verlornes Zutrauen mir weit nachtheiliger werden knnte als alles bel, das ich jetzt zu vermeiden gedenke, ob es nicht klglicher gehandelt sei, hiebei nach einer allgemeinen Maxime zu verfahren und es sich zur Gewohnheit zu machen, nichts zu versprechen als in der Absicht, es zu halten. Allein es leuchtet mir hier bald ein, da eine solche Maxime doch immer nur die besorglichen Folgen zum Grunde habe. Nun ist es doch etwas ganz anderes, aus Pflicht wahrhaft zu sein, als aus Besorgni der nachtheiligen Folgen : indem im ersten Falle der Begriff der Handlung an sich selbst schon ein Gesetz fr mich enthlt, im zweiten ich mich allererst anderwrtsher umsehen mu, welche Wirkungen fr mich wohl damit verbunden sein mchten. Denn wenn ich von dem Princip der Pflicht abweiche, so ist es ganz gewi bse ; werde ich aber meiner Maxime der Klugheit abtrnnig, so kann das mir doch manchmal sehr vortheilhaft sein, wiewohl es freilich sicherer ist, bei ihr zu bleiben. Um indessen mich in Ansehung der Beantwortung dieser Aufgabe, ob ein lgenhaftes Versprechen pflichtmig sei, auf die allerkrzeste und doch untrgliche Art zu belehren, so frage ich mich selbst : wrde ich wohl damit zufrieden sein, da meine Maxime (mich durch ein unwahres Versprechen aus Verlegenheit zu ziehen) als ein allgemeines Gesetz (sowohl fr mich als andere) gelten solle, und wrde ich wohl zu mir sagen knnen : es mag jedermann ein unwahres Versprechen thun, wenn er sich in Verlegenheit befindet, daraus er sich auf andere Art nicht ziehen kann ? So werde ich bald inne, da ich zwar die Lge, aber ein allgemeines Gesetz zu lgen gar nicht wollen knne ; denn nach einem solchen wrde es eigentlich gar kein Versprechen geben, weil es vergeblich wre, meinen Willen in Ansehung meiner knftigen Handlungen andern vorzugeben, die diesem Vorgeben doch nicht glauben, oder, wenn sie es bereilter Weise thten, mich doch mit gleicher Mnze bezahlen wrden, mithin meine Maxime, so bald sie zum allgemeinen Gesetze gemacht wrde, sich selbst zerstren msse.

Was ich also zu thun habe, damit mein Wollen sittlich gut sei, dazu brauche ich gar keine weit ausholende Scharfsinnigkeit. Unerfahren in Ansehung des Weltlaufs, unfhig auf alle sich erugnende Vorflle desselben gefat zu sein, frage ich mich nur : Kannst du auch wollen, da deine Maxime ein allgemeines Gesetz werde ? Wo nicht, so ist sie verwerflich und das zwar nicht um eines dir oder auch anderen daraus bevorstehenden Nachtheils willen, sondern weil sie nicht als Princip in eine mgliche allgemeine Gesetzgebung passen kann ; fr diese aber zwingt mir die Vernunft unmittelbare Achtung ab, von der ich zwar jetzt noch nicht einsehe, worauf sie sich grnde (welches der Philosoph untersuchen mag), wenigstens aber doch so viel verstehe : da es eine Schtzung des Werthes sei, welcher allen Werth dessen, was durch Neigung angepriesen wird, weit berwiegt, und da die Nothwendigkeit meiner Handlungen aus reiner Achtung frs praktische Gesetz dasjenige sei, was die Pflicht ausmacht, der jeder andere Bewegungsgrund weichen mu, weil sie die Bedingung eines an sieh guten Willens ist, dessen Werth ber alles geht.

So sind wir denn in der moralischen Erkenntni der gemeinen Menschenvernunft bis zu ihrem Princip gelangt, welches sie sich zwar freilich nicht so in einer allgemeinen Form abgesondert denkt, aber doch jederzeit wirklich vor Augen hat und zum Richtmae ihrer Beurtheilung braucht. Es wre hier leicht zu zeigen, wie sie mit diesem Compasse in der Hand in allen vorkommenden Fllen sehr gut Bescheid wisse, zu unterscheiden, was gut, was bse, pflichtmig, oder pflichtwidrig sei, wenn man, ohne sie im mindesten etwas Neues zu lehren, sie nur, wie Sokrates that, auf ihr eigenes Princip aufmerksam macht, und da es also keiner Wissenschaft und Philosophie bedrfe, um zu wissen, was man zu thun habe, um ehrlich und gut, ja sogar um weise und tugendhaft zu sein. Das liee sich auch wohl schon zum voraus vermuthen, da die Kenntni dessen, was zu thun, mithin auch zu wissen jedem Menschen obliegt, auch jedes, selbst des gemeinsten Menschen Sache sein werde. Hier kann man es doch nicht ohne Bewunderung ansehen, wie das praktische Beurtheilungsvermgen vor dem theoretischen im gemeinen Menschenverstande so gar viel voraus habe. In dem letzteren, wenn die gemeine Vernunft es wagt, von den Erfahrungsgesetzen und den Wahrnehmungen der Sinne abzugehen, gerth sie in lauter Unbegreiflichkeiten und Widersprche mit sich selbst, wenigstens in ein Chaos von Ungewiheit, Dunkelheit und Unbestand. Im praktischen aber fngt die Beurtheilungskraft dann eben allererst an, sich recht vortheilhaft zu zeigen, wenn der gemeine Verstand alle sinnliche Triebfedern von praktischen Gesetzen ausschliet. Er wird alsdann sogar subtil, es mag sein, da er mit seinem Gewissen oder anderen Ansprchen in Beziehung auf das, was recht heien soll, chicaniren, oder auch den Werth der Handlungen zu seiner eigenen Belehrung aufrichtig bestimmen will, und was das meiste ist, er kann im letzteren Falle sich eben so gut Hoffnung machen, es recht zu treffen, als es sich immer ein Philosoph versprechen mag, ja ist beinahe noch sicherer hierin, als selbst der letztere, weil dieser doch kein anderes Princip als jener haben, sein Urtheil aber durch eine Menge fremder, nicht zur Sache gehriger Erwgungen leicht verwirren und von der geraden Richtung abweichend machen kann. Wre es demnach nicht rathsamer, es in moralischen Dingen bei dem gemeinen Vernunfturtheil bewenden zu lassen und hchstens nur Philosophie anzubringen, um das System der Sitten desto vollstndiger und falicher, imgleichen die Regeln derselben zum Gebrauche (noch mehr aber zum Disputiren) bequemer darzustellen, nicht aber um selbst in praktischer Absicht den gemeinen Menschenverstand von seiner glcklichen Einfalt abzubringen und ihn durch Philosophie auf einen neuen Weg der Untersuchung und Belehrung zu bringen ?

Es ist eine herrliche Sache um die Unschuld, nur es ist auch wiederum sehr schlimm, da sie sich nicht wohl bewahren lt und leicht verfhrt wird. Deswegen bedarf selbst die Weisheit die sonst wohl mehr im Thun und Lassen, als im Wissen besteht doch auch der Wissenschaft, nicht um von ihr zu lernen, sondern ihrer Vorschrift Eingang und Dauerhaftigkeit zu verschaffen. Der Mensch fhlt in sich selbst ein mchtiges Gegengewicht gegen alle Gebote der Pflicht, die ihm die Vernunft so hochachtungswrdig vorstellt, an seinen Bedrfnissen und Neigungen, deren ganze Befriedigung er unter dem Namen der Glckseligkeit zusammenfat. Nun gebietet die Vernunft, ohne doch dabei den Neigungen etwas zu verheien, unnachlalich, mithin gleichsam mit Zurcksetzung und Nichtachtung jener so ungestmen und dabei so billig scheinenden Ansprche (die sich durch kein Gebot wollen aufheben lassen) ihre Vorschriften. Hieraus entspringt aber eine natrliche Dialektik d. i. ein Hang, wider jene strenge Gesetze der Pflicht zu vernnfteln und ihre Gltigkeit, wenigstens ihre Reinigkeit und Strenge in Zweifel zu ziehen und sie wo mglich unsern Wnschen und Neigungen angemessener zu machen, d. i. sie im Grunde zu verderben und um ihre ganze Wrde zu bringen, welches denn doch selbst die gemeine praktische Vernunft am Ende nicht gut heien kann.

So wird also die gemeine Menschenvernunft nicht durch irgend ein Bedrfni der Speculation (welches ihr, so lange sie sich gengt, bloe gesunde Vernunft zu sein, niemals anwandelt), sondern selbst aus praktischen Grnden angetrieben, aus ihrem Kreise zu gehen und einen Schritt ins Feld einer praktischen Philosophie zu thun, um daselbst wegen der Quelle ihres Princips und richtigen Bestimmung desselben in Gegenhaltung mit den Maximen, die sich auf Bedrfni und Neigung fuen, Erkundigung und deutliche Anweisung zu bekommen, damit sie aus der Verlegenheit wegen beiderseitiger Ansprche herauskomme und nicht Gefahr laufe, durch die Zweideutigkeit, in die sie leicht gerth, um alle chte sittliche Grundstze gebracht zu werden. Also entspinnt sich eben sowohl in der praktischen gemeinen Vernunft, wenn sie sich cultivirt, unvermerkt eine Dialektik, welche sie nthigt, in der Philosophie Hlfe zu suchen, als es ihr im theoretischen Gebrauche widerfhrt, und die erstere wird daher wohl eben so wenig als die andere irgendwo sonst, als in einer vollstndigen Kritik unserer Vernunft Ruhe finden.

 

 

 

Zweiter Abschnitt

bergang von der populren sittlichen Weltweisheit zur Metaphysik der Sitten

 

Wenn wir unsern bisherigen Begriff der Pflicht aus dem gemeinen Gebrauche unserer praktischen Vernunft gezogen haben, so ist daraus keineswegs zu schlieen, als htten wir ihn als einen Erfahrungsbegriff behandelt. Vielmehr, wenn wir auf die Erfahrung vom Thun und Lassen der Menschen Acht haben, treffen wir hufige und, wie wir selbst einrumen, gerechte Klagen an, da man von der Gesinnung, aus reiner Pflicht zu handeln, so gar keine sichere Beispiele anfhren knne, da, wenn gleich manches dem, was Pflicht gebietet, gem geschehen mag, dennoch es immer noch zweifelhaft sei, ob es eigentlich aus Pflicht geschehe und also einen moralischen Werth habe. Daher es zu aller Zeit Philosophen gegeben hat, welche die Wirklichkeit dieser Gesinnung in den menschlichen Handlungen schlechterdings abgeleugnet und alles der mehr oder weniger verfeinerten Selbstliebe zugeschrieben haben, ohne doch deswegen die Richtigkeit des Begriffs von Sittlichkeit in Zweifel zu ziehen, vielmehr mit inniglichem Bedauren der Gebrechlichkeit und Unlauterkeit der menschlichen Natur Erwhnung thaten, die zwar edel gnug sei, sich eine so achtungswrdige Idee zu ihrer Vorschrift zu machen, aber zugleich zu schwach, um sie zu befolgen, und die Vernunft, die ihr zur Gesetzgebung dienen sollte, nur dazu braucht, um das Interesse der Neigungen, es sei einzeln oder, wenn es hoch kommt, in ihrer grten Vertrglichkeit unter einander, zu besorgen.

In der That ist es schlechterdings unmglich, durch Erfahrung einen einzigen Fall mit vlliger Gewiheit auszumachen, da die Maxime einer sonst pflichtmigen Handlung lediglich auf moralischen Grnden und auf der Vorstellung seiner Pflicht beruht habe. Denn es ist zwar bisweilen der Fall, da wir bei der schrfsten Selbstprfung gar nichts antreffen, was auer dem moralischen Grunde der Pflicht mchtig genug htte sein knnen, uns zu dieser oder jener guten Handlung und so groer Aufopferung zu bewegen ; es kann aber daraus gar nicht mit Sicherheit geschlossen werden, da wirklich gar kein geheimer Antrieb der Selbstliebe unter der bloen Vorspiegelung jener Idee die eigentliche bestimmende Ursache des Willens gewesen sei, dafr wir denn gerne uns mit einem uns flschlich angematen edlern Bewegungsgrunde schmeicheln, in der That aber selbst durch die angestrengteste Prfung hinter die geheimen Triebfedern niemals vllig kommen knnen, weil, wenn vom moralischen Werthe die Rede ist, es nicht auf die Handlungen ankommt, die man sieht, sondern auf jene innere Principien derselben, die man nicht sieht.

Man kann auch denen, die alle Sittlichkeit als bloes Hirngespinst einer durch Eigendnkel sich selbst bersteigenden menschlichen Einbildung verlachen, keinen gewnschteren Dienst thun, als ihnen einzurumen, da die Begriffe der Pflicht (so wie man sich auch aus Gemchlichkeit gerne berredet, da es auch mit allen brigen Begriffen bewandt sei) lediglich aus der Erfahrung gezogen werden muten ; denn da bereitet man jenen einen sichern Triumph. Ich will aus Menschenliebe einrumen, da noch die meisten unserer Handlungen pflichtmig seien ; sieht man aber ihr Tichten und Trachten nher an, so stt man allenthalben auf das liebe Selbst, was immer hervorsticht, worauf und nicht auf das strenge Gebot der Pflicht, welches mehrmals Selbstverleugnung erfordern wrde, sich ihre Absicht sttzt. Man braucht auch eben kein Feind der Tugend, sondern nur ein kaltbltiger Beobachter zu sein, der den lebhaftesten Wunsch fr das Gute nicht sofort fr dessen Wirklichkeit hlt, um (vornehmlich mit zunehmenden Jahren und einer durch Erfahrung theils gewitzigten, theils zum Beobachten geschrften Urtheilskraft) in gewissen Augenblicken zweifelhaft zu werden, ob auch wirklich in der Welt irgend wahre Tugend angetroffen werde. Und hier kann uns nun nichts vor dem gnzlichen Abfall von unseren Ideen der Pflicht bewahren und gegrndete Achtung gegen ihr Gesetz in der Seele erhalten, als die klare berzeugung, da, wenn es auch niemals Handlungen gegeben habe, die aus solchen reinen Quellen entsprungen wren, dennoch hier auch davon gar nicht die Rede sei, ob dies oder jenes geschehe, sondern die Vernunft fr sich selbst und unabhngig von allen Erscheinungen gebiete, was geschehen soll, mithin Handlungen, von denen die Welt vielleicht bisher noch gar kein Beispiel gegeben hat, an deren Thunlichkeit sogar der, so alles auf Erfahrung grndet, sehr zweifeln mchte, dennoch durch Vernunft unnachlalich geboten seien, und da z. B. reine Redlichkeit in der Freundschaft um nichts weniger von jedem Menschen gefordert werden knne, wenn es gleich bis jetzt gar keinen redlichen Freund gegeben haben mchte, weil diese Pflicht als Pflicht berhaupt vor aller Erfahrung in der Idee einer den Willen durch Grnde a priori bestimmenden Vernunft liegt.

Setzt man hinzu, da, wenn man dem Begriffe von Sittlichkeit nicht gar alle Wahrheit und Beziehung auf irgend ein mgliches Object bestreiten will, man nicht in Abrede ziehen knne, da sein Gesetz von so ausgebreiteter Bedeutung sei, da es nicht blo fr Menschen, sondern alle vernnftige Wesen berhaupt, nicht blo unter zuflligen Bedingungen und mit Ausnahmen, sondern schlechterdings nothwendig gelten msse : so ist klar, da keine Erfahrung, auch nur auf die Mglichkeit solcher apodiktischen Gesetze zu schlieen, Anla geben knne. Denn mit welchem Rechte knnen wir das, was vielleicht nur unter den zuflligen Bedingungen der Menschheit gltig ist, als allgemeine Vorschrift fr jede vernnftige Natur in unbeschrnkte Achtung bringen, und wie sollen Gesetze der Bestimmung unseres Willens fr Gesetze der Bestimmung des Willens eines vernnftigen Wesens berhaupt und nur als solche auch fr den unsrigen gehalten werden, wenn sie blo empirisch wren und nicht vllig a priori aus reiner, aber praktischer Vernunft ihren Ursprung nhmen ?

Man knnte auch der Sittlichkeit nicht bler rathen, als wenn man sie von Beispielen entlehnen wollte. Denn jedes Beispiel, was mir davon vorgestellt wird, mu selbst zuvor nach Principien der Moralitt beurtheilt werden, ob es auch wrdig sei, zum ursprnglichen Beispiele, d. i. zum Muster, zu dienen, keinesweges aber kann es den Begriff derselben zu oberst an die Hand geben. Selbst der Heilige des Evangellii mu zuvor mit unserm Ideal der sittlichen Vollkommenheit verglichen werden, ehe man ihn dafr erkennt ; auch sagt er von sich selbst : was nennt ihr mich (den ihr sehet) gut ? niemand ist gut (das Urbild des Guten) als der einige Gott (den ihr nicht sehet). Woher haben wir aber den Begriff von Gott als dem hchsten Gut ? Lediglich aus der Idee, die die Vernunft a priori von sittlicher Vollkommenheit entwirft und mit dem Begriffe eines freien Willens unzertrennlich verknpft. Nachahmung findet im Sittlichen gar nicht statt, und Beispiele dienen nur zur Aufmunterung, d. i. sie setzen die Thunlichkeit dessen, was das Gesetz gebietet, auer Zweifel, sie machen das, was die praktische Regel allgemeiner ausdrckt, anschaulich, knnen aber niemals berechtigen, ihr wahres Original, das in der Vernunft liegt, bei Seite zu setzen und sich nach Beispielen zu richten.

Wenn es denn keinen chten obersten Grundsatz der Sittlichkeit giebt, der nicht unabhngig von aller Erfahrung blo auf reiner Vernunft beruhen mte, so glaube ich, es sei nicht nthig, auch nur zu fragen, ob es gut sei, diese Begriffe, so wie sie sammt den ihnen zugehrigen Principien a priori feststehen, im Allgemeinen (in abstracto) vorzutragen, wofern das Erkenntni sich vom gemeinen unterscheiden und philosophisch heien soll. Aber in unsern Zeiten mchte dieses wohl nthig sein. Denn wenn man Stimmen sammelte, ob reine von allem Empirischen abgesonderte Vernunfterkenntni, mithin Metaphysik der Sitten, oder populre praktische Philosophie vorzuziehen sei, so errth man bald, auf welche Seite das bergewicht fallen werde.

Diese Herablassung zu Volksbegriffen ist allerdings sehr rhmlich, wenn die Erhebung zu den Principien der reinen Vernunft zuvor geschehen und zur vlligen Befriedigung erreicht ist, und das wrde heien, die Lehre der Sitten zuvor auf Metaphysik grnden, ihr aber, wenn sie fest steht, nachher durch Popularitt Eingang verschaffen. Es ist aber uerst ungereimt, dieser in der ersten Untersuchung, worauf alle Richtigkeit der Grundstze ankommt, schon willfahren zu wollen. Nicht allein da dieses Verfahren auf das hchst seltene Verdienst einer wahren philosophischen Popularitt niemals Anspruch machen kann, indem es gar keine Kunst ist, gemeinverstndlich zu sein, wenn man dabei auf alle grndliche Einsicht Verzicht thut, so bringt es einen ekelhaften Mischmasch von zusammengestoppelten Beobachtungen und halbvernnftelnden Principien zum Vorschein, daran sich schale Kpfe laben, weil es doch etwas gar Brauchbares frs alltgliche Geschwtz ist, wo Einsehende aber Verwirrung fhlen und unzufrieden, ohne sich doch helfen zu knnen, ihre Augen wegwenden, obgleich Philosophen, die das Blendwerk ganz wohl durchschauen, wenig Gehr finden, wenn sie auf einige Zeit von der vorgeblichen Popularitt abrufen, um nur allererst nach erworbener bestimmter Einsicht mit Recht populr sein zu drfen.

Man darf nur die Versuche ber die Sittlichkeit in jenem beliebten Geschmacke ansehen, so wird man bald die besondere Bestimmung der menschlichen Natur (mitunter aber auch die Idee von einer vernnftigen Natur berhaupt), bald Vollkommenheit, bald Glckseligkeit, hier moralisches Gefhl, dort Gottesfurcht, von diesem etwas, von jenem auch etwas in wunderbarem Gemische antreffen, ohne da man sich einfallen lt zu fragen, ob auch berall in der Kenntni der menschlichen Natur (die wir doch nur von der Erfahrung herhaben knnen) die Principien der Sittlichkeit zu suchen seien, und, wenn dieses nicht ist, wenn die letztere vllig a priori, frei von allem Empirischen, schlechterdings in reinen Vernunftbegriffen und nirgend anders auch nicht dem mindesten Theile nach anzutreffen sind, den Anschlag zu fassen, diese Untersuchung als reine praktische Weltweisheit, oder (wenn man einen verschrieenen Namen nennen darf) alsMetaphysikder Sitten lieber ganz abzusondern, sie fr sich allein zu ihrer ganzen Vollstndigkeit zu bringen und das Publicum, das Popularitt verlangt, bis zum Ausgange dieses Unternehmens zu vertrsten.

Es ist aber eine solche vllig isolirte Metaphysik der Sitten, die mit keiner Anthropologie, mit keiner Theologie, mit keiner Physik oder Hyperphysik, noch weniger mit verborgenen Qualitten (die man hypophysisch nennen knnte) vermischt ist, nicht allein ein unentbehrliches Substrat aller theoretischen, sicher bestimmten Erkenntni der Pflichten, sondern zugleich ein Desiderat von der hchsten Wichtigkeit zur wirklichen Vollziehung ihrer Vorschriften. Denn die reine und mit keinem fremden Zusatze von empirischen Anreizen vermischte Vorstellung der Pflicht und berhaupt des sittlichen Gesetzes hat auf das menschliche Herz durch den Weg der Vernunft allein (die hiebei zuerst inne wird, da sie fr sich selbst auch praktisch sein kann) einen so viel mchtigern Einflu, als alle andere Triebfedern, die man aus dem empirischen Felde aufbieten mag, da sie im Bewutsein ihrer Wrde die letzteren verachtet und nach und nach ihr Meister werden kann ; an dessen Statt eine vermischte Sittenlehre, die aus Triebfedern von Gefhlen und Neigungen und zugleich aus Vernunftbegriffen zusammengesetzt ist, das Gemth zwischen Bewegursachen, die sich unter kein Princip bringen lassen, die nur sehr zufllig zum Guten, fters aber auch zum Bsen leiten knnen, schwankend machen mu.

Aus dem Angefhrten erhellt : da alle sittliche Begriffe vllig a priori in der Vernunft ihren Sitz und Ursprung haben und dieses zwar in der gemeinsten Menschenvernunft eben sowohl, als der im hchsten Mae speculativen ; da sie von keinem empirischen und darum blo zuflligen Erkenntnisse abstrahirt werden knnen ; da in dieser Reinigkeit ihres Ursprungs eben ihre Wrde liege, um uns zu obersten praktischen Principien zu dienen ; da man jedesmal so viel, als man Empirisches hinzu thut, so viel auch ihrem chten Einflusse und dem uneingeschrnkten Werthe der Handlungen entziehe ; da es nicht allein die grte Nothwendigkeit in theoretischer Absicht, wenn es blo auf Speculation ankommt, erfordere, sondern auch von der grten praktischen Wichtigkeit sei, ihre Begriffe und Gesetze aus reiner Vernunft zu schpfen, rein und unvermengt vorzutragen, ja den Umfang dieses ganzen praktischen oder reinen Vernunfterkenntnisses, d. i. das ganze Vermgen der reinen praktischen Vernunft, zu bestimmen, hierin aber nicht, wie es wohl die speculative Philosophie erlaubt, ja gar bisweilen nothwendig findet, die Principien von der besondern Natur der menschlichen Vernunft abhngig zu machen, sondern darum, weil moralische Gesetze fr jedes vernnftige Wesen berhaupt gelten sollen, sie schon aus dem allgemeinen Begriffe eines vernnftigen Wesens berhaupt abzuleiten und auf solche Weise alle Moral, die zu ihrer Anwendung auf Menschen der Anthropologie bedarf, zuerst unabhngig von dieser als reine Philosophie, d. i. als Metaphysik, vollstndig (welches sich in dieser Art ganz abgesonderter Erkenntnisse wohl thun lt) vorzutragen, wohl bewut, da es, ohne im Besitze derselben zu sein, vergeblich sei, ich will nicht sagen, das Moralische der Pflicht in allem, was pflichtmig ist, genau fr die speculative Beurtheilung zu bestimmen, sondern sogar im blo gemeinen und praktischen Gebrauche, vornehmlich der moralischen Unterweisung, unmglich sei, die Sitten auf ihre chte Principien zu grnden und dadurch reine moralische Gesinnungen zu bewirken und zum hchsten Weltbesten den Gemthern einzupfropfen.

Um aber in dieser Bearbeitung nicht blo von der gemeinen sittlichen Beurtheilung (die hier sehr achtungswrdig ist) zur philosophischen, wie sonst geschehen ist, sondern von einer populren Philosophie, die nicht weiter geht, als sie durch Tappen vermittelst der Beispiele kommen kann, bis zur Metaphysik (die sich durch nichts Empirisches weiter zurckhalten lt und, indem sie den ganzen Inbegriff der Vernunfterkenntni dieser Art ausmessen mu, allenfalls bis zu Ideen geht, wo selbst die Beispiele uns verlassen) durch die natrlichen Stufen fortzuschreiten, mssen wir das praktische Vernunftvermgen von seinen allgemeinen Bestimmungsregeln an bis dahin, wo aus ihm der Begriff der Pflicht entspringt, verfolgen und deutlich darstellen.

Ein jedes Ding der Natur wirkt nach Gesetzen. Nur ein vernnftiges Wesen hat das Vermgen, nach der Vorstellung der Gesetze, d. i. nach Principien, zu handeln, oder einen Willen. Da zur Ableitung der Handlungen von Gesetzen Vernunft erfordert wird, so ist der Wille nichts anders als praktische Vernunft. Wenn die Vernunft den Willen unausbleiblich bestimmt, so sind die Handlungen eines solchen Wesens, die als objectiv nothwendig erkannt werden, auch subjectiv nothwendig, d. i. der Wille ist ein Vermgen, nur dasjenige zu whlen, was die Vernunft unabhngig von der Neigung als praktisch nothwendig, d. i. als gut, erkennt. Bestimmt aber die Vernunft fr sich allein den Willen nicht hinlnglich, ist dieser noch subjectiven Bedingungen (gewissen Triebfedern) unterworfen, die nicht immer mit den objectiven bereinstimmen ; mit einem Worte, ist der Wille nicht an sich vllig der Vernunft gem (wie es bei Menschen wirklich ist) : so sind die Handlungen, die objectiv als nothwendig erkannt werden, subjectiv zufllig, und die Bestimmung eines solchen Willens objectiven Gesetzen gem ist Nthigung ; d. i. das Verhltni der objectiven Gesetze zu einem nicht durchaus guten Willen wird vorgestellt als die Bestimmung des Willens eines vernnftigen Wesens zwar durch Grnde der Vernunft, denen aber dieser Wille seiner Natur nach nicht nothwendig folgsam ist.

Die Vorstellung eines objectiven Princips, sofern es fr einen Willen nthigend ist, heit ein Gebot (der Vernunft), und die Formel des Gebots heit Imperativ.

Alle Imperativen werden durch ein Sollen ausgedrckt und zeigen dadurch das Verhltni eines objectiven Gesetzes der Vernunft zu einem Willen an, der seiner subjectiven Beschaffenheit nach dadurch nicht nothwendig bestimmt wird (eine Nthigung). Sie sagen, da etwas zu thun oder zu unterlassen gut sein wrde, allein sie sagen es einem Willen, der nicht immer darum etwas thut, weil ihm vorgestellt wird, da es zu thun gut sei. Praktisch gut ist aber, was vermittelst der Vorstellungen der Vernunft, mithin nicht aus subjectiven Ursachen, sondern objectiv, d. i. aus Grnden, die fr jedes vernnftige Wesen als ein solches gltig sind, den Willen bestimmt. Es wird vom Angenehmen unterschieden als demjenigen, was nur vermittelst der Empfindung aus blo subjectiven Ursachen, die nur fr dieses oder jenes seinen Sinn gelten, und nicht als Princip der Vernunft, das fr jedermann gilt, auf den Willen Einflu hat.

Ein vollkommen guter Wille wrde also eben sowohl unter objectiven Gesetzen (des Guten) stehen, aber nicht dadurch als zu gesetzmigen Handlungen genthigt vorgestellt werden knnen, weil er von selbst nach seiner subjectiven Beschaffenheit nur durch die Vorstellung des Guten bestimmt werden kann. Daher gelten fr den gttlichen und berhaupt fr einen heiligen Willen keine Imperativen ; das Sollen ist hier am unrechten Orte, weil das Wollen schon von selbst mit dem Gesetz nothwendig einstimmig ist. Daher sind Imperativen nur Formeln, das Verhltni objectiver Gesetze des Wollens berhaupt zu der subjectiven Unvollkommenheit des Willens dieses oder jenes vernnftigen Wesens, z. B. des menschlichen Willens, auszudrcken.

Alle Imperativen nun gebieten entweder hypothetisch, oder kategorisch. Jene stellen die praktische Nothwendigkeit einer mglichen Handlung als Mittel zu etwas anderem, was man will (oder doch mglich ist, da man es wolle), zu gelangen vor. Der kategorische Imperativ wrde der sein, welcher eine Handlung als fr sich selbst, ohne Beziehung auf einen andern Zweck, als objectiv-nothwendig vorstellte.

Weil jedes praktische Gesetz eine mgliche Handlung als gut und darum fr ein durch Vernunft praktisch bestimmbares Subject als nothwendig vorstellt, so sind alle Imperativen Formeln der Bestimmung der Handlung, die nach dem Princip eines in irgend einer Art guten Willens nothwendig ist. Wenn nun die Handlung blo wozu anders als Mittel gut sein wrde, so ist der Imperativ hypothetisch ; wird sie als an sich gut vorgestellt, mithin als nothwendig in einem an sich der Vernunft gemen Willen, als Princip desselben, so ist er kategorisch.

Der Imperativ sagt also, welche durch mich mgliche Handlung gut wre, und stellt die praktische Regel in Verhltni auf einen Willen vor, der darum nicht sofort eine Handlung thut, weil sie gut ist, theils weil das Subject nicht immer wei, da sie gut sei, theils weil, wenn es dieses auch wte, die Maximen desselben doch den objectiven Principien einer praktischen Vernunft zuwider sein knnten.

Der hypothetische Imperativ sagt also nur, da die Handlung zu irgend einer mglichen oder wirklichen Absicht gut sei. Im erstern Falle ist er ein problematisch, im zweiten assertorisch-praktisches Princip. Der kategorische Imperativ, der die Handlung ohne Beziehung auf irgend eine Absicht, d. i. auch ohne irgend einen andern Zweck, fr sich als objectiv nothwendig erklrt, gilt als ein apodiktisch-praktisches Princip.

Man kann sich das, was nur durch Krfte irgend eines vernnftigen Wesens mglich ist, auch fr irgend einen Willen als mgliche Absicht denken, und daher sind der Principien der Handlung, so fern diese als nothwendig vorgestellt wird, um irgend eine dadurch zu bewirkende mgliche Absicht zu erreichen, in der That unendlich viel. Alle Wissenschaften haben irgend einen praktischen Theil, der aus Aufgaben besteht, da irgend ein Zweck fr uns mglich sei, und aus Imperativen, wie er erreicht werden knne. Diese knnen daher berhaupt Imperativen der Geschicklichkeit heien. Ob der Zweck vernnftig und gut sei, davon ist hier gar nicht die Frage, sondern nur was man thun msse, um ihn zu erreichen. Die Vorschriften fr den Arzt, um seinen Mann auf grndliche Art gesund zu machen, und fr einen Giftmischer, um ihn sicher zu tdten, sind in so fern von gleichem Werth, als eine jede dazu dient, ihre Absicht vollkommen zu bewirken. Weil man in der frhen Jugend nicht wei, welche Zwecke uns im Leben aufstoen drften, so suchen Eltern vornehmlich ihre Kinder recht vielerlei lernen zu lassen und sorgen fr die Geschicklichkeit im Gebrauch der Mittel zu allerlei beliebigen Zwecken, von deren keinem sie bestimmen knnen, ob er etwa wirklich knftig eine Absicht ihres Zglings werden knne, wovon es indessen doch mglich ist, da er sie einmal haben mchte, und diese Sorgfalt ist so gro, da sie darber gemeiniglich verabsumen, ihnen das Urtheil ber den Werth der Dinge, die sie sich etwa zu Zwecken machen mchten, zu bilden und zu berichtigen.

Es ist gleichwohl ein Zweck, den man bei allen vernnftigen Wesen (so fern Imperative auf sie, nmlich als abhngige Wesen, passen) als wirklich voraussetzen kann, und also eine Absicht, die sie nicht etwa blo haben knnen, sondern von der man sicher voraussetzen kann, da sie solche insgesammt nach einer Naturnothwendigkeit haben, und das ist die Absicht auf Glckseligkeit. Der hypothetische Imperativ, der die praktische Nothwendigkeit der Handlung als Mittel zur Befrderung der Glckseligkeit vorstellt, ist assertorisch. Man darf ihn nicht blo als nothwendig zu einer ungewissen, blo mglichen Absicht vortragen, sondern zu einer Absicht, die man sicher und a priori bei jedem Menschen voraussetzen kann, weil sie zu seinem Wesen gehrt. Nun kann man die Geschicklichkeit in der Wahl der Mittel zu seinem eigenen grten Wohlsein Klugheit im engsten Verstande nennen. Also ist der Imperativ, der sich auf die Wahl der Mittel zur eigenen Glckseligkeit bezieht, d. i. die Vorschrift der Klugheit, noch immer hypothetisch ; die Handlung wird nicht schlechthin, sondern nur als Mittel zu einer andern Absicht geboten.

Endlich giebt es einen Imperativ, der, ohne irgend eine andere durch ein gewisses Verhalten zu erreichende Absicht als Bedingung zum Grunde zu legen, dieses Verhalten unmittelbar gebietet. Dieser Imperativ ist kategorisch. Er betrifft nicht die Materie der Handlung und das, was aus ihr erfolgen soll, sondern die Form und das Princip, woraus sie selbst folgt, und das Wesentlich-Gute derselben besteht in der Gesinnung, der Erfolg mag sein, welcher er wolle. Dieser Imperativ mag der der Sittlichkeit heien.

Das Wollen nach diesen dreierlei Principien wird auch durch die Ungleichheit der Nthigung des Willens deutlich unterschieden. Um diese nun auch merklich zu machen, glaube ich, da man sie in ihrer Ordnung am angemessensten so benennen wrde, wenn man sagte : sie wren entweder Regeln der Geschicklichkeit, oder Rathschlge der Klugheit, oder Gebote (Gesetze) der Sittlichkeit. Denn nur das Gesetz fhrt den Begriff einer unbedingten und zwar objectiven und mithin allgemein gltigen Nothwendigkeit bei sich, und Gebote sind Gesetze, denen gehorcht, d. i. auch wider Neigung Folge geleistet, werden mu. Die Rathgebung enthlt zwar Nothwendigkeit, die aber blo unter subjectiver zuflliger Bedingung, ob dieser oder jener Mensch dieses oder jenes zu seiner Glckseligkeit zhle, gelten kann : dagegen der kategorische Imperativ durch keine Bedingung eingeschrnkt wird und als absolut, obgleich praktisch-nothwendig ganz eigentlich ein Gebot heien kann. Man knnte die ersteren Imperative auch technisch (zur Kunst gehrig), die zweiten pragmatisch, (zur Wohlfahrt), die dritten moralisch (zum freien Verhalten berhaupt, d. i. zu den Sitten gehrig) nennen.

Nun entsteht die Frage : wie sind alle diese Imperative mglich ? Diese Frage verlangt nicht zu wissen, wie die Vollziehung der Handlung, welche der Imperativ gebietet, sondern wie blo die Nthigung des Willens, die der Imperativ in der Aufgabe ausdrckt, gedacht werden knne. Wie ein Imperativ der Geschicklichkeit mglich sei, bedarf wohl keiner besondern Errterung. Wer den Zweck will, will (so fern die Vernunft auf seine Handlungen entscheidenden Einflu hat) auch das dazu unentbehrlich nothwendige Mittel, das in seiner Gewalt ist. Dieser Satz ist, was das Wollen betrifft, analytisch ; denn in dem Wollen eines Objects als meiner Wirkung wird schon meine Causalitt als handelnde Ursache, d. i. der Gebrauch der Mittel, gedacht, und der Imperativ zieht den Begriff nothwendiger Handlungen zu diesem Zwecke schon aus dem Begriff eines Wollens dieses Zwecks heraus (die Mittel selbst zu einer vorgesetzten Absicht zu bestimmen, dazu gehren allerdings synthetische Stze, die aber nicht den Grund betreffen, den Actus des Willens, sondern das Object wirklich zu machen). Da, um eine Linie nach einem sichern Princip in zwei gleiche Theile zu theilen, ich aus den Enden derselben zwei Kreuzbogen machen msse, das lehrt die Mathematik freilich nur durch synthetische Stze ; aber da, wenn ich wei, durch solche Handlung allein knne die gedachte Wirkung geschehen, ich, wenn ich die Wirkung vollstndig will, auch die Handlung wolle, die dazu erforderlich ist, ist ein analytischer Satz ; denn etwas als eine auf gewisse Art durch mich mgliche Wirkung und mich in Ansehung ihrer auf dieselbe Art handelnd vorstellen, ist ganz einerlei.

Die Imperativen, der Klugheit wrden, wenn es nur so leicht wre, einen bestimmten Begriff von Glckseligkeit zu geben, mit denen der Geschicklichkeit ganz und gar bereinkommen und eben sowohl analytisch sein. Denn es wrde eben sowohl hier als dort heien : wer den Zweck will, will auch (der Vernunft gem nothwendig) die einzigen Mittel, die dazu in seiner Gewalt sind. Allein es ist ein Unglck, da der Begriff der Glckseligkeit ein so unbestimmter Begriff ist, da, obgleich jeder Mensch zu dieser zu gelangen wnscht, er doch niemals bestimmt und mit sich selbst einstimmig sagen kann, was er eigentlich wnsche und wolle. Die Ursache davon ist : da alle Elemente, die zum Begriff der Glckseligkeit gehren, insgesammt empirisch sind, d. i. aus der Erfahrung mssen entlehnt werden, da gleichwohl zur Idee der Glckseligkeit ein absolutes Ganze, ein Maximum des Wohlbefindens, in meinem gegenwrtigen und jedem zuknftigen Zustande erforderlich ist. Nun ists unmglich, da das einsehendste und zugleich allervermgendste, aber doch endliche Wesen sich einen bestimmten Begriff von dem mache, was er hier eigentlich wolle. Will er Reichthum, wie viel Sorge, Neid und Nachstellung knnte er sich dadurch nicht auf den Hals ziehen ! Will er viel Erkenntni und Einsicht, vielleicht knnte das ein nur um desto schrferes Auge werden, um die bel, die sich fr ihn jetzt noch verbergen und doch nicht vermieden werden knnen, ihm nur um desto schrecklicher zu zeigen, oder seinen Begierden, die ihm schon genug zu schaffen machen, noch mehr Bedrfnisse aufzubrden. Will er ein langes Leben, wer steht ihm dafr, da es nicht ein langes Elend sein wrde ? Will er wenigstens Gesundheit, wie oft hat noch Ungemchlichkeit des Krpers von Ausschweifung abgehalten, darein unbeschrnkte Gesundheit wrde haben fallen lassen, u. s. w. Kurz, er ist nicht vermgend, nach irgend einem Grundsatze mit vlliger Gewiheit zu bestimmen, was ihn wahrhaftig glcklich machen werde, darum weil hiezu Unwissenheit erforderlich sein wrde. Man kann also nicht nach bestimmten Principien handeln, um glcklich zu sein, sondern nur nach empirischen Rathschlgen, z. B. der Dit, der Sparsamkeit, der Hflichkeit, der Zurckhaltung u. s. w., von welchen die Erfahrung lehrt, da sie das Wohlbefinden im Durchschnitt am meisten befrdern. Hieraus folgt, da die Imperativen der Klugheit, genau zu reden, gar nicht gebieten, d. i. Handlungen objectiv als praktisch-nothwendig darstellen, knnen, da sie eher fr Anrathungen (consilia) als Gebote (praecepta) der Vernunft zu halten sind, da die Aufgabe : sicher und allgemein zu bestimmen, welche Handlung die Glckseligkeit eines vernnftigen Wesens befrdern werde, vllig unauflslich, mithin kein Imperativ in Ansehung derselben mglich sei, der im strengen Verstande gebte, das zu thun, was glcklich macht, weil Glckseligkeit nicht ein Ideal der Vernunft, sondern der Einbildungskraft ist, was blo auf empirischen Grnden beruht, von denen man vergeblich erwartet, da sie eine Handlung bestimmen sollten, dadurch die Totalitt einer in der That unendlichen Reihe von Folgen erreicht wrde. Dieser Imperativ der Klugheit wrde indessen, wenn man annimmt, die Mittel zur Glckseligkeit lieen sich sicher angeben, ein analytisch-praktischer Satz sein ; denn er ist von dem Imperativ der Geschicklichkeit nur darin unterschieden, da bei diesem der Zweck blo mglich, bei jenem aber gegeben ist ; da beide aber blo die Mittel zu demjenigen gebieten, von dem man voraussetzt, da man es als Zweck wollte : so ist der Imperativ, der das Wollen der Mittel fr den, der den Zweck will, gebietet, in beiden Fllen analytisch. Es ist also in Ansehung der Mglichkeit eines solchen Imperativs auch keine Schwierigkeit.

Dagegen, wie der Imperativ der Sittlichkeit mglich sei, ist ohne Zweifel die einzige einer Auflsung bedrftige Frage, da er gar nicht hypothetisch ist und also die objectiv-vorgestellte Nothwendigkeit sich auf keine Voraussetzung sttzen kann, wie bei den hypothetischen Imperativen. Nur ist immer hiebei nicht aus der Acht zu lassen, da es durch kein Beispiel, mithin empirisch, auszumachen sei, ob es berall irgend einen dergleichen Imperativ gebe, sondern zu besorgen, da alle, die kategorisch scheinen, doch versteckter Weise hypothetisch sein mgen. Z. B. wenn es heit : du sollst nichts betrglich versprechen, und man nimmt an, da die Nothwendigkeit dieser Unterlassung nicht etwa bloe Rathgebung zu Vermeidung irgend eines andern bels sei, so da es etwa hiee : du sollst nicht lgenhaft versprechen, damit du nicht, wenn es offenbar wird, dich um den Credit bringest ; sondern eine Handlung dieser Art msse fr sich selbst als bse betrachtet werden, der Imperativ des Verbots sei also kategorisch : so kann man doch in keinem Beispiel mit Gewiheit darthun, da der Wille hier ohne andere Triebfeder, blo durchs Gesetz, bestimmt werde, ob es gleich so scheint ; denn es ist immer mglich, da ingeheim Furcht vor Beschmung, vielleicht auch dunkle Besorgni anderer Gefahren Einflu auf den Willen haben mge. Wer kann das Nichtsein einer Ursache durch Erfahrung beweisen, da diese nichts weiter lehrt, als da wir jene nicht wahrnehmen ? Auf solchen Fall aber wrde der sogenannte moralische Imperativ, der als ein solcher kategorisch und unbedingt erscheint, in der That nur eine pragmatische Vorschrift sein, die uns auf unsern Vortheil aufmerksam macht und uns blo lehrt, diesen in Acht zu nehmen.

Wir werden also die Mglichkeit eines kategorischen Imperativs gnzlich a priori zu untersuchen haben, da uns hier der Vortheil nicht zu statten kommt, da die Wirklichkeit desselben in der Erfahrung gegeben und also die Mglichkeit nicht zur Festsetzung, sondern blo zur Erklrung nthig wre. So viel ist indessen vorlufig einzusehen : da der kategorische Imperativ allein als ein praktisches Gesetz laute, die brigen insgesammt zwar Principien des Willens, aber nicht Gesetze heien knnen : weil, was blo zur Erreichung einer beliebigen Absicht zu thun nothwendig ist, an sich als zufllig betrachtet werden kann und wir von der Vorschrift jederzeit los sein knnen, wenn wir die Absicht aufgeben, dahingegen das unbedingte Gebot dem Willen kein Belieben in Ansehung des Gegentheils frei lt, mithin allein diejenige Nothwendigkeit bei sich fhrt, welche wir zum Gesetze verlangen.

Zweitens ist bei diesem kategorischen Imperativ oder Gesetze der Sittlichkeit der Grund der Schwierigkeit (die Mglichkeit desselben einzusehen) auch sehr gro. Er ist ein synthetisch-praktischer Satz) a priori, und da die Mglichkeit der Stze dieser Art einzusehen so viel Schwierigkeit im theoretischen Erkenntnisse hat, so lt sich leicht abnehmen, da sie im praktischen nicht weniger haben werde.

Bei dieser Aufgabe wollen wir zuerst versuchen, ob nicht vielleicht der bloe Begriff eines kategorischen Imperativs auch die Formel desselben an die Hand gebe, die den Satz enthlt, der allein ein kategorischer Imperativ sein kann ; denn wie ein solches absolutes Gebot mglich sei, wenn wir auch gleich wissen, wie es lautet, wird noch besondere und schwere Bemhung erfordern, die wir aber zum letzten Abschnitte aussetzen.

Wenn ich mir einen hypothetischen Imperativ berhaupt denke, so wei ich nicht zum voraus, was er enthalten werde : bis mir die Bedingung gegeben ist. Denke ich mir aber einen kategorischen Imperativ, so wei ich sofort, was er enthalte. Denn da der Imperativ auer dem Gesetze nur die Nothwendigkeit der Maxime enthlt, diesem Gesetze gem zu sein, das Gesetz aber keine Bedingung enthlt, auf die es eingeschrnkt war, so bleibt nichts als die Allgemeinheit eines Gesetztes berhaupt brig, welchem die Maxime der Handlung gem sein soll, und welche Gemheit allein der Imperativ eigentlich als nothwendig vorstellt.

Der kategorische Imperativ ist also nur ein einziger und zwar dieser : handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, da sie ein allgemeines Gesetz werde.

Wenn nun aus diesem einigen Imperativ alle Imperativen der Pflicht als aus ihrem Princip abgeleitet werden knnen, so werden wir, ob wir es gleich unausgemacht lassen, ob nicht berhaupt das, was man Pflicht nennt, ein leerer Begriff sei, doch wenigstens anzeigen knnen, was wir dadurch denken und was dieser Begriff sagen wolle.

Weil die Allgemeinheit des Gesetzes, wornach Wirkungen geschehen, dasjenige ausmacht, was eigentlich Natur im allgemeinsten Verstande (der Form nach), d. i. das Dasein der Dinge, heit, so fern es nach allgemeinen Gesetzen bestimmt ist, so knnte der allgemeine Imperativ der Pflicht auch so lauten : handle so, als ob die Maxime deiner Handlung durch deinen Willen zum allgemeinen Naturgesetze werden sollte.

Nun wollen wir einige Pflichten herzhlen nach der gewhnlichen Eintheilung derselben in Pflichten gegen uns selbst und gegen andere Menschen, in vollkommene und unvollkommene Pflichten.

1) Einer, der durch eine Reihe von beln, die bis zur Hoffnungslosigkeit angewachsen ist, einen berdru am Leben empfindet, ist noch so weit im Besitze seiner Vernunft, da er sich selbst fragen kann, ob es auch nicht etwa der Pflicht gegen sich selbst zuwider sei, sich das Leben zu nehmen. Nun versucht er : ob die Maxime seiner Handlung wohl ein allgemeines Naturgesetz werden knne. Seine Maxime aber ist : ich mache es mir aus Selbstliebe zum Princip, wenn das Leben bei seiner lngern Frist mehr bel droht, als es Annehmlichkeit verspricht, es mir abzukrzen. Es frgt sich nur noch, ob dieses Princip der Selbstliebe ein allgemeines Naturgesetz werden knne. Da sieht man aber bald, da eine Natur, deren Gesetz es wre, durch dieselbe Empfindung, deren Bestimmung es ist, zur Befrderung des Lebens anzutreiben, das Leben selbst zu zerstren, ihr selbst widersprechen und also nicht als Natur bestehen wrde, mithin jene Maxime unmglich als allgemeines Naturgesetz stattfinden knne und folglich dem obersten Princip aller Pflicht gnzlich widerstreite.

2) Ein anderer sieht sich durch Noth gedrungen, Geld zu borgen. Er wei wohl, da er nicht wird bezahlen knnen, sieht aber auch, da ihm nichts geliehen werden wird, wenn er nicht festiglich verspricht, es zu einer bestimmten Zeit zu bezahlen. Er hat Lust, ein solches Versprechen zu thun ; noch aber hat er so viel Gewissen, sich zu fragen : ist es nicht unerlaubt und pflichtwidrig, sich auf solche Art aus Noth zu helfen ? Gesetzt, er beschlsse es doch, so wrde seine Maxime der Handlung so lauten : wenn ich mich in Geldnoth zu sein glaube, so will ich Geld borgen und versprechen es zu bezahlen, ob ich gleich wei, es werde niemals geschehen. Nun ist dieses Princip der Selbstliebe oder der eigenen Zutrglichkeit mit meinem ganzen knftigen Wohlbefinden vielleicht wohl zu vereinigen, allein jetzt ist die Frage : ob es recht sei. Ich verwandle also die Zumuthung der Selbstliebe in ein allgemeines Gesetz und richte die Frage so ein : wie es dann stehen wrde, wenn meine Maxime ein allgemeines Gesetz wrde. Da sehe ich nun sogleich, da sie niemals als allgemeines Naturgesetz gelten und mit sich selbst zusammenstimmen knne, sondern sich nothwendig widersprechen msse. Denn die Allgemeinheit eines Gesetzes, da jeder, nachdem er in Noth zu sein glaubt, versprechen knne, was ihm einfllt, mit dem Vorsatz, es nicht zu halten, wrde das Versprechen und den Zweck, den man damit haben mag, selbst unmglich machen, indem niemand glauben wrde, da ihm was versprochen sei, sondern ber alle solche uerung als eitles Vorgeben lachen wrde.

3) Ein dritter findet in sich ein Talent, welches vermittelst einiger Cultur ihn zu einem in allerlei Absicht brauchbaren Menschen machen knnte. Er sieht sich aber in bequemen Umstnden und zieht vor, lieber dem Vergngen nachzuhngen, als sich mit Erweiterung und Verbesserung seiner glcklichen Naturanlagen zu bemhen. Noch frgt er aber : ob auer der bereinstimmung, die seine Maxime der Verwahrlosung seiner Naturgaben mit seinem Hange zur Ergtzlichkeit an sich hat, sie auch mit dem, was man Pflicht nennt, bereinstimme. Da sieht er nun, da zwar eine Natur nach einem solchen allgemeinen Gesetze immer noch bestehen knne, obgleich der Mensch (so wie die Sdsee-Einwohner) sein Talent rosten liee und sein Leben blo auf Miggang, Ergtzlichkeit, Fortpflanzung, mit einem Wort auf Genu zu verwenden bedacht wre ; allein er kann unmglich wollen, da dieses ein allgemeines Naturgesetz werde, oder als ein solches in uns durch Naturinstinct gelegt sei. Denn als ein vernnftiges Wesen will er nothwendig, da alle Vermgen in ihm entwickelt werden, weil sie ihm doch zu allerlei mglichen Absichten dienlich und gegeben sind.

Noch denkt ein vierter, dem es wohl geht, indessen er sieht, da andere mit groen Mhseligkeiten zu kmpfen haben (denen er auch wohl helfen knnte) : was gehts mich an ? mag doch ein jeder so glcklich sein, als es der Himmel will oder er sich selbst machen kann, ich werde ihm nichts entziehen, ja nicht einmal beneiden ; nur zu seinem Wohlbefinden oder seinem Beistande in der Noth habe ich nicht Lust etwas beizutragen ! Nun knnte allerdings, wenn eine solche Denkungsart ein allgemeines Naturgesetz wrde, das menschliche Geschlecht gar wohl bestehen und ohne Zweifel noch besser, als wenn jedermann von Theilnehmung und Wohlwollen schwatzt, auch sich beeifert, gelegentlich dergleichen auszuben, dagegen aber auch, wo er nur kann, betrgt, das Recht der Menschen verkauft, oder ihm sonst Abbruch thut. Aber obgleich es mglich ist, da nach jener Maxime ein allgemeines Naturgesetz wohl bestehen knnte : so ist es doch unmglich, zu wollen, da ein solches Princip als Naturgesetz allenthalben gelte. Denn ein Wille, der dieses beschlsse, wrde sich selbst widerstreiten, indem der Flle sich doch manche erugnen knnen, wo er anderer Liebe und Theilnehmung bedarf, und wo er durch ein solches aus seinem eigenen Willen entsprungenes Naturgesetz sich selbst alle Hoffnung des Beistandes, den er sich wnscht, rauben wrde.

Dieses sind nun einige von den vielen wirklichen oder wenigstens von uns dafr gehaltenen Pflichten, deren Abtheilung aus dem einigen angefhrten Princip klar in die Augen fllt. Man mu wollen knnen, da eine Maxime unserer Handlung ein allgemeines Gesetz werde : dies ist der Kanon der moralischen Beurtheilung derselben berhaupt. Einige Handlungen sind so beschaffen, da ihre Maxime ohne Widerspruch nicht einmal als allgemeines Naturgesetz gedacht werden kann ; weit gefehlt, da man noch wollen knne, es sollte ein solches werden. Bei andern ist zwar jene innere Unmglichkeit nicht anzutreffen, aber es ist doch unmglich, zu wollen, da ihre Maxime zur Allgemeinheit eines Naturgesetzes erhoben werde, weil ein solcher Wille sich selbst widersprechen wrde. Man sieht leicht : da die erstere der strengen oder engeren (unnachlalichen) Pflicht, die zweite nur der weiteren (verdienstlichen) Pflicht widerstreite, und so alle Pflichten, was die Art der Verbindlichkeit (nicht das Object ihrer Handlung) betrifft, durch diese Beispiele in ihrer Abhngigkeit von dem einigen Princip vollstndig aufgestellt worden.

Wenn wir nun auf uns selbst bei jeder bertretung einer Pflicht Acht haben, so finden wir, da wir wirklich nicht wollen, es solle unsere Maxime ein allgemeines Gesetz werden, denn das ist uns unmglich, sondern das Gegentheil derselben soll vielmehr allgemein ein Gesetz bleiben ; nur nehmen wir uns die Freiheit, fr uns oder (auch nur fr diesesmal) zum Vortheil unserer Neigung davon eine Ausnahme zu machen. Folglich wenn wir alles aus einem und demselben Gesichtspunkte, nmlich der Vernunft, erwgen, so wrden wir einen Widerspruch in unserm eigenen Willen antreffen, nmlich da ein gewisses Princip objectiv als allgemeines Gesetz nothwendig sei und doch subjectiv nicht allgemein gelten, sondern Ausnahmen verstatten sollte. Da wir aber einmal unsere Handlung aus dem Gesichtspunkte eines ganz der Vernunft gemen, dann aber auch eben dieselbe Handlung aus dem Gesichtspunkte eines durch Neigung afficirten Willens betrachten, so ist wirklich hier kein Widerspruch, wohl aber ein Widerstand der Neigung gegen die Vorschrift der Vernunft (antagonismus), wodurch die Allgemeinheit des Princips (universalitas) in eine bloe Gemeingltigkeit (generalitas) verwandelt wird, dadurch das praktische Vernunftprincip mit der Maxime auf dem halben Wege zusammenkommen soll. Ob nun dieses gleich in unserm eigenen unparteiisch angestellten Urtheile nicht gerechtfertigt werden kann, so beweiset es doch, da wir die Gltigkeit des kategorischen Imperativs wirklich anerkennen und uns (mit aller Achtung fr denselben) nur einige, wie es uns scheint, unerhebliche und uns abgedrungene Ausnahmen erlauben.

Wir haben so viel also wenigstens dargethan, da, wenn Pflicht ein Begriff ist, der Bedeutung und wirkliche Gesetzgebung fr unsere Handlungen enthalten soll, diese nur in kategorischen Imperativen, keineswegs aber in hypothetischen ausgedrckt werden knne ; imgleichen haben wir, welches schon viel ist, den Inhalt des kategorischen Imperativs, der das Princip aller Pflicht (wenn es berhaupt dergleichen gbe) enthalten mte, deutlich und zu jedem Gebrauche bestimmt dargestellt. Noch sind wir aber nicht so weit, a priori zu beweisen, da dergleichen Imperativ wirklich stattfinde, da es ein praktisches Gesetz gebe, welches schlechterdings und ohne alle Triebfedern fr sich gebietet, und da die Befolgung dieses Gesetzes Pflicht sei.

Bei der Absicht, dazu zu gelangen, ist es von der uersten Wichtigkeit, sich dieses zur Warnung dienen zu lassen, da man es sich ja nicht in den Sinn kommen lasse, die Realitt dieses Princips aus der besondern Eigenschaft der menschlichen Natur ableiten zu wollen. Denn Pflicht soll praktisch-unbedingte Nothwendigkeit der Handlung sein ; sie mu also fr alle vernnftige Wesen (auf die nur berall ein Imperativ treffen kann) gelten und allein darum auch fr allen menschlichen Willen ein Gesetz sein. Was dagegen aus der besondern Naturanlage der Menschheit, was aus gewissen Gefhlen und Hange, ja sogar wo mglich aus einer besonderen Richtung, die der menschlichen Vernunft eigen wre und nicht nothwendig fr den Willen eines jeden vernnftigen Wesens gelten mte, abgeleitet wird, das kann zwar eine Maxime fr uns, aber kein Gesetz abgeben, ein subjectiv Princip, nach welchem wir handeln zu drfen Hang und Neigung haben, aber nicht ein objectives, nach welchem wir angewiesen waren zu handeln, wenn gleich aller unser Hang, Neigung und Natureinrichtung dawider wre, sogar, da es um desto mehr die Erhabenheit und innere Wrde des Gebots in einer Pflicht beweiset, je weniger die subjectiven Ursachen dafr, je mehr sie dagegen sind, ohne doch deswegen die Nthigung durchs Gesetz nur im mindesten zu schwchen und seiner Gltigkeit etwas zu benehmen.

Hier sehen wir nun die Philosophie in der That auf einen milichen Standpunkt gestellt, der fest sein soll, unerachtet er weder im Himmel, noch auf der Erde an etwas gehngt oder woran gesttzt wird. Hier soll sie ihre Lauterkeit beweisen als Selbsthalterin ihrer Gesetze, nicht als Herold derjenigen, welche ihr ein eingepflanzter Sinn, oder wer wei welche vormundschaftliche Natur einflstert, die insgesammt, sie mgen immer besser sein als gar nichts, doch niemals Grundstze abgeben knnen, die die Vernunft dictirt, und die durchaus vllig a priori ihren Quell und hiemit zugleich ihr gebietendes Ansehen haben mssen : nichts von der Neigung des Menschen, sondern alles von der Obergewalt des Gesetzes und der schuldigen Achtung fr dasselbe zu erwarten, oder den Menschen widrigenfalls zur Selbstverachtung und innern Abscheu zu verurtheilen.

Alles also, was empirisch ist, ist als Zuthat zum Princip der Sittlichkeit nicht allein dazu ganz untauglich, sondern der Lauterkeit der Sitten selbst hchst nachtheilig, an welchen der eigentliche und ber allen Preis erhabene Werth eines schlechterdings guten Willens eben darin besteht, da das Princip der Handlung von allen Einflssen zuflliger Grnde, die nur Erfahrung an die Hand geben kann, frei sei. Wider diese Nachlssigkeit oder gar niedrige Denkungsart in Aufsuchung des Princips unter empirischen Bewegursachen und Gesetzen kann man auch nicht zu viel und zu oft Warnungen ergehen lassen, indem die menschliche Vernunft in ihrer Ermdung gern auf diesem Polster ausruht und in dem Traume ser Vorspiegelungen (die sie doch statt der Juno eine Wolke umarmen lassen) der Sittlichkeit einen aus Gliedern ganz verschiedener Abstammung zusammengeflickten Bastard unterschiebt, der allem hnlich sieht, was man daran sehen will, nur der Tugend nicht fr den, der sie einmal in ihrer wahren Gestalt erblickt hat.

Die Frage ist also diese : ist es ein nothwendiges Gesetz fr alle vernnftige Wesen, ihre Handlungen jederzeit nach solchen Maximen zu beurtheilen, von denen sie selbst wollen knnen, da sie zu allgemeinen Gesetzen dienen sollen ? Wenn es ein solches ist, so mu es (vllig a priori) schon mit dem Begriffe des Willens eines vernnftigen Wesens berhaupt verbunden sein. Um aber diese Verknpfung zu entdecken, mu man, so sehr man sich auch strubt, einen Schritt hinaus thun, nmlich zur Metaphysik, obgleich in ein Gebiet derselben, welches von dem der speculativen Philosophie unterschieden ist, nmlich in die Metaphysik der Sitten. In einer praktischen Philosophie, wo es uns nicht darum zu thun ist, Grnde anzunehmen von dem, was geschieht, sondern Gesetze von dem, was geschehen soll, ob es gleich niemals geschieht, d. i. objectiv-praktische Gesetze : da haben wir nicht nthig, ber die Grnde Untersuchung anzustellen, warum etwas gefllt oder mifllt, wie das Vergngen der bloen Empfindung vom Geschmacke, und ob dieser von einem allgemeinen Wohlgefallen der Vernunft unterschieden sei ; worauf Gefhl der Lust und Unlust beruhe, und wie hieraus Begierden und Neigungen, aus diesen aber durch Mitwirkung der Vernunft Maximen entspringen ; denn das gehrt alles zu einer empirischen Seelenlehre, welche den zweiten Theil der Naturlehre ausmachen wrde, wenn man sie als Philosophie der Natur betrachtet, so fern sie auf empirischen Gesetzen gegrndet ist. Hier aber ist vom objectiv-praktischen Gesetze die Rede, mithin von dem Verhltnisse eines Willens zu sich selbst, so fern er sich blo durch Vernunft bestimmt, da denn alles, was aufs Empirische Beziehung hat, von selbst wegfllt : weil, wenn die Vernunft fr sich allein das Verhalten bestimmt (wovon wir die Mglichkeit jetzt eben untersuchen wollen), sie dieses nothwendig a priori thun mu.

Der Wille wird als ein Vermgen gedacht, der Vorstellung gewisser Gesetze gem sich selbst zum Handeln zu bestimmen. Und ein solches Vermgen kann nur in vernnftigen Wesen anzutreffen sein. Nun ist das, was dem Willen zum objectiven Grunde seiner Selbstbestimmung dient, der Zweck, und dieser, wenn er durch bloe Vernunft gegeben wird, mu fr alle vernnftige Wesen gleich gelten. Was dagegen blo den Grund der Mglichkeit der Handlung enthlt, deren Wirkung Zweck ist, heit das Mittel. Der subjective Grund des Begehrens ist die Triebfeder, der objective des Wollens der Bewegungsgrund ; daher der Unterschied zwischen subjectiven Zwecken, die auf Triebfedern beruhen, und objectiven, die auf Bewegungsgrnde ankommen, welche fr jedes vernnftige Wesen gelten. Praktische Principien sind formal, wenn sie von allen subjectiven Zwecken abstrahiren ; sie sind aber material, wenn sie diese, mithin gewisse Triebfedern zum Grunde legen. Die Zwecke, die sich ein vernnftiges Wesen als Wirkungen seiner Handlung nach Belieben vorsetzt, (materiale Zwecke) sind insgesammt nur relativ ; denn nur blo ihr Verhltni auf ein besonders geartetes Begehrungsvermgen des Subjects giebt ihnen den Werth, der daher keine allgemeine fr alle vernnftige Wesen und auch nicht fr jedes Wollen gltige und nothwendige Principien, d. i. praktische Gesetze, an die Hand geben kann. Daher sind alle diese relative Zwecke nur der Grund von hypothetischen Imperativen.

Gesetzt aber, es gbe etwas, dessen Dasein an sich selbst einen absoluten Werth hat, was als Zweck an sich selbst ein Grund bestimmter Gesetze sein knnte, so wrde in ihm und nur in ihm allein der Grund eines mglichen kategorischen Imperativs, d. i. praktischen Gesetzes, liegen.

Nun sage ich : der Mensch und berhaupt jedes vernnftige Wesen existirt als Zweck an sich selbst, nicht blo als Mittel zum beliebigen Gebrauche fr diesen oder jenen Willen, sondern mu in allen seinen sowohl auf sich selbst, als auch auf andere vernnftige Wesen gerichteten Handlungen jederzeit zugleich als Zweck betrachtet werden. Alle Gegenstnde der Neigungen haben nur einen bedingten Werth ; denn wenn die Neigungen und darauf gegrndete Bedrfnisse nicht wren, so wrde ihr Gegenstand ohne Werth sein. Die Neigungen selber als Quellen des Bedrfnisses haben so wenig einen absoluthen Werth, um sie selbst zu wnschen, da vielmehr, gnzlich davon frei zu sein, der allgemeine Wunsch eines jeden vernnftigen Wesens sein mu. Also ist der Werth aller durch unsere Handlung zu erwerbenden Gegenstnde jederzeit bedingt. Die Wesen, deren Dasein zwar nicht auf unserm Willen, sondern der Natur beruht, haben dennoch, wenn sie vernunftlose Wesen sind, nur einen relativen Werth, als Mittel, und heien daher Sachen, dagegen vernnftige Wesen Personen genannt werden, weil ihre Natur sie schon als Zwecke an sich selbst, d. i. als etwas, das nicht blo als Mittel gebraucht werden darf, auszeichnet, mithin so fern alle Willkr einschrnkt (und ein Gegenstand der Achtung ist). Dies sind also nicht blo subjective Zwecke, deren Existenz als Wirkung unserer Handlung fr uns einen Werth hat ; sondern objective Zwecke, d. i. Dinge, deren Dasein an sich selbst Zweck ist und zwar ein solcher, an dessen Statt kein anderer Zweck gesetzt werden kann, dem sie blo als Mittel zu Diensten stehen sollten, weil ohne dieses berall gar nichts von absolutem Werthe wrde angetroffen werden ; wenn aber aller Werth bedingt, mithin zufllig wre, so knnte fr die Vernunft berall kein oberstes praktisches Princip angetroffen werden.

Wenn es denn also ein oberstes praktisches Princip und in Ansehung des menschlichen Willens einen kategorischen Imperativ geben soll, so mu es ein solches sein, das aus der Vorstellung dessen, was nothwendig fr jedermann Zweck ist, weil es Zweck an sich selbst ist, ein objectives Princip des Willens ausmacht, mithin zum allgemeinen praktischen Gesetz dienen kann. Der Grund dieses Princips ist : die vernnftige Natur existirt als Zweck an sich selbst. So stellt sich nothwendig der Mensch sein eigenes Dasein vor ; so fern ist es also ein subjectives Princip menschlicher Handlungen. So stellt sich aber auch jedes andere vernnftige Wesen sein Dasein zufolge eben desselben Vernunftgrundes, der auch fr mich gilt, vor ; also ist es zugleich ein objectives Princip, woraus als einem obersten praktischen Grunde alle Gesetze des Willens mssen abgeleitet werden knnen. Der praktische Imperativ wird also folgender sein : Handle so, da du die Menschheit sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden andern jederzeit zugleich als Zweck, niemals blo als Mittel brauchst. Wir wollen sehen, ob sich dieses bewerkstelligen lasse.

Um bei den vorigen Beispielen zu bleiben, so wird Erstlich nach dem Begriffe der nothwendigen Pflicht gegen sich selbst derjenige, der mit Selbstmorde umgeht, sich fragen, ob seine Handlung mit der Idee der Menschheit als Zwecks an sich selbst zusammen bestehen knne. Wenn er, um einem beschwerlichen Zustande zu entfliehen, sich selbst zerstrt, so bedient er sich einer Person blo als eines Mittels zu Erhaltung eines ertrglichen Zustandes bis zu Ende des Lebens. Der Mensch aber ist keine Sache, mithin nicht etwas, das blo als Mittel gebraucht werden kann, sondern mu bei allen seinen Handlungen jederzeit als Zweck an sich selbst betrachtet werden. Also kann ich ber den Menschen in meiner Person nichts disponiren, ihn zu verstmmeln, zu verderben, oder zu tdten. (Die nhere Bestimmung dieses Grundsatzes zur Vermeidung alles Miverstandes, z. B. der Amputation der Glieder, um mich zu erhalten, der Gefahr, der ich mein Leben aussetze, um mein Leben zu erhalten etc., mu ich hier vorbeigehen ; sie gehrt zur eigentlichen Moral.)

Zweitens, was die nothwendige oder schuldige Pflicht gegen andere betrifft, so wird der, so ein lgenhaftes Versprechen gegen andere zu thun im Sinne hat, sofort einsehen, da er sich eines andern Menschen blo als Mittels bedienen will, ohne da dieser zugleich den Zweck in sich enthalte. Denn der, den ich durch ein solches Versprechen zu meinen Absichten brauchen will, kann unmglich in meine Art, gegen ihn zu verfahren, einstimmen und also selbst den Zweck dieser Handlung enthalten. Deutlicher fllt dieser Widerstreit gegen das Princip anderer Menschen in die Augen, wenn man Beispiele von Angriffe auf Freiheit und Eigenthum anderer herbeizieht. Denn da leuchtet klar ein, da der bertreter der Rechte der Menschen, sich der Person anderer blo als Mittel zu bedienen, gesonnen sei, ohne in Betracht zu ziehen, da sie als vernnftige Wesen jederzeit zugleich als Zwecke, d. i. nur als solche, die von eben derselben Handlung auch in sich den Zweck mssen enthalten knnen, geschtzt werden sollen.

Drittens, in Ansehung der zuflligen (verdienstlichen) Pflicht gegen sich selbst ists nicht genug, da die Handlung nicht der Menschheit in unserer Person als Zweck an sich selbst widerstreite, sie mu auch dazu zusammenstimmen. Nun sind in der Menschheit Anlagen zu grerer Vollkommenheit, die zum Zwecke der Natur in Ansehung der Menschheit in unserem Subject gehren ; diese zu vernachlssigen, wrde allenfalls wohl mit der Erhaltung der Menschheit als Zwecks an sich selbst, aber nicht der Befrderung dieses Zwecks bestehen knnen.

Viertens, in Betreff der verdienstlichen Pflicht gegen andere ist der Naturzweck, den alle Menschen haben, ihre eigene Glckseligkeit. Nun wrde zwar die Menschheit bestehen knnen, wenn niemand zu des andern Glckseligkeit was beitrge, dabei aber ihr nichts vorsetzlich entzge ; allein es ist dieses doch nur eine negative und nicht positive bereinstimmung zur Menschheit als Zweck an sich selbst, wenn jedermann auch nicht die Zwecke anderer, so viel an ihm ist, zu befrdern trachtete. Denn das Subject, welches Zweck an sich selbst ist, dessen Zwecke mssen, wenn jene Vorstellung bei mir alle Wirkung thun soll, auch, so viel mglich, meine Zwecke sein.

Dieses Princip der Menschheit und jeder vernnftigen Natur berhaupt, als Zwecks an sich selbst, (welche die oberste einschrnkende Bedingung der Freiheit der Handlungen eines jeden Menschen ist) ist nicht aus der Erfahrung entlehnt : erstlich wegen seiner Allgemeinheit, da es auf alle vernnftige Wesen berhaupt geht, worber etwas zu bestimmen keine Erfahrung zureicht ; zweitens weil darin die Menschheit nicht als Zweck der Menschen (subjectiv), d. i. als Gegenstand, den man sich von selbst wirklich zum Zwecke macht, sondern als objectiver Zweck, der, wir mgen Zwecke haben, welche wir wollen, als Gesetz die oberste einschrnkende Bedingung aller subjectiven Zwecke ausmachen soll, vorgestellt wird, mithin es aus reiner Vernunft entspringen mu. Es liegt nmlich der Grund aller praktischen Gesetzgebung objectiv in der Regel und der Form der Allgemeinheit, die sie ein Gesetz (allenfalls Naturgesetz) zu sein fhig macht (nach dem ersten Princip), subjectiv aber im Zwecke ; das Subject aller Zwecke aber ist jedes vernnftige Wesen, als Zweck an sich selbst (nach dem zweiten Princip) : hieraus folgt nun das dritte praktische Princip des Willens, als oberste Bedingung der Zusammenstimmung desselben mit der allgemeinen praktischen Vernunft, die Idee des Willens jedes vernnftigen Wesens als eines allgemein gesetzgebenden Willens.

Alle Maximen werden nach diesem Princip verworfen, die mit der eigenen allgemeinen Gesetzgebung des Willens nicht zusammen bestehen knnen. Der Wille wird also nicht lediglich dem Gesetze unterworfen, sondern so unterworfen, da er auch als selbstgesetzgebend und eben um deswillen allererst dem Gesetze (davon er selbst sich als Urheber betrachten kann) unterworfen angesehen werden mu.

Die Imperativen nach der vorigen Vorstellungsart, nmlich der allgemein einer Naturordnung hnlichen Gesetzmigkeit der Handlungen, oder des allgemeinen Zwecksvorzuges vernnftiger Wesen an sich selbst, schlossen zwar von ihrem gebietenden Ansehen alle Beimischung irgend eines Interesse als Triebfeder aus, eben dadurch da sie als kategorisch vorgestellt wurden ; sie wurden aber nur als kategorisch angenommen, weil man dergleichen annehmen mute, wenn man den Begriff von Pflicht erklren wollte. Da es aber praktische Stze gbe, die kategorisch gebten, knnte fr sich nicht bewiesen werden, so wenig wie es berhaupt in diesem Abschnitte auch hier noch nicht geschehen kann ; allein eines htte doch geschehen knnen, nmlich : da die Lossagung von allem Interesse beim Wollen aus Pflicht, als das specifische Unterscheidungszeichen des kategorischen vom hypothetischen Imperativ, in dem Imperativ selbst durch irgend eine Bestimmung, die er enthielte, mit angedeutet wrde, und dieses geschieht in gegenwrtiger dritten Formel des Princips, nmlich der Idee des Willens eines jeden vernnftigen Wesens als eines allgemein gesetzgebenden Willens.

Denn wenn wir einen solchen denken, so kann, obgleich ein Wille, der unter Gesetzen steht, noch vermittelst eines Interesse an dieses Gesetz gebunden sein mag, dennoch ein Wille, der selbst zu oberst gesetzgebend ist, unmglich so fern von irgend einem Interesse abhngen ; denn ein solcher abhngender Wille wrde selbst noch eines andern Gesetzes bedrfen, welches das Interesse seiner Selbstliebe auf die Bedingung einer Gltigkeit zum allgemeinen Gesetz einschrnkte.

Also wrde das Princip eines jeden menschlichen Willens, als eines durch alle seine Maximen allgemein gesetzgebenden Willens, wenn es sonst mit ihm nur seine Richtigkeit htte, sich zum kategorischen Imperativ darin gar wohl schicken, da es eben um der Idee der allgemeinen Gesetzgebung willen sich auf kein Interesse grndet und also unter allen mglichen Imperativen allein unbedingt sein kann ; oder noch besser, indem wir den Satz umkehren : wenn es einen kategorischen Imperativ giebt (d. i. ein Gesetz fr jeden Willen eines vernnftigen Wesens), so kann er nur gebieten, alles aus der Maxime seines Willens als eines solchen zu thun, der zugleich sich selbst als allgemein gesetzgebend zum Gegenstande haben knnte ; denn alsdann nur ist das praktische Princip und der Imperativ, dem er gehorcht, unbedingt, weil er gar kein Interesse zum Grunde haben kann.

Es ist nun kein Wunder, wenn wir auf alle bisherige Bemhungen, die jemals unternommen worden, um das Princip der Sittlichkeit ausfindig zu machen, zurcksehen, warum sie insgesammt haben fehlschlagen mssen. Man sah den Menschen durch seine Pflicht an Gesetze gebunden, man lie es sich aber nicht einfallen, da er nur seiner eigenen und dennoch allgemeinen Gesetzgebung unterworfen sei, und da er nur verbunden sei, seinem eigenen, dem Naturzwecke nach aber allgemein gesetzgebenden Willen gem zu handeln. Denn wenn man sich ihn nur als einem Gesetz (welches es auch sei) unterworfen dachte : so mute dieses irgend ein Interesse als Reiz oder Zwang bei sich fhren, weil es nicht als Gesetz aus seinem Willen entsprang, sondern dieser gesetzmig von etwas anderm genthigt wurde, auf gewisse Weise zu handeln. Durch diese ganz nothwendige Folgerung aber war alle Arbeit, einen obersten Grund der Pflicht zu finden, unwiederbringlich verloren. Denn man bekam niemals Pflicht, sondern Nothwendigkeit der Handlung aus einem gewissen Interesse heraus. Dieses mochte nun ein eigenes oder fremdes Interesse sein. Aber alsdann mute der Imperativ jederzeit bedingt ausfallen und konnte zum moralischen Gebote gar nicht taugen. Ich will also diesen Grundsatz das Princip der Autonomie des Willens im Gegensatz mit jedem andern, das ich deshalb zur Heteronomie zhle, nennen.

Der Begriff eines jeden vernnftigen Wesens, das sich durch alle Maximen seines Willens als allgemein gesetzgebend betrachten mu, um aus diesem Gesichtspunkte sich selbst und seine Handlungen zu beurtheilen, fhrt auf einen ihm anhngenden sehr fruchtbaren Begriff, nmlich den eines Reichs der Zwecke.

Ich verstehe aber unter einem Reiche die systematische Verbindung verschiedener vernnftiger Wesen durch gemeinschaftliche Gesetze. Weil nun Gesetze die Zwecke ihrer allgemeinen Gltigkeit nach bestimmen, so wird, wenn man von dem persnlichen Unterschiede vernnftiger Wesen, imgleichen allem Inhalte ihrer Privatzwecke abstrahirt, ein Ganzes aller Zwecke (sowohl der vernnftigen Wesen als Zwecke an sich, als auch der eigenen Zwecke, die ein jedes sich selbst setzen mag) in systematischer Verknpfung, d. i. ein Reich der Zwecke, gedacht werden knnen, welches nach obigen Principien mglich ist.

Denn vernnftige Wesen stehen alle unter dem Gesetz, da jedes derselben sich selbst und alle andere niemals blo als Mittel, sondern jederzeit zugleich als Zweck an sich selbst behandeln solle. Hiedurch aber entspringt eine systematische Verbindung vernnftiger Wesen durch gemeinschaftliche objective Gesetze, d. i. ein Reich, welches, weil diese Gesetze eben die Beziehung dieser Wesen auf einander als Zwecke und Mittel zur Absicht haben, ein Reich der Zwecke (freilich nur ein Ideal) heien kann.

Es gehrt aber ein vernnftiges Wesen als Glied zum Reiche der Zwecke, wenn es darin zwar allgemein gesetzgebend, aber auch diesen Gesetzen selbst unterworfen ist. Es gehrt dazu als Oberhaupt, wenn es als gesetzgebend keinem Willen eines andern unterworfen ist.

Das vernnftige Wesen mu sich jederzeit als gesetzgebend in einem durch Freiheit des Willens mglichen Reiche der Zwecke betrachten, es mag nun sein als Glied, oder als Oberhaupt. Den Platz des letztern kann es aber nicht blo durch die Maxime seines Willens, sondern nur alsdann, wenn es ein vllig unabhngiges Wesen ohne Bedrfni und Einschrnkung seines dem Willen adquaten Vermgens ist, behaupten.

Moralitt besteht also in der Beziehung aller Handlung auf die Gesetzgebung, dadurch allein ein Reich der Zwecke mglich ist. Diese Gesetzgebung mu aber in jedem vernnftigen Wesen selbst angetroffen werden und aus seinem Willen entspringen knnen, dessen Princip also ist : keine Handlung nach einer andern Maxime zu thun, als so, da es auch mit ihr bestehen knne, da sie ein allgemeines Gesetz sei, und also nur so, da der Wille durch seine Maxime sich selbst zugleich als allgemein gesetzgebend betrachten knne. Sind nun die Maximen mit diesem objectiven Princip der vernnftigen Wesen, als allgemein gesetzgebend, nicht durch ihre Natur schon nothwendig einstimmig, so heit die Nothwendigkeit der Handlung nach jenem Princip praktische Nthigung, d. i. Pflicht. Pflicht kommt nicht dem Oberhaupte im Reiche der Zwecke, wohl aber jedem Gliede und zwar allen in gleichem Mae zu.

Die praktische Nothwendigkeit nach diesem Princip zu handeln, d. i. die Pflicht, beruht gar nicht auf Gefhlen, Antrieben und Neigungen, sondern blo auf dem Verhltnisse vernnftiger Wesen zu einander, in welchem der Wille eines vernnftigen Wesens jederzeit zugleich als gesetzgebend betrachtet werden mu, weil es sie sonst nicht als Zweck an sich selbst denken knnte. Die Vernunft bezieht also jede Maxime des Willens als allgemein gesetzgebend auf jeden anderen Willen und auch auf jede Handlung gegen sich selbst und dies zwar nicht um irgend eines andern praktischen Bewegungsgrundes oder knftigen Vortheils willen, sondern aus der Idee der Wrde eines vernnftigen Wesens, das keinem Gesetze gehorcht als dem, das es zugleich selbst giebt.

Im Reiche der Zwecke hat alles entweder einen Preis, oder eine Wrde. Was einen Preis hat, an dessen Stelle kann auch etwas anderes als quivalent gesetzt werden ; was dagegen ber allen Preis erhaben ist, mithin kein quivalent verstattet, das hat eine Wrde.

Was sich auf die allgemeinen menschlichen Neigungen und Bedrfnisse bezieht, hat einen Marktpreis ; das, was, auch ohne ein Bedrfni vorauszusetzen, einem gewissen Geschmacke, d. i. einem Wohlgefallen am bloen zwecklosen Spiel unserer Gemthskrfte, gem ist, einen Affectionspreis ; das aber, was die Bedingung ausmacht, unter der allein etwas Zweck an sich selbst sein kann, hat nicht blo einen relativen Werth, d. i. einen Preis, sondern einen innern Werth, d. i. Wrde.

Nun ist Moralitt die Bedingung, unter der allein ein vernnftiges Wesen Zweck an sich selbst sein kann, weil nur durch sie es mglich ist, ein gesetzgebend Glied im Reiche der Zwecke zu sein. Also ist Sittlichkeit und die Menschheit, so fern sie derselben fhig ist, dasjenige, was allein Wrde hat. Geschicklichkeit und Flei im Arbeiten haben einen Marktpreis ; Witz, lebhafte Einbildungskraft und Launen einen Affectionspreis ; dagegen Treue im Versprechen, Wohlwollen aus Grundstzen (nicht aus Instinct) haben einen innern Werth. Die Natur sowohl als Kunst enthalten nichts, was sie in Ermangelung derselben an ihre Stelle setzen knnten ; denn ihr Werth besteht nicht in den Wirkungen, die daraus entspringen, im Vortheil und Nutzen, den sie schaffen, sondern in den Gesinnungen, d. i. den Maximen des Willens, die sich auf diese Art in Handlungen zu offenbaren bereit sind, obgleich auch der Erfolg sie nicht begnstigte. Diese Handlungen bedrfen auch keiner Empfehlung von irgend einer subjectiven Disposition oder Geschmack, sie mit unmittelbarer Gunst und Wohlgefallen anzusehen, keines unmittelbaren Hanges oder Gefhles fr dieselbe : sie stellen den Willen, der sie ausbt, als Gegenstand einer unmittelbaren Achtung dar, dazu nichts als Vernunft gefordert wird, um sie dem Willen aufzuerlegen, nicht von ihm zu erschmeicheln, welches letztere bei Pflichten ohnedem ein Widerspruch wre. Diese Schtzung giebt also den Werth einer solchen Denkungsart als Wrde zu erkennen und setzt sie ber allen Preis unendlich weg, mit dem sie gar nicht in Anschlag und Vergleichung gebracht werden kann, ohne sich gleichsam an der Heiligkeit derselben zu vergreifen.

Und was ist es denn nun, was die sittlich gute Gesinnung oder die Tugend berechtigt, so hohe Ansprche zu machen ? Es ist nichts Geringeres als der Antheil, den sie dem vernnftigen Wesen an der allgemeinen Gesetzgebung verschafft und es hiedurch zum Gliede in einem mglichen Reiche der Zwecke tauglich macht, wozu es durch seine eigene Natur schon bestimmt war, als Zweck an sich selbst und eben darum als gesetzgebend im Reiche der Zwecke, in Ansehung aller Naturgesetze als frei, nur denjenigen allein gehorchend, die es selbst giebt und nach welchen seine Maximen zu einer allgemeinen Gesetzgebung (der es sich zugleich selbst unterwirft) gehren knnen. Denn es hat nichts einen Werth als den, welchen ihm das Gesetz bestimmt. Die Gesetzgebung selbst aber, die allen Werth bestimmt, mu eben darum eine Wrde, d. i. unbedingten, unvergleichbaren Werth, haben, fr welchen das Wort Achtung allein den geziemenden Ausdruck der Schtzung abgiebt, die ein vernnftiges Wesen ber sie anzustellen hat. Autonomie ist also der Grund der Wrde der menschlichen und jeder vernnftigen Natur.

Die angefhrten drei Arten, das Princip der Sittlichkeit vorzustellen, sind aber im Grunde nur so viele Formeln eben desselben Gesetzes, deren die eine die anderen zwei von selbst in sich vereinigt. Indessen ist doch eine Verschiedenheit in ihnen, die zwar eher subjectiv als objectiv-praktisch ist, nmlich um eine Idee der Vernunft der Anschauung (nach einer gewissen Analogie) und dadurch dem Gefhle nher zu bringen. Alle Maximen haben nmlich

1) eine Form, welche in der Allgemeinheit besteht, und da ist die Formel des sittlichen Imperativs so ausgedrckt : da die Maximen so mssen gewhlt werden, als ob sie wie allgemeine Naturgesetze gelten sollten ;

2) eine Materie, nmlich einen Zweck, und da sagt die Formel, da das vernnftige Wesen als Zweck seiner Natur nach, mithin als Zweck an sich selbst jeder Maxime zur einschrnkenden Bedingung aller blo relativen und willkrlichen Zwecke dienen msse ;

3) eine vollstndige Bestimmung aller Maximen durch jene Formel, nmlich : da alle Maximen aus eigener Gesetzgebung zu einem mglichen Reiche der Zwecke, als einem Reiche der Natur, zusammenstimmen sollen. Der Fortgang geschieht hier wie durch die Kategorien der Einheit der Form des Willens (der Allgemeinheit desselben), der Vielheit der Materie (der Objecte, d. i. der Zwecke) und der Allheit oder Totalitt des Systems derselben. Man thut aber besser, wenn man in der sittlichen Beurtheilung immer nach der strengen Methode verfhrt und die allgemeine Formel des kategorischen Imperativs zum Grunde legt : handle nach der Maxime, die sich selbst zugleich zum allgemeinen Gesetze machen kann. Will man aber dem sittlichen Gesetze zugleich Eingang verschaffen : so ist sehr ntzlich, ein und eben dieselbe Handlung durch benannte drei Begriffe zu fhren und sie dadurch, so viel sich thun lt, der Anschauung zu nhern.

Wir knnen nunmehr da endigen, von wo wir im Anfange ausgingen, nmlich dem Begriffe eines unbedingt guten Willens. Der Wille ist schlechterdings gut, der nicht bse sein, mithin dessen Maxime, wenn sie zu einem allgemeinen Gesetze gemacht wird, sich selbst niemals widerstreiten kann. Dieses Princip ist also auch sein oberstes Gesetz : handle jederzeit nach derjenigen Maxime, deren Allgemeinheit als Gesetzes du zugleich wollen kannst ; dieses ist die einzige Bedingung, unter der ein Wille niemals mit sich selbst im Widerstreite sein kann, und ein solcher Imperativ ist kategorisch. Weil die Gltigkeit des Willens als eines allgemeinen Gesetzes fr mgliche Handlungen mit der allgemeinen Verknpfung des Daseins der Dinge nach allgemeinen Gesetzen, die das Formale der Natur berhaupt ist, Analogie hat, so kann der kategorische Imperativ auch so ausgedrckt werden : Handle nach Maximen, die sich selbst zugleich als allgemeine Naturgesetze zum Gegenstande haben knnen. So ist also die Formel eines schlechterdings guten Willens beschaffen.

Die vernnftige Natur nimmt sich dadurch vor den brigen aus, da sie ihr selbst einen Zweck setzt. Dieser wrde die Materie eines jeden guten Willens sein. Da aber in der Idee eines ohne einschrnkende Bedingung (der Erreichung dieses oder jenes Zwecks) schlechterdings guten Willens durchaus von allem zu bewirkenden Zwecke abstrahirt werden mu (als der jeden Willen nur relativ gut machen wrde), so wird der Zweck hier nicht als ein zu bewirkender, sondern selbstndiger Zweck, mithin nur negativ gedacht werden mssen, d. i. dem niemals zuwider gehandelt, der also niemals blo als Mittel, sondern jederzeit zugleich als Zweck in jedem Wollen geschtzt werden mu. Dieser kann nun nichts anders als das Subject aller mglichen Zwecke selbst sein, weil dieses zugleich das Subject eines mglichen schlechterdings guten Willens ist ; denn dieser kann ohne Widerspruch keinem andern Gegenstande nachgesetzt werden. Das Princip : handle in Beziehung auf ein jedes vernnftige Wesen (auf dich selbst und andere) so, da es in deiner Maxime zugleich als Zweck an sich selbst gelte, ist demnach mit dem Grundsatze : handle nach einer Maxime, die ihre eigene allgemeine Gltigkeit fr jedes vernnftige Wesen zugleich in sich enthlt, im Grunde einerlei. Denn da ich meine Maxime im Gebrauche der Mittel zu jedem Zwecke auf die Bedingung ihre Allgemeingltigkeit als eines Gesetzes fr jedes Subject einschrnken soll, sagt eben so viel, als : das Subject der Zwecke, d. i. das vernnftige Wesen selbst, mu niemals blo als Mittel, sondern als oberste einschrnkende Bedingung im Gebrauche aller Mittel, d. i. jederzeit zugleich als Zweck, allen Maximen der Handlungen zum Grunde gelegt werden.

Nun folgt hieraus unstreitig : da jedes vernnftige Wesen als Zweck an sich selbst sich in Ansehung aller Gesetze, denen es nur immer unterworfen sein mag, zugleich als allgemein gesetzgebend msse ansehen knnen, weil eben diese Schicklichkeit seiner Maximen zur allgemeinen Gesetzgebung es als Zweck an sich selbst auszeicnet, imgleichen da dieses seine Wrde (Prrogativ) vor allen bloen Naturwesen es mit sich bringe, seine Maximen jederzeit aus dem Gesichtspunkte seiner selbst, zugleich aber auch jedes andern vernnftigen als gesetzgebenden Wesens (die darum auch Personen heien) nehmen zu mssen. Nun ist auf solche Weise eine Welt vernnftiger Wesen (mundus intelligibilis) als ein Reich der Zwecke mglich und zwar durch die eigene Gesetzgebung aller Personen als Glieder. Demnach mu ein jedes vernnftige Wesen so handeln, als ob es durch seine Maximen jederzeit ein gesetzgebendes Glied im allgemeinen Reiche der Zwecke wre. Das formale Princip dieser Maximen ist : handle so, als ob deine Maxime zugleich zum allgemeinen Gesetze (aller vernnftigen Wesen) dienen sollte. Ein Reich der Zwecke ist also nur mglich nach der Analogie mit einem Reiche der Natur, jenes aber nur nach Maximen, d. i. sich selbst auferlegten Regeln, diese nur nach Gesetzen uerlich genthigter wirkenden Ursachen. Dem unerachtet giebt man doch auch dem Naturganzen, ob es schon als Maschine angesehen wird, dennoch, so fern es auf vernnftige Wesen als seine Zwecke Beziehung hat, aus diesem Grunde den Namen eines Reichs der Natur. Ein solches Reich der Zwecke wrde nun durch Maximen, deren Regel der kategorische Imperativ allen vernnftigen Wesen vorschreibt, wirklich zu Stande kommen, wenn sie allgemein befolgt wrden. Allein obgleich das vernnftige Wesen darauf nicht rechnen kann, da, wenn es auch gleich diese Maxime selbst pnktlich befolgte, darum jedes andere eben derselben treu sein wrde, imgleichen da das Reich der Natur und die zweckmige Anordnung desselben mit ihm, als einem schicklichen Gliede, zu einem durch es selbst mglichen Reiche der Zwecke zusammenstimmen, d. i. seine Erwartung der Glckseligkeit begnstigen werde, so bleibt doch jenes Gesetz : handle nach Maximen eines allgemein gesetzgebenden Gliedes zu einem blo mglichen Reiche der Zwecke, in seiner vollen Kraft, weil es kategorisch gebietend ist. Und hierin liegt eben das Paradoxon : da blo die Wrde der Menschheit als vernnftiger Natur ohne irgend einen andern dadurch zu erreichenden Zweck oder Vortheil, mithin die Achtung fr eine bloe Idee dennoch zur unnachlalichen Vorschrift des Willens dienen sollte, und da gerade in dieser Unabhngigkeit der Maxime von allen solchen Triebfedern die Erhabenheit derselben bestehe und die Wrdigkeit eines jeden vernnftigen Subjects, ein gesetzgebendes Glied im Reiche der Zwecke zu sein ; denn sonst wrde es nur als dem Naturgesetze seines Bedrfnisses unterworfen vorgestellt werden mssen. Obgleich auch das Naturreich sowohl, als das Reich der Zwecke als unter einem Oberhaupte vereinigt gedacht wrde, und dadurch das letztere nicht mehr bloe Idee bliebe, sondern wahre Realitt erhielte, so wrde hiedurch zwar jener der Zuwachs einer starken Triebfeder, niemals aber Vermehrung ihres innern Werths zu statten kommen ; denn diesem ungeachtet mte doch selbst dieser alleinige unumschrnkte Gesetzgeber immer so vorgestellt werden, wie er den Werth der vernnftigen Wesen nur nach ihrem uneigenntzigen, blo aus jener Idee ihnen selbst vorgeschriebenen Verhalten beurtheilte. Das Wesen der Dinge ndert sich durch ihre uere Verhltnisse nicht, und was, ohne an das letztere zu denken, den absoluten Werth des Menschen allein ausmacht, darnach mu er auch, von wem es auch sei, selbst vom hchsten Wesen beurtheilt werden. Moralitt ist also das Verhltni der Handlungen zur Autonomie des Willens, das ist zur mglichen allgemeinen Gesetzgebung durch die Maximen desselben. Die Handlung, die mit der Autonomie des Willens zusammen bestehen kann, ist erlaubt ; die nicht damit stimmt, ist unerlaubt. Der Wille, dessen Maximen nothwendig mit den Gesetzen der Autonomie zusammenstimmen, ist ein heiliger, schlechterdings guter Wille. Die Abhngigkeit eines nicht schlechterdings guten Willens vom Princip der Autonomie (die moralische Nthigung) ist Verbindlichkeit. Diese kann also auf ein heiliges Wesen nicht gezogen werden. Die objective Nothwendigkeit einer Handlung aus Verbindlichkeit heit Pflicht.

Man kann aus dem kurz vorhergehenden sich es jetz leicht erklren, wie es zugehe : da, ob wir gleich unter dem Begriffe von Pflicht uns eine Unterwrfigkeit unter dem Gesetze denken, wir uns dadurch doch zugleich eine gewisse Erhabenheit und Wrde an derjenigen Person vorstellen, die alle ihre Pflichten erfllt. Denn so fern ist zwar keine Erhabenheit an ihr, als sie dem moralischen Gesetze unterworfen ist, wohl aber so fern sie in Ansehung eben desselben zugleich gesetzgebend und nur darum ihm untergeordnet ist. Auch haben wir oben gezeigt, wie weder Furcht, noch Neigung, sondern lediglich Achtung frs Gesetz diejenige Triebfeder sei, die der Handlung einen moralischen Werth geben kann. Unser eigener Wille, so fern er nur unter der Bedingung einer durch seine Maximen mglichen allgemeinen Gesetzgebung handeln wrde, dieser uns mgliche Wille in der Idee ist der eigentliche Gegenstand der Achtung, und die Wrde der Menschheit besteht eben in dieser Fhigkeit, allgemein gesetzgebend, obgleich mit dem Beding, eben dieser Gesetzgebung zugleich selbst unterworfen zu sein.

 

 

Die Autonomie des Willens als oberstes Princip der Sittlichkeit

 

Autonomie des Willens ist die Beschaffenheit des Willens, dadurch derselbe ihm selbst (unabhngig von aller Beschaffenheit der Gegenstnde des Wollens) ein Gesetz ist. Das Princip der Autonomie ist also : nicht anders zu whlen als so, da die Maximen seiner Wahl in demselben Wollen zugleich als allgemeines Gesetz mit begriffen seien. Da diese praktische Regel ein Imperativ sei, d. i. der Wille jedes vernnftigen Wesens an sie als Bedingung nothwendig gebunden sei, kann durch bloe Zergliederung der in ihm vorkommenden Begriffe nicht bewiesen werden, weil es ein synthetischer Satz ist ; man mte ber die Erkenntni der Objecte und zu einer Kritik des Subjects, d. i. der reinen praktischen Vernunft, hinausgehen, denn vllig a priori mu dieser synthetische Satz, der apodiktisch gebietet, erkannt werden knnen, dieses Geschft aber gehrt nicht in gegenwrtigen Abschnitt. Allein da gedachtes Princip der Autonomie das alleinige Princip der Moral sei, lt sich durch bloe Zergliederung der Begriffe der Sittlichkeit gar wohl darthun. Denn dadurch findet sich, da ihr Princip ein kategorischer Imperativ sein msse, dieser aber nichts mehr oder weniger als gerade diese Autonomie gebiete.

 

 

Die Heteronomie des Willens als der Quell aller unchten Principien der Sittlichkeit

 

Wenn der Wille irgend worin anders, als in der Tauglichkeit seiner Maximen zu seiner eigenen allgemeinen Gesetzgebung, mithin, wenn er, indem er ber sich selbst hinausgeht, in der Beschaffenheit irgend eines seiner Objecte das Gesetz sucht, das ihn bestimmen soll, so kommt jederzeit Heteronomie heraus. Der Wille giebt alsdann sich nicht selbst, sondern das Object durch sein Verhltni zum Willen giebt diesem das Gesetz. Dies Verhltni, es beruhe nun auf der Neigung, oder auf Vorstellungen der Vernunft, lt nur hypothetische Imperativen mglich werden : ich soll etwas thun darum, weil ich etwas anderes will. Dagegen sagt der moralische, mithin kategorische Imperativ : ich soll so oder so handeln, ob ich gleich nichts anderes wollte. Z. E. jener sagt : ich soll nicht lgen, wenn ich bei Ehren bleiben will ; dieser aber : ich soll nicht lgen, ob es mir gleich nicht die mindeste Schande zuzge. Der letztere mu also von allem Gegenstande so fern abstrahiren, da dieser gar keinen Einflu auf den Willen habe, damit praktische Vernunft (Wille) nicht fremdes Interesse blo administrire, sondern blo ihr eigenes gebietendes Ansehen als oberste Gesetzgebung beweise. So soll ich z. B. fremde Glckseligkeit zu befrdern suchen, nicht als wenn mir an deren Existenz was gelegen wre (es sei durch unmittelbare Neigung, oder irgend ein Wohlgefallen indirect durch Vernunft), sondern blo deswegen, weil die Maxime, die sie ausschliet, nicht in einem und demselben Wollen, als allgemeinen Gesetz, begriffen werden kann.

 

 

Eintheilung aller mglichen Principien der Sittlichkeit aus dem angenommenen Grundbegriffe der Heteronomie

 

Die menschliche Vernunft hat hier, wie allerwrts in ihrem reinen Gebrauche, so lange es ihr an Kritik fehlt, vorher alle mgliche unrechte Wege versucht, ehe es ihr gelingt, den einzigen wahren zu treffen.

Alle Principien, die man aus diesem Gesichtspunkte nehmen mag, sind endweder empirisch oder rational. Die ersteren, aus dem Princip der Glckseligkeit, sind aufs physische oder moralische Gefhl, die zweiten, aus dem Princip der Vollkommenheit, entweder auf den Vernunftbegriff derselben als mglicher Wirkung, oder auf den Begriff einer selbstndigen Vollkommenheit (den Willen Gottes) als bestimmende Ursache unseres Willens gebauet.

Empirische Principien taugen berall nicht dazu, um moralische Gesetze darauf zu grnden. Denn die Allgemeinheit, mit der sie fr alle vernnftige Wesen ohne Unterschied gelten sollen, die unbedingte praktische Nothwendigkeit, die ihnen dadurch auferlegt wird, fllt weg, wenn der Grund derselben von der besonderen Einrichtung der menschlichen Natur, oder den zuflligen Umstnden hergenommen wird, darin sie gesetzt ist. Doch ist das Princip der eigenen Glckseligkeit am meisten verwerflich, nicht blo deswegen weil es falsch ist, und die Erfahrung dem Vorgeben, als ob das Wohlbefinden sich jederzeit nach dem Wohlverhalten richte, widerspricht, auch nicht blo weil es gar nichts zur Grndung der Sittlichkeit beitrgt, indem es ganz was anderes ist, einen glcklichen, als einen guten Menschen, und diesen klug und auf seinen Vortheil abgewitzt, als ihn tugendhaft zu machen : sondern weil es der Sittlichkeit Triebfedern unterlegt, die sie eher untergraben und ihre ganze Erhabenheit zernichten, indem sie die Bewegursachen zur Tugend mit denen zum Laster in eine Classe stellen und nur den Calcul besser ziehen lehren, den specifischen Unterschied beider aber ganz und gar auslschen ; dagegen das moralische Gefhl, dieser vermeintliche besondere Sinn, (so leicht auch die Berufung auf selbigen ist, indem diejenigen, die nicht denken knnen, selbst in dem, was blo auf allgemeine Gesetze ankommt, sich durchs Fhlen auszuhelfen glauben, so wenig auch Gefhle, die dem Grade nach von Natur unendlich von einander unterschieden sind, einen gleichen Mastab des Guten und Bsen abgeben, auch einer durch sein Gefhl fr andere gar nicht gltig urtheilen kann) dennoch der Sittlichkeit und ihrer Wrde dadurch nher bleibt, da er der Tugend die Ehre beweist, das Wohlgefallen und die Hochschtzung fr sie ihr unmittelbar zuzuschreiben, und ihr nicht gleichsam ins Gesicht sagt, da es nicht ihre Schnheit, sondern nur der Vortheil sei, der uns an sie knpfe.

Unter den rationalen oder Vernunftgrnden der Sittlichkeit ist doch der ontologische Begriff der Vollkommenheit (so leer, so unbestimmt, mithin unbrauchbar er auch ist, um in dem unermelichen Felde mglicher Realitt die fr uns schickliche grte Summe auszufinden ; so sehr er auch, um die Realitt, von der hier die Rede ist, specifisch von jeder anderen zu unterscheiden, einen unvermeidlichen Hang hat, sich im Cirkel zu drehen, und die Sittlichkeit, die er erklren soll, ingeheim vorauszusetzen, nicht vermeiden kann) dennoch besser als der theologische Begriff, sie von einem gttlichen, allervollkommensten Willen abzuleiten, nicht blo deswegen weil wir seine Vollkommenheit doch nicht anschauen, sondern sie von unseren Begriffen, unter denen der der Sittlichkeit der vornehmste ist, allein ableiten knnen, sondern weil, wenn wir dieses nicht thun (wie es denn, wenn es geschhe, ein grober Cirkel im Erklren sein wrde), der uns noch brige Begriff seines Willens aus den Eigenschaften der Ehr- und Herrschbegierde, mit den furchtbaren Vorstellungen der Macht und des Racheifers verbunden, zu einem System der Sitten, welches der Moralitt gerade entgegen gesetzt wre, die Grundlage machen mte.

Wenn ich aber zwischen dem Begriff des moralischen Sinnes und dem der Vollkommenheit berhaupt (die beide der Sittlichkeit wenigstens nicht Abbruch thun, ob sie gleich dazu gar nichts taugen, sie als Grundlagen zu untersttzen) whlen mte : so wrde ich mich fr den letzteren bestimmen, weil er, da er wenigstens die Entscheidung der Frage von der Sinnlichkeit ab und an den Gerichtshof der reinen Vernunft zieht, ob er gleich auch hier nichts entscheidet, dennoch die unbestimmte Idee (eines an sich guten Willens) zur nhern Bestimmung unverflscht aufbehlt.

brigens glaube ich einer weitlufigen Widerlegung aller dieser Lehrbegriffe berhoben sein zu knnen. Sie ist so leicht, sie ist von denen selbst, deren Amt es erfordert, sich doch fr eine dieser Theorien zu erklren (weil Zuhrer den Aufschub des Urtheils nicht wohl leiden mgen), selbst vermuthlich so wohl eingesehen, da dadurch nur berflssige Arbeit geschehen wrde. Was uns aber hier mehr interessirt, ist, zu wissen : da diese Principien berall nichts als Heteronomie des Willens zum ersten Grunde der Sittlichkeit aufstellen und eben darum nothwendig ihres Zwecks verfehlen mssen.

Allenthalben, wo ein Object des Willens zum Grunde gelegt werden mu, um diesem die Regel vorzuschreiben, die ihn bestimme, da ist die Regel nichts als Heteronomie ; der Imperativ ist bedingt, nmlich : wenn oder weil man dieses Object will, soll man so oder so handeln ; mithin kann er niemals moralisch, d. i. kategorisch, gebieten. Es mag nun das Object vermittelst der Neigung, wie beim Princip der eigenen Glckseligkeit, oder vermittelst der auf Gegenstnde unseres mglichen Wollens berhaupt gerichteten Vernunft, im Princip der Vollkommenheit, den Willen bestimmen, so bestimmt sich der Wille niemals unmittelbar selbst durch die Vorstellung der Handlung, sondern nur durch die Triebfeder, welche die vorausgesehene Wirkung der Handlung auf den Willen hat ; ich soll etwas thun, darum weil ich etwas anderes will, und hier mu noch ein anderes Gesetz in meinem Subject zum Grunde gelegt werden, nach welchem ich dieses Andere nothwendig will, welches Gesetz wiederum eines Imperativs bedarf, der diese Maxime einschrnke. Denn weil der Antrieb, den die Vorstellung eines durch unsere Krfte mglichen Objects nach der Naturbeschaffenheit des Subjects auf seinen Willen ausben soll, zur Natur des Subjects gehrt, es sei der Sinnlichkeit (der Neigung und des Geschmacks) oder des Verstandes und der Vernunft, die nach der besonderen Einrichtung ihrer Natur an einem Objecte sich mit Wohlgefallen ben, so gbe eigentlich die Natur das Gesetz, welches als ein solches nicht allein durch Erfahrung erkannt und bewiesen werden mu, mithin an sich zufllig ist und zur apodiktischen praktischen Regel, dergleichen die moralische sein mu, dadurch untauglich wird, sondern es ist immer nur Heteronomie des Willens, der Wille giebt sich nicht selbst, sondern ein fremder Antrieb giebt ihm vermittelst einer auf die Empfnglichkeit desselben gestimmten Natur des Subjects das Gesetz.

Der schlechterdings gute Wolle, dessen Princip ein kategorischer Imperativ sein mu, wird also, in Ansehung aller Objecte unbestimmt, blo die Form des Wollens berhaupt enthalten und zwar als Autonomie, d. i. die Tauglichkeit der Maxime eines jeden guten Willens, sich selbst zum allgemeinen Gesetze zu machen, ist selbst das alleinige Gesetz, das sich der Wille eines jeden vernnftigen Wesens selbst auferlegt, ohne irgend eine Triebfeder und Interesse derselben als Grund unterzulegen.

Wie ein solcher synthetischer praktischer Satz a priori mglich und warum er nothwendig sei, ist eine Aufgabe, deren Auflsung nicht mehr binnen den Grenzen der Metaphysik der Sitten liegt, auch haben wir seine Wahrheit hier nicht behauptet, viel weniger vorgegeben, einen Beweis derselben in unserer Gewalt zu haben. Wir zeigten nur durch Entwickelung des einmal allgemein im Schwange gehenden Begriffs der Sittlichkeit ; da eine Autonomie des Willens demselben unvermeidlicher Weise anhnge, oder vielmehr zum Grunde liege. Wer also Sittlichkeit fr Etwas und nicht fr eine chimrische Idee ohne Wahrheit hlt, mu das angefhrte Princip derselben zugleich einrumen. Dieser Abschnitt war also eben so, wie der erste blo analytisch. Da nun Sittlichkeit kein Hirngespinst sei, welches alsdann folgt, wenn der kategorische Imperativ und mit ihm die Autonomie des Willens wahr und als ein Princip a priori schlechterdings nothwendig ist, erfordert einen mglichen synthetischen Gebrauch der reinen praktischen Vernunft, den wir aber nicht wagen drfen, ohne eine Kritik dieses Vernunftvermgens selbst voranzuschicken, von welcher wir in dem letzten Abschnitte die zu unserer Absicht hinlngliche Hauptzge darzustellen haben.

 

 

 

Dritter Abschnitt

bergang von der Metaphysik der Sitten zur Kritik der reinen praktischen Vernunft

 

 

Der Begriff der Freiheit ist der Schlssel zur Erklrung der Autonomie des Willens

 

Der Wille ist eine Art von Causalitt lebender Wesen, so fern sie vernnftig sind, und Freiheit wrde diejenige Eigenschaft dieser Causalitt sein, da sie unabhngig von fremden sie bestimmenden Ursachen wirkend sein kann : so wie Naturnothwendigkeit die Eigenschaft der Causalitt aller vernunftlosen Wesen, durch den Einflu fremder Ursachen zur Thtigkeit bestimmt zu werden.

Die angefhrte Erklrung der Freiheit ist negativ und daher, um ihr Wesen einzusehen, unfruchtbar ; allein es fliet aus ihr ein positiver Begriff derselben, der desto reichhaltiger und fruchtbarer ist. Da der Begriff einer Causalitt den von Gesetzen bei sich fhrt, nach welchen durch etwas, was wir Ursache nennen, etwas anderes, nmlich die Folge, gesetzt werden mu : so ist die Freiheit, ob sie zwar nicht eine Eigenschaft des Willens nach Naturgesetzen ist, darum doch nicht gar gesetzlos, sondern mu vielmehr eine Causalitt nach unwandelbaren Gesetzen, aber von besonderer Art sein ; denn sonst wre ein freier Wille ein Unding. Die Naturnothwendigkeit war eine Heteronomie der wirkenden Ursachen ; denn jede Wirkung war nur nach dem Gesetze mglich, da etwas anderes die wirkende Ursache zur Causalitt bestimmte ; was kann denn wohl die Freiheit des Willens sonst sein als Autonomie, d. i. die Eigenschaft des Willens, sich selbst ein Gesetz zu sein ? Der Satz aber : der Wille ist in allen Handlungen sich selbst ein Gesetz, bezeichnet nur das Princip, nach keiner anderen Maxime zu handeln, als die sich selbst auch als ein allgemeines Gesetz zum Gegenstande haben kann. Dies ist aber gerade die Formel des kategorischen Imperativs und das Princip der Sittlichkeit : also ist ein freier Wille und ein Wille unter sittlichen Gesetzen einerlei.

Wenn also Freiheit des Willens vorausgesetzt wird, so folgt die Sittlichkeit sammt ihrem Princip daraus durch bloe Zergliederung ihres Begriffs. Indessen ist das letztere doch immer ein synthetischer Satz : ein schlechterdings guter Wille ist derjenige, dessen Maxime jederzeit sich selbst, als allgemeines Gesetz betrachtet, in sich enthalten kann, denn durch Zergliederung des Begriffs von einem schlechthin guten Willen kann jene Eigenschaft der Maxime nicht gefunden werden. Solche synthetische Stze sind aber nur dadurch mglich, da beide Erkenntnisse durch die Verknpfung mit einem dritten, darin sie beiderseits anzutreffen sind, unter einander verbunden werden. Der positive Begriff der Freiheit schafft dieses dritte, welches nicht wie bei den physischen Ursachen die Natur der Sinnenwelt sein kann (in deren Begriff die Begriffe von etwas als Ursache in Verhltni auf etwas anderes als Wirkung zusammenkommen). Was dieses dritte sei, worauf uns die Freiheit weiset, und von dem wir a priori eine Idee haben, lt sich hier sofort noch nicht anzeigen und die Deduction des Begriffs der Freiheit aus der reinen praktischen Vernunft, mit ihr auch die Mglichkeit eines kategorischen Imperativs begreiflich machen, sondern bedarf noch einiger Vorbereitung.

 

 

Freiheit mu als Eigenschaft des Willens aller vernnftigen Wesen vorausgesetzt werden

 

Es ist nicht genug, da wir unserem Willen, es sei aus welchem Grunde, Freiheit zuschreiben, wenn wir nicht ebendieselbe auch allen vernnftigen Wesen beizulegen hinreichenden Grund haben. Denn da Sittlichkeit fr uns blo als fr vernnftige Wesen zum Gesetze dient, so mu sie auch fr alle vernnftige Wesen gelten, und da sie lediglich aus der Eigenschaft der Freiheit abgeleitet werden mu, so mu auch Freiheit als Eigenschaft des Willens aller vernnftigen Wesen bewiesen werden, und es ist nicht genug, sie aus gewissen vermeintlichen Erfahrungen von der menschlichen Natur darzuthun (wiewohl dieses auch schlechterdings unmglich ist und lediglich a priori dargethan werden kann), sondern man mu sie als zur Thtigkeit vernnftiger und mit einem Willen begabter Wesen berhaupt gehrig beweisen. Ich sage nun : Ein jedes Wesen, das nicht anders als unter der Idee der Freiheit handeln kann, ist eben darum in praktischer Rcksicht wirklich frei, d. i. es gelten fr dasselbe alle Gesetze, die mit der Freiheit unzertrennlich verbunden sind, eben so als ob sein Wille auch an sich selbst und in der theoretischen Philosophie gltig fr frei erklrt wrde. Nun behaupte ich : da wir jedem vernnftigen Wesen, das einen Willen hat, nothwendig auch die Idee der Freiheit leihen mssen, unter der es allein handle. Denn in einem solchen Wesen denken wir uns eine Vernunft, die praktisch ist, d. i. Causalitt in Ansehung ihrer Objecte hat. Nun kann man sich unmglich eine Vernunft denken, die mit ihrem eigenen Bewutsein in Ansehung ihrer Urtheile anderwrts her eine Lenkung empfinge, denn alsdann wrde das Subject nicht seiner Vernunft, sondern einem Antriebe die Bestimmung der Urtheilskraft zuschreiben. Sie mu sich selbst als Urheberin ihrer Principien ansehen unabhngig von fremden Einflssen, folglich mu sie als praktische Vernunft, oder als Wille eines vernnftigen Wesens von ihr selbst als frei angesehen werden ; d. i. der Wille desselben kann nur unter der Idee der Freiheit zuletzt zurckgefhrt ; diese aber konnten wir praktischer Absicht allen vernnftigen Wesen beigelegt werden.

 

 

Von dem Interesse, welches den Ideen der Sittlichkeit anhngt

 

Wir haben den bestimmten Begriff der Sittlichkeit auf die Idee der Freiheit zuletzt zurckgefhrt ; diese aber konnten wir als etwas Wirkliches nicht einmal in uns selbst und in der menschlichen Natur beweisen ; wir sahen nur, da wir sie voraussetzen mssen, wenn wir uns ein Wesen als vernnftig und mit Bewutsein seiner Causalitt in Ansehung der Handlungen, d. i. mit einem Willen, begabt uns denken wollen, und so finden wir, da wir aus eben demselben Grunde jedem mit Vernunft und Willen begabten Wesen diese Eigenschaft, sich unter der Idee seiner Freiheit zum Handeln zu bestimmen, beilegen mssen.

Es flo aber aus der Voraussetzung dieser Ideen auch das Bewutsein eines Gesetzes zu handeln : da die subjectiven Grundstze der Handlungen, d. i. Maximen, jederzeit so genommen werden mssen, da sie auch objectiv, d. i. allgemein als Grundstze, gelten, mithin zu unserer eigenen allgemeinen Gesetzgebung dienen knnen. Warum aber soll ich mich denn diesem Princip unterwerfen und zwar als vernnftiges Wesen berhaupt, mithin auch dadurch alle andere mit Vernunft begabte Wesen ? Ich will einrumen, da mich hiezu kein Interesse treibt, denn das wrde keinen kategorischen Imperativ geben ; aber ich mu doch hieran nothwendig ein Interesse nehmen und einsehen, wie das zugeht ; denn dieses Sollen ist eigentlich ein Wollen, das unter der Bedingung fr jedes vernnftige Wesen gilt, wenn die Vernunft bei ihm ohne Hindernisse praktisch wre ; fr Wesen, die wie wir noch durch Sinnlichkeit als Triebfedern anderer Art afficirt werden, bei denen es nicht immer geschieht, was die Vernunft fr sich allein thun wrde, heit jene Nothwendigkeit der Handlung nur ein Sollen, und die subjective Nothwendigkeit wird von der objectiven unterschieden.

Es scheint also, als setzten wir in der Idee der Freiheit eigentlich das moralische Gesetz, nmlich das Princip der Autonomie des Willens selbst, nur voraus und knnten seine Realitt und objective Nothwendigkeit nicht fr sich beweisen, und da htten wir zwar noch immer etwas ganz Betrchtliches dadurch gewonnen, da wir wenigstens das chte Princip genauer, als wohl sonst geschehen, bestimmt htten, in Ansehung seiner Gltigkeit aber und der praktischen Nothwendigkeit, sich ihm zu unterwerfen, wren wir um nichts weiter gekommen ; denn wir knnten dem, der uns fragte, warum denn die Allgemeingltigkeit unserer Maxime, als eines Gesetzes, die einschrnkende Bedingung unserer Handlungen sein msse, und worauf wir den Werth grnden, den wir dieser Art zu handeln beilegen, der so gro sein soll, da es berall kein hheres Interesse geben kann, und wie es zugehe, da der Mensch dadurch allein seinen persnlichen Werth zu fhlen glaubt, gegen den der eines angenehmen oder unangenehmen Zustandes fr nichts zu halten sei, keine genugthuende Antwort geben.

Zwar finden wir wohl, da wir an einer persnlichen Beschaffenheit ein Interesse nehmen knnen, die gar kein Interesse des Zustandes bei sich fhrt, wenn jene uns nur fhig macht, des letzteren theilhaftig zu werden, im Falle die Vernunft die Austheilung desselben bewirken sollte, d. i. da die bloe Wrdigkeit, glcklich zu sein, auch ohne den Bewegungsgrund, dieser Glckseligkeit theilhaftig zu werden, fr sich interessiren knne : aber dieses Urtheil ist in der That nur die Wirkung von der schon vorausgesetzten Wichtigkeit moralischer Gesetze (wenn wir uns durch die Idee der Freiheit von allem empirischen Interesse trennen) ; aber da wir uns von diesem trennen, d. i. uns als frei im Handeln betrachten und so uns dennoch fr gewissen Gesetzen unterworfen halten sollen, um einen Werth blo in unserer Person zu finden, der uns allen Verlust dessen, was unserem Zustande einen Werth verschafft, vergten knne, und wie dieses mglich sei, mithin woher das moralische Gesetz verbindet, knnen wir auf solche Art noch nicht einsehen.

Es zeigt sich hier, man mu es frei gestehen, eine Art von Cirkel, aus dem, wie es scheint, nicht heraus zu kommen ist. Wir nehmen uns in der Ordnung der wirkenden Ursachen als frei an, um uns in der Ordnung der Zwecke unter sittlichen Gesetzen zu denken, und wir denken uns nachher als diesen Gesetzen unterworfen, weil wir uns die Freiheit des Willens beigelegt haben ; denn Freiheit und eigene Gesetzgebung des Willens sind beides Autonomie, mithin Wechselbegriffe, davon aber einer eben um deswillen nicht dazu gebraucht werden kann, um den anderen zu erklren und von ihm Grund anzugeben, sondern hchstens nur, um in logischer Absicht verschieden scheinende Vorstellungen von eben demselben Gegenstande auf einen einzigen Begriff (wie verschiedne Brche gleiches Inhalts auf die kleinsten Ausdrcke) zu bringen.

Eine Auskunft bleibt uns aber noch brig, nmlich zu suchen : ob wir, wenn wir uns durch Freiheit als a priori wirkende Ursachen denken, nicht einen anderen Standpunkt einnehmen, als wenn wir uns selbst nach unseren Handlungen als Wirkungen, die wir vor unseren Augen sehen, uns vorstellen.

Es ist eine Bemerkung, welche anzustellen einen kein subtiles Nachdenken erfordert wird, sondern von der man annehmen kann, da sie wohl der gemeinste Verstand, obzwar nach seiner Art durch eine dunkele Unterscheidung der Urtheilskraft, die er Gefhl nennt, machen mag : da alle Vorstellungen, die uns ohne unsere Willkr kommen (wie die der Sinne), uns die Gegenstnde nicht anders zu erkennen geben, als sie uns afficiren, wobei, was sie an sich sein mgen, uns unbekannt bleibt, mithin da, was diese Art Vorstellungen betrifft, wir dadurch auch bei der angestrengtesten Aufmerksamkeit und Deutlichkeit, die der Verstand nur immer hinzufgen mag, doch blo zur Erkenntni der Erscheinungen, niemals der Dinge an sich selbst gelangen knnen. Sobald dieser Unterschied (allenfalls blo durch die bemerkte Verschiedenheit zwischen den Vorstellungen, die uns anders woher gegeben werden, und dabei wir leidend sind, von denen, die wir lediglich aus uns selbst hervorbringen, und dabei wir unsere Thtigkeit beweisen) einmal gemacht ist, so folgt von selbst, da man hinter den Erscheinungen doch noch etwas anderes, was nicht Erscheinung ist, nmlich die Dinge an sich, einrumen und annehmen msse, ob wir gleich uns von selbst bescheiden, da, da sie uns niemals bekannt werden knnen, sondern immer nur, wie sie uns afficiren, wir ihnen nicht nher treten und, was sie an sich sind, niemals wissen knnen. Dieses mu eine, obzwar rohe, Unterscheidung einer Sinnenwelt von der Verstandeswelt abgeben, davon die erstere nach Verschiedenheit der Sinnlichkeit in mancherlei Weltbeschauern auch sehr verschieden sein kann, indessen die zweite, die ihr zum Grunde liegt, immer dieselbe bleibt. Sogar sich selbst und zwar nach der Kenntni, die der Mensch durch innere Empfindung von sich hat, darf er sich nicht anmaen zu erkennen, wie er an sich selbst sei. Denn da er doch sich selbst nicht gleichsam schafft und seinen Begriff nicht a priori, sondern empirisch bekommt, so ist natrlich, da er auch von sich durch den innern Sinn und folglich nur durch die Erscheinung seiner Natur und die Art, wie sein Bewutsein afficirt wird, Kundschaft einziehen knne, indessen er doch nothwendiger Weise ber diese aus lauter Erscheinungen zusammengesetzte Beschaffenheit seines eigenen Subjects noch etwas anderes zum Grunde Liegendes, nmlich sein Ich, so wie es an sich selbst beschaffen sein mag, annehmen und sich also im Absicht auf die bloe Wahrnehmung und Empfnglichkeit der Empfindungen zur Sinnenwelt, in Ansehung dessen aber, was in ihm reine Thtigkeit sein mag, (dessen, was gar nicht durch Afficirung der Sinne, sondern unmittelbar zum Bewutsein gelangt) sich zur intellectuellen Welt zhlen mu, die er doch nicht weiter kennt.

Dergleichen Schlu mu der nachdenkende Mensch von allen Dingen, die ihm vorkommen mgen, fllen ; vermuthlich ist er auch im gemeinsten Verstande anzutreffen, der, wie bekannt, sehr geneigt ist, hinter den Gegenstnden der Sinne noch immer etwas Unsichtbares, fr sich selbst Thtiges zu erwarten, es aber wiederum dadurch verdirbt, da er dieses Unsichtbare sich bald wiederum versinnlicht, d. i. zum Gegenstande der Anschauung machen will, und dadurch also nicht um einen Grad klger wird.

Nun findet der Mensch in sich wirklich ein Vermgen, dadurch er sich von allen andern Dingen, ja von sich selbst, so fern er durch Gegenstnde afficirt wird, unterscheidet, und das ist die Vernunft. Diese, als reine Selbstthtigkeit, ist sogar darin noch ber den Verstand erhoben : da, obgleich dieser auch Selbstthtigkeit ist und nicht wie der Sinn blo Vorstellungen enthlt, die nur entspringen, wenn man von Dingen afficirt (mithin leidend) ist, er dennoch aus seiner Thtigkeit keine andere Begriffe hervorbringen kann als die, so blo dazu dienen, um die sinnlichen Vorstellungen unter Regeln zu bringen und sie dadurch in einem Bewutsein zu vereinigen, ohne welchen Gebrauch der Sinnlichkeit er gar nichts denken wrde, da hingegen die Vernunft unter dem Namen der Ideen eine so reine Spontaneitt zeigt, da sie da durch weit ber alles, was ihr Sinnlichkeit nur liefern kann, hinausgeht und ihr vornehmstes Geschfte darin beweiset, Sinnenwelt und Verstandeswelt von einander zu unterscheiden, dadurch aber dem Verstande selbst seine Schranken vorzuzeichnen.

Um deswillen mu ein vernnftiges Wesen sich selbst als Intelligenz (also nicht von Seiten seiner untern Krfte), nicht als zur Sinnen, sondern zur Verstandeswelt gehrig, ansehen ; mithin hat es zwei Standpunkte, daraus es sich selbst betrachten und Gesetze des Gebrauchs seiner Krfte, folglich aller seiner Handlungen erkennen kann, einmal, so fern es zur Sinnenwelt gehrt, unter Naturgesetzen (Heteronomie), zweitens, als zur intelligibelen Welt gehrig, unter Gesetzen, die, von der Natur unabhngig, nicht empirisch, sondern blo in der Vernunft gegrndet sind.

Als ein vernnftiges, mithin zur intelligibelen Welt gehriges Wesen kann der Mensch die Causalitt seines eigenen Willens niemals anders als unter der Idee der Freiheit denken ; denn Unabhngigkeit von den bestimmenden Ursachen der Sinnenwelt (dergleichen die Vernunft jederzeit sich selbst beilegen mu) ist Freiheit. Mit der Idee der Freiheit ist nun der Begriff der Autonomie unzertrennlich verbunden, mit diesem aber das allgemeine Princip der Sittlichkeit, welches in der Idee allen Handlungen vernnftiger Wesen eben so zum Grunde liegt, als das Naturgesetz allen Erscheinungen.

Nun ist der Verdacht, den wir oben rege machten, gehoben, als wre ein geheimer Cirkel in unserem Schlusse aus der Freiheit auf die Autonomie und aus dieser aufs sittliche Gesetz enthalten, da wir nmlich vielleicht die Idee der Freiheit nur um des sittlichen Gesetzes willen zum Grunde legten, um dieses nachher aus der Freiheit wiederum zu schlieen, mithin von jenem gar keinen Grund angeben knnten, sondern es nur als Erbittung eines Princips, das uns gutgesinnte Seelen wohl gerne einrumen werden, welches wir aber niemals als einen erweislichen Satz aufstellen knnten. Denn jetzt sehen wir, da, wenn wir uns als frei denken, so versetzen wir uns als Glieder in die Verstandeswelt und erkennen die Autonomie des Willens sammt ihrer Folge, der Moralitt ; denken wir uns aber als verpflichtet, so betrachten wir uns als zur Sinnenwelt und doch zugleich zur Verstandeswelt gehrig.

 

 

Wie ist ein kategorischer Imperativ mglich ?

 

Das vernnftige Wesen zhlt sich als Intelligenz zur Verstandeswelt, und blo als eine zu dieser gehrige wirkende Ursache nennt es seine Causalitt einen Willen. Von der anderen Seite ist es sich seiner doch auch als eines Stcks der Sinnenwelt bewut, in welcher seine Handlungen als bloe Erscheinungen jener Causalitt angetroffen werden, deren Mglichkeit aber aus dieser, die wir nicht kennen, nicht eingesehen werden kann, sondern an deren Statt jene Handlungen als bestimmt durch andere Erscheinungen, nmlich Begierden und Neigungen, als zur Sinnenwelt gehrig eingesehen werden mssen. Als bloen Gliedes der Verstandeswelt wrden also alle meine Handlungen dem Princip der Autonomie des reinen Willens vollkommen gem sein ; als bloen Stcks der Sinnenwelt wrden sie gnzlich dem Naturgesetz der Begierden und Neigungen, mithin der Heteronomie der Natur gem genommen werden mssen. (Die ersteren wrden auf dem obersten Princip der Sittlichkeit, die zweiten der Glckseligkeit beruhen.) Weil aber die Verstandeswelt den Grund der Sinnenweit, mithin auch der Gesetze derselben enthlt, also in Ansehung meines Willens (der ganz zur Verstandeswelt gehrt) unmittelbar gesetzgebend ist und also auch als solche gedacht werden mu, so werde ich mich als Intelligenz, obgleich andererseits wie ein zur Sinnenwelt gehriges Wesen, dennoch dem Gesetze der ersteren, d. i. der Vernunft, die in der Idee der Freiheit das Gesetz derselben enthlt, und also der Autonomie des Willens unterworfen erkennen, folglich die Gesetze der Verstandeswelt fr mich als Imperativen und die diesem Princip geme Handlungen als Pflichten ansehen mssen.

Und so sind kategorische Imperativen mglich, dadurch da die Idee der Freiheit mich zu einem Gliede einer intelligibelen Welt macht, wodurch, wenn ich solches allein wre, alle meine Handlungen der Autonomie des Willens jederzeit gem sein wrden, da ich mich aber zugleich als Glied der Sinnenwelt anschaue, gem sein sollen, welches kategorische Sollen einen synthetischen Satz a priori vorstellt, dadurch da ber meinen durch sinnliche Begierden afficirten Willen noch die Idee ebendesselben, aber zur Verstandeswelt gehrigen reinen, fr sich selbst praktischen Willens hinzukommt, welcher die oberste Bedingung des ersteren nach der Vernunft enthlt ; ungefhr so, wie zu den Anschauungen der Sinnenwelt Begriffe des Verstandes, die fr sich selbst nichts als gesetzliche Form berhaupt bedeuten, hinzu kommen und dadurch synthetische Stze a priori, auf welchen alle Erkenntni einer Natur beruht, mglich machen.

Der praktische Gebrauch der gemeinen Menschenvernunft besttigt die Richtigkeit dieser Deduction. Es ist niemand, selbst der rgste Bsewicht, wenn er nur sonst Vernunft zu brauchen gewohnt ist, der nicht, wenn man ihm Beispiele der Redlichkeit in Absichten, der Standhaftigkeit in Befolgung guter Maximen, der Theilnehmung und des allgemeinen Wohlwollens (und noch dazu mit groen Aufopferungen von Vortheilen und Gemchlichkeit verbunden) vorlegt, nicht wnsche, da er auch so gesinnt sein mchte. Er kann es aber nur wegen seiner Neigungen und Antriebe nicht wohl in sich zu Stande bringen, wobei er dennoch zugleich wnscht, von solchen ihm selbst lstigen Neigungen frei zu sein. Er beweiset hiedurch also, da er mit einem Willen, der von Antrieben der Sinnlichkeit frei ist, sich in Gedanken in eine ganz andere Ordnung der Dinge versetze, als die seiner Begierden im Felde der Sinnlichkeit, weil er von jenem Wunsche keine Vergngung der Begierden, mithin keinen fr irgend eine seiner wirklichen oder sonst erdenklichen Neigungen befriedigenden Zustand (denn dadurch wrde selbst die Idee, welche ihm den Wunsch ablockt, ihre Vorzglichkeit einben), sondern nur einen greren inneren Werth seiner Person erwarten kann. Diese bessere Person glaubt er aber zu sein, wenn er sich in den Standpunkt eines Gliedes der Verstandeswelt versetzt, dazu die Idee der Freiheit, d. i. Unabhngigkeit von bestimmenden Ursachen der Sinnenwelt, ihn unwillkrlich nthigt, und in welchem er sich eines guten Willens bewut ist, der fr seinen bsen Willen als Gliedes der Sinnenwelt nach seinem eigenen Gestndnisse das Gesetz ausmacht, dessen Ansehen er kennt, indem er es bertritt. Das moralische Sollen ist also eigenes nothwendiges Wollen als Gliedes einer intelligibelen Welt und wird nur so fern von ihm als Sollen gedacht, als er sich zugleich wie ein Glied der Sinnenwelt betrachtet.

 

 

Von der uersten Grenze aller praktischen Philosophie

 

Alle Menschen denken sich dem Willen nach als frei. Daher kommen alle Urtheile ber Handlungen als solche, die htten geschehen sollen, ob sie gleich nicht geschehen sind. Gleichwohl ist diese Freiheit kein Erfahrungsbegriff und kann es auch nicht sein, weil er immer bleibt, obgleich die Erfahrung das Gegentheil von denjenigen Forderungen zeigt, die unter Voraussetzung derselben als nothwendig vorgestellt werden. Auf der anderen Seite ist es eben so nothwendig, da alles, was geschieht, nach Naturgesetzen unausbleiblich bestimmt sei, und diese Naturnothwendigkeit ist auch kein Erfahrungsbegriff, eben darum weil er den Begriff der Nothwendigkeit, mithin einer Erkenntni a priori bei sich fhrt. Aber dieser Begriff von einer Natur wird durch Erfahrung besttigt und mu selbst unvermeidlich vorausgesetzt werden, wenn Erfahrung, d. i. nach allgemeinen Gesetzen zusammenhngende Erkenntni der Gegenstnde der Sinne, mglich sein soll. Daher ist Freiheit nur eine Idee der Vernunft, deren objective Realitt an sich zweifelhaft ist, Natur aber ein Verstandesbegriff, der seine Realitt an Beispielen der Erfahrung beweiset und nothwendig beweisen mu.

Ob nun gleich hieraus eine Dialektik der Vernunft entspringt, da in Ansehung des Willens die ihm beigelegte Freiheit mit der Naturnothwendigkeit im Widerspruch zu stehen scheint, und bei dieser Wegescheidung die Vernunft in speculativer Absicht den Weg der Naturnothwendigkeit viel gebhnter und brauchbarer findet, als den der Freiheit : so ist doch in praktischer Absicht der Fusteig der Freiheit der einzige, auf welchem es mglich ist, von seiner Vernunft bei unserem Thun und Lassen Gebrauch zu machen ; daher wird es der subtilsten Philosophie eben so unmglich, wie der gemeinsten Menschenvernunft, die Freiheit wegzuvernnfteln. Diese mu also wohl voraussetzen : da kein wahrer Widerspruch zwischen Freiheit und Naturnothwendigkeit ebenderselben menschlichen Handlungen angetroffen werde, denn sie kann eben so wenig den Begriff der Natur, als den der Freiheit aufgeben.

Indessen mu dieser Scheinwiderspruch wenigstens auf berzeugende Art vertilgt werden, wenn man gleich, wie Freiheit mglich sei, niemals begreifen knnte. Denn wenn sogar der Gedanke von der Freiheit sich selbst, oder der Natur, die eben so nothwendig ist, widerspricht, so mte sie gegen die Naturnothwendigkeit durchaus aufgegeben werden.

Es ist aber unmglich, diesem Widerspruch zu entgehen, wenn das Subject, was sich frei dnkt, sich selbst in demselben Sinne, oder in eben demselben Verhltnisse dchte, wenn es sich frei nennt, als wenn es sich in Absicht auf die nmliche Handlung dem Naturgesetze unterworfen annimmt. Daher ist es eine unnachlaliche Aufgabe der speculativen Philosophie : wenigstens zu zeigen, da ihre Tuschung wegen des Widerspruchs darin beruhe, da wir den Menschen in einem anderen Sinne und Verhltnisse denken, wenn wir ihn frei nennen, als wenn wir ihn als Stck der Natur dieser ihren Gesetzen fr unterworfen halten, und da beide nicht allein gar wohl beisammen stehen knnen, sondern auch als nothwendig vereinigt in demselben Subject gedacht werden mssen, weil sonst nicht Grund angegeben werden knnte, warum wir die Vernunft mit einer Idee belstigen sollten, die, ob sie sich gleich ohne Widerspruch mit einer anderen, genugsam bewhrten vereinigen lt, dennoch uns in ein Geschfte verwickelt, wodurch die Vernunft in ihrem theoretischen Gebrauche sehr in die Enge gebracht wird. Diese Pflicht liegt aber blo der speculativen Philosophie ob, damit sie der praktischen freie Bahn schaffe. Also ist es nicht in das Belieben des Philosophen gesetzt, ob er den scheinbaren Widerstreit heben, oder ihn unangerhrt lassen will ; denn im letzteren Falle ist die Theorie hierber bonum vacans, in dessen Besitz sich der Fatalist mit Grunde setzen und alle Moral aus ihrem ohne Titel besessenen vermeinten Eigenthum verjagen kann.

Doch kann man hier noch nicht sagen, da die Grenze der praktischen Philosophie anfange. Denn jene Beilegung der Streitigkeit gehrt gar nicht ihr zu, sondern sie fordert nur von der speculativen Vernunft, da diese die Uneinigkeit, darin sie sich in theoretischen Fragen selbst verwickelt, zu Ende bringe, damit praktische Vernunft Ruhe und Sicherheit fr uere Angriffe habe, die ihr den Boden, worauf sie sich anhauen Will, streitig machen knnten.

Der Rechtsanspruch aber selbst der gemeinen Menschenvernunft auf Freiheit des Willens grndet sich auf das Bewutsein und die zugestandene Voraussetzung der Unabhngigkeit der Vernunft von blo subjectivbestimmen den Ursachen, die insgesammt das ausmachen, was blo zur Empfindung, mithin unter die allgemeine Benennung der Sinnlichkeit gehrt. Der Mensch, der sich auf solche Weise als Intelligenz betrachtet, setzt sich dadurch in eine andere Ordnung der Dinge und in ein Verhltni zu bestimmenden Grnden von ganz anderer Art, wenn er sich als Intelligenz mit einem Willen, folglich mit Causalitt, begabt denkt, als wenn er sich wie ein Phnomen in der Sinnenwelt (welches er wirklich auch ist) wahrnimmt und seine Causalitt uerer Bestimmung nach Naturgesetzen unterwirft. Nun wird er bald inne, da beides zugleich stattfinden knne, ja sogar msse. Denn da ein Ding in der Erscheinung (das zur Sinnenwelt gehrig) gewissen Gesetzen unterworfen ist, von welchen eben dasselbe als Ding oder Wesen an sich selbst unabhngig ist, enthlt nicht den mindesten Widerspruch ; da er sich selbst aber auf diese zwiefache Art vorstellen und denken msse, beruht, was das erste betrifft, auf dem Bewutsein seiner selbst als durch Sinne afficirten Gegenstandes, was das zweite anlangt, auf dem Bewutsein seiner selbst als Intelligenz, d. i. als unabhngig im Vernunftgebrauch von sinnlichen Eindrcken (mithin als zur Verstandeswelt gehrig).

Daher kommt es, da der Mensch sich eines Willens anmat, der nichts auf seine Rechnung kommen lt, was blo zu seinen Begierden und Neigungen gehrt, und dagegen Handlungen durch sich als mglich, ja gar als nothwendig denkt, die nur mit Hintansetzung aller Begierden nach sinnlichen Anreizungen geschehen knnen. Die Causalitt derselben liegt in ihm als Intelligenz und in den Gesetzen der Wirkungen und Handlungen nach Principien einer intelligibelen Welt, von der er wohl nichts weiter wei, als da darin lediglich die Vernunft und zwar reine, von Sinnlichkeit unabhngige Vernunft das Gesetz gebe, imgleichen da er daselbst nur als Intelligenz das eigentliche Selbst (als Mensch hingegen nur Erscheinung seiner selbst) ist, jene Gesetze ihn unmittelbar und kategorisch angehen, so da, wozu Neigungen und Antriebe (mithin die ganze Natur der Sinnenwelt) anreizen, den Gesetzen seines Wollens als Intelligenz keinen Abbruch thun kann, so gar, da er die erstere nicht verantwortet und seinem eigentlichen Selbst, d. i. seinem Willen, nicht zuschreibt, wohl aber die Nachsicht, die er gegen sie tragen mchte, wenn er ihnen zum Nachtheil der Vernunftgesetze des Willens Einflu auf seine Maximen einrumte.

Dadurch, da die praktische Vernunft sich in eine Verstandeswelt hinein denkt, berschreitet sie gar nicht ihre Grenzen, wohl aber wenn sie sich hineinschauen, hineinempfinden wollte. Jenes ist nur ein negativer Gedanke in Ansehung der Sinnenwelt, die der Vernunft in Bestimmung des Willens keine Gesetze giebt, und nur in diesem einzigen Punkte positiv, da jene Freiheit als negative Bestimmung zugleich mit einem (positiven) Vermgen und sogar mit einer Causalitt der Vernunft verbunden sei, welche wir einen Willen nennen, so zu handeln, da das Princip der Handlungen der wesentlichen Beschaffenheit einer Vernunftursache, d. i. der Bedingung der Allgemeingltigkeit der Maxime als eines Gesetzes, gem sei. Wrde sie aber noch ein Object des Willens, d. i. eine Bewegursache, aus der Verstandeswelt herholen, so berschritte sie ihre Grenzen und mate sich an, etwas zu kennen, wovon sie nichts wei. Der Begriff einer Verstandeswelt ist also nur ein Standpunkt, den die Vernunft sich genthigt sieht, auer den Erscheinungen zu nehmen, um sich selbst als praktisch zu denken, welches, wenn die Einflsse der Sinnlichkeit fr den Menschen bestimmend wren, nicht mglich sein wrde, welches aber doch nothwendig ist, wofern ihm nicht das Bewutsein seiner selbst als Intelligenz mithin als vernnftige und durch Vernunft thtige, d. i. frei wirkende, Ursache abgesprochen werden soll. Dieser Gedanke fhrt freilich die Idee einer anderen Ordnung und Gesetzgebung, als die des Naturmechanismus, der die Sinnenwelt trifft, herbei und macht den Begriff einer intelligibelen Welt (d. i. das Ganze vernnftiger Wesen, als Dinge an sich selbst) nothwendig, aber ohne die mindeste Anmaung, hier weiter als blo ihrer formalen Bedingung nach, d. i. der Allgemeinheit der Maxime des Willens als Gesetz, mithin der Autonomie des letzteren, die allein mit der Freiheit desselben bestehen kann, gem zu denken ; da hingegen alle Gesetze, die auf ein Object bestimmt sind, Heteronomie geben, die nur an Naturgesetzen angetroffen werden und auch nur die Sinnenwelt treffen kann.

Aber alsdann wrde die Vernunft alle ihre Grenze berschreiten, wenn sie es sich zu erklren unterfinge, wie reine Vernunft praktisch sein knne, welches vllig einerlei mit der Aufgabe sein wrde, zu erklren, wie Freiheit mglich sei.

Denn wir knnen nichts erklren, als was wir auf Gesetze zurckfhren knnen, deren Gegenstand in irgend einer mglichen Erfahrung gegeben werden kann. Freiheit aber ist eine bloe Idee, deren objective Realitt auf keine Weise nach Naturgesetzen, mithin auch nicht in irgend einer mglichen Erfahrung dargethan werden kann, die also darum, weil ihr selbst niemals nach irgend einer Analogie ein Beispiel untergelegt werden mag, niemals begriffen, oder auch nur eingesehen werden kann. Sie gilt nur als nothwendige Voraussetzung der Vernunft in einem Wesen, das sich eines Willens, d. i. eines vom bloen Begehrungsvermgen noch verschiedenen Vermgens, (nmlich sich zum Handeln als Intelligenz, mithin nach Gesetzen der Vernunft unabhngig von Naturinstincten zu bestimmen) bewut zu sein glaubt. Wo aber Bestimmung nach Naturgesetzen aufhrt, da hrt auch alle Erklrung auf, und es bleibt nichts brig als Vertheidigung, d. i. Abtreibung der Einwrfe derer, die tiefer in das Wesen der Dinge geschaut zu haben vorgeben und darum die Freiheit dreust fr unmglich erklren. Man kann ihnen nur zeigen, da der vermeintlich von ihnen darin entdeckte Widerspruch nirgend anders liege als darin, da, da sie, um das Naturgesetz in Ansehung menschlicher Handlungen geltend zu machen, den Menschen nothwendig als Erscheinung betrachten muten und nun, da man von ihnen fordert, da sie ihn als Intelligenz auch als Ding an sich selbst denken sollten, sie ihn immer auch da noch als Erscheinung betrachten, wo denn freilich die Absonderung seiner Causalitt (d. i. seines Willens) von allen Naturgesetzen der Sinnenweit in einem und demselben Subjecte im Widerspruche stehen wrde, welcher aber wegfllt, wenn sie sich besinnen und wie billig eingestehen wollten, da hinter den Erscheinungen doch die Sachen an sich selbst (obzwar verborgen) zum Grunde liegen mssen, von deren Wirkungsgesetzen man nicht verlangen kann, da sie mit denen einerlei sein sollten, unter denen ihre Erscheinungen stehen.

Die subjective Unmglichkeit, die Freiheit des Willens zu erklren, ist mit der Unmglichkeit, ein Interesse ausfindig und begreiflich zu machen, welches der Mensch an moralischen Gesetzen nehmen knne, einerlei ; und gleichwohl nimmt er wirklich daran ein Interesse, wozu wir die Grundlage in uns das moralische Gefhl nennen, welches flschlich fr das Richtma unserer sittlichen Beurtheilung von einigen ausgegeben worden, da es vielmehr als die subjective Wirkung, die das Gesetz auf den Willen ausbt, angesehen werden mu, wozu Vernunft allein die objectiven Grnde hergiebt.

Um das zu wollen, wozu die Vernunft allein dem sinnlich-afficirten vernnftigen Wesen das Sollen vorschreibt, dazu gehrt freilich ein Vermgen der Vernunft, ein Gefhl der Lust oder des Wohlgefallens an der Erfllung der Pflicht einzuflen, mithin eine Causalitt derselben, die Sinnlichkeit ihren Principien gem zu bestimmen. Es ist aber gnzlich unmglich, einzusehen, d. i. a priori begreiflich zu machen, wie ein bloer Gedanke, der selbst nichts Sinnliches in sich enthlt, eine Empfindung der Lust oder Unlust hervorbringe ; denn das ist eine besondere Art von Causalitt, von der wie von aller Causalitt wir gar nichts a priori bestimmen knnen, sondern darum allein die Erfahrung befragen mssen. Da diese aber kein Verhltni der Ursache zur Wirkung, als zwischen zwei Gegenstnden der Erfahrung an die Hand geben kann, hier aber reine Vernunft durch bloe Ideen (die gar keinen Gegenstand fr Erfahrung abgeben) die Ursache von einer Wirkung, die freilich in der Erfahrung liegt, sein soll, so ist die Erklrung, wie und warum uns die Allgemeinheit der Maxime als Gesetzes, mithin die Sittlichkeit interessire, uns Menschen gnzlich unmglich. So viel ist nur gewi : da es nicht darum fr uns Gltigkeit hat, weil es interessirt (denn das ist Heteronomie und Abhngigkeit der praktischen Vernunft von Sinnlichkeit, nmlich einem zum Grunde liegenden Gefhl, wobei sie niemals sittlich gesetzgebend sein knnte), sondern da es interessirt, weil es fr uns als Menschen gilt, da es aus unserem Willen als Intelligenz, mithin aus unserem eigentlichen Selbst entsprungen ist ; was aber zur bloen Erscheinung gehrt, wird von der Vernunft nothwendig der Beschaffenheit der Sache an sich selbst untergeordnet.

Die Frage also, wie ein kategorischer Imperativ mglich sei, kann zwar so weit beantwortet werden, als man die einzige Voraussetzung angeben kann, unter der er allein mglich ist, nmlich die Idee der Freiheit, imgleichen als man die Nothwendigkeit dieser Voraussetzung einsehen kann, welches zum praktischen Gebrauche der Vernunft, d. i. zur berzeugung von der Gltigkeit dieses Imperativs, mithin auch des sittlichen Gesetzes hinreichend ist, aber wie diese Voraussetzung selbst mglich sei, lt sich durch keine menschliche Vernunft jemals einsehen. Unter Voraussetzung der Freiheit des Willens einer Intelligenz aber ist die Autonomie desselben, als die formale Bedingung, unter der er allein bestimmt werden kann, eine nothwendige Folge. Diese Freiheit des Willens vorauszusetzen, ist auch nicht allein (ohne in Widerspruch mit dem Princip der Naturnotwendigkeit in der Verknpfung der Erscheinungen der Sinnenwelt zu gerathen) ganz wohl mglich (wie die speculative Philosophie zeigen kann), sondern auch sie praktisch, d. i. in der Idee, allen seinen willkrlichen Handlungen als Bedingung unterzulegen, ist einem vernnftigen Wesen, das sich seiner Causalitt durch Vernunft, mithin eines Willens (der von Begierden unterschieden ist) bewut ist, ohne weitere Bedingung nothwendig. Wie nun aber reine Vernunft ohne andere Triebfedern, die irgend woher sonst genommen sein mgen, fr sich selbst praktisch sein, d. i. wie das bloe Princip der Allgemeingltigkeit aller ihrer Maximen als Gesetze (welches freilich die Form einer reinen praktischen Vernunft sein wrde) ohne alle Materie (Gegenstand) des Willens, woran man zum voraus irgend ein Interesse nehmen drfe, fr sich selbst eine Triebfeder abgeben und ein Interesse, welches rein moralisch heien wrde, bewirken, oder mit anderen Worten, wie reine Vernunft praktisch sein knne, das zu erklren, dazu ist alle menschliche Vernunft gnzlich unvermgend, und alle Mhe und Arbeit, hievon Erklrung zu suchen, ist verloren.

Es ist eben dasselbe, als ob ich zu ergrnden suchte, wie Freiheit selbst als Causalitt eines Willens mglich sei. Denn da verlasse ich den philosophischen Erklrungsgrund und habe keinen anderen. Zwar knnte ich nun in der intelligibelen Welt, die mir noch brig bleibt, in der Welt der Intelligenzen, herumschwrmen ; aber ob ich gleich davon eine Idee habe, die ihren guten Grund hat, so habe ich doch von ihr nicht die mindeste Kenntni und kann auch zu dieser durch alle Bestrebung meines natrlichen Vernunftvermgens niemals gelangen. Sie bedeutet nur ein Etwas, das da brig bleibt, wenn ich alles, was zur Sinnenwelt gehrt, von den Bestimmungsgrnden meines Willens ausgeschlossen habe, blo um das Princip der Bewegursachen aus dem Felde der Sinnlichkeit einzuschrnken, dadurch da ich es begrenze und zeige, da es nicht Alles in Allem in sich fasse, sondern da auer ihm noch mehr sei ; dieses Mehrere aber kenne ich nicht weiter. Von der reinen Vernunft, die dieses Ideal denkt, bleibt nach Absonderung aller Materie, d. i. Erkenntni der Objecte, mir nichts als die Form brig, nmlich das praktische Gesetz der Allgemeingltigkeit der Maximen und diesem gem die Vernunft in Beziehung auf eine reine Verstandeswelt als mgliche wirkende, d. i. als den Willen bestimmende, Ursache zu denken ; die Triebfeder mu hier gnzlich fehlen ; es mte denn diese Idee einer intelligibelen Welt selbst die Triebfeder oder dasjenige sein, woran die Vernunft ursprnglich ein Interesse nhme ; welches aber begreiflich zu machen gerade die Aufgabe ist, die wir nicht auflsen knnen.

Hier ist nun die oberste Grenze aller moralischen Nachforschung, welche aber zu bestimmen, auch schon darum von groer Wichtigkeit ist, damit die Vernunft nicht einerseits in der Sinnenwelt auf eine den Sitten schdliche Art nach der obersten Bewegursache und einem begreiflichen, aber empirischen Interesse herumsuche, andererseits aber, damit sie auch nicht in dem fr sie leeren Raum transscendenter Begriffe unter dem Namen der intelligibelen Welt kraftlos ihre Flgel schwinge, ohne von der Stelle zu kommen, und sich unter Hirngespinsten verliere. brigens bleibt die Idee einer reinen Verstandeswelt als eines Ganzen aller Intelligenzen, wozu wir selbst als vernnftige Wesen (obgleich andererseits zugleich Glieder der Sinnenwelt) gehren, immer eine brauchbare und erlaubte Idee zum Behufe eines vernnftigen Glaubens, wenn gleich alles Wissen an der Grenze derselben ein Ende hat, um durch das herrliche Ideal eines allgemeinen Reichs der Zwecke an sich selbst (vernnftiger Wesen), zu welchem wir nur alsdann als Glieder gehren knnen, wenn wir uns nach Maximen der Freiheit, als ob sie Gesetze der Natur wren, sorgfltig verhalten, ein lebhaftes Interesse an dem moralischen Gesetze in uns zu bewirken.

 

 

Schluanmerkung

 

Der speculative Gebrauch der Vernunft in Ansehung der Natur fhrt auf absolute Nothwendigkeit irgend einer obersten Ursache der Welt ; der praktische Gebrauch der Vernunft in Absicht auf die Freiheit fhrt auch auf absolute Nothwendigkeit, aber nur der Gesetze der Handlung en eines vernnftigen Wesens als eines solchen. Nun ist es ein wesentliches Princip alles Gebrauchs unserer Vernunft, ihr Erkenntni bis zum Bewutsein ihrer Nothwendigkeit zu treiben (denn ohne diese wre sie nicht Erkenntni der Vernunft). Es ist aber auch eine eben so wesentliche Einschrnkung eben derselben Vernunft, da sie weder die Nothwendigkeit dessen, was da ist, oder was geschieht, noch dessen, was geschehen soll, einsehen kann, wenn nicht eine Bedingung, unter der es da ist oder geschieht oder geschehen soll, zum Grunde gelegt wird. Auf diese Weise aber wird durch die bestndige Nachfrage nach der Bedingung die Befriedigung der Vernunft nur immer weiter aufgeschoben. Daher sucht sie rastlos das Unbedingt-Nothwendige und sieht sich genthigt, es anzunehmen, ohne irgend ein Mittel, es sich begreiflich zu machen ; glcklich gnug, wenn sie nur den Begriff ausfindig machen kann, der sich mit dieser Voraussetzung vertrgt. Es ist also kein Tadel fr unsere Deduction des obersten Princips der Moralitt, sondern ein Vorwurf, den man der menschlichen Vernunft berhaupt machen mte, da sie ein unbedingtes praktisches Gesetz (dergleichen der kategorische Imperativ sein mu) seiner absoluten Nothwendigkeit nach nicht begreiflich machen kann ; denn da sie dieses nicht durch eine Bedingung, nmlich vermittelst irgend eines zum Grunde gelegten Interesse, thun will, kann ihr nicht verdacht werden, weil es alsdann kein moralisches, d. i. oberstes Gesetz der Freiheit sein wrde. Und so begreifen wir zwar nicht die praktische unbedingte Nothwendigkeit des moralischen Imperativs, wir begreifen aber doch seine Unbegreiflichkeit, welches alles ist, was billigermaen von einer Philosophie, die bis zur Grenze der menschlichen Vernunft in Principien strebt, gefordert werden kann.